Passavant, Theophil - Abraham und Abraham's Kinder - 5. Welchem Gotte dienest du?
Komm, wir wollen etwas näher in Abrahams Leben eintreten; wollen ihm eine Zeit auf seinem Wege nachgehen, und seine Schicksale anschauen, seines Glaubens Proben.
Sein Vater Tharah wohnete in Mesopotamien, in jenen schönen weiten Gegenden Groß-Asiens, und zwar zuerst in Ur in Chaldäa, dann in Haran südlicher, von wannen sich die Gegend bald immer südlicher nach Syrien und Palästina hinabzieht. Tharah zeugete Abram, Nahor und Haran; aber Haran zeugete Lot, und starb vor seinem Vater Tharah, in seinem Vaterlande zu Ur in Chaldäa. Da nahmen Abram und Nahor Weiber: Abrams Weib hieß Sarai. Aber Sarai war unfruchtbar, und hatte kein Kind. Da nahm, heißt es, Tharah seinen Sohn Abram und Lot, seines Sohnes Haran Sohn, und seine Schnur Sarai, seines Sohnes Abram Weib, und führete sie aus von Ur in Chaldäa, daß er ins Land Canaan zöge; und sie kamen gen Haran, und wohnten daselbst. C. 11. Nun aber, dienete Tharah sammt den Seinigen andern Göttern (Jos. 24,2.); Abram aber dienete ihnen nicht. Wie die Menschen nach und nach in ihrem Undanke aufhörten, des Gottes ihrer Väter zu gedenken, und Ihn als einen Gott zu preisen (Röm. 1,21.), scheuten sie sich doch, und auch die Stolzen und die Starken, als arme Geschöpfe, Ohnmacht und Staub, Leute des Todes im Erdenstaube, vor sichtbaren und vor unsichtbaren Machten und Schrecken, und wurden innerlich lange begleitet und verfolgt von dem dumpfen Nachhalle, der unwillkührlichen stillen Erinnerung eines verlorenen und unbekannten Gottes, sintemal wir doch eines Gottes bedürfen auf dieser Erde, im Leben, im Sterben, und nur ein Gott uns geben kann, was Leib und Seele begehren, was sie bedürfen hier und auch dort: - Tiefes, unabweisliches Grundgefühl des Menschen, vom Weibe geboren, welches so viele Weisen alter und neuer Zeit Lügen strafet immerdar; - ein Brett aus dem harten Schiffbruche heraus; - Wer es nur endlich ergreifen möchte, und darauf sich retten! - Und so hielten Adam's spätere Enkel entweder das Feuer, oder die Winde und Stürme, oder die Sonne, die Sterne, oder mächtige Gewässer, welche das Land fruchtbar machen und es auch verwüsten, die Lichter am Himmel, welche die Welt regieren, für Götter (Weish. 13.), und machten sich also ihre Land- und Haus- und Herzens-Götzen, je nachdem ihrer Herzen Thorheit und ihr Dünkel war; und ging allenthalben so, wie Paulus spricht:… Dieweil sie wußten, daß ein Gott ist, und haben Ihn nicht gepriesen als einen Gott, noch Ihm gedankt; sondern sind in ihrem Tichten eitel geworden, und verfinstert ward ihr unverständiges Herz. Da sie sich für Weise hielten, sind sie zu Narren geworden, und haben verwandelt die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes in ein Bild, gleich dem vergänglichen Menschen, und den Vögeln, und den vierfüßigen und kriechenden Thieren; darum hat sie auch Gott dahin gegeben in ihrer Herzen Gelüste. Röm. l.
So weit war es freilich mit Tharah's Familie noch nicht gekommen; sie hatten noch in ihren Sitten und in ihren Gedanken eine Erkenntniß oder eine Spur von dem alleinigen Gott; doch schon so getrübet und so schwach, daß sie zugleich dieneten andern Göttern; ja, daß sie sich zu den falschen mächtiger hinneigten, sintemal Wer einmal sich von der Wahrheit entfernet, von der Macht der Lüge immer mächtiger und reißender herabgezogen wird. Joh. 3,19. f. Wer Ihn kennet und liebet in Wahrheit, den allein Wahren (Joh. 17,3.), Der hat an Ihm genug, an Ihm Alles in Allem; wer Ihn aber nicht kennet und nicht hat, Der hat nie genug, denn er hat nicht den Guten, den Wahren (Matth. 19,17. 1. Thess. 1,9,), - darum hat er auch das Gute, das Wahre nimmermehr, was doch allein dem Menschen, nach Gottes Ebenbilde geschaffen, genüget (Ps. 63,2.f.); sondern nur Götzen, Gold, Silber, Sand, leere Gedanken und eitele Träume, worin sich die Seelen, das Leben, verlieren. Ps. 113. - Abraham kannte Ihn, und keine Anderen mehr; er hatte Ihn, und fragte weiter nicht nach Himmel und Erde; Gott war seine Furcht und sein Schrecken, seine Sonne, sein Schirm und Schild, und sein sehr großer Lohn. 15, 1.2. 5. Mos. 33,29. Ps. 84,12. 119,114. Aber mitten in solchem Unglauben und Aberglauben seines Geschlechtes, vor dem Beispiele der Seinigen und seiner Jugendgenossen, vor den Sitten des väterlichen Hauses, vielleicht auch vor den Vorwürfen der Mutter, des Vaters, die er ehrete; - vor ihren Mahnungen, ihrem Bitten und Flehen, vor dem Zorne der Alten, dem Spott der Jungen, mitten in diesen Finsternissen und Anfechtungen, fest halten an dem Verkannten und Unsichtbaren, ehren den allein Wahren, die Falschen verachten, den Herrn und Richter aller Welt öffentlich und frei bekennen, Ihm bewahren vor aller Welt und auch in der Stille die Furcht, und Liebe, und Treue, Ihm dienen heilig, unverrückt, er und sein ganzes Haus, - nicht wahr, mein Freund, das war kein Leichtes, das war schwer, und darum aber auch groß an einem schwachen Erdenkind.