Luther, Martin - Tischreden - Von der Welt und ihrer Art.
1. Das gottlose Wesen der Welt.
Die Welt will Gott nicht für Gott halten, noch den Teufel für einen Teufel achten. Und wenn ein Mensch sich selber überlassen nach seiner Natur und Art handeln dürfte, so würde er unsern Herrn Gott gern zum Fenster hinauswerfen wollen, denn die Welt achtet Gott gar nicht. Wie auch der Psalm sagt: Die Toren sprechen in ihrem Herzen: es ist kein Gott. Ps. 14, 1. Dagegen ist der Welt Gott Reichtum und Wollust, damit sie ihren Hochmut und Hoffart treibt, und alle Kreaturen und Gaben Gottes missbraucht. Davon hat man zu Antdorf vor etlichen Jahren ein schön Spiel und Bild getrieben und gesehen, da Antdorf fein abgemalt, und in der Stadt umher, als ein Schauspiel, auf einem Wagen umgeführt ward, und dieser Titel oder Name über der Stadt geschrieben war: Antdorf, eine Königin der Welt. Und war auf einer Seite der Stadt gestanden Neptun, der Gott des Meeres, der brachte und schenkte ihr große Schätze. Auf der andern Seite opferte ihr Merkur, der Kaufleute Abgott, viele Gaben und Güter. Dies ist ein rechtes Bild von der Art der Welt, bei der anders Nichts ist, denn Verachtung Gottes, Stolz und Hoffart.
Die Mönche rühmten sich vor Zeiten viel ihrer Verachtung der Welt, und behalfen sich mit dem Spruch S. Pauli an die Römer am 12. Kap. V. 2 da er spricht: Stellt euch nicht dieser Welt gleich! und wollten deshalb kein Geld angreifen, gleich als wenn es wider Gott wäre, Reichtum, Geld und Gut zu gebrauchen, da doch S. Paulus und die ganze heilige Schrift nur den Missbrauch, des Herzens böse Lüste, Begierde und Bewegung verbeut, als da ist: Ehrgeiz, Unzucht, Rache, welchen Lüsten die Welt nachhängt, ja, damit gar überschwemmt ist.
2. Des menschlichen Herzens Unersättlichkeit, und es wird doch eines Dinges bald überdrüssig.
Dr. Luther sagte, wer jetzt ein Fürst ist, der wollte gern ein König sein, oder ein Kaiser. Ein Buhler, der eine Jungfrau lieb hat, denkt immerdar, wie er sie möchte zur Ehe bekommen, und ist in seinen Augen Keine schöner als sie. Wenn er sie nun bekommen hat, so wird er ihrer bald überdrüssig, und meint, eine Andere sei viel schöner, die er wohl hätte können überkommen. Also denkt ein Armer: hätte ich hundert Taler, so wollte ich der Allerreichste sein; wenn er sie aber kriegt, so will er noch mehr haben. Das Herz bleibt bei einem Ding nicht beständig, das haben die Heiden auch erfahren und deswegen gesagt: Virtutem praesentem odimus, sublatam ex oculis quaerimus invidi1).
Anno 1542 sagte Dr. Luther: als Lukas Cranach, der Maler, der Ältere, sein Weib genommen, und die Hochzeit gehalten worden sei, habe er immerdar der Nächste an der Braut sein wollen. Da habe ihn ein guter Freund eine Weile aufgehalten und gesagt: Lieber, tue nicht also! Ehe ein halb Jahr hingeht, wirst du genug haben, und jede Magd im Hause wirst du lieber haben, denn dein Weib. Und es geht auch also. Denn das Gegenwärtige lieben wir, das Vergangene hassen wir. Davon sagt auch Ovidius: Quod licet, ingratum est, quod non licet, acrius urit2). Das ist die Schwachheit unserer Natur, dass das Fleisch das gegenwärtige Gute nicht erkennen kann; bloß der Geist erkennt es. So kommt denn der Teufel auch dazu, und wirft in den Weg Zwistigkeiten, Verdächtigungen und böse Begierden auf beiden Seiten, daher kommt denn das Weglaufen im Ehestand. Darum so ist ein Weib wohl bald genommen, aber dasselbige stets lieb zu haben, dass ist eine Gabe Gottes, und es mag Einer unserm Herrn Gott wohl dafür danken. Darum, wenn Einer ein Weib will nehmen, so lasse er's sich ein Ernst sein, bitte Gott um ein frommes Weib, und sage: Lieber Herr Gott, ist's dein göttlicher Wille, dass ich soll leben ohne ein Weib, so hilf du mir, wo nicht, so beschere du mir einen frommen Mann oder Weib, mit dem oder der ich mein Leben zubringe, den oder die ich lieb habe, und sie mich wieder. Denn die fleischliche Verbindung tut's nicht, es muss Geist und Charakter Beider zusammenpassen.
3. Die Welt kann gute Tage nicht ertragen.
Die Welt kann Nichts weniger ertragen als gute Tage, sie kann gute Tage und Wohlfahrt nicht brauchen, sie hat zu schwache Beine dazu. Geht es wohl, so überhebt sie sich und wird stolz, dass Niemand mit ihr auskommen kann. Geht es aber übel zu, so verzagt sie, will aus der Haut fahren und sich nicht trösten lassen, wird ungeduldig, lästert, schnurrt und murrt wider Gott. Allein Christus kann es Beides ertragen, und seine Christen, wiewohl schwächlich, durch seine Hilfe und Beistand des heiligen Geistes. Aber Arznei, Rat und Hilfe ist der Gottlosen und blinden Welt unnütz, es ist Taufe und Salbung an ihr verloren.
Gott sagt im Propheten: er habe sein Volk mit vielen schönen Gaben begnadigt, und es habe Nichts geholfen, er habe Nichts damit ausgerichtet noch verdient. Unsere Leute stellen sich jetzt, wie Jene vor zwei tausend Jahren; es bleibt doch einerlei Natur und Art der Menschen zu allen Zeiten, wenn Gottes Wort und Stimme klingt.
Eben also sagen auch die Bischöfe, und die es mit dem Papst halten, wie vor Zeiten Jene sagten: Glaubt auch irgendein Oberster oder Pharisäer en ihn? Joh. 7, 48. Fürsten und Bischöfe glauben eben so wenig der Lehre des Evangeliums, als Jene glaubten zur Zeit Christi und der Apostel. Die Bosheit der Feinde des Wortes ist nicht menschlich, sondern ganz teuflisch. Ein Mensch ist böse nach menschlicher Weise und Art, wie er durch die Erbsünde verdorben ist; wenn er aber vom Teufel besessen und getrieben wird, alsdann wird die heftigste und bitterste Feindschaft zwischen ihm und des Weibes Samen, 1. Mos. 3, 15. Die erste Tafel der zehn Gebote Gottes hat wider sich die Teufel, die Andere aber nur die Leute.
4. Unnütze Leute.
Im Garten sagte Dr. Martin Luther: Wenn die unnützen Leute müssten alle sterben, so müssten wir unnütz werden; denn der Teufel muss unnützes Gesinde haben. Darum lasst sie immerhin leben, weil ihnen Gott das Leben gönnt. Das sagte er von unnützen Hofschranzen und andern Leuten mehr.
5. Undankbarkeit der Welt für das Evangelium.
Der Dank, den die Welt für die Lehre des Evangeliums gibt, ist eben der, den Christus empfangen hat, nämlich das Kreuz: des hat man sich zu ihr zu versehen, und keines Andern.
6. Ein Anderes.
Da Einer klagte über die große Undankbarkeit der Leute, sprach Dr. Martin Luther: Dies Jahr ist ein Jahr der Undankbarkeit, das Künftige und Folgende aber wird ein Jahr der Rache sein. Es ist doch kein Aufhören, Gott muss strafen auch wider seinen Willen und seine Natur und Art; wir übermachen's, Jes. 1.
7. Menschlich Elend.
Da Dr. Luther gen Nimbeck fuhr, sprach er: Wie mancherlei Todesarten haben wir an unserm Leibe, ist doch Nichts denn eitel Tod mit uns; siehe alle Glieder an, so wirst du es finden, Röm. 6.
8. Menschen Art mit Essen.
Wir haben aller tyrannischen Tiere Art an uns mit Essen. Der Wolf frisst Schafe, wir auch, der Fuchs Hühner, Gänse, wir auch, Habichte und Geier essen Vögel, wir auch, Hechte fressen Fische, wir auch. Mit den Ochsen, Pferden, Kühen essen wir Gras, mit den Schweinen essen wir Mist und Dreck, aber inwendig wird es Alles zu Dreck.
9. Was Menschen seien.
Wir sind eine böse fahrende Habe. Lasst uns doch glauben, dass uns Gott gewiss gnädig sein wolle, weil er uns seinen Sohn gegeben hat! Sonst ist's gar aus mit uns.
10. Warum Gott die Welt geschaffen habe.
Gott hätte wohl mögen die Welt ungeschaffen lassen, aber er hat sie geschaffen, um seine Ehre und Macht zu beweisen. Man soll unsern Herrn Gott nicht fragen: Warum tust du das? Wir sollen tun, was uns befohlen ist, und nicht fragen: Warum? Dahin müssen wir kommen, dass unser Herr Gott frömmer sei, als wir.
11. Wo das Gute und Böse herkomme.
Was gut ist, das ist von Gott, was bös ist, das ist vom Teufel. Der Mensch braucht Gut und Mut wider Gott, mehr denn zu seinem Lobe, darum eines Menschen Freunde sind seine größten Feinde, Matth. 10, 36.
12. Die Welt.
Die Welt versteht nicht, was Gottes Wort heiße, noch wollen sie Alle Evangelisch sein. Nun es heißt: Viele sind berufen, aber Wenige sind auserwählt, Matth. 20. V. 16.
13. Warum die Heiden so schöne Dinge vom Tode geschrieben.
Mich nimmt oft Wunder, sprach Dr. Martin Luther, was die Heiden bewogen, dass sie so schöne Dinge vom Tode geschrieben haben, obgleich er so grausam, grässlich und hässlich ist. Aber wenn ich denke an die Welt, so wundert es mich gar nicht, denn sie haben unter sich viel Bubenstücke von ihrer Obrigkeit sehen müssen, die ihnen wehe getan; diesen haben sie nichts Anderes, als den Tod entgegen halten können.
Haben die Heiden den Tod so gering geachtet, ja, so ehrlich und hoch gehalten, wie vielmehr sollten wir Christen es tun? Denn die armen Leute haben vom ewigen Leben weniger als Nichts gewusst; wir wissen es aber, und doch fürchten wir uns und erschrecken so hart, wenn man uns von dem Tode sagt. Wohlan, es sind unsere Sünden, und wir müssen bekennen, dass wir ärger als die Heiden leben, darum geschieht uns nicht Unrecht daran. Denn je größer die Sünden, desto grausamer der Tod. Das sieht man an den Leuten, die wider Gottes Gebot gehandelt haben, und sterben sollen, oder an Frischen, Gesunden, wenn man ihnen vom jüngsten Tage sagt, wie sie zagen und toben. Solche Kräutlein sind wir.
14. Doktor Martin Luthers Gedanken von der Welt, da er noch in der Kappe war.
Da ich in der Kappe war, und erst anhub zu schreiben, hätte ich nicht gemeint, dass in der Welt der Teufel die Leute so heftig plagte. Ich dachte, wir hätten den Teufel allein in den Klöstern. Es ist auch wohl möglich gewesen, dass, weil die Mönche die Welt. eingenommen, die Teufel in den Adel und die Bauern gefahren sind; sie verderben Land und Leute, tun großen Schaden.
15. Gleissender ansehnlicher Ratgeber.
Es ist nichts Schädlicheres, denn ein gleißender, ansehnlicher, heuchlerischer Ratgeber. Wenn man seinen Rat und Bedenken hört, so hat's Hände und Füße, wenn es aber soll angehen, so steht's wie ein stätiger Gaul, den man nicht kann forttreiben.
16. Die Welt will Gott immer reformieren.
Dr. Martin Luther redete von der großen närrischen Torheit aller Menschen, dass wir arme Leute wollen über Gottes Wort urteilen, dem wir doch gehorchen und schlicht daran glauben und tun sollen, was es sagt. Es gemahnt mich gleich, als wenn die Kachel oder der Topf wollte den Töpfer lehren, wie er sie machen sollte. Also wollen wir uns wider Gott setzen, ihn reformieren, in die Schule führen und lehren, die arme, elende, verderbte Kreatur den Schöpfer. Es heißt, Matth. 17, 5: Diesen (Christum) sollt ihr hören; und Ps. 45, 11: Höre Tochter, schaue darauf und neige Deine Ohren, vergiss deines Vaters Haus. Nun, wenn Adam schon nicht gefallen wäre, dennoch hätten wir uns allein nach dem Wort richten müssen, und nun bei solchem Falle, bei solcher Finsternis und verderbten Natur wollen wir es verachten. Darum ist die päpstliche Kirche allzu närrisch, die nur auf die äußerliche Zucht der Vernunft nach gegründet und gebaut ist, mit ihren äußerlichen Kinderpossen, an welche unsere Seligkeit gebunden sein soll.
17. Die Welt ist unbändig, und lässt sich nicht regieren.
Welt will und kann sich nicht mit Gesetzen und Regeln regieren lassen, ist gar unbändig und zaumlos, kann unter keine Regel gebracht werden, sie will vogelfrei sein, wie das verbum anomalum im Donat, Sum, es, est, eram, fui3) etc. Das konjugiert sich gar nicht nach der Regel, wie andere Worte; es geht beiseite, quer aus, den Holzweg in das Lerchenfeld. Da sind Defektiva4)), darinnen Mangel ist, da fehlt es an diesem, da an einem andern Orte; wie das Büchlein in den Schulen, das Bellum Grammatikale, der Krieg in der Grammatik genannt wird rc. Also geht's auch in der Welt, die will sich nicht mit Gesetzen regieren lassen, ist nicht unter die Regel, noch unter Zucht und Disziplin zu bringen. Sie ist des Teufels Braut, der sie reitet und treibt, dass sie nur gern und von Herzen tut, was ihr Bräutigam will. Man muss doch Sum, es, est, lassen bleiben, und nicht Sum, sus, sut, daraus machen, denn es ist ein eigensinnig Verbum und Wort in der Grammatik. Darum lasst uns wachen und beten, der Satan schläft wahrlich nicht, er wird's, wahrlich, gar wunderlich versuchen wider das Wort Gottes, und wir werden ihm mit unsrer Undankbarkeit weidlich dazu helfen, und Christum vertreiben.
18. Was Welt ist.
Welt ist ein Haufen oder eine Versammlung solcher Leute, die nur von Gott empfangen allerlei Wohltaten, und geben dem Geber dafür ihren Undank und Lästerung.
19. Dreierlei Grade der Menschen.
Es gibt dreierlei Arten von Menschen. Die ersten sind der große Haufen, der sicher dahin lebt, ohne Gewissen, seine verderbte Natur und Art nicht erkennt, Gottes Zorn nicht wider die Sünde fühlt, und Nichts danach fragt. Der andere Haufe ist derer, die durchs Gesetz erschreckt sind, und Gottes Zorn fühlen, vor ihm fliehen, und mit Verzweiflung kämpfen und ringen; wie Saul. Der dritte Haufen ist derer, die ihre Sünde und Gottes Zorn erkennen und fühlen, dass sie in Sünden empfangen und geboren und deshalben ewig verdammt und verloren sein müssten. Sie hören aber die Predigt des Evangeliums, dass Gott die Sünde vergibt aus Gnaden um Christi willen, der für uns dem Vater dafür genug getan hat, nehmen's an und glauben's, werden also gerecht und selig vor Gott. Danach beweisen sie ihren Glauben auch mit allerlei guten Werken, als Früchten, die Gott befohlen hat. Die andern zwei Haufen gehen dahin.
20. Der Bauern Undankbarkeit.
Die Bauern sind nicht wert so vieler Wohltaten und Früchte, die die Erde bringt und trägt. Ich danke unserm Gott mehr um einen Baum oder Staude, denn alle Bauern für alle ihre Äcker. Da sprach Philipp Melanchthon: Ei, Herr Doktor, nehmt doch etliche Bauern und Ackerleute aus, als, Adam, Noah, Abraham, Isaak, der auf seinen Acker hinaus ging, dass er bedenken wollte Gottes Gaben in den Kreaturen! 1. Mos. 24, 63.
21. Der Welt Wille.
Die Welt will Nachteulen haben, das ist, Rotten und Abergläubische; da fliegen die Vögel zu, das ist, die Welt verwundert sich ihrer, nimmt sie mit großen Ehren an, gibt ihnen Geld und Gut genug.
22. Die Welt glaubt nicht, dass Alles, was gut ist, von Gott komme, und sein Geschöpf und seine Anordnung sei.
Dass die Ehe eine Ehe sei, die Hand eine Hand, Reichtum und Güter Güter seien, das verstehen alle Menschen wohl, glauben's auch. Aber glauben, dass der Ehestand Gottes Geschöpf und Anordnung sei, die Hände und andere Gliedmaßen Gottes Kreaturen, die Speise, Kleidung und andere Güter, so wir haben und gebrauchen, uns von Gott geschenkt und gegeben seien, usw., das ist allein Gottes Werk, dass mans glaube.
