Monod, Adolphe - Abschiedsworte - Die Auferstehung.

Monod, Adolphe - Abschiedsworte - Die Auferstehung.

(Den 23. März 1856. Ostern.)

Eph. 2,1-10.
Und auch euch, da ihr tot wart durch Übertretung und Sünden, in welchen ihr weiland gewandelt habt, nach dem Lauf dieser Welt und nach dem Fürsten, der in der Luft herrscht, nämlich nach dem Geist, der zu dieser Zeit sein Werk hat in den Kindern des Unglaubens; unter welchen wir auch alle weiland unseren Wandel gehabt haben in den Lüsten unseres Fleisches, und taten den Willen des Fleisches und der Vernunft, und waren auch Kinder des Zorns von Natur, gleichwie auch die andern; aber Gott, der da reich ist von Barmherzigkeit, durch seine große Liebe, damit er uns geliebt hat, da wir tot waren in den Sünden, hat er uns samt Christo lebendig gemacht (denn aus Gnaden seid ihr selig geworden) und hat uns samt ihm in das himmlische Wesen versetzt, in Christo Jesu, auf dass er erzeigte in den zukünftigen Zeiten den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade, durch seine Güte über uns in Jesu Christo. Denn aus Gnaden seid ihr selig geworden durch den Glauben; und dasselbige nicht aus euch, Gottes Gabe ist es, nicht aus den Werken, auf dass sich nicht Jemand rühme. Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken, zu welchen Gott uns zuvor bereitet hat, dass wir darinnen wandeln sollen.

Es steht geschrieben: „Der Glaube ist eine gewisse Zuversicht dessen, das man hofft und nicht zweifelt an dem, das man nicht sieht;“1) das heißt, der Glaube besitzt die doppelte Kraft, das zukünftige in die Gegenwart und das Unsichtbare vor das Auge zu rücken. Wenn nun eine Tatsache gäbe, in welcher diese doppelte Kraft des Glaubens sich verwirklicht und gleichsam verkörpert fände, wäre diese Tatsache, welche zur Kraft des Glaubens die Klarheit der Wirklichkeit hinzufügt, nicht der rechte Grund aller unserer Erkenntnis und die stärkste Stütze unserer Hoffnung? Diese Tatsache ist die Auferstehung unseres Herrn Jesu Christi. Die Heilige Schrift fängt damit an, den Christen mit seinem Heiland durch den Glauben so zu vereinigen, dass, was ihm begegnet, uns begegnet, und dass seine Geschichte innerlich aber wesentlich in jedem seiner Kinder sich wiederholt. Wenn er stirbt, so sterben wir; wenn er aufersteht, auferstehen wir; wenn er gen Himmel fährt, so fahren wir auch gen Himmel; und dadurch sind wir erlöst, weil wir durch den Glauben Eins mit Christo geworden sind, den wir nirgends anders suchen dürfen als im Leben und in der ewigen Herrlichkeit, und dies verpflichtet uns, auch uns da zu suchen, die wir durch den Glauben Eins mit ihm geworden sind. Aber seht, Jesus Christus, nachdem er vor den Augen der Menschen gelebt hat und gestorben ist, ersteht vor ihren Augen wieder aus seinem Grab und zeigt sich auch den Menschen nach seiner Auferstehung; das heißt, die Auferstehung Jesu Christi, die wie alles Übrige uns zugehört, wird ein sichtbares Ereignis, das unsere eigene Auferstehung sichtbar macht, so unsichtbar sie war. Ihr erinnert Euch der Häretiker, von denen Paulus spricht, welche in einseitig geistiger Auffassung sagten, die Auferstehung sei schon geschehen: Diese sind in offenbarem Widerspruch mit der Lehre des Evangeliums, welches die Auferstehung des Herrn und die, welche nach ihm und mit ihm unser Teil werden soll, als eine wirkliche, materielle, körperliche Tatsache hinstellt, und die in der Auferstehung unsers Heilandes uns schon die unsrige gleichsam vor Augen zeigt. Welch unermesslicher Segen, welch ungeheures Vorrecht hat ein Christ, dass er in dem sichtbar auferstandenen Jesus Christus seine eigene Auferstehung anschauen kann, die unsichtbar scheint, und es in einem gewissen Sinne auch wirklich ist, die aber in seinem Heiland sichtbar wird! So ist sie also, ich will nicht sagen über die Zweifel, sondern sogar über die Schwierigkeiten des Glaubens erhaben, und wird zu einer offenbaren, greifbaren Tatsache, die wir in Jesu Christo finden und die wir auf uns selbst anwenden.

