Rieger, Carl Heinrich - Über die zwölf kleinen Propheten - Amos - Das sechste Kapitel

Rieger, Carl Heinrich - Über die zwölf kleinen Propheten - Amos - Das sechste Kapitel

Nachdem diese, die des HErrn Tag aus Ungeduld begehrten, weil sie unter dem damaligen Weltlauf zu leiden hatten, ihren Bericht bekommen hatten; so wendet sich die Rede an Diejenigen, die sich weit vom bösen Tag achteten, weil sie im Welt-Genuss überall wohl zukommen konnten. Diese werden nun nachdrücklich angeredet, überzeugend ermahnt, nach ihrem Sinn und Wesen, Tun und Lassen, gründlich beschrieben, aber auch scharf bedroht, und in ihrem jetzigen Übermut beweglich beklagt.

I. Die gewaltige Ansprache heißt:

1. Wehe den Stolzen zu Zion, und denen, die sich auf den Berg Samaria verlassen, die sich rühmen die Vornehmsten über die Heiden, und gehen einher im Hause Israel.

Das kann man wohl wissen, wer zu jeder Zeit die größte Meisterschaft an sich zieht, und also mit einer solchen Anrede gemeint ist.

II. Etwas, das sie noch am leichtesten zum Nachdenken und Überzeugung bringen könnte, wird vorgeschlagen.

2. Geht hin gen Kalne, und schaut, und von dannen gen Hemath, die große Stadt; und zieht hinab gen Gath der Philister, welche bessere Königreiche gewesen sind, denn diese, und ihre Grenze größer, denn eure Grenze.

An Andern lehrt uns GOtt immer; überall im Großen und Kleinen ist Alles voll Fußstapfen, dass Hochmut vor dem Fall komme, dass GOtt den Hoffärtigen widerstehe, den Demütigen Gnade gebe.

III. Ihr Sinn und Wesen, wird genau beschrieben und gerichtet.

3. Die ihr euch weit vom bösen Tage achtet, und trachtet immer nach Frevel Regiment; 4. Und schlaft auf elfenbeinernen Lagern, und treibt Überfluss mit euern Betten; ihr esst die Lämmer aus der Herde, und die gemästeten Kälber; 5. Und spielt auf dem Psalter, und erdichtet euch Lieder, wie David; 6. Und trinkt Wein aus den Schalen, und salbt euch mit Balsam; und bekümmert euch nichts um den Schaden Josephs.

Wer glaubt es aber, dass der HErr so ein genaues Aufsehen habe über den Pracht in Möbeln, über den Überfluss in Essen und Trinken, Missbrauch der Musik, freches und falsches Berufen, auf Davids und andere Schrift Exempel. Wer bedenkt es, wie viel Böses, Lüsternes, Weichliches auf diesem Wege eingeflößt wird, und wie man dadurch so weit vom demütigen Pilgrims Sinn abkommt, und sonderlich so ungeschickt und unlittig wird, das Seufzen der Elenden zu hören. Wie oft ist Josephs Geschichte in der Welt wieder aufgelegt worden: sie warfen Joseph in die Grube und setzten sich nieder zu essen. 1. Mos. 37, 24. 25.

IV. Nun kommt auch die scharfe Drohung:

7. Darum sollen sie nun vorne an gehen unter denen, die gefangen weggeführt werden; und soll das Schlemmen der Pranger aufhören.

Wenn Einen schon sein großer Stand in der Welt vor mancher Beschwerde schützt, so gibt es auch wieder andere Zeiten und Umstände, wo man im Krieg, bei Geiselschaften und dergleichen, mehr nach den Vornehmen und Reichen greift, als nach den Gemeinen.

8. Denn der HErr HErr hat geschworen bei seiner Seele, spricht der HErr, der GOtt Zebaoth: Mich verdrießt die Hoffart Jakobs, und bin ihren Palästen gram; und ich will auch die Stadt übergeben mit allem, was darinnen ist. 9. Und wenn gleich zehn Männer in Einem Haufe überbleiben, sollen sie doch sterben; 10. Dass einen Jeglichen sein Vetter und sein Ohm nehmen, und die Gebeine aus dem Hause tragen muss, und sagen zu dem, der in den Gemächern des Hauses ist: Ist ihrer auch noch mehr da? Und der wird antworten: Sie sind alle dahin. Und wird sagen: Sei zufrieden; denn sie wollten nicht, dass man des HErrn Namens gedenken sollte. 11. Denn siehe, der HErr hat geboten, dass man die großen Häuser schlagen soll, dass sie Risse gewinnen, und die kleinen Häuser, dass sie Lücken gewinnen.

Bei diesen Drohungen ist das schrecklichste, dass man gleich spürt, wie auch unter diesen Gerichten wenig Besserung erreicht, sondern die Menschen in der äußersten Verzweiflung dahin gerissen worden sind; welches die Rede: sie wollten nicht, dass man des HErrn Namens gedenken sollte, zu erkennen gibt. Denn sie zeigt entweder an, dass die Verstorbenen ohne einen Gedanken auf GOtt dahingefahren sind, oder aber, dass der noch einige übrige Teil alles Beten und Sagen von des HErrn Namen für verloren hielt, und in seinem schwierigen Gemütszustand nicht ein Wort weiter mochte an sich bringen lassen. Im ersten Sinn muss es der selige Luther angesehen haben, der andre Sinn aber scheint dem Grundtext näher zu kommen.

V. Zuletzt wird ihr jetziger Übermut und Sicherheit beweglich beklagt.

12. Wer kann mit Rossen rennen, oder mit Ochsen pflügen auf Felsen? Denn ihr wandelt das Recht in Galle, und die Frucht der Gerechtigkeit in Wermut. 18. Und tröstet euch des, das so gar nichts ist, und sprecht: Sind wir denn nicht stark genug mit unseren Hörnern? 14. Darum sieh, ich will über euch vom Hause Israel ein Volk erwecken, spricht der HErr, der GOtt Zebaoth, das soll euch ängsten von dem Ort an, da man gen Hemath geht, bis an den Bach in der Wüste.

Es ist unglaublich, wie sich ein Menschenherz erheben und aufs blasen kann, und wie es sich wohlgefällt, wenn es Manches durchtreibt, was nicht wohl möglich schien; aber auch wie tückisch es seine verlorene Anschläge und vergebliche Bemühungen verbergen und vergessen kann, nur damit es sich und Andre in der schmeichelhaften Beredung erhalte: es ist Alles möglich, man muss sich nur recht angreifen. O was kann einem aber GOttes Hand zuletzt für enge Grenzen setzen!

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autoren/r/rieger_k/12_kleine_propheten/amos/rieger_-_amos_6.txt · Zuletzt geändert: von aj
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