23. Gott ist gelehrter und weiser, als die ganze Welt.
Erasmus, Oekolampadius, Zwingli, Carlstadt rc., messen und urteilen Alles nach ihrer Vernunft und Weisheit, werden also zu Schanden. Ich aber danke unserm Herrn Gott, dass ich weiß und glaube: Gott kann mehr, als ich, er kann etwas Höheres machen, als ich begreifen kann, er kann aus unsichtlichen Dingen sichtliche machen. Denn Alles, was jetzt durch die Kraft des Evangeliums geschieht, das ist sichtlich geworden aus Unsichtlichem. Wer hatte vor zehn Jahren gedacht, dass es so wurde werden, wie es jetzt ist? Aber, Fleisch und Blut ist gottlos und ist Gottes Feind; Gott vergibt uns die Sünden aus Gnaden und droht zu strafen Verachtung und Undankbarkeit, wenn er sagt: Werdet ihr nicht glauben, so werdet ihr umkommen. Joh. 8, 24. Ehe wir das glauben, und das Geschenk umsonst aus lauter Gnade annehmen, marterten wir uns lieber zu Tode, gingen im ganzen Küriß5) zu S. Jakob. Kurz, Wahrheit und Leben dienen und gehören nicht der Welt, sondern Lügen und Mord, unter welchen Eines des Papsts, das Andere des Türken eigen Werk ist; wiewohl hier Maus als Mutter ist, es sind zwei Hosen eines Tuchs.
24. Undankbarkeit.
Da junge Hühner auf den Tisch gebraten vorgetragen wurden, sprach Dr. Martin Luther zu M. Nicolaus Hausmann: Da seht ihr der Bauern Schätze und Lust, die sie doch nicht erkennen, dass sie von Gott kommen und gegeben werden, danken ihm auch nicht dafür.
25. Ein Anderes.
In der Pestilenz hier wollte kein Bauer Holz, Eier, Butter, Käse, Korn rc. herein führen, da mussten wir für eine Plage zwei leiden, als Pestilenz und Hunger; wenn sie es aber draußen hatten, mussten wir's von ihnen auslesen.
26. Unbeständigkeit menschlichen Herzens.
Des Menschen Herz ist gleich wie Quecksilber, das jetzt da, bald anderswo ist: Heut also, Morgen anders gesinnt. Darum ist's gar ein armselig Ding, und Eitelkeit, wie der Prediger Salomonis sagt, dass ein Mensch ungewiss Ding begehrt, und sich danach sehnt, ohne zu wissen, wie es geraten werde, dagegen das Gewisse, und bereits Geratene verachte.
Da Herzog Friedrich regierte, missfiel er uns mit seiner Sanftmut und Lindigkeit, dass er ein friedliches, ruhiges und eingezogenes Regiment und Hof führte, und wir hofften auf einen Anderen, Besseren, der nach ihm würde ans Regiment kommen. Ei! sagten wir, wenn wir Herzog Hans hätten, da würde es fein werden. Da wir ihn nun hatten nach Herzog Friedrichs Tode, da begehrten wir den jetzigen Herzog, Johann Friedrich den Kurfürsten, der wird's tun, sagten wir, aber nach drei Jahren wird er uns gewiss auch nicht mehr taugen.
Darum, was uns Gott gibt, das wollen wir nicht, deshalb hat auch Christus nicht wollen auf Erden regieren, sondern hat's dem Teufel befohlen, zu dem sagt er: Regiere du! Gott aber ist ein anderer Mann, und hat eine andere Natur, Art und Sinn. Ich, spricht er, bin Gott, der sich nicht ändert, ich halte fest über meinen Verheißungen und Drohungen.
Christen sollen Gott danken für das, was gegenwärtig ist, welches gut ist, und von Gott aus lauter unendlicher Barmherzigkeit beschert wird, und singen den 117. Psalm: Lobet den Herrn alle Heiden, preist ihn alle Völker, denn seine Gnade und Wahrheit waltet über uns in Ewigkeit.
27. Das Evangelium deckt auf der Menschen Bosheit.
Gleichwie die Kälte größer und geschwinder wird im Winter, wenn sich die Tage verlängern, und die Sonne uns näher kommt (denn diese macht die Kälte dicker und presst sie zusammen) also wird auch der Menschen Bosheit größer, das ist, augenscheinlicher, und bricht bas herfür, wenn das Evangelium gepredigt wird; denn der Heilige Geist straft die Welt um der Sünde Willen, welches die Welt nicht leiden kann noch will.
28. Sicherheit und Hoffart der Menschen.
Ein Wunder, ist's, dass die Leute so sicher und hoffärtig sind, da wir doch so viel unzählige Exempel und Argumente unter uns haben, die uns billig sollten ermahnen und treiben zur Furcht und Demut. Denn erstlich haben wir keine gewisse Stunde des Todes, wissen nicht, wenn wir werden sterben. Zum Andern steht das Getreide und der Wein, davon wir essen und uns nähren, nicht in unserer Hand; zudem weder Sonne noch Luft, davon wir leben; weder Tag noch Schlaf ist in unserer Macht, sondern Alles in Gottes Hand. Ich will geschweigen geistlicher Dinge, als da sind eigene, sonderliche und öffentliche Sünden, damit wir gedrückt, angefochten und geplagt werden. Und gleichwohl haben wir Herzen, härter als Stahl, Stein und Diamant, und achten Solches nicht, und fragen Nichts danach.
29. Der Welt Undank gegen treue Diener Gottes.
Der muss ein großer Geist sein, der den Leuten an Leib und Seele dienen, und dennoch äußerste Gefahr und den höchsten Undank darüber leiden kann. Darum sagt Christus zu Petrus, Joh. 21, 15.: Simon Johanna hast du mich lieb? und wiederholt es dreimal aufeinander; danach sprach er, V. 16.: Weide meine Schafe! Als wollte er sagen: Willst du ein rechter Pastor und Hirte sein, so muss es nur die Liebe tun, dass du mich liebest; sonst ist's unmöglich. Denn, wer kann den Undank leiden, sein Gut und Gesundheit verstudieren, und sich danach in die höchste Gefahr geben? Darum, sagt er, ist es von Nöten, dass du mich lieb habest. Der Papst und Türk haben uns sehr wohl gerochen, und haben ihr, der Welt recht getan, denn sie will's auch haben. Rechtschaffene, fromme, treue Diener Gottes kann sie nicht leiden, ja, sie ermordet sie, darum muss sie solche Gesellen haben, nähren, und noch dazu in großen Ehren halten; und von ihnen verflucht und verführt werden.
30. Die Welt muss ernste und rasche Regenten haben.
Die Welt kann solche Häupter nicht entbehren, von denen sie regiert werden muss; ja N. N. mit seiner Tyrannei ist ein Leckerbissen für die Welt. Darum spricht Gott durch den Propheten Samuel zum Volk Israel, das um einen König bat, er wolle ihnen geben einen König: Aber das solle sein Recht sein: ihre Söhne würde er nehmen zu seinen Wagen und Reitern, ihre Töchter zu seinen Köchinnen; ihre besten Äcker, Gärten, Weinberge und Ölgärten nehmen, und seinen Kämmerern und Knechten geben. 1. Sam. 8, 11 seq. Darauf sagte Dr. Luther: Als Kurfürst Friederich vom Wahltage zu Köln, da Kaiser Karl zum Römischen Kaiser erwählt worden, wieder heim gekommen sei, habe Seine Kurfürstl. Gn. ihren vornehmsten Rat, Hrn. Fabian von Feliksch, gefragt, wie ihm diese neue Zeitung gefiele, dass sie den König von Spanien zum Kaiser erwählt haben? Darauf habe dieser weise Mann geantwortet: Die Raben müssen einen Geier haben.
31. Menschliche Vernunft.
Menschliche Vernunft verzweifelt entweder, oder ist vermessen. Wo sie verzweifelt, da stirbt sie sine crux et lux6). Ist sie aber vermessen, so geht sie auch dahin, und wird betrogen.
32. Die allgemeinste Anfechtung in der Welt.
Die höchste und allgemeinste Anfechtung in der Welt ist, dass Niemand tut die Werke seines Berufs, sondern Jedermann wollte gern gute Lage haben und müßig gehen. Ich bin nun erschöpft und abgearbeitet, habe viele Sorge, und werde mit vielen Geschäften geplagt. Andere gehen müßig und wollen Nichts tun: und ich halte dafür, wenn wir's nicht tun müssten, dazu getrieben, so täten wir's nicht. Ich merke wohl, woher der Papst gekommen ist, die faulen müßigen Herren und Fürsten haben ihn ausgeschissen.
33. Der Welt höchste Weisheit.
Der Welt höchste Weisheit ist, sich mit zeitlichen, irdischen, vergänglichen Dingen bekümmern, und wie es danach geht, und geschieht, so spricht sie: Ich hätte es nicht gemeint. Aber der Glaube ist eine gewisse Zuversicht des, das man hofft, und nicht zweifelt an dem, das man nicht sieht, spricht die Epistel an die Hebräer Kap. 11, 1. Er sieht aufs Zukünftige, und auf das, was nicht vorhanden ist. Darum sagt ein Christ nicht: ich hätte es nicht gemeint; sondern ist's gar gewiss, dass das heilige Kreuz vorhanden ist und kommen wird: darum erschrickt er nicht, wenn's ihm übel geht und er geplagt wird. Die Welt aber, und was in der Welt sicher dahin lebt, kann das Unglück nicht ertragen, geht stets in Springen und Wollüsten, wie der reiche Fraß und Wanst im Evangelio, Lukas Kap. 16, 19. seq., der gönnt dem armen Lazarus nicht die Brocken; aber Lazarus ist Christi, der nimmt sich seiner an.
Friede ist der größten Gaben Gottes Eine, aber wir missbrauchens weidlich, ein Jeglicher lebt und tut, was er will, wider Gott und die Obrigkeit. O, wie wird's einmal den Edelleuten und Bauern gehen! Wie werden sie einmal müssen bezahlen! Wie die Ungern und Österreicher.
35. Ein Anderes.
Wir haben Gottes Wort und die Sakramente rein, und wissen nicht, was vor ein großes Gut und köstlicher Schatz es ist, ja, Gott hat uns seinen lieben Sohn gegeben zu eigen mit allen seinen Gütern, und für so große Wohltaten wollen sie noch töten den Vater mit dem Sohn, der uns erlöst hat. Das ist zu grob, daher muss Alles Unglück und Plage kommen, und die größte Strafe folgen.
36. Die Welt wird je länger je ärger.
Ich halte dafür, es soll so sein, dass, je größer und heller das Licht des Evangelii ist, desto böser die Welt ist: also machte Christus zu seinen Zeiten aus Übel Ärger, und S. Paulus machte nicht viel fromme Christen.
37. Die Sünde geht der Strafe voran.
Da die Juden sollten von den Römern geschlagen, gefangen, erobert, und das Land verheert und verwüstet werden, mussten sie zuvor Gottes Sohn kreuzigen. Also tun wir auch, verachten Gottes Wort, ob wir's wohl im Maule führen, und rühmen uns des Evangelii, verjagen die Pfarrherren, und treue, fromme Diener Gottes und Christen. Wohl bauen wir Basteien, Wälle und große gewaltige Festungen, aber uns selbst bauen wir nicht.
Jerusalem war auch fest, der König von Babel lag ein ganzes Jahr davor, dennoch musste es untergehen, da half Nichts. So sagt auch Gott durch Jeremias: Wenn ihr schon die Chaldäer alle tot schlüget, und nur drei ließet leben, so sollen diese drei zum Fenster hinein fallen und euch totschlagen.
38. Welt kann ohne Sünden nicht sein, aber darum ist sie nicht zu loben noch zu leiden.
Alexander Alesius Scotus schrieb von Frankfurt an der Oder, dass D. Christoph von S., ein Jurist, ein gottloser Mensch und großer Epikureer sei, und Hurerei, öffentliche Hurenhäuser und andere Büberei, so verboten ist, billige, und über Tisch es angeordnet habe, dass, wenn Einer von etwas Anderem rede als von Hurerei und Huren, so solle er einen Gulden zur Strafe geben. Da ward Dr. Luther bewegt und zornig, und sprach: Das hat er mit aus Italien gebracht, wiewohl er von Kindheit auf die Eltern verachtet hat. Denn ich habe ihn einmal droben in meinem Stüblein gehabt, da konnte ihn sein Vater nicht bereden, dass er wollte einen Präzeptor haben und hören, welchen er, der Vater, ihm wollte zuordnen.
Ja, es ist wohl wahr, wie jener Bube sagt: Die Welt ist und kann ohne Sünde nicht sein; aber dass man darum daraus also folgern und schließen wollte: Welt ist nicht ohne Sünde, darum soll man Sünde gestatten und billigen rc., das folgt nicht. Gleichwie das nicht klingt: die Kirche ist nicht ohne Ärgernis, darum soll man Ärgernis lassen gehen, gestatten- und billigen. Es ist ein Anderes, Hurerei und andere Büberei treiben mit der Tat und Werken, und ein Anderes, mit oder von Rechtswegen. So müssen wir wohl leiden unsere untreuen Arbeiter, böses Gesinde, böse Nachbarn, aber sie zu billigen und zu loben, das wäre zu viel gefordert. Da würde es bei uns so weit kommen, wie bei den Lakedämoniern, welche das Stehlen erlaubten und nachließen, doch es musste Einer, fein künstlich, meisterlich damit umgehen und stehlen. Ich glaube nicht, dass die Lakedämonier Dieberei gebilligt werden haben, sondern sie haben damit wollen die Hausväter zu größerem Fleiß erwecken und reizen, dass sie desto mehr auf ihre Dinge Achtung gäben. Wenn es Recht wäre, Hurerei und Büberei zu treiben, so würden es die Komödien auch zugelassen haben, und nicht so sehr darauf dringen, dass junge Gesellen ehelich würden.
39. Der Welt Reden und Wesen.
Des Bischofs von Mainz Leibarzt, der vom Evangelio wieder zum Papsttum abgefallen, und zum Mamelucken geworden war, sagte: Ich will Christum so lange hinter die Tür setzen, bis ich reich werde, danach will ich ihn wieder hervor nehmen. Und ein gottloser Wucherer sagte: Willst du totschüchtern sein, so wirst du nimmermehr reich. Solche gottlose und gotteslästerliche Worte verdienen und bringen mit sich die höchste Strafe. Wenn Einer Gott hinter die Türe könnte beiseitesetzen, und ihn wieder hervor ziehen, wenn er wollte, so hätten die Menschen gut handeln; denn also müsste Gott ihr Gefangener sein. Es sind Worte der epikurischen Säue und der letzten Zeiten, die eine große Plage und Strafe Gottes, dazu den jüngsten Tag reizen und reif machen.
40. Wie die Leute um der zeitlichen Güter willen auch ihre Seligkeit vergessen.
Dr. Luther ward zu Eisleben Anno 1546 über Tisch gefragt, wie es doch käme, dass die Leute in der Welt also geizten und scharrten, und ein Jeglicher reich werden wollte, auch oft mit seiner Seele Schaden? Auch ward ein Exempel eines Edelmanns erzählt, der hatte gesagt: Vor Zeiten, da ich jung war, wollt's mit mir nicht fortgehen: wenn ich sollte Weib und Kind kleiden, so hatte ich kein Geld; ich wusste nicht, wie es doch zuginge. Aber da ich anfing, das Seel'chen auf den Rücken zu sehen, ward ich reich, und überkam Geld und Gut. Hätte ich das nicht getan, so wäre ich mein Lebtage arm geblieben; das war Alles des Seel'chen Schuld.
Da hub Dr. Luther an, und sagte zu Dr. Jonas: Herr Doktor, wisst ihr nicht, was Asche von Cram7), der Ritter, zu mir zu Wittenberg sagte, dass Einer einmal zu ihm gesprochen hätte: Lieber, wollt ihr reich, gewaltig und groß werden, so müsst ihr ein Loch in einen Baum bohren, die Seele darein setzen, und einen Pflock davor schlagen, dass sie drinnen bleibe. Wenn ihr nun reich geworden seid, alsdann geht hin, und nehmt eure Seele wiederum heraus. Da sagte Doktor Jonas darauf: Wie, wenn Einer mittlerweile käme, und nehme das Seel'chen aus dem Baume weg? Da sprach Dr. Luther: Traun, dafür lasse ich ihn sorgen, ich wagte es nicht darauf.
Zu dem sagte der Doktor von Wucherern, dass man jetzt spreche in Sachsen:
Wer sägt, dat Wucher Sünde si,
Die hefst kein Geld, dat gläube fri.
Aber ich D. L. sage dagegen:
Wer sagt, dat Wucher kein Sünde si,
Die hefft kein Gott, dat gläub nur fri.
Da sprach Dr. Luther: Ich wollte gerne dem Geiz und dem Wucher wehren, und sie gar ausrotten, ich vermag's aber nicht zu tun; aber das wollte ich gerne wehren, dass der Geiz und Wucher nicht überhand nehmen. Also wollte ich auch gern dem Stehlen, Ehebrechen, und der Hurerei steuern, dass daraus kein Gebrauch würde, und nicht solche Sünden und Laster überhand nehmen, und regierten. Denn wir Prediger müssen uns wider die Sünden legen, und sie ernstlich strafen, sonst müssen wir den Fluch hören, so im Jesaja, C. 5, 20., steht: Wehe denen, die Böses gut, und Gutes böse heißen! Ich muss tun, wie mein Vetter Fabian Kaufmann, der ging spazieren in Speck, und wollte sich darinnen schlafen legen. Nun kommt er von ungefähr an einen Ort, da ein ganz Nest voller Schlangen war, die über einem Haufen lagen. Als die Schlangen zu ihm einzischten, zog er sein Schwert aus, und hieb unter sie, hieb Einer den Kopf, der Andern den Schwanz ab, und zerstörte also das Nest. Also kann ich nicht wehren, dass nicht eine Schlange in meinen Garten laufe, aber komme ich über sie, so erschlage ich sie, und henke sie an einen Zaun; darum kann ich wohl ihr wehren, dass sie darinnen kein Nest mache. Also kann ich auch den Lastern nicht wehren, dass sie nicht sein sollen, sondern nur, dass sie in mir nicht regieren und herrschen, und in Sitten sich verwandeln und gar überhand nehmen. Röm. 6, 12. Denn der Heide Seneca sagt: Deest remedii locus, ubi ea, quae vitia fuerunt, in mores abeunt8).