Zugleich auch, ich kann in meinem jetzigen Zustand die Gedanken nur angeben, verwandelt die Auferstehung des Herrn Jesu Christi ein zukünftiges Ereignis in ein gegenwärtiges und sogar in ein vergangenes. Wäre er nicht von den Toten auferweckt, so würden wir die Auferstehung immer als eine zukünftige Sache betrachten, welche dadurch immer etwas Dunkles und unbegreifliches hätte, ob gleich die Verheißungen Gottes an und für sich gewiss sind. Aber hier hat Gott mit der Verheißung eine geschichtliche Tatsache verbunden. Jesus Christus ist auferstanden, da ist er, man hat ihn gesehen; und unsere Auferstehung, die Eine ist mit der des Herrn und davon abhängt, wird also selbst auch eine geschichtliche Tatsache, eine gegenwärtige und vergangene Tatsache. Darum sagt der Apostel Paulus: „Wir sind schon auferstanden.“2) Also durch die Auferstehung unseres Heilandes ist unsere Erlösung aus etwas Unsichtbarem, aus etwas zukünftigem etwas Gegenwärtiges geworden: was könnten wir mehr verlangen? Nur der Christ kann so eine feste Versicherung seiner Versöhnung mit Gott und seiner ewigen Seligkeit besitzen, weil das Unsichtbare in den Bereich des Sichtbaren und Gegenwärtigen übergegangen ist, das er genießt, indem er es gewissermaßen mit den Augen betrachtet und schon von jetzt an ergreift. Auch könnt Ihr sehen, meine lieben Freunde, dass überall, wo die Auferstehung unseres Heilandes in den Schatten gedrängt ist, auch bei der Versicherung unseres Heils dasselbe der Fall ist. So gibt es in der römischen Kirche, wo die Aufmerksamkeit beständig auf den Tod unseres Herrn Jesu Christi und nicht auf seine Auferstehung gerichtet wird, wo die wirkliche und hauptsächliche Feier der Kirche, die Messe, die Feier des Todes Jesu Christi ist, keine Versicherung des Heils; man würde sich sogar ein Gewissen daraus machen, seines Heils sicher zu sein, als ob dies eine Art von Hochmut wäre; da verdreht man denn gewisse Stellen der Heiligen Schrift, damit sie sagen sollen, es sei nicht erlaubt seines Heiles sicher zu sein, d. h. es gebe keinen Frieden, feine feste Hoffnung für den Christen. Leider gibt es auch Protestanten genug, die nicht weiter gekommen sind und die sich in der Gewissheit ihres Heiles nicht freuen können; das kommt daher, dass sie Jesum Christum nicht als den von den Toten auferweckten, jetzt lebendigen Mittler zwischen Gott und uns betrachten und dass sie das, was zwischen Gott und unserer Seele vorgeht, nicht als lebendige, gegenwärtige und wirklich geschehende Dinge ansehen. Aber der Christ, der eine erleuchtete Erkenntnis von der Auferstehung unseres Heilandes hat, lebt im Genuss der Gewissheit seines Heils; er ist dessen so gewiss, als er gewiss ist, dass Jesus Christus auferstanden ist, und um in ihm Zweifel über seine ewige Hoffnung zu erregen, müsste man erst Zweifel über die Auferstehung Jesu Christi von den Toten in ihm erregen. Deshalb ist der Tag, den wir feiern, der größte Tag des christlichen Jahres, und das Ereignis, dessen wir heute gedenken, ist nicht ein Ereignis, sondern das Ereignis des Himmelreiches: die Auferstehung unseres Heilandes war der wesentliche Gegenstand der apostolischen Lehre.

Lasst uns nun, meine Freunde, diese Auferstehung ergreifen, lasst uns leben mit Jesu Christo dem Auferstandenen, so werden wir auch dieses köstliche Vorrecht genießen. Aber lasst uns zugleich nicht vergessen, um welchen Preis diese Auferstehung erworben worden ist und welchen Weg Jesus Christus gegangen ist, damit unser Herz dieses Glück der Gewissheit nicht anders genieße, alle in einem tiefen Gefühl der Dankbarkeit und Liebe für den, dem wir es verdanken. Nehmt diese wenigen Worte auf in der Liebe des Herrn, in der ich sie an Euch richte, das ist Alles, was ich Euch sagen kann; - und lasst und, Einer wie der Andere, Fleiß tun, sie vor ihm weiter auszuführen in der Stille des Gebets und im Durchforschen des göttlichen Wortes, zu den Füßen Jesu Christi des Auferstandenen und in der Liebe Jesu Christi des Gekreuzigten! Amen.

1)
Heb. 11,1
2)
vgl. Kol. 3,1
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