Luther, Martin - Die erste Wittenberger Predigt.

Luther, Martin - Die erste Wittenberger Predigt.

Am Sonntage Invocavit.

Wir sind alle zum Tode gefordert, und wird Keiner für den Andern sterben; sondern ein Jeglicher in eigner Person muß geharnischt und gerüstet sein für sich selbst, mit dem Teufel und Tode zu kämpfen. Ebr. 9, 27. In die Ohren können wir wohl Einer dem Andern schreien, ihn trösten und vermahnen zu Geduld, zum Streit und Kampf; aber für ihn können wir nicht kämpfen noch streiten, es muß ein Jeglicher allda auf seine Schanz selbst sehen, und sich mit den Feinden, mit dem Teufel und Tode selbst einlegen, und allein mit ihnen im Kampf liegen. Ich werde denn nicht bei dir sein, noch du bei mir. Derhalben so muß ein jedermann selbst die Hauptstücke, so einen Christenmenschen belangen, wohl wissen, dadurch er in diesen ernsten Kampf gerüstet komme; welche die sind, die eure Liebe nun oft hat von mir gehört.

Zum Ersten müssen wir wissen, daß wir alle Kinder des Zorns sind, und daß alle unsere Werke, Gedanken und Sinne sündlich und Nichts sind vor Gott, so daß wir mit ihnen, sie sind so hübsch und schön sie immer wollen, vor Gott nicht treten dürfen; und hierin müssen wir einen hellen klaren Spruch haben ans der Schrift, darauf wir müssen gegründet sein, der uns klärlich anzeigt, daß dem also fei. Wiewohl nun dieser Sprüche viel sind hin und wieder in der Schrift, will ich euch doch nicht mit viel Sprüchen überschütten; sondern euch diesen einigen und kurzen Spruch St. Pauli vorhalten, welchen er zu den Ephesern schreibet und spricht: Wir sind alle von Natur Kinder des Zorns rc. Ephes. 2, 3. Diesen Spruch laßt euch wohl befohlen sein.

Zum Andern müssen wir auch wissen, daß uns Gott aus lauter Gnade und Güte seinen eingebornen Sohn in die Welt gesandt hat, daß wir an ihn glauben und vertrauen sollen; also, wer an ihn glaubt, soll der Sünde frei sein und ein Kind Gottes, wie Johannes sagt im Anfang seines Evangeliums: Wie Viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, die da an seinen Namen glauben, Joh. 1, 11. Bei diesem Stücke sollten wir alle in der Bibel wohl bekannt sein, und mit hellen klaren Sprüchen gerüstet, dem Teufel sie vorzuhalten. Denn wenn du in diesem Kampfe nicht ein gewisses, helles, klares Wort Gottes hast, so kannst du nicht bestehen. Und sonderlich merke diesen Spruch Christi bei Johannes: Also hat Gott die Welt geliebet, daß er seinen einigen Sohn gab, auf daß Alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, daß er die Welt richte; sondern daß die Welt durch ihn selig werde. Wer an ihn glaubet, der wird nicht gerichtet. Wer aber nicht glaubet, der ist schon gerichtet; denn er glaubet nicht an den Namen des eingebornen Sohnes Gottes. Joh. 3, 16. 17. 18. Desgleichen merke mich diesen Spruch Johannis des Täufers: Der Vater hat den Sohn lieb, und hat ihm Alles in seine Hand gegeben. Wer an den Sohn glaubet, der hat das ewige Leben. Wer an den Sohn nicht glaubet, der wird das Leben nicht sehen; sondern der Zorn Gottes bleibet über ihm. Joh. 3, 35.

