Quandt, Emil - Joel - 5. Der Gerichtstag der Feinde Israels.

Quandt, Emil - Joel - 5. Der Gerichtstag der Feinde Israels.

Kapitel 3,6-22.

St. Petrus, der Pfingstprediger des neuen Testamentes, schreibt in seiner ersten Epistel am vierten: „Es ist Zeit, dass anfange das Gericht am Hause Gottes. So aber zuerst an uns, was will es für ein Ende nehmen mit denen, die dem Evangelio Gottes nicht glauben?“ Joel, der Pfingstprediger des alten Testamentes, hatte in seine Weissagung von dem Pfingsteile Israels die Drohung des Gerichtes über diejenigen verwoben, die der durch den Lehrer zur Gerechtigkeit vermittelten Spendung der Ausgießung des heiligen Geistes widerstreben. Wann aber das widerstrebende Israel schon schrecklichen Gerichten anheimfällt - was will es für ein Ende nehmen, das ist der Fortschritt des prophetischen Gedankengangs, mit den Feinden Israels, mit den Feinden der Kirche? Ein großer und schrecklicher Gerichtstag wird über sie anbrechen. Der Seher schaut ihn im Geiste und berichtet das Geschaute seinem Volke zur Stärkung seines Glaubens an das Heil Gottes, welches kein Feind verkümmern darf. Die Weissagung bewegt sich in alttestamentlichen Bildern; erst die Erfüllung kann lehren, wie weit Bild und Wesen sich decken. Die Erfüllung gehört der Endzeit der Weltgeschichte an, hat aber ihre Vorbilder und Vorspiele durch den ganzen Lauf der Zeiten des Reiches Gottes auf Erden.

V. 6. Denn siehe, in den Tagen und zur selbigen Zeit, wenn ich das Gefängnis Judas und Jerusalems wenden werde.

Das Gefängnis ist so viel als der Zustand des Gefangenseins, die Gefangenschaft, namentlich die Kriegsgefangenschaft. Es wurde von den heidnischen Feinden Israels oft die Maßregel wider Israel angewandt, die besiegten Einwohner Jerusalems wegzuführen in die Sklaverei unter den Heiden. So hatte z. B. Sesak, der König Ägyptens, im fünften Jahre Rehabeams, an Jerusalem gehandelt, so auch die Philister und Araber zur Zeit des Königs Joram. Noch viel allgemeinere Wegführungen in die Gefangenschaft standen dem Volke Israel bevor von Seiten der Assyrer und Chaldäer. Joel aber sieht in eine Zeit, wo das Gefängnis gewendet ist, d. i. wo die Gefangenen durch Gottes allmächtige Hand erlöst und zurückgeführt sind. Offenbar fällt in seinen Gesichten diese Zeit der allgemeinen Wendung des Gefängnisses ihm zusammen mit der Ausgießung des heiligen Geistes, davon er so eben geredet hat. Dann, wenn Israel sich dem heiligen Geiste ganz hingibt, wird für dasselbe die Zeit des vollen messianischen Heils und der herrlichsten Erlösung anbrechen und für die Feinde Israels eine Zeit des Gerichts. Israel hat im Großen und Ganzen den heiligen Geist nicht angenommen, und Gott muss sich bis heute mühsam aus allen Nationen ein Israel sammeln, das er in den Besitz des heiligen Geistes und damit in den Besitz des messianischen Heils einführt die Folge davon ist, dass auch die Gerichte über die Feinde des Volkes Gottes sich verschieben, dass der Tag der Pfingsten und der Tag des Gerichts über die Feinde Israels, die der Prophet zusammenschaut, in der Erfüllung weit auseinander fallen. Dies gilt es, zum Verständnis dieses prophetischen Abschnitts, von vornherein festzuhalten.

V. 7. Will ich alle Heiden zusammenbringen und will hie in das Tal Josaphat hinabführen und will mit ihnen daselbst rechten von wegen meines Volks und meines Erbteils Israel, das sie unter die Heiden zerstreut und sich in mein Land geteilt.