41. Die Welt vor der Sündflut, wie sie gewesen.
Vor der Sündflut ist die Welt sehr gelehrt gewesen; weil die Menschen so lang gelebt, haben sie aus Erfahrung viel gelernt. Aber um der Sünde und gottlosen Wesens willen ist Alles ersäuft und verdorben worden. Darum jetzt, ehe wir recht anfangen und zur Erkenntnis eines Dings kommen, legen wir uns nieder und sterben. Gott will auch nicht, dass wir zu höherer und weiterer Erkenntnis der Dinge kommen sollen, als so viel genug ist, den Bauch zu ernähren.
42. Die Welt will Christum nicht zum Gott haben.
Die Welt will den Gott nicht haben, der unser Fleisch und Blut (doch ohne Sünde) angenommen hat, geboren, gekreuzigt, gestorben, und von den Toten wieder auferstanden ist: der predigt, lehrt und straft sie. O Nein! spricht sie, immer hinweg, schlaget tot, tot ihn! Sie will nur einen solchen Gott haben, wie sie ihn abmalt, und mit ihrer Vernunft begreifen kann: den sucht sie, und ehrt ihn mit großer Mühe, Arbeit und Unkosten.
Es gemahnt mich die Welt mit einem baufälligen Hause zu vergleichen: David und die Propheten sind Sparren, Christus ist die Säule mitten im Hause, die hält Alles.
44. Die Welt sucht Unsterblichkeit von ihrem Stolz.
Dr. Luther redete von der Welt Hoffart. Weil alle Menschen fühlen und erkennen, ja sehen, dass sie sterben und vergehen müssen, sucht ein Jeglicher hier auf Erden Unsterblichkeit, dass seiner ewig gedacht werde. Es suchten's große Könige, Fürsten und Herren, indem sie sehen ließen große Marmorsäulen, und sehr hohe Pyramiden, Gebäude und Pfeiler, viereckig aufgeführt, und immer je höher desto spitzer; damit vermeinten sie unsterblich zu werden. Wie man es jetzt mit großen Kirchen, köstlichen, herrlichen Häusern und Gebäuden meint. Kriegsleute jagen und trachten nach großen Ehren und Lobe, mit Siegen und rühmlichen Schlachten. Gelehrte suchen einen ewigen Namen mit Bücherschreiben; wie wir es jetzt in unserer Zeit auch sehen. Aber auf die ewige, unvergängliche Ehre und Ewigkeit Gottes sieht man nicht. Ach! wir sind arme Leute.
45. Die Welt nimmt immer mehr ab.
Wie hat die Welt abgenommen von der Zeit an, da die kaiserlichen Rechte eingesetzt und geordnet worden sind? Da ist ein Mägdlein von zwölf Jahren mannbar gewesen, und ein Knabe, wenn er vierzehn alt war, mündig geachtet worden. Jetzt sind sie viel zu schwach in solchen Jahren. Der Welt und der Menschen Kräfte nehmen immer mehr ab, es geht auf die Neige.
46. Junge Leute.
Ein junger Mensch ist wie ein junger Most, der lässt sich nicht halten, er muss gären. Wir essen und trinken uns zu Tode, schlafen, feisten, farzen uns zu Tode. Ei! wir haben keine gute Ursache, hoffärtig zu sein. So viel wir Gliedmaßen haben, so vielmal sind wir dem Tod unterworfen. Mägdlein lernen eher reden und gehen als die Knäblein; denn Unkraut wächst allzeit eher heraus, als dass Gute. Also werden Jungfrauen auch eher reif zu freien als Junggesellen.
47. Gemeiner Stand der Beste.
In einem öffentlichen Stande, den Gott eingesetzt hat, sein und leben, ist am Allersichersten, denn Christus hat auch in einem gemeinen Stande öffentlich unter den Leuten gelebt und gewandelt. Und warnt die Seinen, da er spricht, Matth. 24, 26: Wenn sie werden sagen: siehe, er ist in der Wüste, so geht nicht hinaus; oder: in Kammern, so glaubt's nicht. Und in solchen Winkeln haben sie das schändlichste Bubenleben geführt. Unter den Leuten öffentlich muss man sich doch bürgerlich und ehrlich halten, vor Gott und Menschen scheuen.
48. Wie man alt werde.
Willst du alt werden, so werde bald alt,
Behalt den Kragen warm,
Fülle nicht zu sehr den Darm.
Mache dich der Greten nicht zu nah,
Also wirst du langsam grau.
49. Des Menschen Leib.
Des Menschen Leib ist ein schändlicher Laugensack, dadurch fließt und geht Schweiß, Pinkel, Mist, Speichel, Rotz und allerlei böse Feuchtigkeit. Ich durchkratzte neulich mein Bein, da machte ich, dass vier Wasser herausflossen, und sprach zu meinen Kindlein: Ach! dass Gott so feine schwarze Äugelein in ein Stück Fleisch kann setzen aus einem stinkenden Sack, der Mutter Leibe. Es gemahnt mich eben, als nähme Einer Lunzen, und setzte feine Äugelein drein, Nase und Maul, Hände und Füße; also wird aus einem Stück Fleisch ein Mensch im Mutterleibe.
50. Der Mensch kann Gottes Gaben nicht begreifen.
Des Menschen Herz kann so große Gaben Gottes nicht fassen; wie die Hirten erschraken und sich entsetzten, Luk. 2, 9, also tun wir auch, wenn sich gleich Gott aufs Freundlichste zu uns hält.
51. Der Welt Urteil über die Diener des Evangelii.
Ein verzagtes und betrübtes Gewissen wieder aufrichten und trösten ist viel mehr, als viele Königreiche haben. Aber die Welt achtet es nicht, ja verachtet es, heißt uns Aufrührer, Zerstörer des Friedens und Gotteslästerer, so die Lehre verkehren und ändern. Wahrlich, sie wird sich selbst prophezeien, wiewohl wir's mit großem Herzleid sehen. Also sagen die Juden von Christo auch, Joh. 11,48: Lassen wir ihn also gehen, so werden die Römer kommen, und uns Land und Leute nehmen rc. Da sie aber Christum getötet hatten, da kamen sie nicht? Ja, ich meine, sie kamen, und machten Garaus mit ihnen. Also werden die Verächter und Feinde des Wortes den Frieden zerstören und Deutschland umkehren, dass es wird über und über gehen und in der Asche liegen, wenn wir nun dahin gerafft sind. Also wollen sie es haben.
52. Der Welt und der Kirche Gestalt.
Die Welt ist anzusehen wie im Paradies, dagegen aber ist die Kirche Gottes und des Herrn Christi, die die reine, rechtschaffene Lehre hat, und fest darüber hält, vor der Welt ungestaltet und hässlich anzusehen, aber vor Gott ist sie teuer, köstlich und hochgeachtet. Aaron ist in seinem Schmuck herrlich im Tempel einhergegangen. Darum müssen wir nicht achten, noch uns anfechten lassen, wie die Welt über uns urteilt, und was sie von uns halt. Denn, was frage ich danach, dass die Edelleute, Bürger und Bauern, die Geizhalse und Scharrhansen mich für einen Dreck halten? Ich will ihnen zu seiner Zeit an jenem Tage wieder so tun. Darum sollen wir uns nicht irren, noch bekümmern lassen, was die Welt von uns hält. Es ist Tugend und genug, dass man den Frommen gefällt.
53. Die Welt wird der Werke Gottes überdrüssig.
Ich halte dafür, sprach Dr. Luther, wenn Moses die Zeichen, die er in Ägypten getan hat, hätte zwei oder drei Jahre geübt und getrieben, man wäre an sie gewohnt worden, wie man an die Sonne, den Mond und die Sterne gewohnt ist. So böse ist die Welt, und will sich doch gar nicht bessern nach der Strafe.
54. Die Welt kann die Gottseligen nicht leiden.
Abraham ist unter den Kanaanitern, den Händlern, in keinen Ehren gehalten gewesen, denn alle Brunnen, deren er viel gegraben hatte, füllten die Nachbarn zu, oder nahmen sie mit Gewalt, und sagten: Willst du es nicht leiden, so ziehe immer von uns und packe dich, denn du bist ein Fremdling bei uns. Hebe dich immer hinweg! 1. Mos. 26, 15, 18. Also ward Isaak auch verachtet. Aber es ist in den lieben Erzvätern ein solcher Glauben gewesen, dass ich mich nicht genugsam verwundern kann, wie sie es haben mögen fassen und glauben, dass ihnen Gott gleichwohl günstig gewesen sei, da sie so eine lange Zeit so viel Schalkheit und Verdruss haben leiden müssen. Ich halte dafür, dass die selbigen Heiden sich nicht so sehr an Gott versündiget haben, als an den lieben Vätern, so dass sie Gott darum zum Lande hinausgestoßen, verjagen und ermorden hat lassen.
55. Die Welt missgönnt den Christen ihre Nahrung, und wollte gern alle Güter selbst allein haben.
Dr. Luther sagte einmal: Wenn ein armer Mann einen guten Acker oder Wiese hätte, bald missgönnten es ihm die vom Adel, die dann danach trachteten, dass sie ihn möchten überkommen. Also taten dem frommen Patriarchen Isaak auch die Zentauren an des Königs zu Gerar, des Abimelechs, Hofe; denn, da die selbigen sahen, dass Isaak von dem Acker, den ihm der König vermietet hatte, hundertfältige Früchte überkam, da waren sie bald her, und hetzten den König wider ihn, dass er dem Isaak den Acker wieder nahm. 1. Mos. 26. Denn sie dachten: Der Acker trägt viel, darum muss er unser sein, es ist ein fruchtbar Land, wir gehören näher dazu, als er. Warum haben wir ihn dem Isaak vermietet? wir wollen es lieber selbst haben. Sie meinen, wenn sie den Acker wieder bekommen, so wollen sie gar bald reich werden. Sie tun, wie Jener Bauer tat, der eine Henne hatte, die ihm alle Tage ein goldenes Ei legte, da dachte er: ei, es wird ein großer Schatz in der Henne sein, sie wird gar einen goldenen Eierstock haben. Deshalb dachte er, er wolle auf einmal reich werden, und erwürgte die Henne, und nahm den Stock heraus, da fand er gar Nichts. Sic et nostri Principes jam nihil aliud agunt, quam ut fiant maledicti a Deo9). Sie stoßen den Isaak auch zum Lande hinaus, aber sie wissen nicht, dass der Segen Gottes bei ihm ist, und dass sie verflucht sind.
56. Der Welt sonderlich Deutschlands gewisse Strafe.
Den 15. September hielt Dr. Luther eine ernste Ermahnung zum Gebet wider die künftigen Strafen und Plagen, die insbesondere über Deutschland kommen würden vom Türken, Papst und den Rotten, welche wir mit unserer Unbußfertigkeit reizen. Darum muss die Strafe kommen. Gott wolle uns gnädig sein, und seinen Zorn von uns wenden, und um seines lieben Sohnes Willen geben, dass wir uns bessern. Denn die ganze Welt ist nichts Anderes, als ein umgekehrter Dekalog (zehn Gebote), und des Teufels Larve, eitel Verachtung Gottes, eitel Gotteslästerung, eitel Ungehorsam, Hurerei, Hoffart, Dieberei, Mord rc. wird schier reif zur Schlachtbank; so feiert der Teufel nicht durch den Türken, Papst, Rotten und Sekten.
57. Was in Amtsverrichtung zu betrachten.
Wenn ich mir's nicht von Herzen ließe sauer werden um des Mannes willen, der für mich gestorben ist, so könnte mir die Welt nicht Geld genug geben, dafür, dass ich ein Buch schreiben, oder Etwas in der Bibel verdolmetschen sollte. Ich will meine Arbeit von der Welt unbelohnt haben, sie ist zu gering und arm dazu; ich habe noch nie meinen Herrn zu Sachsen um einen Pfennig gebeten, seit ich bin hier gewesen.
58. Ein Anderes.
Der Welt Bosheit ist so groß, sprach Dr. Martin Luther, dass sie alle Gaben Gottes missbraucht; denn, obwohl Viele, die durch Gottes Wort erleuchtet sind, den Armen gerne leihen und helfen, so sind doch dagegen Viele, die nicht allein Nichts wiedergeben, sondern auch Böses für Gutes bezahlen; ihnen ist das Leihen gleich als gefunden.
Ich bin oft betrogen worden von unverschämten Bettlern und Streichern. Einen kleidete ich einmal, und brachte ihm zuwege einen guten Zehrpfennig, da er doch ein verzweifelter Bube gewesen war. Denn er kam zu mir, und fragte mich um Rat in einem Fall des Gewissens, ich tröstete ihn, da er mich doch täuschte, und eine Zeit lang zur Hochzeit gebettelt hatte; aber nicht lang danach ward er gehenkt. Ich bin vielmal von solchen Gesellen betrogen worden, ich meinte, alle Leute wären wie ich. Also hat Dr. Valentin Mellerstadt Vielen mit seinem Gelde gedient, aber zu seinem großen Schaden. Es heißt, wenn ich Einem leihen muss, so soll er's wiedergeben; Leihen und Geben ist zweierlei.
59. Der Welt Narrheit.
Groß ist der Welt Torheit, sie achtet Edelsteine nicht nach ihrem Wert und ihrer Würde, sondern nachdem sie viel gelten. Sie achtet einen Türkis fünf hundert Gulden wert, der doch keine bewährte Kraft hat, und den gemeine Leute würden kaum eines - Groschen wert achten. Darum hat Klaus Narr, wie man sagt, dem Kurfürsten, der Edelgesteine kaufte und ihn fragte, wie teuer er sie schätze, eine feine Antwort gegeben, und gesagt: So teuer ist er und wert, so hoch ihn ein reicher Narr achten und bezahlen darf.
60. Die Welt ist immer ärger geworden, nachdem das Evangelium ist wieder an den Tag gekommen und gepredigt worden.
Es ist ein Wunder und sehr ärgerlich Ding, dass, nachdem die rechte reine Lehre des Evangeliums wieder an den Tag kommen ist aus sonderlicher Gnade und Offenbarung Gottes, die Welt immer ärger geworden ist. Jedermann bezieht die christliche Freiheit nur auf fleischlichen Mutwillen, als hätte ein Jeglicher nun Macht zu tun, was ihn gelüstet. Darum ist des Teufels und Papstes Reich, was das äußerliche Regiment anbelangt, am Besten für die Welt, denn damit will die Welt regiert sein mit strengen Gesetzen und Rechten und mit Aberglauben. Durch die Lehre von Gottes Gnade wird sie ärger; denn, wenn sie hört, dass ein ander Leben nach diesem sei, ist sie mit diesem Leben zufrieden, und lässt unsern Herrn das Andere immerhin behalten, wenn sie nur hier gute Lage, Ehre und Gut hat; wie gemeiniglich der Papst und seine Kardinäle und Geschmierten tun, wie eines Kardinals Testament anzeigt. Denn zu Rom starb ein reicher Kardinal, der groß Geld hinterließ. Der hatte bei dem Gelde in einem Kasten eine Bulla verschlossen. Wie nun nach seinem Tode der Kasten aufgemacht ward, fanden sie den Brief, darinnen stunden geschrieben auf Pergament diese Worte: Dum potui, rapui, rapiatis, quando, potestis.
Weil ich konnt, raubt ich immer zu,
Also nach mir ein Jeder tu.
O! wie muss dieser Kardinal gestorben und gefahren sein!
61. Was die Welt sei.
Die Welt, sprach Dr. Martin Luther, ist ein Haufen Leute, die alle väterliche Gaben Gottes annehmen, und lassen sich gerne wohl und Gutes tun, und geben dafür Nichts als Lästern und allen Undank. Wer es nicht versucht und erfahren hat, der gehe in ein Kloster. Die Welt fasst nicht, will auch nicht haben weder Glauben, noch Liebe, noch Kreuz, das ist ihr Leben und Weisheit, denn sie hat eine Scheu und flieht vor dem heiligen Kreuz, als vor dem größten Unglück und Übel; weiß nicht, dass der Glaube darinnen geübt und bewährt, und Gottes Kraft bewiesen wird. Die Liebe will sie nicht, auch die nicht üben, welche Gutes um Gottes Willen tut, und Jedermann, wie viel sie kann, ohne Gesuch einiges Genusses dient. Die Welt tut nur Gutes um Lohns, Ehre und Wiedervergeltens willen. Vom Glauben weiß sie nicht, dass er ein gewiss, fest und nötig Vertrauen ist, allein aus Gottes Gnade und Barmherzigkeit uns in Christo erzeigt, sondern sie meint, es seien nur Gedanken und Wahn von Gott, der da fordere Gerechtigkeit, dass man solle fromm sein.
Also sieht sie nicht die Objekte, mit denen die Tugenden umgehen und zu schaffen haben, nämlich zum Ersten nicht Gott; denn sie hält ihn für ihren Feind. Zum Andern nicht den Nächsten, denn sie denkt, es sei Keiner, denn sie selbst. Zum Dritten nicht den Widersacher, denselben hält sie für ihren Freund. Daraus folgt schließlich, dass die Welt dies Gebot nicht versteht: Liebe deinen Nächsten, als dich selber! Darum muss sie Gott, und Allem, was Gottes ist, Feind sein, das ist, seinem Wort und seinen Heiligen, und sucht kur den Teufel, und Alles, was sein ist, das ist, zeitlichen Frieden, weltliche Ehre, gute Tage, und was dem Fleische wohl und sanft tut; wie man sieht in aller Heiden, Philosophen, Gelehrten, Könige, Fürsten und großer Helden Sprüchen, Worten und Werken.