In diesen zweien Stücken spüre ich noch keinen Mangel oder Fehl bei euch; sondern sie sind euch lauter und rein gepredigt. Und wäre mir herzlich leid, wenns anders, denn recht, geschehen wäre. Ja, ich sehe es wohl, und darfs wohl sagen, daß ihr hierinne gelehrter seid, denn ich bin; nicht allein Einer, Zwei, Drei, Vier; sondern wohl Zehen, Zwanzig und mehr, die alle wohl und recht erleuchtet sind in diesen zweien Hauptstücken; und hätte nicht gemeinet, daß es in so kurzer Zeit, vielleicht in einem Jahre, sollte so hoch sein gestiegen.

Zum Dritten müssen wir auch die Liebe haben, und durch die Liebe einander thun, wie uns Gott gethan hat, durch den Glauben; ohne welche Liebe der Glaube Nichts ist, wie St. Paulus zu den Corinthern saget: Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete, und hatte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz, oder eine klingende Schelle. Und wenn ich weissagen könnte, und wüßte alle Geheimnisse, und hätte allen Glauben, also, daß ich Berge versetzete, und hätte doch der Liebe nicht, so wäre ich Nichts. Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe, und ließe meinen Leib brennen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mirs nicht nütze. Allhie, lieben Freunde, an diesem Stücke ist es weit gefehlet, und spüre an Keinem irgend eine Liebe, und merke gar wohl, daß ihr Gotte seid undankbar gewesen um solche rechte Schätze und Gaben, die er euch in kurzen Jahren hat zugesendet und lauter umsonst geschenkt. Darum laßt uns hie zusehen, daß Wittenberg nicht Capernaum werde, Matth. 11, 23. Ich sehe und merke, daß ihr wohl könnt und wisset zu reden von der Lehre, die euch gepredigt ist, als vom Glauben und auch von der Liebe: welches nun kein Wunder ist, ob ihr gleich viel davon könnt reden. Kann man doch schier einen Esel lehren singen; sollt ihr denn auch nicht so viel lernen, daß ihr die Lehre und Wörtlein solltet nachreden? Aber, lieben Freunde, Gottes Reich stehet nicht in der Rede, oder in den Worten; sondern in der Kraft und in der That. 1 Cor. 4, 20. Denn Gott will nicht allein Zuhörer und Nachreder haben, sondern Nachfolger und Thäter, Jac. 1, 22., die das Wort bewahren, Luc. 8, 15., die sich im Glauben üben, der durch die Liebe kräftig ist. Gal. 5, 5. 6. Denn der Glaube ohne die Liebe ist nichts werth; ja, er ist nicht ein Glaube, sondern nur ein Schein des Glaubens; gleichwie ein Angesicht im Spiegel, gesehen, nicht ein wahrhaftiges Angesicht ist, sondern nur ein Schein des Angesichts.

Zum Vierten ist uns auch noch die Geduld. Denn wer den Glauben hat, Gott vertrauet und die Liebe gegen seinen Nächsten beweiset, und sich in denselbigen täglich übet, der kann nicht ohne Verfolgung sein, 2 Tim. 3, II., denn der Teufel schläft noch ruhet nicht, sondern gibt den Menschen genug zu schaffen. Die Verfolgung aber bringet Geduld. Denn wenn ich nicht verfolget noch angefochten werde, so weiß ich von Geduld wenig zu sagen. Darnach bringt die Geduld Hoffnung, Röm. 5, 4., welche sich denn frei ergibt und in Gott schwinget, und läßt nicht zu Schanden werden. Und also durch viel Anfechtungen und Verfolgungen nimmt der Glaube je mehr und mehr zu, und wird von Tag zu Tag stärker. Ein solch Herz, in dem der Glaube also zunimmt und das mit solchen Tugenden begnadet ist, kann nicht ruhen noch sich enthalten, sondern muß sich wiederum ausgießen und seinem Nächsten wohlthun, wie ihm von Gott geschehen und widerfahren ist.

