Mörlin, Joachim - Predigt am siebenzehnten Sonntage nach Trinitatis.
(Postilla oder summarische Erinnerung bei den sonntäglichen Jahresevangelien. Erfurt 1587. fol. S. 690.)
Evang. Luc. 14 (V. 1-16.).
Dieser Zank und Hader über den Sabbath oder Sonntag ist Christo mit den Pharisäern sehr gemein gewesen, und haben sie sonderlichen Fleiss darauf gelegt alle Zeit, dass sie auf den Sabbath möchten um den Herrn Christum sein. So säumt er sich nicht, sondern schafft es gern also, dass ja auf den Sabbath Leute kommen, denen er hilft, wie er thut Matth. 12., Luc. 13., Joh. 5. und 9. Und Derer werden ohne Zweifel viel mehr gewesen sein, die nicht alle geschrieben, wie Johannes sagt Cap. 20. Es war aber der Pharisäer Fürnehmen, dass sie hofften, dieweil Gott den Feiertag so ernstlich geboten, dass sie auch nicht durften daran kochen, noch Feuer machen (Exod. 16. 20. 31. 35. Deut. 5.), noch einige Last tragen (Jer. 17.), und Christus dagegen nicht allein heilte, sondern lehret auch, daran Jedermänniglich alles Gute thun, befahl dem armen Mann Joh. 5. sein Bette zu tragen: so hofften sie, sie hätten Ursach genug, Christum für einen Ketzer zu beschuldigen. Solches vernimmt Christus wohl, lässt den armen Mann für sich kommen thut, als wisse er gar kein Wort darum, bis so lang der arme Mensch zu ihm nahet und freilich bittet mit herzlichem Seufzen. Da wird es Alles still, schweigen als die Mäuschen, denken: Herr, da will’s abermals werden! Dürfen aber nicht herausfahren, wie sie sonst Matth. 12. thun. Da werfen sie dem Herrn die Frage für: Ob es denn auch recht, am Sonntag zu heilen? Er soll gemach thun. Aber er hauet sie gräulich über die Schnauzen, dass sie hie nicht dürfen wiederkommen. Also demüthigt er sich gegen sie, antwortet ihnen, da sie doch nicht fragen, schmiegen sich zusammen, wie die frommen, züchtigen Kinderchen, dass nicht Einer laut wird. Wie sagt denn Lucas, er habe ihnen geantwortet? Freilich daher, dass er ihre Gedanken siehet. Darum sagt er: Liebe Herren, ist’s auch recht, auf den Sabbath heilen? Wenn ich’s thue ohne euern Rath, so gefällt es nicht. Wollt ich’s euch lehren, so gläubet ihr mir nicht. Wohlan, so saget ihr mir und lehret mich, ich will’s von euch zu gut annehmen. Da sitzen die elenden Leute wie die Maulaffen, können den Mund nicht aufthun. Ist das nicht eine schöne Welt? Zuvor wissen sie Alles zu richten, können’s Alles besser, denn Christus, ist eitel Schrift. Nun können sie gar Nichts. Da sie Nichts antworten, greifet er den Armen an und hilft ihm, freilich mit einem Wort, antwortet wiederum auf ihre Gedanken und saget, was feine Leute sie sind. Wenn sie Ochsen und Esel am Sonntag helfen, ist’s gross, nicht wider das Gesetz, sondern muss gerühmet sein. Aber wenn Christus einem Menschen über aller Natur Vermögen aus göttlicher Kraft hilft, Das ist der Teufel. Das heisst Mundus, wo man ihn hinwirft, so kehrt er eine Spitze über sich.
Gleichwohl, dieweil es droben Gott so ernstlich geboten, den Feiertag keine Arbeit zu thun, warum thut es denn Christus? Und ist dies Gebot das fürnehmste; darum hat es auch der liebe Gott mitten in die zehn Gebote gesetzt, da er die zwo Tafeln theilet, dass es ist die Warte, so da sehen muss in die erste und in die andere Tafel, muss die Gebote in der ersten und in der andern regiren, Summa, ist die Kanzel in dem Tempel Gotte, die Kanzlei in diesem göttlichen Hause. Antwort: Gott hat kein Gebot so ernstlich betrieben, als das dritte, und Das darum, dass die Juden sonst seiner Predigt so gar wenig achteten, meinten, Alles wäre nöthiger, denn Gottes Wort zu hören, wie wir auch thun; keine Zeit klagt man, achtet man, die wir auch mit Sünden zubringen. Man kann zum Saufen, Fressen ehe eine Stunde gerathen an der nöthigen Arbeit, als an Dem, dass man zu Kirchen gehet, Gottes Wort höret und lernet, Das ist immer Versäumniss an der Arbeit und Nahrung. Darum verbot Gott alle Arbeit, wie gering sie auch immer war, auf dass er sein Volk lehrte, aller Dinge vor seinem Worte zu vergessen und ja seinem Willen zu leben, sonderlich dieweil sonst der Geiz das Volk gewaltig ritt. Amos 8. Darum, was er mit dem stetigen Treiben des Sabbaths gemeinet, siehe Jesaiä 56. und 58.
Und also, sollen wir wissen, ist uns Gottes Gebot noch gegeben, sein Wort vor allen Dingen zu hören und dem zu folgen. Und stehet die rechte Feier darinnen: Erstens, dass man Gottes Wort lehre, zum Andern, fremder Lehre wehre, auf dass seine Braut sonst keine Stimme höre, Das heisst sonst fornicans fornicabitur terra a Domino. Hoseä 1. Und da schickt er des Feierns halben die stummen Hunde, die nicht strafen können. Zum Dritten, dass wir dem Worte folgen, Das macht einen Sabbath nach dem andern, bis es am jüngsten Tage gar vollendet. Jes. 66. Ebr. 4.
Dieser Zank und Hader ist fürnehmlich von den Pharisäern dahin gemeint, dass sie Christum wollen überweisen, er sei ein Ketzer; denn er thut und lehrt wider das klare, helle Gotteswort, das da den Sabbath und seine Feier vor allen Gottesgeboten zum allerheftigsten und so weit treibet, dass Gott nicht leiden wollte, nicht allein einige Last daran zu tragen, Jer. 17., sondern auch kein Feuer zu machen, Exod. 35. Dagegen macht nicht allein Christus am Sabbath gesund, sondern befiehlt auch, Joh. 5, dem Gesunden, das Bette zu Hause zu tragen. Das, lassen sich die Pharisäer bedünken, tauge nirgend hin und sei nicht mehr, denn zu Viel. Darum sie in Matth. 12. selbst darum reden. Dieweil sie grosse Skumpen darüber kriegen, wollen sie Luc. 13. nicht wieder herfür, aber widerreden gleichwohl Solches gegen das Volk und gemeinen Haufen. Dieweil sie darüber ihre Passparten gleichwohl kriegen, wollen sie nicht wiederkommen, lassen sich allhie bezähmen; aber das Herz pochet und klopft ihnen, welches denn der Herr siehet, giebt ihnen wiederum sehr gut in die Kürsen. Schöne Leute seid ihr (will er sagen), dass es eitel köstlich Ding und mit nichten wider den Sabbath gehandelt, wenn ihr einem unvernünftigen Thierlein davon helfet: aber wenn ich aus göttlicher Kraft einem Menschen, welcher nach Gottes Bild erschaffen, helfe, wie dem zu helfen fürnehmlich in Gottes Gebot befohlen ist, o weh! Das ist grosse Sünde und Gotteslästerung. Hauet sie also abermals über das Maul.
