Murray, Andrew - Wachset in der Gnade - 10. Die Herrlichkeit der Gnade.
Epheser 1,2-8.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesu Christo! Gelobt sei Gott und der Vater unseres Herrn Jesu Christi, der uns gesegnet hat mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern durch Christum. Wie Er uns denn erwählt hat durch denselben, ehe der Welt Grund gelegt war, das wir sollten sein heilig und unsträflich vor Ihm in der Liebe. Und hat uns verordnet zur Kindschaft gegen Ihn selbst durch Jesum Christum, nach dem Wohlgefallen Seines Willens, zu Lobe Seiner herrlichen Gnade, durch welche Er uns hat angenehm gemacht in dem Geliebten, an welchem wir haben die Erlösung durch Sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum Seiner Gnade, welche uns reichlich widerfahren ist durch allerlei Weisheit und Klugheit.
Gnade und Friede. Wer wachsen und zunehmen will, hat ebenso sehr Ruhe nötig, als Bewegung. Mitten in der Arbeit und dem Gewühl ist es der Friede Gottes, welcher alles Denken übersteigt, Gottes eigener (von dem, was in der Welt vorgeht) unabhängiger himmlischer Friede, durch den die Seele in ihrer Ruhe bewahrt wird. Dieser Friede aber ist die Frucht der Gnade. Wenn der Gläubige erst einmal weiß, was Gnade ist, wie unabhängig vom eigenen Verdienste oder eigener Untreue sie dasteht, wie gewaltig sie über alle Schwachheit und Sünde zu herrschen weiß, wie reich und überschwänglich sie mit ihrer Vorsehung das ganze Leben umfasst bis zu den kleinsten Kleinigkeiten, dann genießt er festen, vollen, ewigen Frieden. Seine Seele hat Ruhe in Gott gefunden.
Sie hat ihre Ruhe gefunden nicht etwa bloß in einer Tat Gottes, welche von unserem Tun und Verhalten mit bestimmt würde, sondern vielmehr in Gott selbst und zwar ohne dass irgend etwas in uns einen Einfluss darauf besäße.
Diese Tatsache wird uns in unserem Text ganz besonders deutlich. Der Apostel führt uns nämlich bis zu der Stätte hinauf, an welcher die Gnade entspringt, bis zu den ewigen Tiefen des freien Ratschlusses der Gottheit. „Gott hat uns in Christo erwählt, ehe der Welt Grund gelegt ward, und uns zur Kindschaft gegen Ihn selbst verordnet nach dem Wohlgefallen Seines Willens, auf dass wir zum Lob Seiner herrlichen Gnade dienen möchten.“ Wenn die begnadigte Seele eine Stätte sucht, wo sie eine feste Ruhe und einen unzerstörbaren Frieden erhalten kann, so findet sie dieselbe in der trostreichen Lehre der Gnadenwahl. Will sie wissen, von woher die Gnade zu ihr kam, was dieselbe bewog, an sie zu denken, ob sie wohl bei ihr bleiben werde, und ob die Gnade wirklich alles auf ihre Rechnung nehmen werde, ohne sich durch unsere Trägheit und Unwürdigkeit abschrecken zu lassen, dann muss sie sich bis zu der Höhe aufschwingen, auf welcher nichts als „das Wohlgefallen Seines Willens“ zu finden ist, „der Ratschluss des Herrn, welcher alles nach Seinem Willen lenkt.“ Auf dieser Höhe lernt unsere Seele, wie sehr die Gnade von alle dem, was in einem Menschen ist, unabhängig dasteht, und wie ihr Ratschluss, welcher von Ewigkeit her die Gnadenwahl im Auge hat, auch ewig unveränderlich bleibt. Siehe Röm. 8,28-30; 9,11; 11,5.6 u. 29; 2. Tim. 1,9. Der Heilige Geist lehrt unsere Seele, dass durch die Erwählung für das ganze Gnadenwerk und Gnadenleben bis ins Kleinste hinein von Ewigkeit her gesorgt ist, und dass ihre Aufgabe darum darin besteht, zu ruhen, zu vertrauen, zu empfangen und anzubeten. Das ist die Herrlichkeit der Gnade.