62. Der Welt geschieht Nichts zu Dank.
Man kann der Welt nimmermehr recht tun noch predigen, man mache es, wie man wolle. Predigt man das Papsttum, und was dasselbe lehrt, so wird Gott erzürnt, und das Gewissen betrübt und verwirrt. Predigt man aber Christum, so zürnt das Fleisch und das Papsttum; denn Christum predigen, erzürnt das Fleisch und die Welt. Wiederum, predigen, was dem Fleisch wohltut und gefällt, das heißt Christum hintansetzen und beleidigen.
Ach! Welt bleibt Welt. Hat ihr unser Herr Christus nicht helfen können, so werden wir's auch wohl dabei bleiben lassen, und sie immer hinfahren lassen müssen, wo sie hin gehört, zum Teufel.
63. Nachahmen, was es sei.
Nachahmen, und tun, was man von einem Andern sieht, ohne Beruf, ist ein menschlich und teuflisch Ding, darum ist es stracks und unnütze und schädlich. Also ahmen nach die Ketzer Gottes Wort, führen dasselbige traun10) auch auf der Zunge. Die Heuchler ahmen nach die Werke des Glaubens, die tun sie auch äußerlich. Die Abgöttischen die Zeremonien, die halten sie auch. Die Dummkühnen und Wagehälse folgen dem Krieg, wollen auch Kriegsleute sein. Die Narren und Klüglinge dem Regiment, wollen auch regieren. Die Hümpler und Störer den Handwerken, wollen auch kunstreiche Meister sein. Die Eselsköpfe ahmen nach gute Künste, wollen traun auch gelehrt sein, wie Mäusedreck sich unter den Pfeffer mengt.
Darum, wenn Gott sein Wort, Werk und Künste gibt, so tut er Nichts, als dass er Affen reizt und macht, und der große Haufe folgt den Affen nach. Gott aber behält das Übrige von dem ersten Contrefait. Also ist die Welt von Anfang gewesen.
64. An der Welt hilft keine Strafe.
Die Welt wird durch keine Strafe gebessert, kehrt sich nicht daran, sie prallt und billt dawider. Wie die Bauern sagen, wenn die Elbe ausgelaufen ist, und Alles auf dem Felde ersäuft und verdorben hat: Hast du mir das Getreide ersäuft, so hast du mir doch nicht die Taler ersäuft. Wohlan! Gott kann Einem wohl eine gute Zeche borgen, aber danach kommt er, und fordert ernste Rechnung, dass man weder Haut noch Haar behält. Denn solche stolze Vermessenheit ist noch nie ungestraft geblieben.
65. Die Welt achtet Gottes Gaben und Werke nicht.
Gottes Gaben und Wunderwerke, je größer sie sind, desto weniger werden sie geachtet. Denn, sage an, was ist für eine größere und edlere Gabe Gottes, als Sehen, Hören, Vernünftigsein rc.? Und Niemand dankt unserm Herrn Gott dafür, geschweige, dass er solche Gaben erkennte und groß achtete. Indes verwundert sich die Welt, und hält für groß und köstlich Ding Reichtum, Ehre und andere Dinge, so viel geringer sind, welches ein Blinder Alles dahin gäbe, dass er nur sehen möchte.
Aber die Ursache, warum solche Gaben Gottes so gering geachtet werden, ist diese, dass sie Gott auch den Geringsten und Unachtsamsten gibt. Christus ist für solche große Wohltaten, dass er die Aussätzigen gereinigt, die Blinden sehend gemacht rc., ans Kreuz geschlagen, an Galgen gehenkt, und jämmerlich gemartert und getötet worden: so gar erkennt die Welt Gottes Wohltaten nicht. Wenn Gott nur ein Jahr lang den Segen entzöge, und ließe Nichts wachsen noch geraten, hilf Gott, welch ein Klagen und Geschrei würde da werden? So lange er aber uns mit allen Gütern überschüttet, sagen wir ihm ungern einen Dank dafür. Ein solch Früchtlein ist die Welt.
66. Die Welt tut Niemand Etwas umsonst.
Die Welt ist so eigennützig, dass sie Niemand Etwas umsonst tut sondern Alles will belohnt haben. Wie diese Fabel anzeigt, sprach Dr. Martin Luther: Einer vermietete dem Andern seinen Esel, und ging neben ihm; der aber darauf saß, da die Sonne so heiß schien und ihn stach, bat den Herrn, er solle auch darauf sitzen, und ihn ein wenig im Schatten gehen lassen, aber derselbe wollte nicht und sagte: er habe ihm den Esel zu reiten vermietet und nicht den Schatten davon, diesen müsse er ihm besonders bezahlen, wenn er ihn haben wolle. Diese Fabel ist ein Bild der Welt, die tut Nichts umsonst, will Einem auch nicht den Schatten mitteilen und vergönnen.
67. Wie die Welt die Wohltaten vergilt und belohnt.
Philipp Melanchthon sagte einmal über Dr. Luthers Tisch diese Fabel: Es ist einmal ein Bäuerlein über Feld gegangen, und da er sich müde gegangen hatte, kam er an eine Höhle oder Loch, in welchem eine Schlange lag, die war mit einem großen Steine verschlossen. Die Schlange rief ihn an, und bat: Er solle den Stein vom Loch wälzen und sie los machen, wenn er das tue, wolle sie ihm den besten Lohn und Dank geben, den man auf Erden zu geben pflege. Das gute Bäuerlein ließ sich endlich bereden, wälzte den Stein vom Loche, und machte die Schlange los, und forderte seinen Lohn. Da wollte ihn die Schlange stechen und umbringen, und sprach: Liebes Männlein, also pflegt die Welt zu lohnen denen, die ihr alles Gute getan haben. Da er aber einen andern und bessern Lohn begehrte, und die Schlange auf ihrem Willen beharrte, berief sich das Bäuerlein auf Anderer Erkenntnis, welches Tier ihnen am ersten begegnen würde, das solle darüber Richter sein. Da brachte man einen alten und abgearbeiteten Karrenhengst geführt, der kaum die Haut tragen konnte, der sollte zum Schinder, dass man ihm die Haut abzöge; der sprach: Mir geht's also, nun, so ich mein Herz abgezogen habe, will man mich totschlagen und schinden. Danach kam ein alter Hund, den sein Herr ausgeschlagen hatte, der klagte, es ging ihm gleich auch also. Da sich nun das Bäuerlein auf den dritten Richter, der ihnen begegnete, berief, und auf dessen endlichen Machtspruch und Aussage es stellte, kam ein Füchslein. Das Männlein rief dasselbige an, und verhieß ihm, wenn es ihm würde helfen, und ihn von der Schlange erretten, so wolle er dem Füchslein alle seine Hühner geben. Das Füchslein sprach: Die Schlange solle wieder ins Loch gehen, dann wolle es darüber sprechen. Ein Jeglicher müsse zuvor in seinen vorigen Stand wieder gesetzt und restituiert werden, ehe eine Rechtfertigung, ein Urteil und Spruch ergehen könne. Die Schlange, weil sie einmal eingewilligt, und dem Fuchs Macht gegeben hatte, kroch wieder ins Loch. Da war der Bauer her, wälzte von Stund an den Stein wieder davor, dass die Schlange nicht konnte heraus kommen. Da nun das Füchslein des Nachts kam, und wollte die Hühner, die ihm verheißen waren, holen, schlug ihn das Weib und das Gesinde tot. Darauf sprach Dr. Martin Luther: Dieses ist ein rechtes Bild der Welt. Wem man vom Galgen hilft, der bringt Einen gerne wieder daran. Wenn ich kein Exempel dergleichen mehr hätte, so wäre doch der Herr Christus Exempel genug, der die ganze Welt von Sünde, Tod, Teufel und Hölle erlöst hat, und ist von seinem eigenen Volk gekreuzigt und an Galgen gehenkt worden.
68. Wie dankbar die Welt gegen Gottes Wohltaten ist.
Da das Volk murrte, und war sehr ungeduldig, dass es in der Ernte regnete und nass war, da es doch zuvor lange war trocken und eine große Dürre gewesen; da sprach Dr. Martin Luther: Also muss Gott gedankt werden. Und wenn Gott der Welt nicht schont um etlicher wenig Gläubigen Willen, so wäre sie lang in einen Haufen zerfallen, und läge in der Asche.
69. Die Welt vergisst Gottes Wohltaten bald, und verachtet sein Wort.
Anno 38, den 27. August, beklagte Dr. Martin Luther die zukünftige Strafe, die über Deutschland kommen würde, um der Verachtung des Gottes Wortes und der Bosheit willen, die daraus folgen müsse. Denn, sobald man beginnt von Gott abzufallen, (welches ein Anfang ist aller Hoffart, wie Jesus Sirach klagt und beweint, Kap. 10, 14) so folgen alle Sünden mit Gewalt; wie wir, leider, jetzt sehen, dass die Welt in so kurzer Zeit so hoffärtig, vermessen, frech, geizig, wüste, wilde, tyrannisch geworden ist, und Gott zum Zorn reizt, dass er darein sehen und strafen muss.
Also geschah denen zu Sodom, welche auch noch beim Leben Abrahams, des großen heiligen Erzvaters und Helden, (durch welchen sie Gott erlöst hatte von den vier Königen, ihren Feinden,) Gottes Wohltaten vergaßen, und Abraham verachteten, der sie den rechten Weg zur Seligkeit lehrte: da ist auch die wahre Religion, Polizei und Zucht untergegangen, und die Strafe ist bald darauf gefolgt. Darum entschuldigen und verkleinern die Juden die großen und gräulichen Sünden der Sodomiter damit, als sollten sie ein Jungfräulein, das viele und reiche Almosen armen Leuten gegeben, durch einen ungewöhnlichen Tod umgebracht haben. Aber die heiligen Väter haben dies grausame Exempel ihren Nachkommen als durch ein Gemälde wollen vorbilden, und ihnen durch ein prophetisch Wort anzeigen, wie gräulich Gott strafen will alle Verächter seines Wortes. Denn das Evangelium ist das Jungfräulein, welches allen Menschen anbeut und verheißt Gnade und Hilfe; aber leider, man verachtet's und verfolgt's aufs Äußerste, dass es zu erbarmen ist, darum folgen auch darauf so viel Plagen und Strafen.
70. Die Welt ist voll Heuchler und Lästerer; wie mancherlei derer sind,
Anno 38, den 21. September, sagte Dr. Martin Luther viel von der Welt Bosheit und ihren mancherlei unterschiedlichen Stücken und Tücken, Colax11), Syncophanta12), Cacoethes, welche Sünden und Laster schier Einerlei sind und gleich nur, dass Eines auf das Andere kommt, gleichwie man von einer Stufe zur Andern immer höher aufwärts steigt; Colax heißt der, meines Bedünkens, der im Terentius genannt wird Gnato, ein Ohrenkratzer, Schmeichler, Tellerlecker, der um des Bauches willen redet und tut, was man gern hört und hat; und ist noch eine menschliche Sünde, welcher endliche Meinung ist, Anderen Schaden damit zu tun. Aber Syncophanta ist ein solcher Heuchler, Verräter und Verleumder, der den grauen Rock will verdienen. Und diese Sünde ist mehr teuflisch als menschlich. Gnato gehört in die Komödien, Syncophanta in die Tragödien. Phormio im Terentius ist gar eine fromme Person, hat von den zweien Lastern schier Keines. Cacoethes, ein Bösewicht, der wissentlich und mutwillig Böses tut.
71. Die Welt ist nicht zu reformieren.
Dr. Martin Luther zeigte mit großem, tiefem Seufzen an, dass große, gräuliche Plagen und Strafen vorhanden wären, die würden über die Welt gehen: denn sie ist, sprach er, so böse und unbändig, dass sie keine Disziplin, Zucht, Strafpredigt und Reformation mehr leiden will. Es ist die Welt gar rege geworden, nachdem das Wort des Evangeliums offenbart ist, sie knackt sehr; ich hoffe, sie werde bald brechen, und in einen Haufen fallen durch den jüngsten Tag, auf den wir mit Sehnen warten. Denn alle Laster, Sünden und Schandtaten, sind nun so allgemein geworden, und in Gebrauch gekommen, dass sie nicht mehr für Sünden und Schandtaten gehalten werden: darum lasst uns bitten: Zukomme dein Reich, erlöse uns vom Übel. Wiewohl es nun besser und höflicher aussieht, denn vor zwanzig Jahren. Es hat nun, Gottlob, viel feinere Leute, so hat's auch seine Schulen, in welchen die Jugend fein gelehrt und unterwiesen wird. Der treue Gott gebe fürder seine Gnade dazu, denn ich fürchte sehr, es werden gräuliche Zeiten und Abfall kommen nach unserm Abschied.
72. Die Welt will und kann das reine Wort Gottes nicht leiden.
Die Philosophen und Gelehrten bei den Heiden haben unzählig viel und mancherlei Spekulationen, Gedanken und Meinungen von Gott, von der Seele, vom ewigen Leben gehabt, sie sind aber Alle zweifelhaft und ungewiss gewesen, ohne Gottes Wort. Nun, da uns Gott sein liebes Wort rein und unverfälscht gegeben hat, so verachten wir's, nach dem Sprichwort: Malum, malum dicit omnis possessor13): Wenn man ein Ding hat, wie gut es auch ist, so wird mans überdrüssig, und achtet seiner nicht. Wenn nun das Wort weg wird kommen, so werden wir Narrenwerke suchen, und mit selbsterwählter Andacht und mit Aberglauben, mit menschlichen Gedanken und Dünkel umgehen; müssen also mit Schaden klug werden.
73. Welt bleibt Welt.
Es ward geklagt über die letzte gräuliche Zeit, welche weder mit Gesetzen noch Strafen könne regiert werden; da sprach Dr. Martin Luther: Welt bleibt Welt, die Gerechtigkeit weder liebt noch leidet, sondern wird von Gott durch etliche wenige Helden und vortreffliche Leute regiert. Wie ein Knabe von zwölf Jahren hundert Ochsen auf der Weide hütet, also wird die Welt auch übernatürlich regiert.
74. Die Welt, sonderlich unsere Undankbarkeit, wird dem Papsttum wieder aufhelfen.
Dr. Martin Luther hat fleißig für den Lauf der reinen Lehre des Evangeliums wider Ketzerei und das Papsttum gewarnt. Denn, wenn der Papst würde ins Regiment kommen, so würde er seine Tyrannei verdoppeln. Wie er getan hat nach dem Costnitzer Concil14), da hat er sich redlich gerächt für die hundert Jahre, da man ihn abgesetzt hat, und sehr gottlose Gräuel eingeführt. Aber ich fürchte mich vor dem Papst und den Tyrannen nicht so sehr, als vor unserer Undankbarkeit und Verachtung des Wortes, die möchten dem Papst wieder in Sattel helfen. Wenn das geschieht, so hoffe ich, der jüngste Tag werde bald darauf folgen.
75. Welt wird immer ärger.
Klaus Bildenhauer sagte zu Dr. Martin Luther, dass er schier wieder zum Kinde würde; da sprach der Doktor: Es ist der Zeit Schuld, Ihr und ich haben zu viel Ostereier gegessen, es ist aus mit uns. Wenn ich hinter mich denke an meine Gesellen, die mit mir auferwachsen sind, so sind sie sehr dünne, und schier Alle hinweg. Denn jetzt wird alle zwanzig Jahr eine neue Welt. Da sagte Bildenhauer: er könne sich vier Kurfürsten denken, die zu Sachsen regiert hätten, das sei eine feine Zeit damals gewesen, da Herzog Albrecht und Ernst miteinander regiert hätten, und Beide mit zwei Frauenzimmern zu Torgau beisammen geblieben seien. Darauf sprach Dr. Martin Luther: Zu derselben Zeit sind fromme Leute gewesen, jetzt ist's der Teufel, dass Niemand dem Andern trauen darf. Die Fürsten sind sehr tyrannisch, und fahren mit Gewalt zu.
76. Von der Leute Undankbarkeit.
Gleichwie die Israeliten dem Moses getan haben, der sie aus Ägypten geführt hatte, also tun uns jetzt die Leute auch, die aus dem Gefängnis und Diensthause des Antichrists zu Rom geführt worden sind. Doch bat er für sie. Ich bete, das die Buben gestraft werden.
Aristoteles, der Heide, erzählet etliche Ursachen, warum Einer billig zürnen möge, unter welchen eine ist die Undankbarkeit. Scipio, der edle Held zu Rom konnte Undankbarkeit leiden, aber Andere macht sie unsinnig. Gottes Geduld und Zorn ist groß. Und, gleichwie Gott mit Mose mündlich geredet hat, wie ein guter Freund mit dem Andern, also redet er auch mit uns mündlich durch die Prediger, wie Christus sagt, Matth. 10, 20: Ihr seid es nicht, die da reden, sondern eures Vaters Geist ist's, der durch euch redet. Denselben verachten wir.