Solcher unvernünftiger, giftiger Bosheit Ursach ist bei den Pharisäern fürnehmlich Das. Sie hörten wohl, dass Gott befahl, den Sabbath von allerlei Hantierung und häuslicher Sorge still zu halten. Aber sie sahen und konnten nicht sehen, warum und wozu Gott Das befohlen hatte. Es war freilich ihm darum nicht zu thun, dass man sollte müssig gehen, das Gott doch nicht leiden kann, 2. Thessal. 3.: So Jemand nicht will arbeiten, Der soll auch nicht essen. Und hat er dem Menschen auch in seiner Unschuld vor dem Fall die Arbeit auferlegt. Genes. 2.; allein dass es dort wäre eine Lust gewesen, da es jetzund eine Unlust und Strafe ist, sowohl als alle andere von Gott wohl geschaffene Creatur; denn auch die Erde nicht mehr trägt als die Zeit. Darum sagt auch Gott nicht schlecht: Du sollt den Feiertag müssig sein, sondern: heiligen, oder zu heiligen Dingen gebrauchen. Lieber, was war Das? Antwort. Da lies Jesa. 56 u. 58. Die Diener sollten wohl predigen, treue Aufseher sein in ihrem Amt und das Volk dem Worte gehorsamen. Das war die Meinung, und darum war es Gott um das dritte Gebot mehr, denn um alle zu thun, dass man Gottes Wort recht und fleissig triebe.
Und aus dieser Ursach hat er auch das Gebot mitten in die zehn Gebote gesetzt als eine hohe Warte, oder als die Kanzlei und Rathhaus in sua republica, oder als die Kanzel in sua ecclesia, dass er daraus regiret alle Gebote der ersten und alle Gebote der andern Tafel. Denn soll ich keine andern Götter haben, sondern Gott allein über alle Dinge lieben und vertrauen, so muss ich von ihm wissen, wie ich Das thun wolle; Das lehret er mich im dritten Gebot, das ist, in der Predigt seines Worts. Soll ich Vater und Mutter nicht tödten etc., so muss ich wissen, wie fern, welcher Gestalt und Art Das nach seinem Willen und Wohlgefallen soll geschehen. Das lehret er mich Alles aus dem dritten Gebot, das ist, in der Predigt des Worts, und so hinaussen, dass es sich Alles stösst durch alle Gebote im dritten Gebot, an Gottes Wort; dass also der dritte nicht bloss ein mandatum ceremoniale, an dem dem lieben Gott nicht so Viel gelegen, wie man siehet, dass er weidlich darein greift mit der Beschneidung in der Wüste, Jos. 5, sondern Alles ist gemeint zur Erhaltung des Ministerii und Wortes Gottes. Und aus dieser Ursach bleibt uns das Gebot auch, erstlich, dass man alle ander Arbeit auf eine gewisse Zeit unterlässt, nämlich, wenn man Gottes Wort soll hören. Dieweil aber Gott denn keine andere Arbeit nicht kann dulden, noch leiden, die er doch so ernstlich und hoch fordert, 2. Thessal. 3., wie wirst du es vor ihm verantworten, der du verbotene Sünde und Schande daran begehest, als Fressen, Saufen u.s.w.? Zum Andern, dass wir im Amt fleissig das Wort treiben, falsche Lehre, Sünde und Schande strafen, und die Zuhörer nicht ihren Willen, sondern Gottes Willen thun; wie im Jesaia Cap. 1. fein zu sehen.
Für’s Andere ist hie eine Frage. Lieber, wie gehet es zu, dass sich Christus so freundlich zu den gottlosen Leuten hält? Ist’s auch recht, dieweil er selbst geboten, Solche als Heiden und Zöllner zu meiden, so des Worts nicht achten? Matth. 18. Und er setzet sich, isst und trinkt mit ihnen, welches eine Anzeigung bei allen Völkern gewesen der Freundschaft. Wo bleibet nun, das Paulus saget: Mit den groben, äusserlichen Sündern soll man auch nicht essen (1. Cor. 5), sich von ihnen thun (2. Thessal. 3.)? Ja, wie Johannes sagt in seiner andern Epistel: Man soll auch Denjenigen keinen freundlichen Gruss sagen, die da die reine Lehre nicht von Herzen meinen? Soll man sich nun nicht zu solchen Feinden des Worts, noch zu den muthwilligen Sündern halten, wie diese Sprüche alle lauten sammt anderen viel mehr, warum thut’s denn Christus allhier? Will geschweigen, dass Paulus 1. Corinth. 10. das Widerspiel auch lehrt ) wie es sich lässt ansehen); denn da giebt er’s einem jeden frei in seine Willkür, da er von einem abgöttischen, gottlosen Menschen geladen würde, ob er wolle zu ihm gehen oder nicht, wie es ohne Das einem Jeden in seinem guten Willen und in seinem Gefallen steht, ob er wolle zu Gaste gehen oder nicht. Nun ist die Frage, wie soll sich denn nun ein frommer Christ verwahren, damit er recht thue? Ihm ist geboten, mit den groben Sündern nicht zu essen, ohne Zweifel viel mehr, sich Derjenigen zu enthalten, so in der ersten Tafel falsche Lehre und irrige Meinung haben. Warum thut’s denn allhier Christus, unser Heiland? Es will damit nicht entschuldiget sein, dass er über dem Gesetz sei; den Paulus drückt ihn gewaltig unter das Gesetz, Gal. 4., viel weniger will es Das thun, dass des Menschen Sohn ein Herr ist auch des Sabbaths (Matth. 12.), wir ohne Zweifel auch. Denn sind wir frei von dem ganzen Gesetz, so sind wir auch frei von einem einzelnen Stück. Wie thut ihm nun ein Christ, dass er ihm recht thut und vor Gott ein gut Gewissen behalten mag? Augustinus bricht sich hart über der Sache, Lib. 3. Cap. 2. contra Epistolam Parmeniani und heisst sie angustias quaestionis. Aber kurz und bescheidentlich zu reden, so hat es die Meinung, dass es mit seinem Christen zweierlei Leben und Wandel hat. Nach dem äusserlichen Leben und Wandel ist er seiner Obrigkeit seines Regiments unterworfen und ein Bürger wie ein anderer Bürger unter einem Fürsten oder Rath. Darum isst, trinkt, bekleidet er sich, nimmt und giebt recht nach aller Art und Weise wie ein anderer Bürger, sofern es anders das Gewissen erleiden kann. Denn wo man wider Gottes Gebot essen, trinken, kleiden und handeln wollte, Das leidet sich nicht, sintemal auch des äusserlichen bürgerlichen Lebens und Regimentes Gott das oberste Haupt ist und die Obrigkeit nicht mehr denn seine Dienerinn. Röm. 13. Sap. 6. So ist die Gemeine äusserlich sein, Ps. 82,. das Recht auch, 2. Corinth. 