Allhie, lieben Freunde, muß nicht ein Jeglicher thun, was er Recht hat, sondern muß sich auch seines Rechtens verzeihen, und sehen, was seinem Bruder nützlich und förderlich ist: wie der heilige Paulus gethan hat, der also zu den Corinthern schreibet: Ich hab es alles Macht, es nützet mir aber nicht alles, 1 Cor. 6, 12. Und hernach im 9. Cap. V. 19-23. spricht er: Wiewohl, ich frei bin von jedermann, hab ich doch mich selbst jedermann zum Knechte gemacht, auf daß ich ihrer Viele gewinne. Denen, die unter dem Gesetz sind, bin ich worden als unter dem Gesetze, auf daß ich die, so unter dem Gesetze sind, gewinne. Denen, die ohne Gesetz sind, bin ich als ohne Gesetz worden (so ich doch nicht ohne Gottes Gesetz bin, sondern bin in dem Gesetze Christi), auf daß ich die, so ohne Gesetz sind, gewinne. Den Schwachen bin ich worden ein Schwacher, auf daß ich die Schwachen gewinne. Ich bin jedermann allerlei worden; auf daß ich allerdings ja Etliche selig mache. Solches aber thue ich um des Evangelii willen, auf daß ich seiner Gemeinschaft theilhaftig werde.

In diesen Worten Pauli ist uns vorgeschrieben, wie wir, die wir nun den Glauben von Gott empfangen haben, uns gegen jedermann halten sollen; nämlich, uns nach unserer Nächsten Schwachheit lenken. Denn wir sind nicht alle gleich stark im Glauben. Ich habe einen stärkern Glauben, denn Etliche unter euch. Etliche unter euch haben einen stärkern Glauben, denn ich; und ist also ein gemengt Ding unter uns. Ja, der heute den Glauben stark hat, kann ihn morgen wohl schwach haben; und wiederum, wer ihn heute schwach hat, mag ihn morgen stark haben. Darum müssen wir nicht auf uns und unsern Glauben oder Vermögen allein sehen; sondern sollen auf unsern Nächsten sehen, daß wir uns nach ihm richten, und ihn nicht mit unserer Freiheit beleidigen. Als, daß ich euch ein grob Gleichniß sage: Wenn Einer ein Schwert traget, und allein ist, mag er das Schwert bloß oder nicht bloß tragen, mags sterzen1) oder nicht sterzen, da liegt wenig an; wenn er aber im Haufen ist, oder mit Kindern umgehet, da muß er sich mit dem Messer viel anders halten, auf daß er niemand beschädige. Also müssen wir uns mit unserer Freiheit auch halten, daß wir niemand Ursach geben, sich an uns und unserer Freiheit zu ärgern; sollen auch nicht vergessen, wie uns Gott getragen, und geduldet hat unsere Schwachheit, ja unsern Unglauben, lange Zeit; und also auch Geduld tragen mit unserm Nächsten, ob er gleich nicht so bald uns könne nachfolgen, ob er gleich noch zu Zeiten strauchele und fehle. Höre, wie Gott in den Propheten hin und wieder ausschreien läßt, er trage sein Volk, wie eine Mutter ihr Kind trägt, Jes. 46, 3. Er ernähret sie, wie eine Amme das Kind nähret. Wie thut oder ernähret die Mutter ihr Kind? Erstlich gibt sie ihm Milch, darnach Brei, darnach Eier, und also weiche Speise, bis so lange daß das Kind härterer Speise gewöhne, und hinfort könne Käse und Brod essen. Denn wenn die Mutter dem Kind erstlich wollte Käse und Brod, gebraten und gesotten Fleisch zu essen, und Wein zu trinken geben, was wollte draus werden?