77. Der Welt Vermessenheit und Sicherheit und von den Epikureern.
Da Dr. Martin Luther nach gehaltenem Examen mit M. Georg Rörer wieder heim kam, fing er an zu seufzen, und sprach: Wie groß ist doch der Welt Vermessenheit und Sicherheit! Was ein wenig Etwas ist, das darf sich wider Christum auflehnen, sich unterstehen, ihn mit Füßen zu treten: aber es wird noch besser werden, der Epikureismus wird mit Gewalt aufkommen und einreißen. Denn die Verachtung von Gottes Wort durch die Welt ist nichts anderes, als eine Vorbereitung und ein Vortrab zum epikurischen Leben vor dem jüngsten Tage, da man nicht wird glauben, weder dass ein Gott sei, noch ein ewiges Leben. Ist's nicht ein gräulich schrecklich Ding, dass im Volk Gottes solche Epikureer sein sollen, nicht allein besonders und heimlich, sondern auch öffentlich im Predigtamt, in der Kirche. Wie bei den Juden gewesen sind die Sadduzäer, die in der Religion das Regiment auch mit inne hatten, obgleich sie Nichts glaubten vom ewigen Leben.
Der Art sind jetzt bei uns unsere Papisten und dergleichen, auch wohl unter uns; die wir wollen Evangelisch sein, und die Schrift wissen, halten sie doch nur für einen Traum. Der Bischof zu M. redet und tut, was er nur will, muss Alles gut sein und wohlgetan. So ist die Stadt L. in solchem Geiz ersoffen, dass man von einem [hundert] Gulden jährlich 40 nimmt, jedoch unter dem Deckel und Schein der Gottseligkeit, als wäre es recht und christlich; denn es soll Liebe heißen und gedient sein, Einem hundert Gulden leihen, und Gerechtigkeit und Billigkeit, fünf und vierzig davon nehmen. In zehn Jahren tragen hundert Gulden vier hundert und fünfzig Gulden. Ist das nicht ein Epikureismus? L. liegt im Meer des Geizes ersoffen, tiefer denn die Berge in der Sündflut: die lagen nur fünfzehn Ellen tief im Wasser, sie aber liegt fünfzehn Meilen Wegs tief unter den Wellen des Geizes. Also sind alle anderen Wucherer und Geizwänste.
Ach! es werden noch böse Zeiten kommen. Unsere Epikureer sind viel ärger, denn die Kardinäle in Italien, die sagen doch: Wir wollen die Andern lassen gottselig sein, wir aber wollen's nicht sein. Aber unsere Epikureer wollen nicht allein heimlich keine rechte Christen sein, sondern wollen's auch Andern wehren und verbieten.
78. Der Welt Impietät und Undankbarkeit.
Gott locket uns mit Verheißungen im Gesetz und Evangelium, auf dass wir sein Wort sollen hören; aber die Welt und die Gottlosen achten's nicht allein nicht, sondern verachten's auch und verfolgen's. Darum werden sie billig verdammt, und geschieht ihnen Recht, dass sie Bettler, und auch hier zeitlich zu Schanden werden.
Dr. Luther hob seine Augen auf gen Himmel, seufzte und sprach: Lieber Gott, wie groß ist doch die Impietät15) und Undankbarkeit der Welt, die deine unaussprechliche Gnade verachtet und verfolgt! Auch wir, die wir uns des Evangelii rühmen, und wissen, dass es Gottes Wort, rechtschaffen und rein ist, und es auch bekennen, wie Gott der Vater vom Himmel zeugt, da er spricht: Dies ist mein lieber Sohn, den sollt ihr hören, Matth. 17, 5., achten doch das liebe heilige Evangelium Christi, den großen teuren Schatz so geringe, als wäre es irgendein Spruch aus dem Terenz oder Virgil.
79. Domherren sind lauter Epikureer.
Die Domherren zu Würzburg, Mainz und Köln haben die besten Lage, leben in Müßiggang, Schlemmen und Temmen, haben Alles im Vorrat, ohne alle Sorge, was ihr Herz begehrt, und fahren auch danach fröhlich in den Himmel, da es zischt. Die Bischöfe haben's so gut nicht, denn sie sind im Regiment, und haben etlicher maßen mit den Händeln zu tun.
80. Des Epikureismus Regiment.
Eck, ein Mann von großem Verstand und gutem Gedächtnis, aber sehr unverschämt, ruchlos und gottlos, weil er zu Rom gewesen war, hat viel gute Exempel des epikurischen Lebens gesehen und gelernt, so dass er weder nach dem Papsttum noch nach dem Evangelium fragt, und von Keinem Etwas hält.
Ich hätte vor 20 Jahren nimmermehr gedacht, dass auch jetzt in der christlichen Kirche sollten Epikureer sein, da doch schier alle Romanisten im epikurischen Leben ersoffen sind, sich weder um Gott noch ums Gewissen bekümmern. Es sind gräuliche Zeiten. Ich meinte früher, der Epikureer Sekte sei längst erloschen, aber nun geht's in voller Blüte, denn des Epikureismus Ende ist dies Leben, und führt die Leute vom Ewigen aufs Zeitliche. Wie Pomponius Atticus gewesen ist, Scipio und andere weltweise Leute, in welchen angezeigt wird die Torheit menschlicher Vernunft.
Wiewohl Cicero zeigt in der Epistel, die er an den Octavius schreibt, der danach Kaiser und Augustus genannt wurde, seine Meinung über die Ewigkeit, was er davon halte. Es ist denn doch in Cicero ein hoher Verstand gewesen, der aus und nach der Vernunft geschlossen hat, es sei sicherer der Meinung beizupflichten, dass ein ewig Leben nach diesem sei, als der, dass Alles zeitlich und vergänglich sei, Leib und Seele. Es ist auch gewiss nach der Vernunft besser, sich an das Christentum, als an den Epikureismus zu halten. Denn, da Einer durch der Epikureer Wahn betrogen wird, so hat er das Ewige, samt dem Zeitlichen verloren. Betrügt ihn aber das Christentum, (welches unmöglich ist), so hat er nur das Zeitliche und nicht das Ewige verloren. Gott behüte uns Alle vor diesem Wahn, in welchem jetzt die ganze Welt einhergeht.
81. Ein Anderes vom Epikureismus.
Da des Epikureismus gedacht ward, dass jetzt zu unserer Zeit Edelleute, Bürger und Bauern, ja, schier Jedermann hohen und niedrigen Standes Gott und das Ewige verachten, sprach Dr. Martin Luther: Lasst's euch nicht in der letzten Welt wundern, bedenkt nur, wie es zugegangen ist zur Zeit Christi unter dem allerheiligsten Volk Gottes, da neben den Pharisäern im Regiment auch Sadduzäer waren; die waren gute Gesellen, und glaubten Nichts.
82. Von epikurischen Leuten.
Es ward Dr. Martin Luther über Tische zu Eisleben gesagt, dass ein Edelmann, C. von Seckendorf, bei einem Gastmahle gesagt habe: Wenn Gott ihm seinen Reichtum und seine Wollust ließe, ihn tausend Jahre leben und seinen Willen durchaus treiben ließe, so wollte er danach unserm Herrn Gott gerne seinen Himmel lassen. Darauf sagte Dr. Luther: Das ist eine rechte Sau gewesen, und denen gehören nichts Anders, denn Träber.
Auch sagte Dr. Luther, dass D. Henning Göde, ein Jurist und Domprobst zu Wittenberg, nicht viel von unserem Herrn Gott gewusst hätte; denn er, Dr. Luther, sei zu demselben gekommen, als derselbe krank auf der Erde ohne Bett gelegen, und nur seine Schaube16) über sich gedeckt gehabt habe, da habe er denselben gefragt: was er Guts mache? Derselbe aber habe geantwortet, dass er krank sei. Da habe er angefangen mit demselben zu reden, und gesprochen: Lieber Herr Doktor, Ihr seid ein schwacher Mann, Ihr sollt euch nun mit unserm Herrn Gott auch versöhnen, und es wäre Euer Bestes, dass ihr Euch mit dem hochwürdigen Sakrament versorgtet, auf dass Ihr bereit wärt, wenn Gott über Euch gebieten möchte. Da habe D. Henning geantwortet: Ei! es hat noch keine Not, Gott wird so schweizerisch an mir nicht handeln, und mich also übereilen. Aber, sagte Dr. Luther, es ist ihm gleich geschehen, wie er ihm gesagt habe. Denn des andern Tages ist ihm die Sprache entfallen, und er ist bald darauf gestorben; ging also dahin, und wusste nicht viel von Gott. Deswegen sollten wir allezeit fertig und bereit sein, wenn Gott anklopfte und uns von diesem Leben abforderte, dass wir geschickt wären, einen christlichen Abschied aus dieser Welt zu nehmen.
Nach Diesem redete Dr. Luther von der großen Gewalt des Teufels, und gab dieses Gleichnis: Gleichwie ein reißig Pferd oder Hengst eines Hamsters nicht los werden kann, wenn er ihm an die Kehle kommt, sondern das kleine zornige Tierlein, der Hamster, das große Pferd erwürgt, es sei so freudig, reißig oder beißig, als es wolle, gleichwie der Luchs einen Hirsch umbringt, wenn er ihm auf den Kopf springt, und sich zwischen seine Hörner setzt, und ihm das Gehirn ausfrisst, oder ihn bei der Kehle greift, und sie ihm entzwei beißt, also ist auch der Satan. Wenn er einen Menschen besitzt, so kann man seiner nicht leicht los werden, er führt den Menschen in Verzweiflung, und tut, ihm Schaden an Leib und Seele; wie S. Petrus in seiner 1. Epistel C. 5, 8. von ihm sagt: Dass er umhergehe als ein brüllender Löwe, und suche, wen er verschlinge. Darum soll man täglich beten, und mit Glauben und Gebet ihm Widerstand tun.
Sonst sagte einmal Dr. Luther: Es gemahnt mich des Teufels wie eines Voglers. Der würgt alle Vögel, die er fängt; wenn er Einen hat, der ihm gefällt, den lässt er leben, dass er ihm singe, was er wolle.
83. Welche zum Epikureismus den Weg bereiten.
Ach lieber Herr Gott, welch' eine gräuliche, schreckliche und gefährliche Zeit wird künftig werden! Lyrä Prophezeiung bewegt mich sehr, und geht mir nicht wenig zu Herzen, denn sie gehört auf unsere Zeit, da er schreibt: Detecto Antichristo, erunt homines carnales, dicentes, nullum esse Deum; das ist: Wenn nun des Antichrists Bosheit offenbart ist, so wird die Welt in großen Mutwillen geraten, dass sie wird sagen: es sei kein Gott. Da heben die Antinomer17) und Gesetzstürmer fein an, die heben alle Furcht auf, machen die Leute gar sicher, dass sie ihre Sünde nicht achten. Wenn man die Sünde nicht achtet, so wird auch Christus nicht geachtet, weil er um der Sünder Willen gekommen ist, dieselben selig zu machen. Und die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken, wie er selbst sagt, Matth. 9. V. 12, 13.
Dagegen dringen die Sophisten und Kanonisten hart auf ihre gottlosen Satzungen und Überlieferungen, und wollen die Gewissen damit beschweren. Lieber Gott, je größer deine Güte ist, desto größer ist der Welt Bosheit. Der Kanonisten vornehmstes Argument wider unsere Lehre ist dies: Uns gebührt und wir sollen und müssen lehren, was von Kaisern und Königen gebilligt und angenommen ist: die Lutherische Lehre ist vom Kaiser, Königen rc. nicht gebilligt noch angenommen, sondern verdammt rc., darum soll man sie nicht lehren rc. Antwort: Gott ist mehr, denn alle Kaiser, Könige, Fürsten und Juristen, der soll ihnen billig vorgezogen werden. Apg. 5, 29.
84. Ein Anderes.
Anno 30, den 16. Juni, war ein Student zu Wittenberg, der viel gottlose Fragen in sein Buch geschrieben hatte, die Schrift nach seinem Kopf drehen und schier einen neuen Epikureismus anrichten wollte. Er gab vor, es seien weder gute noch böse Engel, und viel gräuliche Dinge über den heiligen Geist und der Toten Auferstehung rc. Denselben straften die Professoren hart darum, und zeigten es Dr. Luther an, der sprach mit Seufzen: Lieber Herr Gott, was will daraus werden? O wie gräuliche Zeiten werden wir haben! Da sollte die Obrigkeit Amtshalber solche Epikureer ernstlich strafen, wie andere öffentliche Übeltäter.
85. Der Welt Sicherheit.
Anno 39, den 2. Februar, redete Dr. Luther viel über die schändliche, schädliche Sicherheit der Welt, dass auch die Gottesfürchtigen sicher werden, fühlen, und ihre Sünde, Jammer und Not, darinnen sie stecken, nicht achten. Darum steht in der Kirchengeschichte geschrieben von einem frommen, jungen Knaben, der rühmte sich, wie es ihm wohl ginge, und er ohne alle Anfechtung sei; da sagte ein alter Einsiedler zu ihm: es sei eine Gabe Gottes, aber doch müsste bisweilen ein Jeglicher von seinen Sünden geplagt werden, und die selbigen fühlen, oder es sei sonst ein böses Zeichen. Jedermann hat gerne gute Lage, denen ist Niemand Feind, ist er aber gottesfürchtig, so wird er seine Anfechtungen vom Fleisch auch haben und fühlen, wie S. Paulus klagt, Röm. 7, 14. seq.
86. Der Leute Sicherheit und Fleiß in Irrtümern.
Die Menschen sind wahrlich allzeit sicher und meinen, es werde immer also bleiben, und keine Not noch Gefahr haben. In solcher Sicherheit schleicht der Teufel fein allmählich ein, und verfälscht das Wort, dass man Nichts davon behalte, denn nur die Hülsen; den Kern nimmt er hinweg. Matth. 13, 19. Aber in Irrtümern, da ist man sehr sorgfältig, und bemüht sich sehr. Gleichwie ein Wandersmann ist auf dem rechten Wege sicher, aber auf dem unrechten, Irrweg sorgfältig; also geht's uns auch.
87. Der Epikureer Gedanken.
Ein Epikureer, wenn er über Gott denkt, und sieht, wie es in der Welt zugeht, der kann anders nicht schließen, denn also: Entweder Gott kann das nicht verbieten noch wehren, darum ist er zu schwach dazu; oder will's nicht wehren, darum muss er ungerecht sein, denn er hat Lust am Bösen, und dass es übel zugeht; oder aber weiß er es nicht, so muss er gar ein Narr sein. Also nimmt die Welt unserem Herrn Gott seine Allmacht, Gerechtigkeit und Weisheit.
88. Der Welt Güter und Schätze.
Die Fugger können, sprach Dr. Luther, in Eile aufbringen eine, fünf oder sechs Tonnen Goldes, das der Kaiser nicht vermag. N. Fugger hat bei 18 Tonnen Goldes verlassen. Man sagt, die Fugger und Welser haben dem Kaiser einmal zwölf Tonnen Goldes im Kriege vor Padua geliehen. Augsburg vermag in drei Wochen dreißig Tonnen Goldes aufzubringen; das vermag der Kaiser nicht.
Auch sagte der Herr Doktor: ein Bischof von Brixen sei einmal zu Rom gestorben, der auch Kardinal und sehr reich gewesen sei, bei dem habe man nach seinem Tode kein Geld gefunden, sondern nur ein Zettelein einen Finger lang, das in seinem Ärmel steckte. Als nun Papst Julius diesen Zettel bekommen, hat er gedacht, es würde ein Geldzettel sein, schickte alsbald nach dem Faktur der Fugger in Rom, und fragte ihn, ob er die Schrift nicht kenne? Derselbige spricht: Ja, es sei die Schuld, die der Fugger und seine Gesellschaft dem Kardinal schuldig wären, und mache dreimal hundert tausend Gulden. Der Papst fragte: wann er ihm solch' Geld erlegen könne? Des Fuggers Diener sprach: Alle Stunden. Da forderte der Papst zu sich den Kardinal aus Frankreich und England, und fragte: ob ihr König auch vermöchte drei Tonnen Goldes in einer Stunde zu erlegen? Sie sagten: Nein. Da sprach er: Das vermag ein Bürger zu Augsburg zu tun. Und hat der Papst Julius dasselbige Geld bekommen.
Es sagte auch der Herr Doktor: der Fugger zu Augsburg habe einmal sollen die Schatzung geben, da habe er die Antwort gegeben, er wüsste nicht, wieviel er habe oder wie reich er sei, darum könne er die Schatzung nicht geben. Denn er habe sein Geld in der ganzen Welt, in der Türkei, in Griechenland, zu Alexandria, in Frankreich, Portugal, England, in Polen und allenthalben; jedoch wolle er die Schatzung geben von dem, was er zu Augsburg habe.
Der Herr Doktor erzählte auch, dass Einer zu ihnen gesagt habe: er hätte von dem Kaiser Maximilian ein Kartenblatt empfangen, darauf wenige Worte geschrieben gewesen seien, damit sei er zum Fugger gen Augsburg gekommen, der hätte ihm darauf sechs tausend Gulden gegeben, die hätte er in einen Ärmel gesteckt und bei sich geführt, dass es seine Knechte nicht gewahr worden seien. Der Doktor sagte: das mit dem Kartenblatt glaube er gerne, vor Zeiten habe man kleine Briefe geschrieben, und sei großer Glaube gehalten worden. Aber das Geld zu führen, dass mans nicht gewahr werde, das dünke ihn etwas zu milde geredet zu sein.
89. Der Welt Geiz.
Dr. Pommer brachte einmal Dr. Martin Luther von einem Herrn hundert Gulden, als ein Geschenk. Luther wollte sie aber nicht annehmen, sondern gab Philipp die Hälfte, die andere Hälfte wollte er Dr. Pommern wieder geben; der wollte sie nicht. Als sie nun sich miteinander darüber zankten, baten Etliche, die dabei waren, den Doktor: er solle es doch nehmen, denn er habe es wohl verdient, das Volk möchte sonst sagen, Dr. Pommer sei undankbar.