Rechten heißt, Jemand vor Gericht fordern, einen Prozess mit ihnen führen. Das will der große Gott tun mit den Feinden seines Volks, seiner Gläubigen; denn wer das wahre Israel verfolgt, der verfolgt Gott. Darum der Herr den Saulus, der die Gläubigen verfolgte, fragt: Warum verfolgst du mich? Rechten will und wird der Herr mit den Feinden seines Reiches wegen der Unbilden, die sie den Seinigen getan haben; diese Unbilden bestanden in den Tagen des alten Testamentes besonders in der Wegführung in die Gefangenschaft, in der übermütigen Zerstückelung des heiligen Landes; sie haben sich nach der Ausgießung des heiligen Geistes viel schrecklicher offenbart in den Christenverfolgungen grober und feiner Art. Darüber wird Gott mit den Feinden rechten (Notabene, wenn sie selbst sich nicht noch rechtzeitig bekehren und aus Feinden Freunde werden), und zwar wird dieser göttliche Prozess geführt werden im Tale Josaphat, d. h. gleichwie er weiland in dem berühmten Tale rechtete mit den grimmigen Feinden des frommen Josaphat, dessen Name selber bedeutet: „Der Herr richtet“. Josaphat war Judas vierter König (ums Jahr 900 vor Christo), ein echter Sohn Davids. Wider ihn verbündeten sich Moabiter, Ammoniter, Edomiter, Syrer und wälzten sich in ungeheurer Zahl zu einem Vernichtungskrieg über ihn und Juda daher. Josaphat aber setzte sein Vertrauen allein auf den Herrn Herrn, und der Herr ließ seinen Knecht nicht zu Schanden werden, sondern verblendete die Feinde also, dass sie bei dem Schmettern der Trompeten Judas über einander selbst herfielen und sich gegenseitig vernichteten. Diese rächende Gottestat an den Feinden Israels, glorreichen Andenkens, ist dem Propheten das Vorbild des allgemeinen Gottesurteils, das sich in der Endzeit an den Feinden Gottes und des Volkes Gottes vollziehen wird. „Das Tal Josaphat“ ist somit der typische Name für die Stätte des Weltgerichts an den Feinden des Reiches Gottes; aber was sich dem weissagenden Propheten in dem äußeren Umriss des Tales Josaphat anschaulich darstellt, ist in der Erfüllung nicht an ein Tal Palästinas gebunden. Die Juden aber erwarten das Gericht über ihre Feinde noch heute im Tale Josaphat, merkwürdiger Weise aber in einem falschen Tale Josaphat. Während nämlich jenes Tal, wo unter Josaphat das Gericht über mehrere Heidenvölker erging, ungefähr drei Stunden von Jerusalem liegt, in der Wüste von Thekoa, zeigt die jüdische Tradition das Tal Josaphat in der nächsten Nähe des Tempels, an dem hohen Ostrande des Berges Morijah. Viele Juden wandern bis auf den heutigen Tag nach Jerusalem, um dort zu sterben und in dem (angeblichen) Tal Josaphat begraben zu werden; das ganze Tal ist heutzutage ein großes Totenfeld der Juden; an ihren Gräbern aber und auf ihren Grabsteinen kriechen in auffallender Menge die Tausendfüßler, kleine schwarze Tiere, herum, deren bösartiger Biss sehr gefürchtet wird.

V. 8. Und das Los um mein Volk geworfen haben, und haben die Knaben um (Speise, wörtlich: um:) Buhldirnen gegeben und die Mägdlein um Wein verkauft und vertrunken.