Also sollen wir auch mit unsern schwachen Brüdern umgehen, sollen mit ihnen Geduld tragen eine Zeitlang und ihren schwachen Glauben leiden, ja auch erstlich Milch und weiche Speise geben, 1 Petr. 2, 2., wie uns geschehen ist, bis daß sie auch stark werden; sie nicht greulich anschnauzen, sondern sein freundlich handeln, und sie in aller Sanftmuth unterweisen und lehren, auf daß wir nicht allein gen Himmel gedenken zu fahren; sondern trachte, daß du deinen Bruder umbringest. Ob sie gleich jetzt unsere Feinde sind und den Glauben nicht vollkommen haben; sie werden noch wohl unsere Freunde werden und den Unglauben fahren lassen. Sollten alle Mütter ihre unfläthigen, schäbichten, unreinen Kinder verwerfen, wo meinest du, daß wir wären? Lieber Bruder, hast du genug gesogen, schneide nicht alsbald die Zitzen ab; sondern laß deinen Bruder auch so lange saugen, wie lang du gesogen hast.

Das rede ich alles darum, daß ich sehe, daß ihr in diesem Stück gefehlet habt, und gröblich euer ein Theil angeloffen sind. Ich hätte es nicht so weit getrieben, als geschehen ist, wenn ich hie gewesen wäre. Die Sache ist wohl gut an ihr selbst; aber das Eilen ist zu schnell. Denn auf jener Seiten sind auch noch Brüder und Schwestern, die zu uns gehören; die müssen noch herzugebracht werden. Der Glaube soll stet und fest stehen, aber die Liebe muß und mag sich lassen lenken, wie man siehet, daß sichs schicken will nach des Nächsten Nothdurft.

Deß nehmet ein Gleichniß: Die Sonne hat zwei Dinge, den Schein oder Glanz, und die Hitz. Es ist kein König so stark und mächtig, der den Glanz und Strahlen der Sonne beugen oder lenken möge, denn er läßt sich nicht lenken, sondern bleibet an feinen Stellen geörtert; aber die Hitze lenket sich, und ist doch allewege um die Sonne. Also muß der Glaube allezeit gerichtet und unbeweglich in unsern Herzen bleiben, und muß nicht davon weichen noch wanken: die Liebe aber beweget und lenket sich, nachdem es unser Nächster begreifen und folgen mag. Es sind Etliche, die können rennen. Etliche wohl laufen, Etliche aber kaum kriechen. Darum müssen wir nicht unser Vermögen, sondern unsers Bruders Schwachheit und Unvollkommenheit betrachten, auf daß der, der da schwach im Glauben ist, so er dem Starken folgen wollte, nicht vom Teufel zerrissen werde.

Darum, lieben Freunde, folgt mir! Ich habe es je noch nie verderbet; ich bin ja der Erste gewesen, den Gott auf diesen Plan gesetzt hat: ich kann Gott nicht entlaufen, sondern muß so lange bleiben, bis es Gott, meinem Herrn, wohlgefällt; ich bin auch der gewesen, dem es Gott zum ersten offenbart hat, euch solch sein Wort zu predigen und anzusagen. Ich bins auch je gewiß, daß ihr das lautere reine Gottes Wort habt. Derhalben laßt uns schön hierin thun und säuberlich fahren, daß wir dasselbige göttliche Wort mit Furcht und Demuth handeln, Einer dem Andern unter den Füßen liegen, die Hände zusammenreichen, Einer dem Andern helfen, rathen und wohlthun in aller seiner Nothdurft, und uns des Andern Unglück, Angst, Noth und Widerwärtigkeit annehmen, als wäre sie unser eigen. ^

Ich will hierinne das Meine thun und meine Meinung sagen, wie ich schuldig bin, und meine euch herzlich, als ich meine Seele meine: ist aber jemand, der was Besseres würde haben, und ihm etwas mehr offenbaret werde, denn mir, dem will ich meinen Sinn und Verstand unterwerfen und meine Meinung nicht über seinen Kopf gesetzt haben; sondern ich will ihm folgen. Würde sichs aber finden, daß meine Meinung und Verstand recht wäre, so will ich auch nicht leiden, daß jemand seinen Kopf über meinen Sinn setzen wollte. Laßt uns alle einträchtiglich zusammenthun, es wird uns dennoch Mühe genug kosten, sollen wir bei dem reinen, lautern, rechtschaffenen Worte Gottes bleiben. Denn wir streiten hie nicht wider den Pabst, Bischof und weltliche Fürsten, denn das sind grobe Köpfe, die man wohl erkennen kann, daß sie irren und nur grob Ding vorgeben, welches man schier mit der Vernunft kann begreifen: sondern wir streiten wider den Teufel, wider die Geister der Bosheit unter dem Himmel, nicht wider Fleisch und Blut, wie St. Paulus sagt zu den Ephesern am 6. Cap. V. 12.

