Quandt, Emil - Joel - 4. Der Tag der Pfingsten.

Quandt, Emil - Joel - 4. Der Tag der Pfingsten.

Kapitel 3,1-5.

Als einen gewaltigen Bußprediger hatten wir Joel bisher kennen gelernt. Wir könnten ihn nach dem Bisherigen wohl mit St. Johannes dem Täufer vergleichen. Gleichwie dieser seinem Volke Buße predigte und dabei hinwies auf den Größeren nach ihm, auf das Lamm, das der Welt Sünde trägt, so hat Joel in seinen beiden ersten Kapiteln Buße gepredigt und dabei hingewiesen auf „den Lehrer zur Gerechtigkeit“, den Gott seinem Volke am Tage der Erlösung senden werde. Aber Joels Bußpredigt geht über St. Johannis Predigt noch weit hinaus. St. Petrus, da er Buße predigte, damit das Volk den heiligen Geist empfinge, „Tut Buße und lasse sich ein Jeglicher taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünde, so werdet ihr empfangen die Gabe des heiligen Geistes“, Apostelgesch. 2,38 wusste wohl, was er tat, als er seine pfingstliche Bußpredigt mit Worten Joels anhob: Joel war St. Petri eigenstes alttestamentliches Vorbild; er ist nicht nur ein Bußprediger, er ist vor Allem der Pfingstprediger des alten Testamentes.

Seine Pfingstpredigt ist dem neuen Testamente fast vollständig einverleibt und hat dadurch eine ganz besondere Weihe erhalten. Versenken wir uns daher in dieselbe, wie sie in diesem Abschnitte uns vorliegt, mit ganz besonderer Andacht.

V. 1. Und nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Ältesten sollen Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen.

