Passavant, Theophil - Jakob's Kampf - 20. Was nahet?
Wie ist dir, mein Freund, zwischen dem Jordan und dem Jabok, zu Muthe? die Nacht so dunkel, obwohl die Sternlein scheinen; die ganze Natur so ernst und stille; - was sagt sie, diese Stunde, zu deinem Herzen? Hörest du ihre Stimme nicht? Ich fühle es wohl; es ist mir, ich höre eine Stimme aus der Ferne her rauschen, und das Sichtbare rede von dem Unsichtbaren, wenn es auch so stille stehet und keine Worte spricht.
Habe wohl öfters - jedoch mit andern Gefühlen, stumme Worte vernommen, und mehr denn Worte allein: eine Macht des Unsichtbaren schien sich zu lagern um mich her; eine Macht des Widerspruchs gegen meine besten Gedanken, des Widerstands gegen das Heilige, das ich in mir trug; Feindschaft wider das Heiligste, davon ich zeugen mußte; dazu wie fremde Töne, unheimlich, unheilig, schauerlich; - plötzliche Versuchungen, eine wunderbare Anfechtung, immer größere Bangigkeit und Unruh; es wehet Einen an so unzart und rauh; die Töne sind so hart, die Nebel so grau, die Lüfte so kalt, die Geister so fremd; - sie lagern sich zwischen Himmel und Erden her, und dämpfen jedes himmlische Gefühl, schlagen allen heiligen Schwung, drücken jedes höhere Sehnen so eiskalt darnieder; die Brust wird so enge, das Herz möchte auch so kalt im Leibe schlagen; der Himmel ist verschwunden, oder er schweiget. - Die Geister kenne ich wohl, und ihre Weise ist mir nicht verborgen; ich weiß ihre Feindschaft; listig sind ihre Anläufe, ihre Pfeile feurig; denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut allein zu kämpfen, sondern mit den Fürsten, mit den Herrschaften, mit den Gewalten, mit den Weltherren dieser Finsterniß, mit den Geistern der Bosheit in den himmlischen Räumen (Eph. 6,12 s. 2,2.). Sie sind mir wohl bekannt; hat ja das Herz auch seine finsteren Kammern, seine Tücken; - eine gewisse Verwandschaft mit ihnen ist nicht ferne; - ich habe oft und wieder vor ihren Anläufen schaudern müssen, und vor ihren Pfeilen zittern, denn ihre Bosheit ist groß. Auch hat uns ein theures Gotteswort oft und treulich gegen diese Geister gewarnet; wer ihre Macht nicht glaubet, weil sie das Auge nicht siehet, und ihre Gefahr verlachet, weil sein Herz nicht gerne glaubet, - der hat schon manchen Riß an seinem Panzer empfangen, und wachet oder schläft, lachet oder weinet, tanzt oder blutet, in des Feindes Netzen, - hält ihn ja nicht für Feind.
Hier, an des Jabok Furt, will mir auch bange werden; doch fühle ich keinen Pfeil sausen und spüre keinen Feind; es wehet aber ein mächtiger, unwiderstehlicher Schauer in dieser Einsamkeit; es ist Alles zu stille, als daß man ruhen, oder zu schwül, als daß man athmen könnte; es ist kein Spucken meines eigenen wundersamen Wesens, kein Dichten der menschlichen Gedanken, kein Träumen der Phantasie; es ist auch kein Schrecken vor der Menschen Thun und Lassen; - was ich fühle, das ist größer, denn das von der Erde ist; und was ich ahne, das ist mächtiger, denn das alle Menschen sind. Es hat einmal der Kinder Jakob Einer, in bangen Tagen seines Volkes, gesprochen: Ich schattete das Land an, siehe, das war wüste und öde; und den Himmel, und er war ohne Licht. Ich sah die Berge an, und siehe, die bebeten, und alle Hügel zitterten. Ich sah, und siehe, da war kein Mensch, und alles Gevögel unter dem Himmel war weggeflogen. Und ich sah, und siehe, das Baufeld war eine Wüste. - Jer. 4.
Es ist aber noch ein Anderes am Jordan, am Jabok, wo wir mit dem Erzvater stille stehen; und ist mir, als sei die ganze Natur innerlich bewegt, und auch Steine und Felsen in Wehen; die Hügel, und die Steppe rings umher, die Bäume am Jordan, sie schauen einander im Dunkel der Nacht, sie verstehen einander, ihre Blicke reden; es ist Ein Gefühl, Ein Beben; Ein banges Warten Deß, der da kommen soll. - O mein Freund, wie stehen wir da so klein, von dieser sichtbaren Welt räthselhaft umgeben, die einen Schöpfer hat, dem kein Mensch gleich ist! so klein und ohnmächtig, von der Macht der unsichtbaren umfangen und umwehet, wenn sie Himmel und Erden um uns her beweget; - und wir glauben es lange nicht, oder gedenken deß nicht. Alles Fleisch sei stille vor dem Herrn; denn Er hat sich aufgemacht aus seiner heiligen Stätte. Zach. 2,13.