Darum, lieben Freunde, laßt euch nicht dünken, daß der Satan schlafe und stille halte; ja, er greifts an allen Oertern und mit allen Listen an. Er hat gar mancherlei Künste; gehet ihm eine nicht fort, so hat er bald eine andere; wir sind ihm viel zu schlecht und einfältig, er ist ein Tausendkünstler. Er siehet das wahre Licht des Evangelii so klärlich aufgehen, daß er ihm nicht darf gerade unter Augen sehen, derhalben wollte er ihm gerne zur Seiten beikommen und sein Heil allda versuchen, ob er neben einreißen könnte; er wirds auch thun, weiden wir nicht fleißig aussehen. Denn ich kenne ihn wohl, so kennet er mich auch wohl; ich hoffe aber, ich sei sein Herr. Lassen wir ihm aber nur einen Fuß breit, so mögen wir zusehen, wie wir seiner los werden.

Darum haben alle die geirret, die dazu geholfen und bewilliget haben, die Messe abzuthun; nicht daß es nicht gut wäre gewesen, sondern daß sie nicht ordentlich abgethan ist. Du sprichst: es ist recht aus der Schrift. Ich sage es auch; aber wo bleibt damit die Ordnung? denn es ist in einem Frevel geschehen, ohne alle Ordnung, mit Aergerniß des Nächsten. Ihr solltet Gott zuvor mit Ernst drum gebeten haben, und die Obrigkeit dazu genommen haben, so wüßte man, daß es aus Gott geschehen wäre. Ich wollt es auch wohl angefangen haben, wenn es gut wäre gewesen; aber es will sich nicht bald leiden, alle böse Ding so plötzlich und ohne Ordnung abzuwerfen. Derhalben wenn es nicht so ein böses Ding wäre um die Messe, so wollt ich sie, zu Trotz denjenigen, so unordentlich damit sind umgegangen, wiederum aufrichten; denn ich weiß es nicht zu verfechten noch zu erhalten, daß ihr hierinne wohl gehandelt habt: ich wills euch eben gesagt haben.

Vor den Papisten und vor den groben Köpfen könnt ichs wohl thun, denn ich wollte sprechen: Was wisset ihr, ob es in einem guten Geist oder in einem bösen Geist geschehen ist; sintemal das Werk an ihm selbst gut ist. Aber vor dem Teufel weiß ichs nicht zu erstreiten; denn wenn der Teufel denjenigen, so dieß Spiel haben angefangen, am Sterben diese Sprüche oder dergleichen wird vorhalten: Alle Pflanzen, die mein himmlischer Vater nicht gepflanzet hat, die werden ausgereutet, Matth. 15,12., oder den aus dem Propheten Jeremia: Ich sandte die Propheten nicht, dennoch liefen sie; ich redete Nichts mit ihnen, dennoch predigten und weissagten sie, Jer. 23, 21., wie. wollen sie bestehen? Sie werden gewißlich zur Hölle zufahren müssen. Ich aber will dem Teufel wohl eine Sprühe vor die Nase halten, daß ihm auch die weite Welt soll zu enge werden; denn ich weiß und bin's gewiß, daß ich solches mein Predigtamt nicht von mir selbst habe angenommen, noch mich eingedrungen, sondern bin hiezu gefordert, und auch wider meinen Willen allhie zu predigen erwählet.