13. Wo nun nicht offensichtlich Gottes Wort entgegengehandelt wird, hält sich gegen Jedermänniglich dienstlich, friedlich, freundlich, in Demuth, dass er nicht zu Viel von sich selbst hält, in Sanftmuth, dass er Jedermann gern verträgt in Geduld, und verträgt, wo es gleich nicht gar gleich zugehet (Ephes. 4. Röm. 12. Proverb. 25. Luc. 6.); gebraucht auch wiederum anderer Leute Dienst und Wohlthat, wie er eines anderen unvernünftigen Thierleins gebraucht, das doch kein unvernünftig Mensch, vielweniger ein Christ ist. Und kann er in Dem nicht auskommen, so gebraucht er sich des Gerichts und Rechts ohne Scheu, macht sonst in der bürgerlichen Beiwohnung keine Trennung, keine Sonderung, wie Paulus lehret Röm. 12., dass wir mit Jedermann friedlich leben, unsere Güte erzeigen auch den Feinden, die uns freilich nicht um unserer Bosheit willen feind sind (denn also wären wir nicht Christen. Matth. 5. 1. Petr. 4.), sowie um des Wortes willen. Ja, wenn ihn seine Obrigkeit in billiger, rechtmässiger Defension auffordert, zürnet, hauet, sticht er sowohl, als ein anderer Mitbürger und Unterthan, fraget nicht, wer stehet neben mir? Ist er auch ein Christi? Was gläubet er? Wahr ist’s, wo man zu allen Seiten auch gleichgläubige, fromme Herzen hat, da gehet es desto freudiger an, ja des Glücks und Lebens halber bei Gott. Das will aber in jenes Leben sehen, sonst dieser zeitlichen Handlung halben ist er zufrieden. Du bist ein Bürger zu Braunschweig? Ich auch. Wohlan, so wollen wir auf Befehl unserer ordentlichen lieben Obrigkeit für das Vaterland Leib und Leben setzen und mit Freuden dreinschlagen.
Das ist, sage ich, des äusserlichen Lebens und Wandels halber, da verträgt sich’s mit Einem bei dem Andern, es sie des Glaubens halber, wie es wolle. Das gehöret Gott zu richten, sagt Paulus 1. Corinth. 5.: gleich wie ich auch nicht frage: Was gläubt mein Bürgermeister, mein Fürst und Herr? Er gläube, was er wolle, Das gehört in das bürgerliche Leben nicht, darum vielweniger in das Regiment, Das ist ein äusserlich Ding, da soll ich nicht sehen, was der Glaube sei oder nicht, sondern bei Verlust göttlicher Gnade gehorsam sein, mit Darstreckung Leibs und Guts; wie Christus nicht allein heisst den Zinsgroschen geben, Matth. 17., sondern befiehlt allen Christen und Unchristen, dem Kaiser, der zu seiner Zeit ein Fass voller Abgötterei war, das Seine zu geben, Matth. 22. Darum lass gläuben, wem es gegeben ist, im äusserlichen Handel gilt der Glaube nicht; es gehöret in eine andere Stadt, an einen andern Ort, wie wir hören wollen. Darum kann ich wohl ein Bürger, ja ein Fürst und Herr sein, und dennoch des Teufels eigen. Dieweil nun das Evangelium das bürgerliche Leben und zeitliche Regiment nicht aufhebet, sondern bekräftiget, so bekräftiget es auch Das, dass wir uns bürgerlich friedlich verhalten, lässt uns zu, nach bürgerlicher Satzung vor der Obrigkeit zu handeln, Recht zu geben und zu nehmen, wie du hören wirst Domin. 22. Matth. 18.; wie denn Paulus sich auf das römische Recht beruft. act. 22. (Besiehe allhie Disputat. 5. Lutheri de illo Christi dicto: Vade, vende etc. propos. 24. Tom. 1. lat.). Denn dies Leben ist also gethan, es wird nimmer so rein, dass eitel Heilige und Christen darinnen werden sein, sondern der grösste Theil wird sein Unkraut und Stichling, Matth. 13., noch soll es Alles Zucht, Friede und Einigkeit sein des äusserlichen Wandels halber.
Und eben also ist’s auch im Ehestand, da dürfen wir nicht gedenken, dass es werde so gleich zugehen und alle zeit Mann und Weib zugleich gute Christen sein, wie auch Christus klärlich anzeiget Matth. 10. und 24. Luc. 17.: Zween werden auf einem Bette liegen, Einer wird angenommen, der Andre wird verlassen werden etc. Und dennoch thut ein Christ Das, er bleibet bei seinem Gemahl, wie Paulus befiehlt 1. Cor. 7. So muss er freilich dermaassen bei ihr bleiben, wie Gott befohlen Genes. 2. Matth. 19. Eph. 5.: Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen. Denn wo er wider Gottes Wort bei ihr lebte, wäre er freilich kein Christ nicht, und schadet ihm solche friedliche, freundliche Beiwohnung gar Nichts an seinem Glauben vor Gott; ja, wie Paulus 1. Cor. 7. sagt: Sie wird geheiligt und zugelassen als Gott wohlgefällig um des Glaubens willen. So muss sie freilich nicht Sünde sein; denn die Sünde ist ja nicht heilig. Sollte aber das gläubige Herz das ungläubige darüber verlassen, so wird es freilich die Beiwohnung, so Gott heilig heisst, müssen unheilig heissen und wider Gottes Wort verdammen. Also könnte es abermals kein Christ sein. In Summa, ein Christ ist noch in der Welt, wie Christus sagt Joh. 17. Da lebet er nach dem äusserlichen Wandel noch unter dem Unkraut, aber äusserlicher Weise, wie Gott den äusserlichen Stand gefasst hat, im weltlichen Regiment und im Ehestand.