Joel ist der Mund, der Herr aber redet. So möge der Herr denn reden, wir, seine Knechte, wollen hören. Engverbunden mit der Erlösungsweissagung des vorigen Abschnittes ist dieser Abschnitt durch das Wörtlein und. Vom Ausgießen segnenden Regens auf die dürren Fluren war dort die weissagende Rede von einem anderen, tausendmal herrlicheren Ausgießen, von dem des Geistes, wird hier gezeugt. Dieses wunderbare Ausgießen soll stattfinden „nach diesem“. Diese beiden Wörtlein beziehen sich zurück auf das „zuerst“ in 2,23, was Luther mit „wie vorhin“ übersetzt hat. Zuerst kommt der Lehrer zur Gerechtigkeit, Christus Jesus, dem befruchtender Regen vorangeht, nach diesem geschieht die Ausgießung des heiligen Geistes. Von einer Ausgießung des Geistes in der Zukunft ist die Rede; Mitteilungen des heiligen Geistes in spärlicherer Art hatte das Volk des Bundes ja schon zur Zeit Joels manchmal und mancherlei Weise erfahren. In Joel selbst, wie zuvor in Mose und den andern Propheten waltet der heilige Geist; alle Menschen Gottes im alten Bunde haben geredet getrieben vom heiligen Geist. Ja, nicht nur in den erleuchteten Sehern, sondern in allen Frommen des alten Testamentes wohnte irgendwie der heilige Geist, also dass die gefallenen Frommen des alten Testamentes beteten (Ps. 51,13): Verwirf mich nicht von deinem Angesicht und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir. Aber das den Gläubigen vor Christo verliehene Maß des Geistes war ein geringes gegenüber der Geistesoffenbarung, die Gott in der Zukunft schenken wollte. Da sollte der Geist ausgegossen, in Strömen dargereicht werden und zwar allem Fleische. Fleisch ist die menschliche Natur in ihrer Schwachheit und Sündlichkeit; „alles Fleisch“ ist daher so viel als alle Sünder, alle „Sterbliche“. Früher erstreckten sich die Grenzen des Reiches Gottes nicht über diejenigen des auserwählten Volkes hinaus, und auch hier waren es in der Regel nur die Säulen und Würdenträger, mit denen der heilige Geist sich einließ; in der Zukunft wird der entsiegelte Geistesborn seine Ströme in alle Stände und in alle Völker ergießen. Dass das Fleisch, welches den heiligen Geist empfangen will, bußfertig sein und als Fleisch sich erkennen muss, konnte der Prophet hier übergehen, nachdem er in den drei vorangegangenen Abschnitten so ernstlich Buße gepredigt hatte. Es frägt sich nun: Wann ist diese Weissagung Joels von der Ausgießung des heiligen Geistes auf alles Fleisch in Erfüllung gegangen? St. Petrus weist auf das Wunder des Pfingsttages hin und sagt: Das ist es, was Joel zuvor geschrieben hat. Jede Auslegung unserer Weissagung also, die von dem Tage der Pfingsten Umgang nimmt, ist für Jeden, der apostolischem Worte geglaubt, von vorn herein als falsch gekennzeichnet, so die Auslegung jüdischer Gelehrten, die vorgeben, Joel denke an ein besonders reges Walten des heiligen Geistes, das in seinen Tagen eintreten werde und eingetreten sei, so auch die Anwendung, die philosophisch geartete christliche Ausleger von dieser Stelle machen, wenn sie nach der Periode des Sohnes, in der wir dermalen leben sollen, noch eine besondere Periode des heiligen Geistes das sogenannte johanneische Zeitalter erwarten, wo als auf der höchsten Stufe göttlicher Offenbarung der Geist sich erst vollständig allem Fleische kundgeben werde. Allein auch die Auslegung der Kirchenväter, die die Erfüllung der Joelschen Weissagung ausschließlich in dem abgegrenzten Zeitpunkt der ersten Pfingsten finden, ist bedenklich. Der alte lutherische Kirchenlehrer Calov wird das Richtige treffen, wenn er sagt: „Wiewohl am ersten Pfingstfeste Joels Weissagung in ausgezeichneter Weise sich zu erfüllen anfing, so bezieht sie sich doch nicht bloß auf jenes Pfingstwunder, sondern auf die ganze Zeit und den ganzen Zustand des neuen Testamentes, nach der Weise der andern allgemeinen Verheißungen.“ Jede Taufe eines Christenkindes, bei welcher Gott nach seiner Barmherzigkeit über dasselbe seinen heiligen Geist reichlich ausgießt; jede Erhörung des Christengebets: „ heil'ger Geist, kehr' bei uns ein und lass uns deine Wohnung sein“ ist eine Erfüllung des Joelschen Wortes: Ich will meinen Geist ausgießen über alles Fleisch. Welche Wirkungen die Ausgießung des Geistes nach sich ziehen wird, schildert der Prophet in den Worten: Eure Söhne und Töchter sollen weissagen usw. Bei dem Worte „weissagen“ denken die Christen unsrer Tage gewöhnlich an ein Vorhersagen zukünftiger Dinge, aber das ist nicht, wenigstens nicht allein der biblische Verstand des Wortes. Der allgemeine biblische Begriff des Wortes „weissagen“ ist: aus göttlicher Erleuchtung und unter göttlichem Einfluss reden. So weissagten jene siebzig Ältesten 4 Mose 11,25, und Mose wünschte: Wollte Gott, dass alle das Volk des Herrn weissagte und der Herr seinen Geist über sie gäbe.