Da sprach Dr. Martin Luther: Eben deswegen will ich's nicht tun, denn sie wollen Dr. Pommern richten, der fromm ist, da sie doch die allerundankbarsten Bengel sind. Was geben sie Dr. Pommern, mir und Andern? Und wollen sich an ihm nur weiß brennen, da sie doch nehmen und rauben, wie und wo sie nur können. Wenn sie uns nur um unser Geld Recht täten, so wollten wir gerne zufrieden sein. Aber es ist solch Scharren, Kraken, Schinden und Schaben, Geizen, Nehmen, Stehlen und Rauben unter der Decke des Evangeliums, dass ich mich schäme. Ich muss einmal predigen und sie antasten, denn sie machen's zu grob. Darum sollen auch die Prediger die Leute strafen; denn wenn wir ihre Bosheit, ärgerlichen Wandel und Leben nicht straften, so gewöhnten sie sich daran, als wäre es recht und wohlgetan, und keine Sünde; denn aus einer Gewohnheit wird zuletzt ein Recht. Darum wehre, wer da kann, schelte und strafe solch gottlos Wesen und Händelchen.
90. Geiz ist ein Zeichen des Todes: auf Geld und Gut soll man sich nicht verlassen.
Gemeiniglich geht bei Denen, die Geld haben und sich darauf verlassen, was dann geschieht, nicht recht von Statten. Die allerreichsten Monarchen haben wenig Glück gehabt, und sind schändlich umgekommen und in Kriegen geschlagen worden, während die Armen, Unvermögenden, die wenig Geld und Volk hatten, Glück und Sieg gehabt haben. Wie Kaiser Maximilian, da er den zehnjährigen Krieg wider die Venetianer, die doch sehr reich und mächtig sind, anfing und gleichwohl obsiegte. Darum soll man sich nicht auf Geld und Gut verlassen noch trauen. Der Fürsten Geizen, Schinden und Schaben, fahre immerhin zum Henker! Man sagt, dass Herzog Georg jetzt sehr geizig sein soll. Das ist ein Zeichen zum Tod. Da Dr. Heinrich Göde die Würste in der Feuermauer zählte, starb er bald danach, und wenn ich mich um das Brauen, Malzen und Kochen rc. bekümmerte, so würde ich's nicht lange treiben, sondern bald sterben.
91. Der Pfarrherren und Prediger Geiz.
C. N. brachte Mehl gen Wittenberg, welches er Dr. Luther verkaufen wollte, einen Scheffel um neunthalben Groschen, welches die Doktorin sehr verdross, so dass sie ihn geizig schalt. Da sprach der Doktor: Meine lieben Pfarrherren beginnen auch zu geizen, wollen's allzeit ein oder zwei Pfennig teurer geben, denn die Bauern, da sie es doch sollten wohlfeiler, oder in gleichem Kauf geben, wie die Bauern. Es ist ein schlechter Gewinn, wenn Einer dreißig Scheffel verkauft, und daran sechzig Pfennige gewinnt, sich aber mit seinem Geiz ein böses Gewissen macht, und böse Exempel gibt. Pfui dich, Junker Geiz!
92. Des Mammons Tugenden.
Der Mammon hat zwei Tugenden: die Erste ist, dass er uns sicher macht, wenn's wohl geht, und dass wir ohne Gottesfurcht leben, Andere, dass er uns zur Zeit der Trübsal, wenn es übel geht, Gott versuchen, von Gott fliehen, und einen fremden Gott suchen lehrt.
93. Des Papsts Geiz.
Des Papstes Geiz ist der Allergrößte gewesen, dazu hat ihm der Teufel eben Rom erwählt. Darum haben die Alten gesagt: Romae etc. Zu Rom ist Geiz, eine Wurzel alles Bösen. Und ich habe in einem sehr alten Buch den Vers gefunden:
Versus Amor Mundi Kaput est et Bestia Terrae.
Das ist, wenn man das Wörtlein Amor umkehrt, so heißt's Roma, der Welt Haupt, eine Bestie, die alle Länder aussaugt und auffrisst. Es ist ja ein gräulicher Handel mit Geizen, wenn man Alles an sich reißt ohne Arbeit der Hände, ohne Predigen, ohne Kirchendienst, sondern mit Aberglauben, Abgötterei und Verkaufen der Werke. Darum malt S. Petrus, 2. Epist. 2, 4., solchen Geiz mit klaren Worten ab, da er spricht: Sie haben ein Herz mit Geiz durchtrieben.
Ich glaube, man könne die Seuche des Geizes nicht erkennen, man kenne denn Rom, denn andere Betrügerei und Täuscherei ist Nichts gegen die Römische. Darum supplizierte18) zu Worms auf dem Reichstage Anno 1521, das ganze Reich wegen dieses römischen Geizes, und bat, Kaiserliche Majestät solle doch sein Treiben abschaffen. Dazumal war nur mein Buch an den deutschen Adel, dasselbige zeigte mir Dr. Wick an. Da fing das Evangelium fein an zu laufen; zwar die drei Sekten: Carlstadt, Münzer und die Wiedertäufer haben ihm einen großen Stoß getan, und es sehr gehindert, aber dennoch ist es gefördert worden. Des Papstes Gewalt, die groß über alle Könige und Kaiser war, habe ich mit einem Büchlein wider den Bann gestürmt und erlegt. Dasselbe Büchlein schrieb ich nicht eigentlich wider den Papst, sondern wider den Missbrauch; aber sie erschraken bald, denn ihr Gewissen wusste sich schuldig.
Als in diesem Gespräche eines Geizhalses gedacht wurde, der nicht einmal seinem eigenem Leibe seine Notdurft gab, sprach Dr. Martin Luther: Er sammelt Schätze, und weiß nicht wem. Ps. 49, 11. Lasst uns essen und trinken, so lange als wir mögen, es fressen's doch Andere nach uns.
94. Geiz verhindert Gottes Segen.
Es kamen Etliche zu Dr. Martin Luther, und klagten über ihren Herrn, der seine Untertanen verderbe mit Scharren und Geizen. Da sprach der Doktor: Es ist mir leid, und habe ein herzlich Mitleiden, dass es Euch so geht, und dass Eurer Obrigkeit Bosheit Gottes Segen hindert in Bezug auf das Bergwerk. Denn, wenn eine Person sich untersteht, Alles zu haben, und will Gott gefangen nehmen, so flieht und weicht Gott mit seinem Segen davon, er will in seinen Gaben frei und unbefangen sein.
95. Dass Fürsten und Herren die Klöster und geistlichen Güter an sich reißen.
Dr. Luther sagte einmal über Tisch, es sei ein wahres Sprichwort: dass Pfaffengut Raffengut sei, und das Pfaffengut nicht gedeihe. Das habe man aus Erfahrung, dass diejenigen, die geistliche Güter an sich gezogen haben, zuletzt darüber verarmen und zu Bettlern werden. Burkhard Hund, der Rat des Kurfürsten Hansen zu Sachsen, habe zu sagen gepflegt: Wir vom Adel haben die Klostergüter unter unsere Rittergüter gezogen; nun haben die Klostergüter unsere Rittergüter gefressen und verzehrt, dass wir weder Klostergüter noch Rittergüter mehr haben. Darauf erzählte Dr. Luther eine hübsche Fabel und sprach: Es war einmal ein Adler, der machte Freundschaft mit einem Fuchs, sie vereinigten sich beieinander zu wohnen. Als nun der Fuchs sich aller Freundschaft zu dem Adler versah, da hatte er seine Jungen unter dem Baume, darauf der Adler seine jungen Adler hatte. Aber die Freundschaft währte nicht lange, denn sobald der Adler für seine Jungen Nichts zu essen hatte, und der Fuchs nicht bei seinen Jungen war, da flog der Adler herunter, und nahm dem Fuchs seine Jungen, und führte sie in sein Nest, und ließ sie durch die jungen Adler auffressen. Da nun der Fuchs wieder kam, sah er, dass seine Jungen hinweggenommen waren, klagt's deshalb dem obersten Gott Jupiter, dass er die Verletzung der Gastfreundschaft rächen, und dieses Unrecht strafen solle. Nicht lange danach, da der Adler wiederum seinen Jungen Nichts zu essen zu geben hatte, sah er, dass man an einem Orte im Felde dem Jupiter opferte. Deshalben flog er dahin, und nahm flugs einen Braten vom Altar hinweg, und brachte denselben den jungen Adlern ins Nest, und flog wieder hinweg, und wollte noch mehr Speise holen. Es war aber am Braten eine glühende Kohle hängen geblieben, dieselbe, als sie ins Nest gefallen war, zündete das Nest an, und, als die jungen Adler nicht fliegen konnten, da verbrannten sie mit dem Nest, und fielen auf die Erde. Darauf sagte Dr. Luther: also pflege es zu gehen denen, die die geistlichen Güter an sich reißen, die doch zu Gottes Ehren, und zu Erhaltung des Predigtamts und Gottesdienstes gegeben sind: die selbigen müssen ihr Nest und ihre Jungen, das ist, ihre Rittergüter und andere weltliche Güter verlieren, und noch wohl Schaden an Leib und Seel dazu leiden.
Ein andermal sagte Dr. Luther: Die geistlichen Güter haben Adlers Federn, Art und Natur an sich, denn, wenn man sie zu andern Federn legt, so fressen und verzehren sie dieselben. Also, wenn man die geistlichen Güter per fas et nefas19) unter andere Güter mengt, so verzehren sie auch die selbigen, dass Einer zuletzt gar Nichts behält.
Es war Einer zu Wittenberg, mit Namen Severus, gewesener Lehrer der Söhne des römischen Königs Ferdinand, der bei Dr. Luther zu Tisch gegangen. Dieser hatte über Dr. Luthers Tische gesagt: es sei zu Linz ein Hund daran gewöhnt gewesen, Fleisch aus den Fleischbänken zu holen in einem Korbe. Wenn aber andere Hunde an ihm gekommen, und ihm das Fleisch haben nehmen wollen, so habe er den Korb niedergesetzt, und sich weidlich mit ihnen durchgebissen. Wenn sie ihn dann überwältigt hätten, so sei er zuerst mit dem Maul in den Korb gefallen, und habe ein Stück Fleisch erwischt, auf dass er auch Etwas davon überkäme. Da sprach Dr. Luther: Eben das tut jetzt unser Kaiser Karl auch. Nachdem er lange die geistlichen Güter verteidigt hat, und nun sieht, dass ein jeglicher Fürst die Klöster und Stifte an sich reißt, so nimmt er jetzt auch die Bistümer ein, wie er dem neulich das Bistum Utrecht und Lüttich an sich gerissen hat, auf dass er auch partem de tunica Christi überkomme.
96. Geiz zerrüttet und verwüstet Land und Leute.
Anno 38, am 2. Oktober, beklagte Dr. Martin Luther die jämmerliche Verwüstung der Polizeien und Regimente durch den teuflischen Geiz, welcher alle weltliche Gerechtigkeit, Ordnung und Händel regiere. Ein Jeglicher denkt und sieht nur darauf, dass er nur viel Geldes sammle und zusammen scharre. Getreide, und was zur Leibes Notdurft gehört, das achten die Geizhälse nicht so gar sehr, als Geld, das sie doch nicht können fressen. Der Welt ist Aues ums Geld zu tun, als hinge Leib und Seel daran: Gott und der Nächste wird verachtet, und dem Mammon gedient.
Lieber, seht an unsere Zeit, wie der Adel, Bürger und Bauern so geizen und die Religion mit Füßen treten, verjagen fromme, treue Prediger durch Hunger und Kummer, wollen unserm Herrn Gott sein Haus nicht bauen, deswegen wird ihnen ihr Haus wieder zerfallen. Wie die Propheten, Haggai und Malachias gräulich genug drohten den Verächtern, die Nichts gaben, Gottesdienst zu erhalten; darum würde ihnen Gott wiederum auch Nichts geben, sondern sie mit Hunger und Krieg verderben und umbringen. Besiehe daselbst, was die Propheten darüber sagen! Eben also geht's auch jetzt in unserer Zeit. Es werden gräuliche Zeiten kommen, viel größere Strafen als über Sodom und Gomorra.
97. Von einem geizigen Bauern.
Anno 38 ward Dr. Luther als eine Neuigkeit Folgendes geschrieben: Ein Bauer habe sein Getreide in eine Stadt geführt zu verkaufen. Da er's zu teuer geben und es Niemand kaufen wollte, soll er gesagt haben: ich will's nicht wohlfeiler geben, eher will ich's wieder heimführen und die Mäuse fressen lassen. Da er nun heimgekommen, sei ein großer Haufe Mäuse ins Haus allenthalben gedrungen, die das Getreide alles aufgefressen haben. Danach, da er hinaus zur Saat floh, fand er, dass sie von Mäusen abgefressen war; aber andern Bauern war Nichts widerfahren. Da sagte Dr. Luther: Ist's wahr, so ist's gewiss Gottes Rache und Strafe, und leider, der undankbaren Welt ein Zeichen des Zorns.
98. Dr. Martin Luthers Ermahnung und Warnung vor dem Geiz.
Anno 39, war Dr. Martin Luther sehr zornig und heftig wider den Geiz der Bauern, die das Getreide hinschütten und liegen lassen, bis es teuer werde. Gottlob! sprach er, es haben sich drei Bauern bereits gehenkt. Solche Gesellen, so das ganze Land berauben und schinden, sind solcher Strafe wert. Denn diese Teuerung ist eine mutwillige Teuerung. Gott hat genug gegeben, es wächst auch noch alle Tage, allein der Teufel hat die Leute besessen, dass sie mutwillig Teuerung machen, und so Mörder und Diebe an ihren Nächsten werden. Christus wird an jenem Tage sagen: Ich war hungrig, und ihr habt mich nicht gespeist, Matth. 25, 42, Denke du nur nicht, dass du der Strafe entgehen werdest, weil du das Getreide so teuer verkaufst, denn du bist an des Armen Tod und Verschmachten Schuld: der Teufel wird dich wegführen. Welche nun Gott fürchten und vertrauen, die bitten ums tägliche Brot und wider diese Räuber, auf dass sie zu Schanden werden, oder sich bessern.
99. Dass Fürsten und Herren geizig werden, und allen Handel und alle Nahrung an sich reißen.
Es soll an etlichen Orten im Papsttum der Gebrauch gewesen sein, an der heiligen drei Könige Abend über die Türen die ersten Buchstaben von den heiligen drei Königen, nämlich C. M. B., welche ihre Namen bedeuten, als Caspar, Melchior und Balthasar, und über diese drei Buchstaben, C. M. B. ein Kreuz zu malen. Solches sollte nun bedeuten, dass der Teufel an denselben Orten keine Macht noch Gewalt habe. Wie nun Solches an einem Orte ein fremder Mann gesehen, und nicht gewusst, was doch das Kreuz und die drei Buchstaben bedeuteten, hat er Einen darum gefragt; derselbige antwortete ihm und sprach: Die drei Buchstaben begreifen in sich die Tugend der Fürsten, Grafen und Edelleute, denn die selbigen wollen jetzt Cretzmar20) und Bierschenken, Müller und Bräuer sein, und reißen an sich alle Händel und bürgerliche Nahrung. Da nun der Andere ferner fragte, was das Kreuz darüber geschrieben bedeutet, antwortete er: Es bedeutet, dass man sich vor ihnen hüten soll. Dieses muss ein rechter Schalk gewesen sein, der die Buchstaben also gedeutet hat.
100. Von Geizhalsen, die mutwillige Teuerung machen.
Anno 39, den 7. April, gab Dr. Martin Luther eine schriftliche, ernstliche Ermahnung D. Creuzigern21) an den Rat, darin er bat, sie sollen doch dafür sorgen, dass das arme Volk nicht Hungers stürbe. Es war nämlich dieselben Tage ein solcher Mangel, dass man weder Semmel nach Brot konnte ums Geld bekommen. Er gab also heimlich und überquer dem Rat einen Filz um der Nachlässigkeit willen. Auf den Abend kam Einer von den Bürgermeistern, Lukas Cranach, zu ihm, und entschuldigte den Rat, das Getreide wäre ihnen in der Mark aufgehalten worden durch einen Arrest und Kummer. Da sprach Dr. Martin Luther: Ach, dass unser Fürst nicht im Lande ist! Die vom Adel treiben großen Mutwillen und Untreue, sie kaufen von Bauern alles Getreide, und legen's hin, hemmen also das Landkorn, machen eine mutwillige Teuerung, da doch noch keine Gottes Strafe da ist. Da gehört ein Fürst dazu, der mit solchen Junkern rede.
101. Von der Regenten Geiz und gottlosem Wesen.
Das Buch der Sprichwörter Salomos ist ein schön Buch, und alle Regenten sollten's fleißig lesen, denn darin sieht man, wie es in der Welt zugeht: da steht nichts Anders darin, als: fürchte Gott und bete! So gehen unsere Regenten dahin, haben eine Weile zu tun mit der Mathematik und mit dem Rechnen, denken, das trägt mir so viel und viel, und wollen dann unsern Herrn Gott gefangen nehmen. Da spricht er: Ei, liebe Herren, nehmt mich doch nicht gefangen! Nein, nein, sagen sie. Nun in drei Jahren, wenn du meinest, die Rechnung deines Einkommens sei gewiss, so lässt dich unser Herr Gott in den Hintern sehen, dann ist es mit deinen Anschlägen und deinem Rechnen Nichts. Denn der Segen des Herrn macht reich. Sprichw. 10, 22.
Also ist es mit dem Bergwerk auch, das ist eitel Gottes Segen, da wollen sie unsern Herrn Gott und seine Gnade und Gabe schlechtweg gefangen nehmen, und wollen's fassen nach ihrem Kopf, aber er lässt sich nicht fangen. Darum ist auch kein Segen Gottes dabei, wie die heilige Schrift dies überall sagt.