Daneben ist er aber nach dem innerlichen Wandel des Herzens auch ein Bürger in einer anderen Stadt, wie es Paulus Ephes. 2. heisst, welche droben ist, Gal. 4., Phil. 3., Col. 4., darinnen unser Oberster ist, der Herr aller Herren und König aller Könige und Kaiser, wie ihn der heilige Apostel nennet 1. Tim. 6. aus dem 136. Psalm. Unter Dem hat er nun seine eigene Bürgerschaft, einen Glauben, einerlei Hoffnung (Eph. 4), auch einerlei Gottesbild in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit, Eph. 4. Co. 3.
Hier fragt sich’s nun: Bist du auch im Reiche Christi ein Bürger mit mir? Ja, so halte auch einerlei Recht. Wer da wollte sich mit uns ein Bürger zu Braunschweig rühmen und gleichwohl kein Bürgerrecht mit uns halten, ja mit den Feinden wider unser Bürgerrecht und Freiheit handeln, da würden wir ihn dem Henker an die Hände geben und sagen: An den lichten Galgen mit dir! Du bist kein Bürger, sondern gemeiner Stadt abgesagter Feind, wollen mit dir weder essen, noch trinken. Nun frage du selbst, ist’s auch des christlichen Rechts, den Nächsten im Handel vervortheilen, die Waare in der Noth steigern, Sünde und Schande begehen, in allem Muthwillen leben, fremde, irrige, falsche Lehre aussprengen? Da lies 1. Cor. 5., Ephes. 5., Gal. 5. 1. Joh. 3. und 4. Wahrlich, wer sich nun mit uns einen Christen rühmen will und gleichwohl kein christliches Leben führen, sondern nur in Sünden und Schanden seine Zeit zubringen, da können wir nicht mit zufrieden sein, sondern müssen uns also erzeigen, damit er vernehme, er sei kein Mitbürger im Reiche Christi Jesu, sondern ein Feind und Fremdling. Und darum redet Paulus 1. Cor. 5. klärlich von Denjenigen, die sich lassen Bürger nennen, wie auch 2. Thess. 3. Und Johannes sagt von Denen, so irrige, verführerische Lehre anbringen: Ja, da soll keine Freundschaft sein. Es soll aber das Maass haben, 2. Cor. 7. 2. Thess. 3., damit solche Leute ihren Irrthum, Sünde und Misshandlung erkennen und abstehen. In Summe, Alles zur Besserung.
Doch soll man hie auch den Unterschied unter den Schwachen halten, die allererst jetzt die Lehre hören, die noch nicht genug berichtet sind, als die Heiden waren, 1. Cor. 10. Da sollen wir uns Jedermann zu den Füssen legen, damit wir sie gewinnen, 1. Cor. 9. Und dazu isset Christus mit den Pharisäern auch. Er ward fürnehmlich gesandt zu den verlorenen Schafen vom Hause Israel, Matth. 15. Darum muss aus Sion ausgehen sein Reich. Jesa. 1. Mich. 4. Auf dass nun die Pharisäer hierinnen keine Entschuldigung haben, und Christus sein Amt gesetzlich entrichte, darum, dieweil sie ihn noch um sich leiden können, gehet er zu ihnen, isst und trinkt wie ein Anderer. Aber da hörest du, was er sucht. Alle Zeit predigt er und schickt’s also, damit er ihre falsche Meinung und irrige Sentenz breche und zu Schanden mache, aber die rechte Meinung sie berichte; thut Solches, so lange sie ihn können dulden. Da sie aber nun offentliche Feinde werden und danach trachten, wie sie ihn und die Lehre ausrotten, traun, da giebt er ihnen die gute Nacht. Matth. 23. Also thu’ ihm auch: Die noch nicht gar Christen sein, iss und trink mit ihnen, trag mit ihnen Geduld. Versuche aber, was du kannst, damit sie auch herbeikommen. Will es Alles nicht helfen, sondern sie werden zuletzt Verfolger, wohlan, so ziehe Hand ab und enthalte dich von solchen Lästerern, gleichwie auch von Denen, so gute Christen sein wollen und gleichwohl alle Sünde und Schande üben und treiben.
Nota. Wie im weltlichen Regiment und Leben, also hat’s auch seinen Streit, Kampf, Wehr und Waffen im geistlichen. 2. Cor. 10. Wo nun ein Christ aus Noth zu Felde liegt, da ist böse wider ihn zu kriegen. Denn er thut zwo Arbeit, als ein Bürger trägt er das Schwert aus Befehl der Obrigkeit, als ein Christ betet er aus Befehl Christi. Der höret.
Noch Eins. Wie zweierlei Leben, also sind auch zweierlei Sachen: Glaubenssachen und der Liebe. Die Liebe leidet, verträgt, zürnet nicht, hindert nicht, 1. Cor. 13. Der Glaube ist beissig, hadert, zankt, weicht nicht, leidet nicht, giebt nicht nach, ist steif, kennet weder Vater, noch Mutter, Bruder, noch Schwester. Deut. 33. Luc. 2.9. und 14. In Summa, da gilt weder König, noch Kaiser, sed omnia unum, Gal. 3. Col. 3. In Glaubenssachen gilt allein Gott und sein Wort in Christo Jesu, Luc. 2. Das gehet über Alles. Matth. 5. Bis dass Himmel und Erde zergehe, wird nicht zergehen der kleinste Buchstabe, noch ein Tüttel vom Gesetz.
Anders. Die Liebe regulirt alle Gebote, Matth. 22. Röm. 13. Gal. 5., also dass sie vor allen Geboten gehet. Ist die Frage: Wie thut sie Das? Hebet sie damit die Gebote auf? Oder macht sie (wie unser Meisner) eitel Mitteldinge daraus? Was ist’s denn, dass Christus sagt: Wer mich liebet, wird meine Gebote halten? Joh. 15. Contra: Die Liebe hebt die Gebote auf, macht sie zu einer wächsernen Nase? Wie Etliche fürgeben. Merke demnach, dass Paulus sagt 1. Timoth. 1.: Die Hauptsumma des Gebots ist Liebe von reinem Herzen und von gutem Gewissen und von ungefärbtem Glauben.
Allhie wird Nichts gehandelt von der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, sondern vom Verstand und Gehorsam des dritten Gebots, das hat Gott vor allen Geboten ernstlich befohlen, Exod. 16. 20. 31. 35., also dass er auch mit leiblicher Strafe zum Tode verurtheilet die Übertreter. Und ist vor Gott den Sabbath brechen nicht ein geringer Laster, als Ehebruch, Diebstahl etc. Es sind aber zweierlei Ursachen, warum Gott den Sabbath eingesetzt, eine, dass er mit unserm elenden Körperchen Mitleiden hat in so mancherlei Jammer, und will, dass er soll eine Zeit zur Ruhe haben, Genes. 2. Exod. 23., unangesehen, dass er sonst den Müssiggang verdammt, Matth. 25.: Du Schalk und fauler Knecht etc. 2. Thessal. 3. Solche Ruhe will er auch nicht allein bei den unvernünftigen Thierlein haben, sondern auch bei der Erden, also, dass auch das Land das siebente Jahr stille lag. Exod. 23. Levit. 25. Aus dem ohne Zweifel der Spruch Eliae seinen Ursprung hat, dass der ganze Erdboten sechs tausend Jahr soll seine Arbeit thun und den Dienst leisten, dazu es der liebe Gott geschaffen und verordnet. Nachmals soll sein ewiger Sabbath. Ebr. 4.
