Luther, Martin - Vorrede auf die erste Epistel an die Korinther
IN DIESER EPISTEL ERMAHNET S. PAULUS DIE Korinther / Dass sie einträchtig sein sollen im Glauben / und in der Lehre / Und darauf sehen / dass sie das Hauptstück / nämlich, dass Christus unser Heil ist, wohl lernen / An welchem sich alle Vernunft und Weisheit stößt. Denn gleich wie jetzt zu unserer Zeit / da das Evangelium an den Tag gekommen ist / finden sich der tollen Heiligen viele, welche man Rottengeister / Schwärmer und Ketzer heißt, die allzu früh klug und gelehrt geworden sind / und können vor großer Kunst und Weisheit / sich mit niemandem gleich oder einträchtig halten / Einer will hier hinaus / der andere dort hinaus / Als wäre es große Schande / wenn nicht ein jeglicher ein Sonderliches vornähme / und seine eigene Weisheit aufwürfe. Welche niemand wiederum zu Narren machen kann / So sie doch im Grunde gar nichts von den rechten Hauptsachen wissen noch verstehen / obgleich sie mit dem Mund viel davon plaudern.
Also gings S. Paulo auch / da er seine Korinther den christlichen Glauben und die Freiheit vom Gesetz gelehrt hatte / Fanden sich auch die tollen Heiligen und unzeitigen Klüglinge / zertrennten die einträchtige Lehre / und machten Spaltung unter den Gläubigen. Einer wollte paulisch / der andere apollisch / einer petrisch / der ander christisch sein. Einer wollte die Beschneidung haben / der andere nicht. Einer wollte die Ehe / der andere nicht. Einer wollte Götzenopfer essen / der andere nicht. Etliche wollten leiblich frei sein. Etliche Weiber wollten in Haaren gehen / und dergleichen. Bis sie dahin gerieten / dass einer der Freiheit missbrauchte / und nahm seine Stiefmutter zur Ehe. Und etliche hielten nichts von der Toten Auferstehung. Etliche nicht viel vom Sakrament. Und ging wüst und ganz ungeordnet zu / dass jeglicher wollte Meister sein und lehren / und mit dem Evangelium / Sakrament / Glauben / machen, was ihm gut dünkte. Und ließen dieweil das Hauptstück fein fahren und liegen / Dass Christus unser Heil / Gerechtigkeit / Erlösung ist / als hätten sie es längst an den Schuhen auseinandergerissen. Wie denn solch Stück nicht kann auf der Bahn bleiben / wo man beginnt zu klügeln und weise zu sein. Aller Dinge wie es jetzt auch uns geht / Nachdem wir den Deutschen das Evangelium eröffnet haben / von Gottes Gnaden / Da will auch ein jeglicher der beste Meister sein / und den heiligen Geist allein haben. Gerade als wäre das Evangelium darum gepredigt / dass wir unser Klugheit und Vernunft darinnen erzeigen und Ruhm suchen sollten. Dass diese Korinther wohl mögen sein ein Exempel oder Beispiel unseren Leuten zu dieser Zeit / welche auch wohl einer solchen Epistel bedürften. Es muss aber so sein / und soll dem Evangelio so gehen / Dass tolle Heilige und unzeitige Klüglinge / Aufruhr und Ärgernis anrichten / Auf dass die Bewährten, wie hier S.Paul auch sagt, offenbar werden.
Darum straft und verdammt S.Paulus solche schädliche Weisheit gar ernstlich. Und macht solche nasenweise Heiligen wieder zu Narren / spricht schlecht / dass sie nichts wissen von Christus / noch von dem Geist und Gaben Gottes / uns in Christo gegeben / und sollen noch anheben zu lernen / Es müssen geistliche Leute sein / die es verstehen sollen. Weise sein wollen und Klugheit vorgeben im Evangelium / sei eben das rechte Ärgernis und Hindernis / Christum und Gott zu erkennen / Aufruhr und Zwietracht anzurichten / da mag die kluge Vernunft und Weisheit wohl zu dienen / dass eitel tolle Heiligen und wilde Christen werden. Aber unseren HErrn Christum mögen sie nimmermehr erkennen / sie werden denn wiederum zum Narren / und lassen sich demütiglich durchs einfältige Wort Gottes lehren und führen. Solches treibt er durch die ersten vier Kapitel.
Im V. straft er die große Unzucht des / der seine Stiefmutter genommen hatte / und will ihn in Bann tun / und dem Teufel geben. Zeigt damit an eine rechte Weise, des Bannes zu brauchen / Dass er mit Bewilligung der gläubigen Gemeinde gefället soll werden / über die öffentliche Laster / Wie auch Christus Matth. am XVIII. lehrt.
Im VI. straft er das Hadern und Zanken vor Gericht / sonderlich / vor den Heiden und Ungläubigen. Und lehrt / dass sie untereinander selbst sollen die Sachen schlichten / oder Unrecht leiden.
Im VII. gibt er Unterricht von der Keuschheit und ehelichem Stande. Lobet die Keuschheit und Jungfrauschaft / dass sie nütze seien / des Evangelii desto besser zu warten. Wie Christus auch lehrt Matth. XIX. von den Keuschen / die um des Evangeliums oder Himmelreichs willen keusch sind. Aber Paulus will sie ungenötigt und ungezwungen / und ohne Gefahr größerer Sünde gehalten haben / Sonst sei besser freien / denn Keuschheit / die in stetiger Brunst steckt.
Im VIII. bis aufs zwölfte / Handelt er mancherlei Weise / Wie man die schwachen Gewissen führen und halten soll / in äußerlichen Sachen / Alsda sind / Essen / Trinken / Kleider / Sakrament haben. Und wehrt allenthalben / dass die Starken nicht verachten sollen die Schwachen / Sintemal er selbst / ob er wohl ein Apostel sei / dennoch viel sich enthalten habe / da er wohl Recht hätte. Dazu sich die Starken wohl fürchten mögen / dieweil vor Zeiten in Israel so viel untergegangen sind / die doch allesamt durch Wunderwerke aus Ägypten geführt sind. Und macht daneben etliche Ausläufe heilsamer Lehre.
Im XII. bis aufs XIII. handelt er / wie mancherlei Gaben Gottes sind / unter welchen doch die Liebe das Beste sei / Dass sie sich nicht erheben / sondern dienen sollen, untereinander einmütig / dieweil es ist ein Gott / ein HErr / ein Geist / und alles eins / wie mancherlei es auch sei.
Im XIV. lehrt er die Prediger / Propheten und Sänger / dass sie ordentlich ihre Gaben gebrauchen / und nur zur Besserung / nicht zu eigener Ehre / ihre Predigen / Kunst und Verstand vorgeben.
Im XV. straft er die, so von der Auferstehung des Fleisches unrecht gelehrt und geglaubt hatten.
Im letzten / ermahnt er sie zu brüderlicher Hilfe / in zeitlicher Nahrung / den Dürftigen.