Dieser Wunsch des Mannes Gottes Mose ist seit dem Tage der Pfingsten durch die Tage des neuen Testamentes hindurch reichlich in Erfüllung gegangen. Jede Predigt des Evangeliums in Geist und Glauben, jede geistgesalbte Unterredung gläubiger Christenleute über das Eine, was not ist, ist solches Weissagen. Ist das Weissagen die ordentliche Wirkung des heiligen Geistes, so bezeichnet das Träume haben und Gesichte sehen die außerordentliche Wirkung desselben. Der Prophet nennt die beiden Arten, in denen sich der heilige Geist außerordentlicher Weise im alten Testamente bekundete: wie die Kundgebung des heiligen Geistes durch Träume zu verstehen ist, lehrt Luther, wenn er sagt: „Ein rechtschaffener Traum ist, welchen Gott gibt und also gibt, dass, der ihn hat, gewiss merkt und versteht, dass es von Gott sei. Denn man muss die Träume nicht gar verwerfen, weil die Exempel so stark daliegen. Sie müssen aber also gestaltet sein, dass sie dem Glauben ähnlich seien. Wie man aber wisse, ob's Gott eingegeben habe oder der Teufel, kann man nicht durch Lehre angeben, sondern die Erfahrung muss es lehren“. Gesichte waren Anschauungen im Zustande der Entzückung, wie sie Joel selber hatte, da er von den zukünftigen Tagen Bilder sah. Als St. Petrus diese Weissagung auf die Pfingstereignisse deutete, waren weder Träume, noch Gesichte da; wir merken also, dass es bei diesen Worten Joels nicht auf die Formen außerordentlicher Geisteswirkung ankommt, sondern auf diese Wirkung selbst, welche Form sie sich immer geben möge. Am Tage der Pfingsten gab sie sich die Form des Zungenredens, und im Laufe der neutestamentlichen Gnadenzeit ist das Außerordentliche überhaupt mehr zurückgetreten und hat dem Ordentlichen Platz gemacht. Und dies, das Wehen und Wirken des heiligen Geistes durch Wort und Sakrament, ist auch und bleibt die Hauptsache für Söhne und Töchter, für Alt und Jung, und Luther sagt daher zu unsrer Stelle mit Recht: „Was sind die andern Gaben allzumal gegen diese Gabe, dass der Geist Gottes selbst, der ewige Gott, herunterkommt in unsre Herzen, ja in unsre Leiber und wohnt in uns, regiert, leitet und führt uns! So ist nun, was diesen Spruch des Propheten hie belangt, Prophezeiung, Gesicht, Träume Ein Ding, nämlich die Erkenntnis Gottes durch Christum, welche der heilige Geist durch das Wort des Evangelii anzündet und brennend macht.“ Nicht Alle empfangen unmittelbare Gottesoffenbarungen, wohl aber nimmt der heilige Geist Alle, Alte und Junge, Gelehrte und Ungelehrte, Hohe und Niedere in seine Bearbeitung, um sie des neuen Lebens teilhaftig zu machen: das ist der tiefste Sinn unsrer Joel-Weissagung, nach welchem sie sich durch alle Zeiten der heiligen Kirche Christi erfüllt hat und erfüllt.

V. 2. Auch will ich zur selbigen Zeit beides über Knechte und Mägde meinen Geist ausgießen.

Das ist einmal eine bestätigende Wiederholung der göttlichen Aussage im vorangegangenen Verse, des Sinnes: „Die Ausgießung des heiligen Geistes, ich sage es noch einmal, wird sicherlich eintreten.“ Sodann aber auch eine Vergrößerung und eine Beschränkung der Pfingstverheißung zugleich. Eine Vergrößerung, insofern der heilige Geist nicht nur wie im vorigen Verse jedem Geschlecht und Alter, sondern auch jedem Stande verheißen wird; Knechte und Mägde bilden den untersten Stand; fleischlicher Sinn konnte auf den Gedanken kommen, nur die höheren Stände seien der Auszeichnung durch den heiligen Geist würdig; wie verachteten doch die Obersten in Israel zur Zeit Christi das Volk und sprachen: Das Volk, das nichts vom Gesetz weiß, ist verflucht! Aber die Schrift sagt, dass das verheißene Gut des heiligen Geistes auch den Knechten und Mägden zu Gute kommen soll, auch den Armen soll das Evangelium gepredigt werden. Eine Beschränkung der Pfingstverheißung liegt in diesem Verse, insofern wir mit St. Petro herauslesen, dass Gott überhaupt nur auf seine Knechte und Mägde seinen Geist geben will; auch die Obersten müssen erst Gottes Knechte geworden sein, wenn sie den heiligen Geist empfangen sollen; der heilige Geist wird nur dem Fleische zu Teil, das in Gehorsam der Buße und des Glaubens in Gottes Kindschaft eingeht.