Die andere Ursach ist, dass wir den Feiertag heiligen, das ist, dass Gott uns heiliget. Exod. 31. Ezech. 20. Denn also kehret es Gott um, wie auch mit der Beschneidung, Gen. 17., die bedeutet die Beschneidung des Herzens, Deut. 10., und ist doch Gottes Werk, Deut. 30. Der Herr, dein Gott, wird dein Herz beschneiden. Diese Heiligung geschieht also, wie Jesa. 56. und 58. gemeldet wird; denn durch’s Wort werden alle Dinge geheiliget. 1. Timoth. 4. Ist aber Summa davon Marc. 2.: Der Sabbath ist um des Menschen willen gemacht, und nicht der Mensch um des Sabbaths willen; dass dem Menschen Gutes geschehe. Marc. 3. Luc. 6. Solches sahen die Pharisäer nicht, darum rufen sie wider Christum. Also ist dreierlei Sabbath: 1. Dass man feiert von etlichen Werken, auch von Gott selbst geboten. 2. Dass man Gottes Wort zu gewisser Zeit höre. 3. Dass man sich stets in aller Gottseligkeit übe, Jesa. 56. u. 58., und also ein Sabbath nach dem andern komme. Jesa. 66.
Dies Evangelium gehört auch in unser Registerlein von guten Werken und in’s neue Leben der lieben Christen, dass sie wissen, wie sie sich halten sollen in äusserlichen Ceremonien und Kirchenordnungen, der man nicht kann entbehren. Denn, wie Lutherus seliger sagte, so ist’s wahr, wo keine Ceremonieen, da ist auch keine Ordnung. Wo keine Ordnung ist, da gehet es durch einander wie Heu und Stroh, und ist Nichts, denn der leidige Teufel. Darum auch Paulus befiehlt 1. Cor. 14.: Lasset’s Alles ehrlich und ordentlich zugehen, als der wohl weiss, dass es keine Christen sind, die ohne Ordnung allen Ceremonien feind sind, lassen sich bedünken, wo man nicht Alles thurstig und frevel in einen Haufen wirft, da können keine Christen sein, und habe der Geist noch Wenig gewirkt oder ausgerichtet. Wiederum ist’s zum andern Theil auch grosse Mühe und Arbeit, da man die Ceremonieen hält, damit man der Sachen auch nicht zu Viel oder zu Wenig thue. Denn es ist gar bald versehen, wie wir im Papstthum wohl erfahren haben, da man viel Ceremonieen hat verordnet und aufgerichtet, die entweder an ihnen selbst offentlich wider Gottes Wort waren, oder, wo man gleich in äusserlichen Mitteldingen, die Gott weder verboten, noch geboten habe, Etwas fürnahm, so hing man doch den schändlichen Klacken daran, den Gott nicht kann dulden und leiden, dass man sie hielt als nöthige Stücke zur Seligkeit, daran man die Gewissen der armen Leute so hart verpflichtete, dass es erbärmlich war zu hören. Darum, auf dass du dich hierinnen recht wissest zu halten, so höre fleissig zu und lerne Das: Wo einige Ceremonieen in der Kirche oder sonst werden verordnet und aufgerichtet, die offentlich Gottes Worte entgegen sind, da hüte dich für, und lass dir auch dein Leib und Leben so lieb nimmermehr sein, ob du gleich dasselbige damit könntest retten, dass du sie bei Leibe nicht haltest. Solche Ordnung sind im Papstthum das ganze gräuliche Affenspiel mit der schändlichen Messe, da alle Gebärde, alles Fürnehmen dahin gerichtet ist, dass sie soll ein Werk und Opfer sein, dadurch der Pfaff ihm und uns verdiente Vergebung der Sünden, Gesundheit, Glück und Heil im Wandern und Reisen etc., so doch Christus allda weder selbst geopfert hat, noch uns zu opfern befohlen. Er giebt uns, saget nicht, gebet und opfert Gott, sondern: Nehmet ihr von mir und durch meine Hände, freilich von euerm frommen Gott. Er saget auch nicht: Sperret es ein, traget es herum in der Procession, sondern esset und trinket es. Darum hüte dich vor dem Feste corporis Christi und anderer Teufelei des Papstes.
Solche Ceremonieen sind auch Salz und Wasser weihen, Glocken taufen etc., eitel gräuliche Verkehrung der Creatur Gottes, die sie ohne Gottes Befehl wie die Zauberinnen (ja wider das andere Gebot) bezaubern, machen ihnen neue und nicht von Gott angeschaffene Kraft und Tugend, dass sie Gespenst des Teufels, böses Wetter und andere Dinge vertreiben, sonderliche Dinge wirken soll; also Palmen weihen, Kräuter weihen etc.; also Wallfahrten bei sonderlichen Orten zu diesem und jenem Heiligen, sie um Hilfe ersuchen, so doch Gott sagt Ps. 56.: Rufe Mich an in der Noth. Darum auch Augustinus sagt, Das sei von Gott abfallen (über den 34. Psalm, Serm. 1.). Solche Ceremonieen, die offentlich sind wider Gottes Wort, soll Niemand machen, auch kein Mensch befördern, viel weniger Jemand anders denselbigen gehorsamen, denn der Teufel selbst, unangesehen, ob er sich auch wohl treibet, fördert und vertheidiget durch Kaiser, Könige, Fürsten und Herren. Besiehe das schöne Exempel Eleasar’s und der Mutter mit ihren sieben Söhnen, 2. Mac. 6. u. 7. Item Gordium Martyrem bei dem Basilio in einer anderen Predigt davon.
Zum Andern, in solchen Dingen, die kein Gottes Gebot noch Verbot haben, sondern ungeschiedene Mitteldinge sind, siehe dich auch wohl für, wozu und wie sie werden verordnet, dass sie nicht werden Stricke der Gewissen, oder dass nicht die alte Abgötterei mit ihnen wieder eingeführt werde, dass man nicht damit heuchele. Besiehe Gal. 1. u. 2. Essen und nicht essen, einen Tag vor den andern halten und nicht halten war ganz frei. Röm. 14. Warum sagt er denn Gal. 2.: auf dass die Wahrheit des Evangelii bestünde; item Cap. 4.: Ihr haltet Tage und Monden und Feste und Jahrzeit, ich fürchte eurer, dass ich nicht vielleicht umsonst an euch gearbeitet? Besiehe locos communes Melanthonis de ceremoniis in ecclesia. Item, de scandalo et de libertate christiana. Und sonderlich, was ich verzeichnet habe zu Zeiten des Interims und Adiaphoristerei. Item, Lutherus, Tom. 8.: Einweihung eines neuen Hauses.