Der Gebrauch des Loses war im Altertum, auch bei unsern eignen deutschen Altvordern sehr verbreitet und war namentlich auch bei Verteilung der erbeuteten Kriegsgefangenen in stehender Anwendung. Nach der Verteilung der Beute durch das Los wurde dann mit den Kriegsgefangenen Handel getrieben ohne Zweifel die erste Veranlassung des gräuelvollen Sklavenhandels, der besonders von den Phöniziern im Großen getrieben wurde. Der Prophet spricht von diesem Menschenhandel hier beispielsweise, um mit einem Pinselstriche ein Bild der Vergewaltigung zu geben, die damals die Feinde Israels sich zu Schulden kommen ließen und die Gott an ihnen heimsuchen wird.

V. 9. Und ihr von Zor und Zidon und alle Grenzen der Philister, was habt ihr mit mir zu tun? Wollt ihr mir drohen? Wohlan, trotzt ihr mir; so will ich es euch eilend und bald wieder vergelten auf euren Kopf.

In diesem Verse nennt der Prophet beispielsweise feindliche Heidenvölker und sehr natürlich gerade diejenigen, mit denen Juda bisher schon in besonders schmerzliche feindliche Berührung gekommen war. Zor, d. h. Fels ist Tyrus, von den Tyriern selbst Sarra genannt (wovon das Scharlach, der tyrische Rot den Namen hat). Tyrus war damals der große Stapelplatz des Welthandels zwischen Morgenland und Abendland, eine Doppelstadt, Palätyrus und Inseltyrus, von der die Alten mit Bewunderung reden; der Prophet Hesekiel nennt sie „vollkommen an Schönheit“, griechische Schriftsteller nennen sie „den im blauen Äther schwimmenden Halbmond“. Zidon, gewöhnlich Sidon genannt der Name bedeutet Fischfang war etwa 5 Meilen nördlicher als Tyrus am mittelländischen Meere gelegen und war diejenige phönizische Stadt, die am allerfrühesten zum Ansehen gelangte, daher sie im Buche Josua „die große Sidon“ heißt. Die Grenze der Philister ist so viel als das ganze Ländergebiet der Philister, im Südwesten Judäas, an der Küste des mittelländischen Meeres (das deswegen auch „Meer der Philister“ hieß) gelegen. Wegen ihrer trotzigen, feindseligen, rachsüchtigen Gesinnung gegen das Volk Gottes kündigt ihnen der Prophet die Gerichte Gottes an. Diese Gerichte haben sich bereits erfüllt. Der Herr, der einem Jeden, der sich nicht bekehrt, nach seinen bösen Werken vergilt, hat ihnen vergolten auf ihren Kopf, und ihren Trotz gebrochen. Längst sind die Städte der Philister in Viehweiden verwandelt. Tyrus ist oft zerstört, immer wieder aufgebaut und wieder zerstört; zuletzt hat es ein furchtbares Erdbeben am 1. Januar 1837 in Schutt und Asche gelegt, jetzt ist es ein kümmerliches Dorf Namens Sur. Auch die große Sidon ist zu einem kleinen Marktflecken, Namens Saida, zusammengeschrumpft. Wie es Tyrus und Sidon geht, so wird es allen Feinden Israels gehen ja es wird denjenigen Feinden des Reiches Gottes, die aus dem Volke Gottes entsprungen sind, viel ärger gehen, als Tyrus und Sidon; dafür haben wir das merkwürdige Wort des Herrn Jesu an die Städte Chorazin und Bethsaida Matth. 11,22: „Es wird Tyrus und Sidon erträglicher ergehen am jüngsten Gericht, denn euch!“ Aus diesem Worte des Heilandes lernen wir zugleich, dass, so entsetzlich auch die zeitlichen Gerichte Gottes über die Feinde seines Reichs sein mögen, sie doch alle nur Vorspiele sind von dem, was das Ende der Tage bringen wird.