So weit geht die Rede Joels von der Gottestat der Ausgießung des heiligen Geistes. Es schließt sich nun daran aufs Engste an eine Weissagung von Wundern und Zeichen der allmächtigen Hand Gottes an Himmel und Erde:

V. 3. Und will Wunderzeichen geben im Himmel und auf Erden; nämlich Blut, Feuer und Rauchdampf.

Gott will alles Fleisch mit seinem Geiste taufen aber wer den Geist verschmäht, soll mit den Feuern des Zornes Gottes getauft werden. Der Zorn Gottes wird sich an den Verächtern seines Heils am jüngsten Tage am schrecklichsten offenbaren (V. 4) und dass dieser Tag des Zornes gewiss kommen wird, dafür bürgen seine Vorzeichen. Die Vorzeichen schildert der Prophet zuerst. Wunderzeichen werden diese Vorzeichen sein, d. i. unbegreifliche, außerordentliche Taten Gottes-Erscheinungen, die nur aus der Einwirkung übernatürlicher Kräfte abgeleitet werden können. Die Welt lächelt über Wunder und meint, es habe weder jemals Wunder gegeben, noch werde es deren in Zukunft geben; aber einer ihrer eigenen Propheten, Jean Jacques Rousseau, sagt: „Es ist gotteslästerlich, die Möglichkeit der Wunder zu leugnen, und wer es tut, verdient eingesperrt zu werden.“ Gott will sich mit den Wundern, die dem jüngsten Tage vorangehen, Gehör erringen, dass man sich dem heiligen Geiste hingebe, ehe das Gewitter des Zornes sich entlädt. Wenn Joel von diesen Wunderzeichen sagt, sie würden geschehen am Himmel und auf Erden, nämlich Blut, Feuer und Rauchdampf, so deutet er damit einmal die Allgemeinheit, sodann die Schrecklichkeit der Strafwunder der Zukunft an. Nicht nur die nächsten, irdischen Naturmächte, auch die entfernteren himmlischen wird Gott in Bewegung setzen; die ganze alte Erde unter dem ganzen alten Himmel wird der Schauplatz außerordentlicher Offenbarungen der richtenden Gerechtigkeit Gottes sein, gleichwie der Heiland spricht Luk. 21: „Es werden Zeichen geschehen an der Sonne, Mond und Sternen; und auf Erden wird den Leuten bange sein und werden zagen, und das Meer und die Wasserwogen werden brausen; und die Menschen werden verschmachten vor Furcht und Warten der Dinge, die kommen sollen auf Erden, denn auch der Himmel Kräfte sich bewegen werden.“ Blut, Feuer und Rauchdampf sind einige Proben dieser Zeichen an Himmel und Erde. Blut ist so viel als Blutvergießen, ein Merkmal der Kriege, die die Erde verwüsten; Feuer sind entweder feurige Erscheinungen am Himmel. oder Feuersbrünste auf Erden. Rauch dampf können dicke, rauchähnliche Wolken sein, die die Atmosphäre verdüstern, oder Dünste, die von dem auf der Erde wütenden Feuer aufsteigen.