Unter anderen Predigten von guten Werken gehört auch diese in unser Registerlein, dass wir wissen, wie wir uns halten in der gemeinen Kirchenordnung, auch äusserlichen Ceremonieen, von welchen, ob wir wohl kein besonder Mandat und Gottes Befehl haben, so ist es dennoch darum nicht frei, dass ein Jeder wollte seines eigenen Kopfes sein, sondern so Viel will Gott von uns haben in’s gemein, wie Paulus spricht 1. Cor. 14., dass es soll eine Zucht sein und fein ordentlich zugehen. Darum muss die Kirche gewisse Ceremonieen haben. Denn wo keine Ceremonieen sind, da kann keine Ordnung sein. Wo keine Ordnung (sagt Lutherus seliger), da ist Nichts, denn der Teufel. Wo aber gleich viel Ordnung und Ceremonieen, und Niemand denselbigen folget, was hilft’s? wiederum, wo man die Leute zu gar hart an die Ceremonieen bindet, ist’s auch nicht recht, und fällt man bald dahin, als wäre es ein nöthiger Gottesdienst. Darum müssen wir davon einen gründlichen Bericht haben.
Es hat unser Herr Gott den Sabbath hart geboten, dass man daran auch kein Feuer schüren, Exod. 16., noch einige Last und Bürden tragen müsste (Jerem. 17.), war darüber so ungeduldig, da Solches verbrochen wird von einem armen Mann (denn ein Reicher darf nicht Holz lesen), dass er befiehlt, ihn auch vom Leben zum Tode zu bringen, Num. 15., nicht weniger, als einen Lästerer seines Namens oder einen andern Mörder, Exod. 31., thut dagegen gar grosse Verheissung Denjenigen, die seinen Sabbath halten, Levit. 26. Und ist nicht die geringste Ursach alles Unglücks der Juden, dass sie den Sabbath nicht wohl gehalten haben. Ez. 20. 22. und 23.
Dagegen möchtest du diese Einrede thun: Christus heilet allhie am Sabbath, wie auch Matth. 12., Luc. 13., Joh. 5. und 9., ja, entschuldigt auch seine Jünger, dass sie am Sabbath Ähren ausraufen und die essen, Matth. 12., führet dazu fein das Exempel David’s ein, da er die heiligen Schaubrodte in der Noth ass, 1. Kön. 21., davon doch ein klar Gottesbefehl war, dass sie Niemand essen durfte, denn die Priester, Num. 28., und sagt noch Marc. 2. dazu: Der Sabbath ist um des Menschen willen gemacht, und nicht der Mensch um des Sabbaths willen, giebt aber damit genug zu verstehen, dass in der Zeit der Noth wir an solches Gebot und Ceremonieen nicht gebunden, sondern die Liebe geht vor. Also haben die Juden recht gethan, 1. Maccab. 2., dass sie sich am Sabbath gewehret, da zuvor tausend Mann erschlagen wurden, die am Sabbath sich nicht wehren wollen.
Wo aber keine Noth, sondern allein eigener Nutz oder Frevel ist, da kann ihm Gott nicht lassen gefallen, dass man muthwillig gemeiner Ordnung und Zucht nicht achtet, und zweifele nur nicht daran, du wirst seiner keinen Ablass haben, der du die Zeit, da der ganze Haufe beisammen ist in der Kirche, dafür spazieren gehest auf dem Markte, sitzest im Bierhause etc. Denn also soll und muss es sein, dass man gewisse Zeit hat, da man zusammen kommt, von aller andern Hausarbeit müssig ist, wie Gott darum den Sabbath verordnet: Erstlich, die Feier zu halten, damit Beide, der menschliche Körper und auch dein armes Pferd, einen Tag Ruhe haben Exod. 23. und Deut. 5. So ein frommer Gott ist unser Herr Gott, trägt Mitleiden mit uns, will den alten Rumpf nicht überladen haben, Röm. 13. Col. 2. Zum Andern ist’s nicht genug, die Feier halten, sondern Gott will, wir sollen zur Kirche gehen, wie denn am Sabbath das Volk zusammenkam, da die Propheten gelesen wurden, Luc. 4. Act. 13. und 15. Zum Dritten ist’s nicht genug, zur Kirche gehen, einen neuen Rock anziehen, wie sonst um Zucht willen, Das auch nicht unrecht, sondern Gottes Wort sollen wir hören, nicht schlagen, schwatzen etc., und dass wir auch danach thun, dem Worte gläuben und dem folgen, Jes. 56. und 58., Das ist die rechte Heiligung, dadurch wir geheiligt werden, Exod. 31. Ezech. 20, durch’s Wort, 1. Timoth. 4. Zum Vierten allda Psalmen singen, unsere Stimme mit der lieben Gemeinde erheben, den frommen Gott preisen, Eph. 5. Col. 3. Und was kannst du Fröhlicheres auf Erden thun, weil kein Zweifel, dass die heiligen Engel, so gegenwärtig, 1. Cor. 111., Gott mit preisen? Hie sind wir unter den Engeln, giebt auch oft das Singen viel mehr schöner, tiefer Gedanken, denn keine Predigt. Es soll aber nicht Einer hier hinaus, der Andere dort hinaus schreien, sondern fein ordentlich Einer auf den Andern hören. Und sollen sonderlich dazu nicht allerlei Lieder gestattet werden, sondern fürnehmlich Lutheri seligers geistreiche Psalmen behalten werden, die da rein, die sich fein geschicklich reimen. Zum Fünften sollen wir da der Sacramente gebrauchen, oder, wer nicht kann, zum Wenigsten gern dabei sein. Zum Sechsten die gemeine Noth im Gebet dem lieben allerhöchsten Gott getreulich fürtragen, 1. Tim. 2. und Matth. 18. Dazu soll ein jeder frommer Hausvater sein liebes Weib und Kinderlein sammt Knechten und Mägden mit sich nehmen und allda immer Einer für den Andern bittet, auf dass wir Alle selig werden, Jacob. 5. Zum Siebenten ist noch ein nöthig Stücklein, davon Paulus sagt 1. Cor. 16., dass auf die Zeit wir feierlich zusammentragen für die Armen. Und ist Das bei den Vätern eine feine alte Gewohnheit gewesen, dass die Väter den Tag Gasterei gehalten, nicht, dass sie ihre Freunde zu sich geladen, mit denselbigen voll und toll gewesen wären, nein, sondern, wie auch Christus hie saget und die alte Gewohnheit wiederholet, so haben sie die Armen geladen, denen Gutes gethan; wie auch Jesaias sagt Cap. 58.: Brich dem Hungrigen dein Brodt. Das ist der rechte Sabbath und heilige Feier.