V. 10. Die ihr mein Silber und Gold und meine schönen Kleinodien genommen und in eure Kirchen gebracht habt.

Aufzählung der Freveltaten der Tyrier und Sidonier. Das Gold und das Silber und die Kleinodien sind die Kostbarkeiten des Tempels Gottes in Jerusalem. Auf ihren Raubzügen erbeuteten die Philister davon Manches und brachten es in ihre „Kirchen“, d. h. in ihre Götzenkapellen. Heutzutage wird von den Feinden des Reiches Gottes ein ähnlicher Kleinodiendiebstahl betrieben. Sie nehmen aus dem Heiligtum der Christen goldene Worte, wie Freiheit, Duldsamkeit, Liebe, und missbrauchen sie zu unheiligen, götzendienerischen Zwecken.

V. 11. Dazu auch die Kinder Judas und die Kinder Jerusalems verkauft habt den Griechen, auf dass ihr sie ja ferne von ihren Grenzen brächtet.

Fortsetzung der Beschreibung der philisterischen Unbilden, die Israel erlitt. Die Philister kauften die kriegsgefangenen Israeliten auf zum Sklavenhandel und verkauften sie den Griechen, wörtlich den Kindern Javans, d. i. Joniens, eines Hauptlandes der Griechen. Die Griechen werden im alten Testament viel seltener erwähnt, als im neuen Testamente, wo sie uns so oft begegnen; sie waren bei dem alten Israel berüchtigt wegen ihres Menschenhandels, man vergleiche Hesekiel 27,13 und 19, wo Luther das Wort des Urtextes Javan hat stehen lassen.

V. 12. Siehe, ich will sie erwecken aus dem Ort, dahin ihr sie verkauft habt, und will es euch vergelten auf euren Kopf.

Der Sinn dieses Verses kehrt Sacharja 9,13 wieder: „Ich will deine Kinder, o Zion, erwecken über deine Kinder, o Griechenland“, d. i. Israel soll sich an den Griechen für die erfahrenen Unbilden rächen. Auf ihren Kopf soll es ihnen vergolten werden, d. i. Gleiches soll ihnen mit Gleichem vergolten werden. Es kann nicht gemeint sein, dass Israel mit den Griechen Menschenhandel treiben sollte; solchen Gräuel belegte ja das Gesetz Mosis mit Todesstrafe, man vergleiche 2 Mose 21,16; 5 Mose 24,7. Es soll hier nur im Allgemeinen gesagt sein: Es wird den Heiden gemessen mit dem Maße, mit dem sie gemessen haben, und ihre Sünde wird ihr Verderben sein. Wenn Gott der Herr also drohend und gewaltig gegen heidnische Sklavenhändler und Sklavenhalter redet, was wird diejenigen treffen, die, auf Christi Namen getauft, den Namen haben, dass sie Christen sind, und doch die armen Neger verhandeln und verwerten wie eingefangene Lasttiere?

V. 13. Und will eure Söhne und eure Töchter wiederum verkaufen durch die Kinder Juda; die sollen sie denen im Reich Arabien verkaufen, denn der Herr hat es geredet.

Man darf auch bei diesem Verse nicht das Wesen mit der Form verwechseln. Der Gedanke ist: Den Feinden Israels soll der Zorn Gottes wegen ihrer Frevel widerfahren; die Einkleidung dieses Gedankens ist der Menschenverkauf. Die Kinder der Feinde sollen von Israel wörtlich den Sabäern, denen im Reiche Arabien einer handeltreibenden arabischen Völkerschaft verkauft werden, d. h. Israel soll an seinen Feinden glänzend gerächt werden. Dass das in einer Weise geschehen muss, bei der Israel sich nicht versündigt, versteht sich von selbst. In der Erfüllung hat denn auch niemals Israel mit den Kindern Griechenlands Handel getrieben; wohl aber ist das griechische Reich mit all' seinem Glanze untergegangen.

Nach dieser Abschweifung auf die überhaupt nur beispielsweise genannten Philister und Griechen kehrt nun der Prophet zurück zur Schilderung des Strafgerichts Gottes über alle Feinde des Volkes Gottes in Ähnlichkeit des einstigen Gerichts im Tale Josaphat.