V. 4. Die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des Herrn kommt.

Die blutige Röte des Mondes ist im Zusammenhang wohl auf die Bedeckung desselben durch Dünste zurückzuführen; die Verfinsterung der Sonne und des Mondes werden in der Schrift an unzähligen Stellen unter den dem großen Tage des Herrn vorangehenden und ihn begleitenden Naturerscheinungen genannt. Auch unser Prophet 2,10 hatte das schon einmal berührt. Der große und schreckliche Tag ist das Gerichts-Gegenbild des pfingstlichen Gnadentages, der Tag der Vollendung der Gerichte Gottes. Ehe dieser Tag kommt, sollen die genannten Zornwunder und Schreckenszeichen eintreten. Sie waren in Vorspielen schon eingetreten, als St. Petrus zu Pfingsten seine erste apostolische Predigt hielt; all' die Erscheinungen bei dem Tode Christi, die Verfinsterung der Sonne, das Erbeben der Erde, das Zerreißen der Felsen waren Erklärungen des göttlichen Zornes über ein Geschlecht, das dem heiligen Geiste widerstrebte, und wurden als solche auch erkannt von denen, denen ihr böses Gewissen diese göttliche Zeichensprache deutete als eine Sprache höchsten göttlichen Missfallens über die Sünde der Messiasmörder Luk. 23,48: „Und alles Volk, das dabei war und zusah, da sie sahen, was da geschah, schlugen sie an ihre Brust und wandten wieder um.“ Noch mehr ging, was in unsern Versen geweissagt ist, bei der Zerstörung Jerusalems in Erfüllung. Weil Jerusalem nicht erkannt hatte, was zu seinem Frieden diente, weil es dem heiligen Geiste beharrlich widerstrebt hatte, so erfüllten Blut, Feuer und Rauchdampf die heilige Stadt; das Blut floss in den Gassen in Strömen, das Feuer verbrannte den heiligen Tempel, und der Qualm des Feuers verdüsterte die Sonne, und über den Blutlachen der Stadt wurde der Schein des Mondes blutigrot. Und immer wieder und wieder erfüllt sich Joels Schreckens-Weissagung durch den ganzen Lauf der Weltgeschichte an allen Verächtern des Geistes der Gnade; alles Blut und Feuer der Kriege und der Revolutionen, aller Rauchdampf verbrannter Fluren und eingeäscherter Städte sind Gerichtsflammen und Gerichtszeichen. Aber was in der Weltgeschichte sich nur stückweise und in einzelnen Gerichten verwirklicht, wird zuletzt in das Endgericht auslaufen; denn nicht die Weltgeschichte, sondern der jüngste Tag ist das Weltgericht. In den Wehen des Himmels und der Erde, die diesem Tage dicht voraufgehen, werden Joels Drohungen die buchstäblichste und großartigste Erfüllung finden.

Warum denn aber seht der heilige Prophet die trostreiche Weissagung von der Ausgießung des heiligen Geistes in die nächste Verbindung mit der Drohung von den Schrecken am Tage des Gerichts und der Vollendung? Und warum lässt auch St. Petrus den zweiten, furchtbaren Teil der Weissagung nicht weg, sondern predigt beides, die Gnade der Pfingsten und das Verderben des jüngsten Tages? Ei, beide, der Prophet und der Apostel, wollen durch die Drohung hinzuschrecken zu der Verheißung, welche allein „von dem gedrohten Gerichte befreien konnte“, wie Einer sehr treffend sich ausgedrückt hat. Es ist mit angebotenen Gaben des allmächtigen Gottes eben anders, als mit Gaben von Menschenhand. Du kannst die Güter, die dir ein gütiger Mensch anbietet, ablehnen und verschmähen, es schadet dir nicht. Aber wenn Gott dir seinen heiligen Geist anbietet und du nimmst ihn nicht, so lädst du ewiges Unheil auf dein Leben, und du erfährst: Wer nicht hat, den angebotenen Geist nicht hat, von dem wird auch genommen, das er hat. Wer dem heiligen Geiste sein Herz verschließt, dem bleibt das Herz nicht leer und unbewohnt, sondern der Teufel nimmt davon Besitz; wer den Himmel verschmäht, der kann sich nicht einen Ort außerhalb der Schöpfung zur ewigen Bleibestätte aussuchen, sondern der fährt in die Hölle. Darum müssen die Pfingstprediger immer zugleich Gerichtsprediger sein; darum müssen die Zeugen der Gnade Gottes über die Bußfertigen immer zugleich zeugen von seinem Zorne über die Unbußfertigen, damit, wen die Gnade nicht locke, der Zorn schrecke, damit, wen der Himmel nicht zieht, die Hölle ängstige. St. Petri, da er zur Pfingstverheißung Joels auch seine Gerichtsdrohung hinzufügte, ist es gelungen, durch Joels Drohung ihrer Etliche zu Joels Verheißung „hinzuschrecken“. Möge der Betrachtung und Auslegung der Joelschen Drohung an unsern Herzen dasselbe gelingen, dass wir uns fürchten vor dem Zorne des Allmächtigen und seine Gnade ergreifen in dieser unsrer Zeit und beten:

Geist, den wir empfangen
Vom Vater und vom Sohn,
Der Du bist ausgegangen
Von Christi Himmelsthron,
Komm, nimm Dich unser an,
Komm, mache uns lebendig,
Komm, heile uns inwendig,
Führ' uns auf eb‘ner Bahn.

V. 5. Und soll geschehen, wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll errettet werden. Denn auf dem Berge Zion und zu Jerusalem wird eine Errettung sein, wie der Herr verheißen hat; auch bei den andern Übrigen, die der Herr berufen wird.

Nun senkt der Prophet wieder den drohend aufgehobenen Finger und redet zum Volke seiner und aller Zeiten wieder mit freundlichen Lippen. So groß und schwer auch die Gerichte Gottes sind, es gibt, wie für alle Zeit, so auch für die letzte Zeit, ein sicheres Mittel, zu entfliehen dem Allem, was geschehen soll: die Anrufung des Namens des Herrn. Was für eine Anrufung gemeint sei, macht am klarsten die Auslegung St. Pauli, welcher dieses Schlusswort der Pfingstweissagung gleich Petro anzieht. St. Paulus sagt: „Es ist Aller zumal Ein Herr, reich über Alle, die Ihn anrufen. Denn wer den Namen des Herrn wird anrufen, soll selig werden. Wie sollen sie aber anrufen, an den sie nicht glauben?“ Röm. 10,12-14. Demnach ist die Anrufung des Namens des Herrn für Jeden ohne Unterschied ein Mittel zur Seligkeit, aber nur diejenige Anrufung, die kein äußerliches Werk ist, sondern der äußere Ausdruck des inwendigen herzlichen Glaubens an den Namen des Herrn. Der Name Gottes ist der äußere Ausdruck seines inwendigen verborgenen Wesens; sein Name gibt sein Wesen an; wie er heißt, so ist er auch. Den Namen des Herrn anrufen ist also nichts Anderes, als mit ganzer Seele den großen Gott umfassen und Heil und Hilfe von Ihm begehren. Die das tun, denen hilft Er auch; denn Gott ist nahe Allen, die Ihn anrufen. Aus eigener Vernunft und Kraft aber kann man an Gottes Namen weder glauben, noch ihn anrufen; man bedarf dazu den Geist des Glaubens und des Anrufens, und diesen verleiht nur der heilige Geist; diesem heiligen Geist, den der Prophet in zukünftigen Zeiten reichlich ausgegossen schaut, will er auch im Schlusswort seiner Pfingstweissagung die Gemüter zuwenden. Es wehet und waltet aber der heilige Geist in der Kirche Jesu Christi, die sein Wort und Sakrament hat. Sie ist daher der Ort der Errettung für Jedermann in den letzten Tagen, d. h. in den Tagen von Christo an, in den Zeiten des neuen Testamentes. Der Prophet zwar sagt: Denn auf dem Berge Zion und zu Jerusalem wird eine Errettung sein. Statt „Errettung“ heißt es wörtlich, „Gerettetes“, nämlich „gerettetes Volk“. Joel schaut also die in allen Gerichten der Zukunft und in den Endgerichten geretteten gläubigen Anrufer des Namens des Herrn auf dem Berge Zion und zu Jerusalem. Aber Zion und Jerusalem kommen hier, wie so oft in der heiligen Schrift, nicht nach ihrer geographischen, sondern nach ihrer religiös-symbolischen Bedeutung in Betracht, wonach sie eben die Kirche des Herrn, in der Gott im neuen Testamente wohnt, wie er einst auf Zion wohnte, bedeuten und versinnbilden. Durch eine Wallfahrt in das heilige Land und in die heilige Stadt und durch ein äußerliches Gebet auf Zion wird kein Mensch selig; und es ist eitle Sektiererei, wenn manche württembergische Christen sich zu der sogenannten Gesellschaft für Sammlung des Volkes Gottes in Palästina halten, deren Zweck ist eine großartige Auswanderung von Gläubigen aus allerlei