Man fange Etwas an, es sei so geringe als es immer wolle, so soll man unsern Herrn Gott darum anrufen und beten, wenn er uns gleich nur ein Stück Brot gebe, und gesunden Leib dazu. Freilich muss er uns zuweilen stäuben. Aber wir wollen ihm die Augen zubinden, dass er's nicht sehen soll, und wir wollen's wohl selbst machen. So machen wir's denn auch, und erfahren's zu unserm großen Schaden. Also geht's jetzt Fürsten und Herren, denn die können nicht sagen, wie David im Psalm spricht: Der du den Königen Heil gibst, und der du mein Volk mir unterwirfst. Ps. 144, 2, 10.
102. Von des Adels Geiz.
Der Adel hat eine feine ehrliche Nahrung, desgleichen auch der Bauersmann, denn der Ackerbau ist eine göttliche Nahrung, und die lieben Patriarchen haben diese Nahrung auch gehabt, denn diese Nahrung kommt stracks vom Himmel herab. Aber, was tut der Adel? Sie scharren und kraken, wuchern, und wollen ihre Kinder zu Fürsten und Herren machen. Es geizt Mancher darum so sehr, weil er gern wollte seinen Kindern zehn tausend Gulden jährliches Einkommen zuwege bringen. Danach geraten die Kinder übel, und unser Herr Gott bläst in das übel gewonnene Gut, dass es Alles zerstäupt. Ach! dass man mit Stehlen will reich werden, es tut's doch nicht. Der Segen des Herrn macht reich, sagt Salomo in seinen Sprichwörtern, C. 10, 22. Das ist ja ein weiser Mann gewesen. Und ich bin alt geworden, und habe auch was erfahren, ob ich wohl keine große Erfahrung habe, denn ich bin vierzehn Jahre lang ein Mönch gewesen. Aber in den zwanzig Jahren, seit ich die Welt gesehen habe, da hab ich so viel jämmerliche Fälle gesehen, dass es gar überaus ist. Ihr werdet es auch noch sehen, es wird also unsern Bürgern hier auch noch gehen, sie werden ihr erwuchert und ergeizt Gut auf den dritten Erben nicht bringen.
Der alte Markgraf Joachim, Kurfürst zu Brandenburg, hatte einmal zu Herzog Friedrich zu Sachsen gesagt: Wie mögt Ihr Fürsten zu Sachsen also schwere Münze schlagen? Wir haben allein in unserm Regiment bei drei Tonnen Goldes daran gewonnen. Seht, das ist etwa in vierzig Jahren geschehen. Das Land stand ihm offen, er konnte die gute Münze hinausbringen, und im Tiegel verschmelzen, und Märkische Groschen daraus schlagen lassen, und brachte diese seine Münze wieder ins Kurfürstentum. Aber wo kommt nun dasselbige Gut hin? Es ist ein jämmerlich Ding, dass die Leute also blind sind, und Solches nicht sehen, quod quando peccant, tum sibi ipsis ruinam parant22). Wie denn die heilige Schrift im 73. Psalm V. 18. redet: Aber du setzt sie aufs Schlüpfrige und stürzt sie zu Boden. Es ist ein schwer Wort: Sie werden in die Höhe gehoben, um desto tiefer herabzustürzen. Jetzt haben die Junker vom Adel einen neuen Fund erdacht, und sagen: Mag ich nicht tun mit dem, das mein ist, was ich will? Das haben sie aus dem Evangelio gelernt, nicht wahr? Ja, das Messer ist mein, darum mag ich's auch in den Hals stechen? Es ist wahr, sie sind Herrn ihrer Güter, aber Fremder? Wenn ich Einem fünf Gulden gebe für zehn, was ist das? Sind das nicht Diebe und Räuber?
Es wurden Zwei bei Dr. Martin Luther angegeben, welche Teuerung machten mit dem Korn, als Friedrich B. Tylo D. und er ward gefragt: ob dieselben auch Macht hätten, das Landkorn auf den gemeinen Markt kommen zu lassen? Da antwortete Dr. Luther: Es ist nur Menschen Bosheit, was wollte werden, wenn Gottes Strafe kommen würde! Ach lieber Herr Gott! ist die Welt so böse, so will ich gerne sterben, auch Hungers, dass ich nur wegkomme. Danach sprach er zum Bürgermeister: Der Landvogt ist auch schuldig, der etliches Getreide hat auf Schiffen wegfuhren lassen. Wie er einmal sagte: Würden die Bürger nicht gut Bier machen, und es wohlfeil geben, so wolle er die Gersten teuer machen, ehe sie das Maul wischten. Diese seine Rede macht, dass ich ihn für verdächtig halte. Gott hat uns in diesem sandigen Lande wunderbar gesegnet, mehr denn den Thüringischen Boden, der doch ein kornreich Land ist.
Auf den 14. Mai schickte Friedrich V. zu Dr. Martin Luther, und entschuldigte sich des Verdachts halber, als sollte er das Getreide aufschütten, und in der Gesellschaft des Umschlages sein, und zeigte an, dass ihn Dr. Luthers Schreiben sehr bewegt hätte, und bat ihn, er möchte Solches nicht von ihm glauben. Darauf antwortete Dr. Luther und sprach: Ich habe ihn ermahnt und gewarnt, aber conscientia mille testes adest23), das Gewissen ist da, das wird ihn wohl überzeugen, sagt ihm: das tue, so wirst du leben. Ist er fromm, so hat's keine Not.
103. Geiz nimmt Gottes Segen weg.
Es ward etlicher großer Herren über Dr. Luthers Tische gedacht, die mit Geizen, Schatzen und Kraken, Schinden und. Schaben ihre Untertanen bis im höchsten Grade schindeten, und verloren Gottes Segen. Da sprach Dr. Martin Luther: Sie mähen an allen Enden ganz rein ab, wie H. G. und G. A. im Bergwerk tun, das sie doch nicht allein zu erbauen vermögen. Es ist ein gräulich Ding um den Geiz. Wenn er aber aufs Äußerste und Höchste kommt, so grämt man sich zu Tode; wie von H. G. gesagt wird. Derselbige, ober wohl eine große Kammer voll Silberkuchen und Joachimstaler hatte, soll doch zum Rentmeister gesagt haben: Komm nächstens wieder! Was wir hierein nicht bringen können, dazu wollen wir wohl einen andern Ort finden.
Gott hat durch Mosen nicht unbillig befohlen und geboten, dass man den Weinstock und die Ernte nicht so rein soll ablesen, sondern den Armen auch Etwas lassen. Aber der Geiz ist nicht zu ersättigen, je mehr er hat, desto mehr will er haben, lässt nicht ab, zu sammeln und zu scharren. Solche Geizwänste hindern sich selbst und Andern den Segen Gottes.
104. Vom Geiz der Thüringischen Bauern.
Das Land zu Thüringen, sprach Dr. Martin Luther, hatte vor Zeiten gar einen fruchtbaren Boden, war ein sehr kornreich Land, sonderlich um Erfurt. Aber nun ist es unterworfen dem Unsegen; es ist jetzt teurer dort, als hier zu Wittenberg. Das habe ich vor einem Jahre, Anno 1537, als ich zu Schmalkalden war, gesehen und bedacht, denn sie hatten klein und schwarz Brot. Ach! Niemand sieht darauf, und achtet des Regiments und gemeinen Nutzens; man sammelt nur Geld, und so verlieren sie Gottes Segen. Sie haben solchen Weinwachs, dass man die Kanne könnte geben um drei Pfennige. Wenn sie nur den halben Weinwachs hätten, wären sie die Reichsten. Wenn aber der Wein wohl gerät, können sie es nicht bestreiten, geben den Wein um Fässer und Holz.
105. Christen sollen nicht geizig sein.
Da man klagte über den großen Geiz der Leute auch zur Zeit des Evangeliums, dass man Niemand in Nöten helfen wolle, sprach Dr. Martin Luther: Wohlan, lass es gleich sein, dass unser Herz nicht geneigt ist zum Geben, doch soll ein Christ seines Standes und Amts und der Liebe eingedenk sein, dass er milde sei, und gerne mitteile und gebe den Armen, die es notdürftig sind: er tue es mit fröhlichem Herzen um Gottes Willen, der es reichlich vergelten will, wie er verheißen hat, Luk. 6, 38: Gebt, so wird euch wieder gegeben; wie Salomon sagt, Sprichw. 19, 17: Wer dem Armen gibt, der leiht Gott auf Wucher. Wiederum aber gibt es Straußgütlein, die Alles verschwenden und verschütten; wie der weise Heide Seneca zu einem Verzehrer sagte: Du hast eine Seuche und Krankheit, die heißt: Gaudens dando, hast Lust und Freude Alles dahin zu geben. Solch Vergeuden ist auch nicht zu loben, dabei man Nichts zu Rate zieht, und ohne Unterschied und Not Alles dahin gibt.
106. Vom Geiz der Leute, sonderlich da, wo das Evangelium gelehrt wird.
Wir erfahren jetzt, sprach Dr. Luther, dass da, wo die Leute rechtschaffen über Gott und die Gottesdienste und über gute Werke gelehrt werden, ein gräulicher Geiz die Herzen schier Aller und des größten Teils besessen hat. Niemand erzeigt sich mit Mildigkeit gegen den Armen, wie er billig sollte; man erdenkt mancherlei Wege und Weise, alle Dinge und Waren zu steigern und aufs Teuerste zu geben, auch bei den allergeringsten Dingen. Was man aber auf Kirchendiener und Schulen wendet, wie denn Solches gar gering ist, das achtet man groß und hoch. Darum ist's nicht allein eine große Schande, sondern auch eine große Sünde jetzt zur Zeit, dass man sieht, dass durch der Leute Geiz viel Pfarreien entweder ganz wüst, oder jämmerlich versäumt und verlassen werden.
Aber siehe die vorige Zeit an, da keine rechte Religion war, und die Leute auf Abgötterei und Götzendienste, und zum Vertrauen auf eigene, selbsterwählte Werke geführt worden: da war des Gebens weder Maß noch Ende, da schneite es zu mit aller Macht. Da war Jedermann willig zu geben, alle Klöster voll Mönche, alle Stifte voll Messpfaffen nährte man, und gab ihnen genug, ja, Alles überflüssig. Kirchen wurden mit Silber und Gold aufs Allerschönste und Reichlichste geschmückt und geziert, ja, überschüttet. Darum ist diese Blindheit der Welt billig zu beklagen.
107. Niemand lässt sich genügen.
Wir sind der Art, sprach Dr. Luther, wenn wir einen Pfennig haben, so wollten wir gerne einen Gulden haben, und wenn wir einen Gulden haben, hätten wir gerne hundert rc.; wenn ich eine Kandel Bier habe, wollte ich gern das Fass mit dem Bier gar haben. Also tun die Bauern, sie wollten gerne Bürger sein, Bürger Edelleute, Edelleute Fürsten rc. Das heißt, sich nicht genügen lassen in leiblichen Sachen, das geschieht aber noch viel weniger in geistlichen.
108. Geiz verdorben und hindert Gottes Segen.
Da Dr. Martin Luther in seinem Garten war, sprach er: Das Korn wird hinfort nimmer so wohlfeil werden, denn unsere Sünden reizen Gottes Zorn, und verdienen Strafe. Auch ist der leidige Wucher und Geiz zu groß.
109. Geiz.
Alte Weine werden zähe und verschlagen sich, denn dreijährige Weine sind nicht mehr so kräftig. Darum mögen die gottlosen Schätzesammler immer hinfahren, und ein gut Jahr haben, die sie so lange behalten, bis dass sie garstig werden; denn sie verhindern Gottes Segen, und den Menschen ihr Labsal. Wie der Bischof zu Würzburg, der einen Weinkeller hat lassen in einen Fels hauen, wollte etliche hundert Fass darinnen erhalten ohne Fass, aber sein geiziger Anschlag hat ihm fehl geschlagen.
110. Von denen, die an der Welt Reichtum hängen.
Ein Mensch, der sich dem Reichtum und der Ehre der Welt ergeben hat, und darüber vergiftet seine Seele und Gott, der ist gleich einem kleinen Kindlein, das in der Hand einen Apfel hat, der schön von Gestalt und äußerlicher Farbe ist, und meint, es habe etwas Gutes, inwendig aber ist er faul und voller Würmer.
111, Tischreden Dr. Martin Luthers vom Handel und Wucher.
Ein bürgerlicher und rechtmäßiger Handel wird von Gott gesegnet, dass Einer von zwanzig Pfennigen Einen hat, aber ein gottloser und unleidlicher Gewinn im Handel wird verflucht. Wie N. N., Buchdrucker, der aus seinen Büchern, die ich ihm zu drucken gab, ein groß Geld gewonnen hat, dass ein Pfennig zwei erworben. Es hat im Anfang mächtig Viel getragen, also, dass Hans Grünenberger, der Drucker, mit Gewissen sagte: Herr Doktor, es trägt allzu viel, ich mag nicht solche Exemplare haben. Der war ein gottesfürchtiger Mann, darum ward er auch von Gott gesegnet.
Ein billiger Gewinn ist, dass man von zwanzig Pfennigen Einen habe, von hundert Gulden einen Gulden; aber der verfluchte Geiz schreitet ganz über die Schnur und das Maß. Jetzt will man für einen Pfennig zwei haben, ein Pfennig muss ihrer Zwei, hundert Gulden müssen zweihundert dazu gewinnen. Darum ist auch kein Segen Gottes dabei. Wie unsern Buchführern geschieht, die Alles auf den höchsten Gewinn treiben, und aufs Teuerste geben, darum werden sie auch nicht reich, und wenn sie gleich reich werden, so gedeihet es nicht; entweder sie oder ihre Kinder und Erben verarmen und werden darüber zu Bettlern, und kriegen einen bösen Namen zu den Exemplaren.
Die Römer haben verboten, zwölf vom Hundert zu nehmen, jetzt aber dürfen die Leute auf allen Leipziger Märkten vom Hundert fünfzehn Gulden nehmen, das tut jährlich acht und vierzig Gulden, ist eben der fünf und zwanzigste Teil. Pfui! Wenn Sünde nicht mehr für Sünde gehalten wird, da ist weder Rat noch Hilfe; aber ich hoffe, Gott wird mit dem jüngsten Lage kommen, sobald das Wort des Evangelii aufhören wird.
112. Rechtmäßiger Gewinn.
Anno, 42, auf den 14. Juli, kam Herr Jakob Propositus, Pfarrherr zu Bremen, gen Wittenberg, der einst D. M. Luthers Gesell und Bruder im Kloster gewesen war, ein alter, frommer, aufrichtiger, gelehrter und gottesfürchtiger Mann, auf dass er seinen Vater, D. Luther, noch einmal sähe. Da redeten sie miteinander, und ernstlich ward des Wuchers gedacht, darin Flandern und das Niederland ersoffen wären. Darauf sprach Dr. Martin Luther: Es ist schier die ganze Welt im Wucher ersoffen und von demselben überschwemmt, da man ohne alle Furcht und Scheu raubt, schindet und stiehlt, so viel in Jeglicher nur kann. Darum sollen auch, die es erfunden haben und treiben, gestraft und verdammt werden. Dass man fünf oder sechs vom Hundert nähme, das wären wir wohl zufrieden, wenn nur ein Unterpfand da ist, das es ertragen kann. Und wenn solcher Prozess gehalten würde, dass der die Hauptsumme nicht hätte wieder zu fordern, der es ausgeliehen hat, sondern der es geborgt hat, dass also die Wiederlösung stünde bei dem Verkäufer, und nicht bei dem Käufer, so ließen wir's geschehen, dass man auch wohl sechs vom Hundert nähme; denn die Güter sind gestiegen, dass mans wohl darauf brauchen kann. Der Käufer aber, der das Geld ausgeliehen hat, soll auch mit für die Gefahr einstehen, wenn das Haus abbrennen, oder der Acker abgewaschen würde, oder verfiele, oder sonst einen merklichen Schaden nähme, dass es den Zins nicht könnte ertragen noch geben. Und solche Gefahr des Unterpfands macht, dass dieser Kontrakt recht ist, nicht der Wiederkauf oder die Wiederlösung. O wie selig wären wir, wenn wir das Volk dahin bereden könnten! Aber der teuflische Wucher und Umschlag frisst Alles in sich, so gibt der Kaiser in seinem Vaterlande zwölf von einem Hundert. Pfui!
Dr. Martin Luther ward von einem frommen, gottesfürchtigen Manne, der Einem hundert Gulden geliehen hatte, welcher ihn dagegen, aus Glimpf und guten Willen, einen Keller gebrauchen ließ, gefragt: ob er es auch mit gutem Gewissen tun könne? Da sprach der Doktor: es muss ein frommer Mann sein, der sich darüber will ein Gewissen machen; warum er nicht einen Dienst um den Andern nehmen wollte?
113. Von Wucherern.
Öffentliche Wucherer soll man in Bann tun, wie ich dem Edelmann N. jetzt getan habe, das ist, man soll ihnen nicht das Sakrament reichen. Da aber Einer sagte: Wie, wem er Buße täte und sich besserte? Darauf antwortete Dr. Luther, das hat sein Maß, er muss aber ein Zachäus werden, und, was er zu viel geraubt hat, wiedergeben, denen er's abgeschunden hat, oder er büßt nicht recht. Nach beschriebenen Rechten kann er es auch nicht mit Recht und gutem Gewissen behalten, geschweige denn noch göttlichen Rechten. Und, wer mit ihm ist und trinkt, der macht sich teilhaftig an seinen Sünden.