V. 14. Ruft dies aus unter den Heiden, heiligt einen Streit, erweckt die Starken, lasst herzukommen und hinaufziehen alle Kriegsleute.

Der Prophet stellt sich an, als ob er jenes alte Gottesgericht im Tale Josaphat schildere und schildert doch in Wahrheit das, wofür jenes nur ein schwaches Vorbild war, das zukünftige Weltgericht an den Feinden des Volkes Gottes. In poetischer Lebendigkeit lässt er den heidnischen Anführer selber reden, dass seine Herolde die Völker zusammenrufen sollen zum Streite wider Israel. Der Streit soll geheiligt werden, das klingt wunderbar aus heidnischem Munde; aber die Heiden des Altertums waren in ihrer Art auch fromm und beschämen da Tausende von Namenchristen unsrer Tage; sie wollten ihre Kriege nicht ohne Hilfe ihrer Götter führen; darum heiligten sie nicht nur den Anfang des Kampfes mit Gebeten, Opferspenden und Befragungen ihrer Götter, sondern wiederholten dies auch bei Allem, was während des Krieges von besonderer Wichtigkeit war. Hesekiel 21,21 wird solch' eine heidnische Heiligung des Streites näher beschrieben. Wenn heutzutage manche Soldaten ihr Gesangbuch aus dem Tornister werfen, wenn's in den Krieg geht, und sprechen: „So etwas hört da auf!“ wenn sie lächeln über Kameraden, die vor der Schlacht ihre Knie beugen so sind sie tausendmal ärger, als die ärgsten Heiden.

V. 15. Macht aus euren Pflugscharen Schwerter und aus euren Sicheln Spieße; der Schwache spreche: Ich bin stark!

Der Prophet spricht auch hier noch in der Person des heidnischen Kriegsherrn, der seine Leute anredet, sie zu kriegerischer Begeisterung und zu Mut und Tapferkeit zu entflammen. Die Spieße zu Sicheln machen, ist sonst sprichwörtlich für: den Krieg mit dem Frieden vertauschen. Hier sollen nun umgekehrt aus den Sicheln Spieße, aus den Pflugscharen Schwerter gemacht werden: es soll also aus dem Frieden Krieg werden. Und an dem Kriege soll auch der Schwächste Teil nehmen und sich nicht zu schwach dünken. Man sieht: Es gilt einen großen, allgemeinen Kampf auf Tod und Leben wider das Volk und Reich Gottes.

V. 16. Rottet euch und kommet her, alle Heiden um und um und versammelt euch. Daselbst wird der Herr deine Starken darniederlegen.

Die erste Hälfte dieses Verses gehört noch zu der Rede des Oberanführers der heidnischen Mächte. Die zweite Hälfte aber spricht Joel selbst in eigner Person. Angesichts der unzähligen Heerscharen, die er in seinem prophetischen Gesichte versammelt sieht wider sein Volk, bricht er aus in das Gebet: „Daselbst sende du, Herr, herab deine Starken!“ (So ist der letzte Teil dieses Verses wörtlich zu übersetzen.) Der Herr soll, wie weiland zur Zeit Josaphats, das Gericht über die Feinde ohne menschliches Zutun vollführen, nicht durch seine irdischen, sondern durch seine himmlischen „Starken“, d. i. Helden, die, von oben gesendet, leichtes Spiel haben mit Allem, was hier unten sich stark dünkt.

Gott aber erhört das Gebet seines Knechtes und redet zuerst seinen Knecht Joel, dann seine himmlischen Helden an:

V. 17. Die Heiden werden sich aufmachen und heraufkommen zum Tal Josaphat; denn daselbst will ich sehen zu richten alle Heiden um und um.