Sie beruht auf unserer Erwählung, als dem Ursprung der Gnade, und wird noch größer, wenn wir einsehen, dass die Erwählung in dem Herrn Jesus stattfand. Gott hat uns in „Ihm erwählt und durch Ihn“ zur Kindschaft verordnet zum Lobe der herrlichen Gnade, mit der Er uns in dem Geliebten begnadigt hat. Der ganze Gnadenratschluss sollte durch den Herrn Jesus uns übermittelt werden und stand in Ihm fest. Deswegen wurde, wie die Erwählung und Verordnung in Ihm lagen, auch aller Segen für uns in Ihn, den lebendigen Träger und Spender der göttlichen Schätze, gelegt. Gott hat uns in Christo ebenso mit allen göttlichen Segnungen gesegnet, wie Er uns in Ihm erwählt hat. Gleichwie daher Gnade in ihrem Wesen die Offenbarung der Tiefen ewiger Liebe ist, welche sich in dem Vater finden, so ist sie bei ihrer Mitteilung an uns Gemeinschaft mit dem Leben, der Kraft und Seligkeit des Herrn Jesus, des Sohnes Gottes. Die Gnade ist der reiche Lebensschatz aller geistlichen Segnungen, mit welchen uns Gott in Christo gesegnet hat. Diese Segnungen aber werden uns zum Lobe seiner herrlichen Gnade nach dem Reichtum seiner Gnade zuteil.
Die Herrlichkeit der Gnade, der Reichtum der Gnade, die Überschwänglichkeit der Gnade, sich hier die Ausdrücke, welche der Heilige Geist bei der Armut menschlicher Sprache findet, um uns etwas von der Gnade Gottes zum Verständnis zu bringen. Er spricht von ihrer Herrlichkeit, weil in ihr alle Vollkommenheiten Gottes in ihrer höchsten Herrlichkeit strahlen, ja, weil sie selbst die höchste Herrlichkeit der Gottheit ist. Die eigentliche Herrlichkeit der Gnade besteht darin, dass sie die Herrlichkeit Gottes ist.
Er spricht von ihrem Reichtum im Gedanken an die vielen großen, geistlichen Segnungen, mit denen Er uns in Christo gesegnet hat: Von der ersten größten, alle anderen in sich einschließenden Segnung, der Sündenvergebung an bis zu der vollkommenen Erlösung. Er redet von ihrer Überschwänglichkeit, um die Reichlichkeit anzudeuten, mit der die Segnungen dieses reichen Schatzes an die Auserwählten der Gnade ausgeteilt und ihnen durch den Heiligen Geist zugeeignet werden. So liegt also die Herrlichkeit der Gnade in dem Vater, der Reichtum der Gnade in dem Sohn, die Überschwänglichkeit der Gnade in uns durch den Heiligen Geist. Lieber Christ! Was meinst du? Ist es nicht ein seliges Los, ein in dem Geliebten Begnadigter zu sein?
Ist nicht die Herrlichkeit der Gnade eine wahrhaft göttliche, da sie ihren Urgrund und Ursprung in Gott selbst hat und da ihr Zweck und Ziel die Offenbarung der sonst unsichtbaren Herrlichkeit Gottes ist? Und hat Gott nicht Grund genug, zu erwarten, dass jeder Christ zum Lobe Seiner herrlichen Gnade lebe? Ach, dass doch dieser Gedanke bei einem Jeden von uns recht tief Wurzel schlagen möchte: Gott hat mich auserwählt, um an mir den überschwänglichen Reichtum Seiner Gnade zu offenbaren und mich zu veranlassen, zum Lob Seiner herrlichen Gnade zu leben. Je mehr Gnade ich wirklich empfange, desto eifriger lebe ich unwillkürlich zum Lob der Gnade Gottes. Ich kann daher dessen gewiss sein, dass Gott mir überschwänglich dieselbe zuströmen lässt. Und sollte die Befürchtung in mir auftauchen, ob ich die Gnade wohl werde bewahren können, so muss diese Befürchtung sofort dem Gedanken weichen: Gott hat mich in dem Geliebten begnadigt, weil Er mich in Ihm auserwählt hat. Gott hat mich in Christo mit allen göttlichen Segnungen gesegnet. Jesus, mein Herr, ist der lebendige Quell, der Schafmeister und Austeiler der Gnade: Aus Seiner Fülle empfange ich Gnade um Gnade. Darum sage ich mit Paulus: Gelobt sei Gott und der Vater unseres Herrn Jesu Christi, der uns gesegnet hat mit allerlei geistlichem Segen durch Christum, wie Er uns denn auch durch denselben erwählt hat zum Lob Seiner herrlichen Gnade.
Gott kann machen, dass allerlei Gnade unter euch reichlich sei, dass ihr in allen Dingen volle Genüge habt und reich seid zu allerlei guten Werken.