Das andere Stück ist von Denen, so erwählten, obenan zu sitzen. Hie ist es ohne Zweifel dem Herrn Christo nicht um das Oben- oder Untensitzen zu thun. Das ist ein äusserlich und gar schlecht und gering Ding, das dem Hausvater ein Hausregiment befohlen ist und gewähret, welchen er oben oder unten setze. So muss ja Jemand obenan und Etliche untenan sitzen, wo man zusammenkommt. Darum ist’s aber freilich zu thun; denn Hoffahrt kann Gott nicht dulden noch leiden. Es heisst aber Hoffahrt nicht, dass ein Bürgermeister vorhergehet, ein Bürger folget. Diese Zucht soll also sein, wie sie denn Gott lehret und fordert, Levit. 19.: Vor einem grauen Haupte sollst du aufstehen und die Alten ehren; denn du sollst dich fürchten vor deinem Gott, denn ich bin der Herr. Dies ist aber Hoffahrt, wie Christus sie fein lehret, wo dich nicht Gott durch sein Amt, Stand, sonderliche Gaben erhöhet, sondern du erhöhest dich selber über deine Gabe, Stand und Amt, willt mehr sein, denn dir gebühret. Du bist ein Bauer und willt dich zieren wie ein Bürger oder Edelmann. Das ist eins. Oder du suchest allein die äusserliche Macht, die gefällt dir wohl, weißt auch die zu rühmen, denkst aber nicht, ja vielweniger thust du Das, was dein Stand und Amt, deine Gaben erfordern, als: Gott hat dich erhoben, dir schöne Weisheit, Lehren und Kunst gegeben, die gebrauchst du aber zu keines Menschen Schutz, sondern allein zu deinem Vortheil, lehrest Niemand. Du bist ein Edelmann, Fürst und Herr, du hast zu regiren Gewalt, brauchst es aber nicht zu Schutz und Rettung der armen Unschuldigen, die wider Billigkeit verdrückt werden, und schwänzest dennoch daher wie ein Pfau, willt dennoch gross gerühmet und gehalten sein, da du doch Dasjenige lässest liegen oder ja nicht recht gebrauchst, dadurch du nach Gottes Willen solltest gross sein vor ihm und aller Welt, das ist dein Amt, Gut, Macht und Gewalt, Weisheit und Kunst, wie die Pharisäer ihr Amt, darum sie sollten gross gehalten sein, liessen liegen, Niemand recht lehrten, ja, die Leute gräulich verführten und dennoch wollten oben an der Tafel sitzen. Solche teuflische Hoffahrt ist gar gemein in der Welt, dass Niemand will thun nach seinem Amt, Vermögen, Gaben und Stand, und gleichwohl ein Jeder will Grosshans sein und die Oberstelle haben, dass man ihn feire und hoch mit ihm herfahre, aber mit keinem Finger anrühren, da er’s mit verdienen sollte, wie Christus sie lehret: Lieber, sitze untenan, bis Der dich heisst oben hinauf sitzen, der dich geladen hat, als der den Ehrlichsten wohl weiss obenan zu setzen, richtet nicht nach deinem Sinn, sondern nach der Ehre, die jedem gebühret, nachdem er sich um die Leute verdienet hat. Das heisst Ehre, freilich nicht ein schöner Rock, eine Tasche mit Geld, die kann auch ein Dieb und Schelm tragen.
Zum Dritten höre Gottes Gericht über die leidige Hoffahrt. Wer sich selbst erhöhet (er sagt nicht: wer schlecht hoch ist), Der soll erniedrigt werden. Der kann nicht lügen, der Das geredet. Demnach, geschieht es hie nicht, so ist’s eine gräuliche, schreckliche, gewisse Anzeigung, es wird ihnen gespart in jenes Leben zu ewiger Niedrigkeit. Darum, bist du reich, denke: Siehe, darum hat mir Gott Reichthum gegeben, dass ich soll anderen Leuten helfen, Luc. 16. Ps. 112. Das thu, sorge für die Ehre nicht, die will Gott wohl schicken. Das heisst sich niedrigen, nicht: einen grauen Rock anziehen, Filzhut aufsetzen, wie Carlstadt narrete, wollte nicht Herr Doctor heissen, sondern Bruder Andres. Es geckt sich und narret sich mit solchen Leuten. Das heisst sich niedrigen. Bleib in deinem Stande, behalte die Gaben, dazu dich Gott berufen, und die er dir gegeben hat, kleide ich, gehe und stehe nach dem Stande, wie dem gemäss; wie Christus von Salomons Kleid und Herrlichkeit vor allen Königen und Kaisern auf Erden rühmet, Matth. 6. Aber Das thu, brauche Geld, Amt und Gaben Gottes, Gott zu Ehren und zu Dienst, Stellung, Hilfe und Trost anderer Leute nach Gottes Gebot. Das heisst sich selbst niedrigen, dienen, dienen den Armen und also Jedermanns Knecht sein, mit deinem Geld, Gewalt und Gaben. Solche will Gott erhöhet haben; darum soll man sie gross halten, oder sein Zorn will uns wohl treffen.
Was ist Hoffahrt? Kurz, wer sich selbst erhöhet, nicht von Gott erhöhet ist. Das geschieht auf zweierlei Weise: Erstlich wer sich über seinen Stand und Amt erhebet. Zum Andern, den Gott in seinem Stand, Amt und hohen Gaben vor Anderen erhoben, als, dass er verständig, beredt, er aber Amt und Stand fallen lässt, Den erhebet nunmehr nicht Gott, sondern Der erhebet sich selbst; denn er sucht Ehre ausser dem Stande, Amt und Gaben, allein dass er der schönen Gaben zum Schein und Schanddeckel missbraucht wider Den droben. Da sitzt der Fürst, rühmet fürstliche Hoheit, nicht, dass er einen Jeden bei Recht und Gerechtigkeit, wess er von Gott, kaiserlicher und anderer Befreiung halber berechtigt ist, wollte anhalten, er lauret auf dem Bette, wenn Andere schlafen, wie er neue Beschwerung, Schatzung, Plünderei und Dergleichen erdenke. Micha 3.: Höret doch, ihr Häupter und ihr Fürsten, ihr sollt’s billig sein, die das Recht wählen. Aber ihr hasset das Gute und liebet das Arge. Ihr schindet die Haut ab und das Fleisch von ihren Beinen und fresset das Fleisch meines Volks, und wenn ihr ihnen die Haut abgezogen habt, zerbrechet ihr ihnen auch die Beine und zerlegt’s wie in einen Topf und wie Fleisch in einen Kessel. Wenn Das fürstliche Hoheit wäre, warum straft es Gott so gräulich? Fürstliche Hoheit und Dignität ist ja von Gott. Dies unmässliche Schinden ist aber nicht von Gott; darum muss es nicht fürstliche Hoheit sein. Besiehe Jeremiam von unmässlichem, übrigem Bauen von der Armen Schweiss. Jerem. 22. Nun erhöhen sie sich selbst darinnen und nicht Gott. Frage: Was will Das Gutes bringen? Wie wenn nun dermalen Gott zu ihnen sagen würde Jer. 13.: Sage dem Könige und der Königin, setzt euch herunter; denn die Krone der Herrlichkeit ist euch von euerm Haupte gefallen. Und hie hörst du, er will’s thun. Siehe an die unmässlichen Gebäu, grosse Kraft, unnütze Kosten, so sie wenden auf muthwillige Kriege, gräuliche tägliche Schatzung, allerlei geschwinde Übersätze und neue Beschwerung. Ach genug, Gott muss Das richten durch Türken oder Teufel, Aufruhr oder andere Mittel, Gott gebe, durch den jüngsten Tag. Amen.