Der Herr bezeugt seinem Knechte, dass er seinen Hilferuf gehört habe und ihn erhören wolle. Der Prophet sieht den Herrn des Himmels persönlich herniederfahren ins Tal zum Gericht über die Feinde, und alle seine heiligen Engel mit Ihm. Zu diesen wendet sich der Herr und spricht:

V. 18. Schlagt die Sichel an; denn die Ernte ist reif; kommt herab, denn die Kelter ist voll und die Kelter läuft über; denn ihre Bosheit ist groß.

Diese ganze Anrede ist Gottes und ergeht an seine himmlischen Diener, die seinen Willen tun, an die starken Helden, die seinen Befehl ausrichten. Es gehört auch nach Matth. 13,41 zu den Geschäften der Engel, am Tage des Gerichts zu sammeln, die da Unrecht tun, und sie zu strafen. Das Gericht über die Gottlosen aber erscheint hier, wie Matth. 13 unter dem Bilde der Ernte; die Ernte ist das Ende der Welt. Die Sichel, mit der die reifen Ähren abgeschnitten werden, ist das Bild der Mittel, deren sich Gottes Diener zur Vollziehung des göttlichen Strafurteils über die Gottlosen bedienen; als solches Bild erscheint die Sichel auch Offenb. St. Joh. 14,14, wo sowohl die Weizenernte, d. i. die Gemeinde, mit scharfer Sichel heimgeholt wird, als auch die Trauben des Weinstocks der Erde, d. i. die Kinder der üppig gewordenen Welt. St. Johannes hat sowohl das Bild der Sichel, als das der Trauben aus unserm Verse Joels herübergenommen. Denn auch Joel spricht hier von den Strafgerichten Gottes weiter unter dem Bilde der Kelter, wie die Kufen vom Rebensaft überfließen, so soll das Blut der Gerichteten strömen.

V. 19. Es werden hie und da Haufen Volks sein im Tal des Urteils; denn des Herrn Tag ist nahe im Tal des Urteils.

Das Luthersche „hie und da“ verwirrt den Sinn etwas; es muss heißen: „Haufen an Haufen Volks“ werden da sein, das ganze Tal wird angefüllt sein mit den Feinden, die hier ihr Gericht finden. Das Tal des Urteils oder des Gerichtes ist eben das Tal Josaphat in theologischem, nicht in geographischem Sinne; Josaphat heißt: der Herr richtet. Der Tag des Herrn ist der Tag, an dem Gott das Gericht übt und Alles straft, was sich feindlich gestellt hat gegen das Reich Gottes.

V. 20. Sonne und Mond werden verfinstert, und die Sterne werden ihren Schein verhalten.

Das ist das Gericht, dass diejenigen, die sich beharrlich von der Gnadensonne, wie sie in Israel leuchtet, abgesperrt und gegen das Licht angestürmt haben, in die äußerste, in die ewige Finsternis fahren. Die ewige Finsternis wird eine vom Reiche des Lichtes ausgeschiedene, jenseits alles Lichtes in Nacht gehüllte Stätte sein; die Finsternis am Tage des Gerichts ist noch nicht die ewige Finsternis, aber ein Fingerzeig auf sie, eine Vorstufe zu ihr. Da wird die Sonne schwarz wie ein härener Sack und hängt lichtlos und schreckend am Himmel; da wird der Mond blutrot-düster und die Sterne erbleichen.

V. 21. Und der Herr wird aus Zion brüllen und aus Jerusalem seine Stimme hören lassen, dass Himmel und Erde beben wird. Aber der Herr wird seinem Volke eine Zuflucht sein und eine Feste den Kindern Israel.