Darum habt ihr unrecht gethan, daß ihr ein solch Spiel ohne mein Geheiß und Zuthun habt angefangen, und mich nicht auch zuvor drum gefragt.

Ich bin ja so ferne nicht von euch gewesen, ihr hättet mich je mit Schriften können erreichen; denn es nicht das geringste Stück ist: es wäre wohl werth gewesen, daß ihr zu mir derhalben geschickt hättet. Wollt ihr Etwas anfahen unbedacht und aus einem Frevel, und ich sollts darnach verantworten: das wäre mir zu schwer, ich werde es nicht thun. Allhie merket man, daß ihr den Geist nicht habt, wiewohl ihr ein hoch Erkenntniß der Schrift habt. Es ist gar ein großer Unterschied zwischen diesen zweien Stücken: müssen sein, und frei sein. Denn, müssen sein ist das, was die Nothdurft fordert und muß unwanklich bestehen, als da ist, der Glaube: den lasse ich mir nicht nehmen, noch umstoßen, sondern muß den allezeit in meinem Herzen haben, und vor jedermann frei bekennen. Frei sein aber ist das, welches ich frei habe und mags gebrauchen oder lassen anstehen, doch also, daß mein Nächster den Nutz, und nicht ich, davon habe. Derhalben macht mir nicht ein muß sein aus dem frei sein, wie ihr jetzt gethan habt; auf daß ihr nicht für diejenigen, so durch eure lieblose Freiheit verleitet sind, Rechenschaft müsset geben. Denn wenn du Einen dazu reizest, den Freitag Fleisch zu essen, und er in Todesnöthen derhalben angefochten wird, und also gedenkt: O wehe mir, daß ich Fleisch gegessen hab, und nicht bestehen kann! für den wird Gott von dir Rechenschaft fordern.

Ich wollt auch wohl viel Dings anheben, daß mir nicht Wenige folgen würden; was hilfts aber? Denn ich weiß, daß, die Solches angefangen haben, wenns ans Treffen gehet, wie ihr jetzt sehet, nicht bestehen können, ja die Ersten sein, die zurücketreten würden. Lieber, wie würde es stehen, wenn ich den Haufen auf den Plan brächte, und ich, der Erste wäre gewesen, hätte die Andern angehalten, und wollte selbst davon fliehen, und des Todes nicht fröhlich erwarten: ei, wie sollte der arme Haufe verführt werden! Darum laßt uns den Andern auch so lange Milchspeise geben, wie uns geschehen ist, bis sie auch im Glauben stark werden. Denn ihrer sind noch Viele, die uns sonst in andern Stücken zufallen, und wollten diese Dinge auch gerne mit loben und annehmen; aber sie können es noch nicht wohl begreifen: dieselbigen alle treiben wir zurück mit solchem freveln, ungestümen Wesen. Wir müssen der Liebe gegen unsern Nächsten nicht vergessen, sondern sie allezeit vor Augen haben und alle Dinge darnach richten. Werden wir das nicht thun, so wird unser Wesen nicht bestehen. Müssen wir doch auch mit dem eine Zeitlang Geduld tragen, und nicht verwerfen den, der noch schwach im Glauben ist. Wieviel mehr sollen wirs thun und lassen, so es die Liebe erfordert und es uns nicht an unserm Glauben Schaden thut. Derhalben sage ich und warne euch treulich: werden wir Gott nicht ernstlich bitten, und uns in die Sache recht schicken, so siehet mich das Spiel an, daß alle der Jammer, so auf die Papisten von uns angefangen, über uns kommen werde. Darum hab ich nicht länger können außen bleiben, sondern Hab müssen kommen. Solches euch zu sagen. Jetzt ists genug von der Messe; morgen wollen wir ein wenig mehr davon handeln, und von den Bildern auch sagen.

Quelle: Luthers Volksbibliothek, Band 17 + 18

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