1. Niemand erhebe sich über seinen Stand, Amt und Gaben. 2. Wen Gott von wegen Standes, Amtes und Gaben erhoben, Der thue, was seines Standes, Amtes und Gaben Maass erfordert. Sonst, wer Stand, Amt und Gaben lässt liegen, die versäumet und dennoch will gross sein, Der erhöhet sich selbst, weil er Das lässt liegen, darinnen ihn Gott erhöhet.
Christus kommt mit den Pharisäern, seinen besonderen Freunden, abermals in’s Gespräch; denn also stellten sie sich, meinten auch nicht anders, denn Christus und alle Welt müssten es dafür verstehen, der arme Bettler könnte nicht sehen, was sie für Gift und Galle im Herzen hätten, lauren aber und stossen die Köpfe zusammen, in guter Hoffnung, sie wollen was bekommen an ihm, derhalben sie ihn könnten ergroppen. Darüber wird Christus auch recht lustig, und weil der fromme Gott eben zu allem Glück diesen armen Mann in die Rappus und Mittel wirft, nimmt er Den für, macht sich aber einfältig und simpel. Liebe Herren (spricht er), von euch soll man ja lernen, so bitte ich, unterweiset und berichtet mich, möchte man nicht, wer da könnte aus Gottes Segen diesem Mann helfen? Sie sitzen wie Stöcke und Klötze, rümpfen die Nasen, sehen einander an, dürfen nicht heraus; denn sie waren in gleichem Handel zuvor auf der Bahn gewesen und weidlich auf die Schnauzen geklopft, Matth. 12. Also fähret er fort, streckt seine gütige, allmächtige Hand aus und hilft dem Mann mit wenigen Worten und lässt ihn dahinstreichen. Weil er aber gleichwohl ihr wüthendes Herz sieht, so denkt er zurück, wenn Einem am Sabbath eine alte Kuh in den Brunnen gefallen, ob er das arme Tier retten möchte. Ist denn Das den Sabbath nicht gebrochen, oder an eurer Heiligkeit unschädlich, warum denn nicht viel mehr, wenn man einem armen Menschen hilft? Ihr könnet ja nicht sagen, dass eine Kuh besser, denn ein Mensch.
Allhie nun lehret uns Christus nicht den Sabbath brechen, dass uns nun frei wäre, ausser der Kirche und von der Predigt zu bleiben. Er ist ohne Zweifel den Tag frühe zur Predigt gewesen, hat helfen Gottes Wort handeln, beten, Psalmen singen. Also gehet er Luc. 4. zu Nazareth in die Synagoge, lässt ihm das Buch reichen. Als man aber nach gehaltenem Gottesdienst zu Tisch kommt, und sich die Gelegenheit zuträgt, dem Nächsten zu helfen, thut er, was ohne Zweifel aus den Propheten den Tag gelehret ist, Matth. 7.: Alles, das ihr wollet, dass euch die Leute thun sollen, Das thut ihr ihnen; Das ist das Gesetz und die Propheten.
Für’s Andere, so merke, was die Welt für ein Judicium und Verstand allhie habe. Sie ist frommer, denn unser Herr Gott. Sie hilft einer alten Kuh, ist köstlich Werk, er hilft einem Menschen, ist ein Dreck. Ihr giebt Einer hundert Thaler, ist eitel Deo gratias, dienet ihr zu weltlicher oder zeitlicher Wohlfahrt, Das muss Ruhm sein und Dess kein Ende. Ein Anderer absolvirt, macht selig durch’s Wort, 1. Timoth. 4.; ein Dreck. Barrabas mordet, richtet Aufruhr an; Den urtheilt sie los. Christus würget Niemand, sondern macht lebendig; da heisst’s: Lass ihn kreuzigen. Und Das währet noch. Schlage einen Hund oder Katze todt, was gilt’s, wo man dich in’s Werk und Gilden nimmt. Schlag einen Menschen todt, was gilt’s, wo dir derhalben die Gilde wird geweigert? Stiehl ein Lehen, zwei, drei aus der Kirche; schadet nicht. Nimm einen Gulden zehn aus dem Kasten, siehe, wie der Galgen nach dir schnappen wird, etc. Also heisst’s Luc. 16.: Bei der Welt gross, bei Gott ein Quark; Weisheit in der Welt, Thorheit bei Gott. 1. Cor. 1. und 2.
Zum Dritten hüte dich fleissig vor Hochmuth und Hoffahrt in der ersten Tafel, davon Dom 11. im Pharisäer. Hier in der anderen Tafel. Es ist aber Hoffahrt nicht unten oder obenan sitzen. Das muss und soll sein, sondern zweierlei Art: du erhebest dich über deinen Stand, Beruf, Amt, Gaben etc., oder lässt liegen, derhalben dich Gott erhoben, willt gleichwohl die Ehre haben. Solches ist nie wohlgerathen. Agar und Ismael müssen darüber wandern, Gen. 21. Die war nicht Hausmutter berufen, sie wollte es sein, Absalom war noch Noth König berufen; darüber muss sein Haar sein eigener Henker sein, 2. Kön. 18. Arius sollte Kaplan und nicht Bischof sein, darüber scheisst er das Gedärm mit Lungen und Lebern dahin. Carlstadt wollte über Lutherum, wird aber des Teufels Apostel. Also Julius Cäsar, Pompejus etc. Gott widerstehet den Hoffährtigen, sagt Petrus 1,5. Das ist das alte Lied. Und David Ps. 113. und 138.: Der Herr ist hoch und siehet auf das Niedrige und kennet die Stolzen von ferne. Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist, und was der Herr von dir fordert, spricht Micha Cap. 6., nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demüthig sein vor deinem Gott.
Quelle: Beste, Wilhelm - Die bedeutendsten Kanzelredner der lutherschen Kirche des Reformationszeitalters