Die Stimme des Weltenrichters, die aus Zion und Jerusalem, mitten aus der heiligen christlichen Kirche, darinnen Gott wohnt, erschallen wird, wird verglichen mit der furchtbaren Stimme eines brüllenden Löwen. Der Prophet Amos stellt dies Wort Joels: „Der Herr wird aus Zion brüllen“ an die Spitze seines prophetischen Buches und kennzeichnet Joel damit als einen ebenbürtigen Seher des allerhöchsten Gottes. Das Erbeben von Himmel und Erde ist eines der begleitenden Hauptzeichen des Kommens Gottes zum Gericht. Aber wenn Himmel und Erde und alle Völker der Erde erbeben müssen, wenn der Herr kommt, den Kreis des Erdbodens zu richten mit Gerechtigkeit, Gottes Volk braucht nicht zu erbeben, sondern kann getrost die Häupter aufheben, darum dass seine Erlösung naht. Wie mitten unter den zeitlichen Gerichten, so auch beim letzten Gericht ist der Herr seinem Volk eine Zuflucht und eine Feste den Kindern Israel. Er ist, wie schon Mose sang, unsre Zuflucht für und für. Nur müssen wir auch schon in dieser unsrer Zeit unsre Zuflucht nehmen zu den Fittigen seiner Barmherzigkeit, wenn er unsre Zuflucht sein soll am Ende aller Zeit. Wir müssen uns in der Zeit zu Gottes Volk halten, damit wir am Ende der Zeit als Angehörige des Volkes Gottes den Gerichten entgehen, die seine Feinde treffen.

V. 22. Und ihr sollt es erfahren, dass ich der Herr, euer Gott, zu Zion auf meinem heiligen Berge wohne. Alsdann wird Jerusalem heilig sein, und kein Fremder mehr durch hie wandeln.

Der Prophet schließt diesen Abschnitt von dem Gerichtstage über die Feinde Israels mit einem Hinweis auf die Herrlichkeit Israels nach Vertilgung aller seiner Feinde, eine Herrlichkeit, die er dann im nächsten, dem letzten Abschnitt seines prophetischen Buches noch weiter ausführt. Das Zion und Jerusalem dieses Verses sind nicht mehr auf dieser alten Erde zu suchen, sondern auf der neuen verklärten Erde. Dorthin werden die Erlösten des Herrn kommen mit Jauchzen, wenn alle ihre Feinde, die Feinde des Herrn, zum Schemel seiner Füße gelegt sind. Nach seinem Sieg wird ihn nur heiliges Volk umgeben auf heiliger Erde; kein Gemeines und Unreines wird eingehen in die Stadt mit den goldenen Gassen, kein Unbeschnittener an Fleisch und Geist wird im himmlischen Kanaan wandeln. Selig, wer diese höchste Gnaden- und Herrlichkeitserweisung seines Gottes erfahren wird. Es sollen sie aber alle erfahren, die dem heiligen Geiste folgend durch den Lehrer zur Gerechtigkeit freien Zugang haben zu Gott als seine Kinder.

Die Kinder Israels im Großen und Ganzen sind Feinde geworden, weil sie sich gegen das Evangelium des heiligen Geistes verstockt haben, und gehen hin unter den Gerichten Gottes, der sie in alle Welt zerstreut hat. Wir sind weiland in unsern Vätern nach dem Fleisch Heiden gewesen, Fremde und außerhalb der Bürgerschaft Israels; die wir aber ferne waren, sind nahe geworden durch das Blut Jesu Christi, der die Feindschaft getötet hat durch sich selbst und hat uns zu Bürgern mit den Heiligen und Gottes Hausgenossen gemacht. Ach, dass wir darum täglich anschauten, beides, die Güte und den Ernst Gottes; den Ernst an denen, die gefallen sind, die Güte aber an uns selber, soferne wir an der Güte bleiben sonst werden wir auch abgehauen und verfallen den Gerichten, die Joel in diesem Abschnitt droht. Wer seine Seele retten will, der bete fleißig:

O heil'ger Geist, Du höchstes Gut,
Du allerheilsamster Tröster,
Vor Teufels Gewalt fortan behüt,
Die Jesus Christ erlöst
Durch große Marter und bittern Tod,
Abwend' all' unsern Jamm'r und Not,
Dazu wir uns verlassen.

Amen.

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