Volk nach dem heiligen Lande. herbeizuführen. Die heilige christliche Kirche, das ist das rechte Zion, die Gemeinschaft, die sich auf Gottes Wort und Sakrament gründet, das ist das wahre Jerusalem. Zur christlichen Kirche, zum Volk der Gläubigen, das den heiligen Geist in den Gnadenmitteln und in den Herzen hat, muss sich halten, wer getrost und mit aller Zuversicht Ruhe vor aller Angst, und Gewissheit seiner Errettung haben will. Wie der Herr verheißen hat, sagt Joel. Die Rede des Herrn in diesem Pfingstabschnitt ist allmählig und unmerklich in Rede des Propheten übergegangen; es liegt aber dem Propheten daran, den Gläubigen die überaus trostreiche Verheißung von der Errettung unter allen Gerichten recht fest und sicher zu machen, darum schiebt er ein: Wie der Herr verheißen, wie er versprochen hat. An eine Verweisung auf ähnliche Errettungs-Verheißungen Gottes bei andern Propheten ist hier nicht zu denken. Auch bei den andern Übrigen, die der Herr berufen wird - heißt, wörtlich übersetzt: Und unter den Verschonten ist, wen der Herr beruft. Diese Verschonten in den Schlussworten sind keine Andern, als die vorher Anrufer des Namens Gottes und gerettetes Volk hießen; die den Herrn anrufen, find zugleich diejenigen, die der Herr beruft, nämlich die er durch seinen heiligen Geist aus den Schrecken der Völkergerichte unter die Flügel seiner Barmherzigkeit beruft und die feine Berufung nicht verschmähen, sondern ihr willig Folge geben. So schließt die pfingstliche Rede Joels. Der Pfingstprediger des neuen Testamentes St. Petrus schließt sein Zitat aus Joel schon mit den Anfangsworten dieses letzten Verses: „Es soll geschehen, wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll errettet d. i. selig werden“; die Errettung auf dem Berge Zion und zu Jerusalem brauchte er nicht mehr zu erwähnen, sie stand ja in der ebengegründeten christlichen Kirche, in ihm selbst und seinen geistgetauften Mitaposteln lebendig und leibhaftig vor den Augen seiner Hörer da; es klingt aber auch die zweite Hälfte unseres Joelverses in Petri Predigt hinterher durch, wenn er sagt: „Euer und euer Kinder ist diese Verheißung und Aller, die ferne sind, welche Gott, unser Herr, herzurufen wird.“ Und dieses Wort Petri von dem Herzugerufenwerden auch derer, die ferne sind, macht denn noch zum Händegreifen klar, dass unser ganze prophetische Abschnitt nicht für Israel nach dem Fleisch, sondern allein für Israel nach dem Geist Verheißung und Trost gewährt, für das Israel, das der Herr sich sammelt durch alle Jahrhunderte der Kirche aus aller Welt Völkern und Geschlechtern. In der weiten, weiten Welt geht nur verloren, wer dem heiligen Geiste beharrlich widerstrebt; aber die da glauben und sich taufen lassen mit dem heiligen Geiste und im Glauben bis aus Ende beharren, werden selig als das auserwählte Volk des großen Gottes.

Wohl uns, wenn auch wir uns retten lassen durch den Geist, der uns in die Errettung ruft. Immer gewaltiger werden Gottes Gerichte und immer näher kommt das Ende: darum ist immer brünstiger der Name Gottes anzurufen, des Gottes, der sich am vollkommensten durch den Lehrer zur Gerechtigkeit, durch Jesum Christum, offenbart hat; denn es ist in keinem Andern Heil, ist auch kein andrer Name den Menschen gegeben worden zum Seligwerden, als allein der Name Jesu. Amen.

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