114. Frage.
Einer fragte Dr. Martin Luther: wenn ein Armer Geldes notdürftig wäre, und hätte kein Pfand, ob derselbe auch für seine Geschicklichkeit zu werben Geld aufnehmen dürfe? Da sprach Dr. Luther: derselbe lebe von seiner Armut, und nähre sich mit Gott und Ehren, sündige nicht, noch tue Unrecht, denn das Geld ist rund und vertulich, geht bald dahin. So sollen wir die Geschicklichkeit, zu werben und zu gewinnen, nicht verkaufen, denn es ist ungewiss. Das Volk aber soll man zur Handarbeit anhalten, und die Reichen zu den Werken der Barmherzigkeit ermahnen.
Weltliche und bürgerliche Händel und Nahrung verwerfen wir nicht, die recht und billig sind ohne Geiz und Betrug. Aber wir sehen, dass die Welt nicht ist zu reformieren, ist hoffärtig und stolz, und rühmt sich noch böser Stücke und Übeltaten. Welch ein Wust ist jetzt zu Leipzig! Das ist doch gar im Geiz ersoffen! Kurz, mundus est diaboli, Genitivi casus, et diaboli, Nominativi casus. Die Welt ist des Teufels, und die Leute sind eitel Teufel geworden.
115. Predigt Dr. Martin Luthers wider den Wucher.
Anno 39, den 13. April, hielt Dr. Martin Luther eine sehr harte, scharfe Predigt wider den Geiz der Wucherer, und sprach: sie seien aller Vermaledeiung und des Fluches wert, und die größten Feinde der Länder erwürgen viele Leute mit ihrem schändlichen Geiz und Wucher. Und handelte sehr schön den Spruch Salomos ab: Wer sich des Armen erbarmt, der leiht Gott auf Wucher. Sprichw. 19, 17.
Am 9. Januar 1542 aß zu Nacht mit Dr. Martin Luther M. Ph. M. Da redeten sie Allerlei, wie es in der Welt zuginge, und, wie die Menschen gesinnt wären, und ward auch eines Professors in Wittenberg gedacht, der dem Gute sehr nachtrachtete, der hätte ich auf den Geiz gelegt, und hätte einen guten Verstand fürs Geld und rote Gulden. Da sprach die Doktorin: Hätte mein Herr einen solchen Sinn gehabt, so wäre er sehr reich geworden. Darauf sagte M. Ph.: Das ist unmöglich, denn die, so nach dem gemeinen, Nutzen trachten, die können nicht ihrem Nutzen nachhängen.
117. Ungerechter Handel.
Die Händel und Gewerbe sind unrecht und unbillig, wenn ein Teil die Not, der Andere den Willen hat. Wenn den Einen, dazu sie die Not zwingt, und er es haben muss, so achtet der Andere die Ware nach seinem Gefallen. Also tun die hier zu Wittenberg, die eine Kandel Bier nach ihrem Gefallen verkaufen und geben's um drei Pfennige.
118. Geiz lässt die Leute ihre Güter nicht gebrauchen mit Freuden.
Geiz macht, dass wir die Güter nicht können mit Lust und Freude brauchen. Es sitzt mancher Geizwanst in großem Gut, und kann doch dasselbige mit Lust nicht genießen. Es heißt: der Gottlose soll nicht sehen Gottes Ehre und Herrlichkeit. Ja, er kann die gegenwärtigen Kreaturen Gottes nicht erkennen, noch für Gottes Gaben halten. Denn Gott überschüttet uns zu sehr damit. Das macht's, wenn man ein Ding stets und täglich reichlich hat, so achtet mans gering, wenn es aber seltsam ist, so achtet mans höher.
119. Reichtum macht hoffärtig und geizig.
Wo groß Gut ist, da sind auch allerlei Sünden; denn Gut macht Mut, Mut macht Krieg, und Krieg bringt Armut, Armut macht Demut. Darum werden die Reichen auch müssen große Rechenschaft geben; denn, wem viel befohlen ist, der muss viel berechnen. Reichtum, Verstand, Schönheit, sind feine, schöne Gaben Gottes, aber wir missbrauchen sie sehr übel. Doch ist großer Verstand, und ein geschickter, sinnreicher Kopf auch ein bös Ding, wenn es übel gerät; denn es heißt: Qui velit ingenio cedere, nullus erit24). Niemand will von seinem Sinn und Kopf weichen, er will recht haben. Viel besser ist's, dass Einer unter dem Angesicht ein wenig schön ist, denn es kann eine Krankheit kommen, die kann's ihm nehmen; aber das Ingenium, der Sinn und Kopf, lässt sich nicht sobald ändern. Es steht geschrieben, 1. Mos. 3, 5: Ihr werdet sein wie Gott; ja, ich meine auch, wir sind Götter. Diese Krankheit ist uns angeboren von Adam: Ihr werdet sein wie Gott.
120. Güter sind die geringsten Gaben.
Reichtum ist das geringste Ding auf Erden, und die allerkleinste Gabe, die Gott einem Menschen gegeben hat. Was ist's gegen Gottes Wort? Ja, was ist's noch gegen leibliche Gaben, gegen Schönheit, Gesundheit? Was ist's gegen die Gaben des Gemüts, gegen Verstand, Kunst, Weisheit? Und doch tut man so emsig danach, und lässt sich keine Arbeit noch Mühe und Gefahr verdrücken noch hindern. Man trachtet Tag und Nacht danach, dass man nur viel und groß Gut zuwege bringe, und hat keine Ruhe; er ist die materialis, formalis, efficiens et finalis causa25), und doch ist nichts Guts daran. Darum gibt unser Herr Gott gemeiniglich Reichtum den groben Eseln, denen er sonst Nichts gönnt.
121. Der Käufer eines Dinges soll den Schaden tragen, und für die Gefahr stehen.
Wenn ich meinen Acker Einem versetze, nehme 100 Gulden, und gebe 5 davon, und es kommt nun die Elbe, und wäscht es Alles hinweg, so soll der Käufer den Schaden tragen, nicht ich. Es ist gerade so, wie wenn ich Einem ein Pferd verkaufe, und es ihm überantworte, so ist der Schade des Käufers, nicht mein, des Verkäufers, wenn es bald des andern Tages hernach stirbt. Die Gefahr der Ware und des Guts ist des, der es kauft, der muss es bewahren. Res enim transit cum periculo, qui emit, is eam curet26). Denn der Verkäufer hat das Gut nicht mehr inne, noch in seiner Gewalt, sondern der es von mir um hundert Gulden gekauft hat, dem gebe ich jährlich davon fünfe zu Zinse wiederkäuflich, darum soll er auch den Schaden tragen.
122. Sätze und Schlussreden vom Wucher, zu Wittenberg disputiert.
Dr. Martin Luther wurden gebracht Sätze und Schlussreden vom Wucher, über die Ulrich Mordeisen von Leipzig disputieren sollte, da er wollte Doktor werden unter dem Vorsitz des Doktor, Hieronymus Schurff. Da sprach Dr. Luther: Wenn ich wollte disputieren, so würde ich das Argument brauchen, nämlich: Alles, was Gott erlaubt und nachgelassen hat, das ist gut; Gott aber hat Wucher nachgelassen; Ergo, darum rc. Da sagte Einer: Wucher ist wider die Natur und das natürliche Recht, warum hat ihn denn Gott nachgelassen und erlaubt? Darauf antwortete Dr. Luther: Andern, als den Heiden, zur Strafe, denn sie, die Juden, nehmen keinen Wucher Einer vom Andern. Ps. 109, 11. Und sprach weiter: Die Sätze sind sehr gut und genau gestellt, ich sehe wohl, dass er mich mit einem Wort darin ansticht; sie gefallen mir wohl, wenn die Juristen nur auch darüber hielten, es will aber Keiner das Maul auftun.
Ich habe D. Hieronymus oft gebeten, er solle ein Buch wider den Wucher schreiben, er ist's auch Willens gewesen; wo bleibt's aber? Wenn sie nur die Fürsten und Herren auch also unterrichteten, wie sie davon schreiben und lehren in der Schule, und zu ihnen sagten: Gnädigster Herr, Ihr steht in dem üblen Ruf, darum stelle es E. F. G. ab, oder ich will Euch meinen Dienst aufsagen. Aber das ist nicht de pane lucrando, es gibt Nichts in die Küche. Da sprach Einer: Es hat ein Jeglicher sein Gebrechen und Sünde, wenn man das tun sollte, so müsste man ihm auch oft andere Vitia, Mängel und Laster anzeigen. Da antwortete Dr. Luther: Ei, das ist ein lahmes Argument und gar ungleich, denn Ehebruch ist nicht in meiner Hand noch Gewalt, und ich habe Nichts, es wieder zu ersehen und zu restituieren, aber mit Geld und Gut ist es ein anderes Ding, denn dasselbige habe ich ja im Kasten.
123. Von Einem, der Geld auf Wucher zu leihen beredt wurde.
Ein großer, reicher Fürst und Herr, da er schon sterben sollte, und ihm die Seele bereits auf der Zunge saß, ward von seinen Freunden und Räten beredt, ein Testament zu machen, dass man 100.000 Gulden, die er beieinander hatte, zu Leipzig sollte in Handel legen. Ei, eine schöne Buße ist das! sprach Dr. Luther. Wenn man Etliche also hinsterben ließe ohne Sakrament und Trost, so würden sich die Andern daran stoßen. Also ist es jetzt, leider, dahin gekommen, dass man sagt: O! gute Werke, meine Frömmigkeit macht mich nicht selig, darum will ich geizen, wuchern, und tun, was mir gefällt und wohltut rc., und wenn ich sterben soll, so will ich mir eine Absolution sprechen lassen. Ja, lieber Gesell, S. Augustinus spricht: Gott hat dir wohl zugesagt, dass er dir will barmherzig sein, aber weißt du auch gewiss, dass er dir alsdann will barmherzig sein, wenn du aus Mutwillen seine Barmherzigkeit nicht gewollt hast in deinen frischen, jungen und gesunden Tagen? O! wie gern wollte ich jetzt predigen, wenn ich stark wäre!
Da sagte Einer: Es wäre ja allzu hart und unfreundlich, wenn Einer nicht sollte Macht noch Fug und Recht haben, die Hauptsumme, so er ausgeliehen hat, wieder zu fordern nach seiner Gelegenheit. Desgleichen, wenn das Unterpfand umkäme durch Wasser, Feuer rc., dass der Schaden sollte des Käufers sein, nicht des Verkäufers? Antwort: Ei, damit hat man den Wucher beschönigt und bemäntelt, das Geld auf Zinsen zu legen. Hast du Geld, und ein frommer, armer Mann kommt zu dir, und bittet dich darum, so leihe und hilf ihm nach deinem Vermögen! Das steht einem Christen zu. Darauf sagte Einer: Ja, man gibt Einem Nichts wieder? Antwort: Das muss man gewarten. Darum muss ein Christ die drei Stücke haben: er muss 1) geben, 2) leihen, und 3) leiden, aber der Keines, oder je sehr Wenig will man in der Welt mehr tun.
124. Frage.
Da legte Dr. Luther Dr. Henning diese Frage vor und sprach: Wenn ich etliche Stück Gold oder sonst einen Schatz beieinander. hätte, den ich nicht wollte ausgeben, und Einer käme zu mir, und bäte mich, ich sollte ihm leihen, könnte ich's ihm auch mit gutem Gewissen versagen, und sprechen: Ich habe kein Geld? Antwortete: Dr. Martin Luther: Ja, es kann wohl mit gutem Gewissen geschehen. Als wollte er sagen. Ich habe kein Geld, das ich ausgebe. Zwar Johannes sagt, 1. Epist. 3, 17: Wenn Jemand dieser Welt Güter hat, und sieht seinen Bruder darben, und schleußt sein Herz vor ihm zu, wie bleibt die Liebe Gottes in ihm? Und Christus, Luk. 6, 30: Wer dich bittet dem gib, das ist, wer es bedarf und notdürftig ist. Er spricht nicht, gib einem jeglichen Müßiggänger, Faulen und Verschwender! Diese sind gemeiniglich die größten Bettler, und, ob ihnen gleich Einer viel gäbe, ist ihnen doch damit Nichts geholfen.
In dieser Stadt ist Keiner notdürftiger, denn die Studenten. Armut zwar ist in der Stadt groß, aber Faulheit noch viel größer; kann man doch schier keinen armen Menschen mit Geld zur Arbeit bringen, und wollen gleichwohl Alle betteln. Es ist kein Regiment, N. N. ist nicht zu helfen. Wenn ich's gleich vermöchte, so wollte ich es nicht tun, denn, je mehr man ihnen hilft, desto weiter kommen sie hinein. Ich will's meinem Weibe und Kindern nicht vom Maule wegschneiden, und denen geben, denen es nicht hilft. Wer aber recht arm und notdürftig ist, dem will ich von Herzen gerne helfen, und mitteilen nach meinem Vermögen.
Niemand soll so steif und abergläubisch diesen Spruch verstehen, Wer zwei Röcke hat rc. Luk. 3, 11. Denn die Heilige Schrift heißt einen Rock alle Kleider, die man bedarf nach seinem Stande zu Ehren und zur Notdurft; wie auch täglich Brot heißt alle Leibes Nahrung. Darum heißt ein Rock hier alle Kleider. Der Teufel wollte mit solchem Aberglauben gerne neue Mönche aus uns machen, und den Gottlosen und Müßiggängern, und faulen Streichern Ursache geben zu prangen und zu schlemmen mit anderer Leute Güter, Arbeit und Schweiß. Es wollte früher Alles an mir reich werden, des Bettelns war kein Ende.
125. Leihen.
Leihst du, so kriegst du es nicht wieder. Gibt man dir's wieder, so geschieht es doch nicht so bald, und nicht so wohl und gut. Geschieht's aber, so verlierst du einen guten Freund.
126. Vom Spiel.
Karten- und Würfelspiel ist jetzt am Allgemeinsten, denn diese Welt hat viel und mancherlei Spiele erfunden, sie hat sich, wahrlich, wohl gelöst. Da ich ein Knabe war, waren alle Spiele verboten, also, dass man die Kartenmacher, Pfeifer und Spielleute nicht ließ zum Sakrament gehen, und mussten vom Spielen, Tanzen und andern Spektakeln und Schauspielen, wenn sie es geübt, oder zugesehen hatten und dabei gewesen waren, beichten. Jetzt geht es im hohen Schwang, und man verteidigt es als Übung des Verstandes rc.
Ach, sprach Dr. Luther, die Welt ist voll Wucherer! Ich wäre noch wohl zufrieden, wenn man vom Hundert fünfe, sechs oder auch wohl sieben nähme, weil die Güter gestiegen sind, mit einem Unterpfand; doch also, dass es solchen Zins ertragen könne, und dass der Käufer nicht Macht habe, die Hauptsumme wieder zu fordern. Wenn aber kein Unterpfand eingesetzt, sondern schlechtweg nur Geld auf Zinsen geliehen wird, und man die Hauptsumme auf eine gewisse Zeit zu fordern hat, da ist's nicht Recht. Denn Geld ist eine unfruchtbare Ware, trägt und heckt nicht wieder Geld, wenn man‘s gleich säet, wie Getreide; das kann ich nicht verkaufen durch meine Geschicklichkeit. Darum sind die jetzigen Händel mit dem Gelde unrecht und wider Gott, die Land und Leute verderben und aussaugen.
Da sagte Einer: Warum strafen denn Fürsten und Herren nicht solche unrechtmäßige und unchristliche Händel und Wucher? Antwortete Dr. Luther: Was! Könige, Fürsten und Herren haben mit andern Dingen zu schaffen, müssen bankettieren, prangen, jagen rc., können daher nicht sorgen. Darum geht's und steht's auch so lang es kann, es muss brechen, und eine große, unvorhergesehene Änderung folgen. Ich hoffe aber, der jüngste Tag wird bald ein Ende machen.
127. Vom Saufen.
Ich habe neulich, sprach Dr. Luther, zu Hofe eine harte, scharfe Predigt gehalten wider das Saufen; aber es hilft nicht. Taubenheim und Minkwitz sagen: es könne bei Hofe nicht anders sein, denn Musik und alles Ritter- und Saitenspiel sei verschwunden, allein noch mit Saufen lege man jetzt Ehre an den Höfen ein. Zwar unser gnädigster Herr und Kurfürst ist ein großer, starker Herr, kann wohl einen guten Trunk ausstehen, seine Notdurft macht einen Andern neben ihm trunken; wenn er ein Buhler wäre, so würde es sein Fräulein nicht gut haben. Aber, wenn ich wieder zu dem Fürsten komme, so will ich Nichts mehr tun, als bitten, er möge doch überall seinen Untertanen und Hofleuten bei ernster Strafe gebieten, dass sie sich ja wohl vollsaufen sollen. Vielleicht, wenn es geboten würde, möchten sie das Gegenteil tun; quia nitimur in vetitum, was verboten ist, dawider tut man gerne.
128. Die Welt will immer Neues, wird eines Dinges bald satt und müde.
Dr. Luther redete von der wunderlichen Zeit, und der großen Undankbarkeit der Menschen, die so große Wohltaten Gottes verachten, ihrer bald müde und überdrüssig werden, und immer etwas Neues haben wollen. Ehe das Neue Testament verdeutscht ward, da wollte es Jedermann gern haben und lesen: da es nun verdeutscht ward, währte es nur vier Wochen. Danach begehrte man die Bücher Mosis: da die selbigen auch verdolmetscht waren, währte es auch vier Wochen. Nach denselben wollte man den Psalter haben: da nun derselbige verdeutscht war, wollte man andere Bücher mehr haben.
Also wird es auch dem Jesus Sirach gehen, mit dem wir doch so viel Arbeit gehabt haben. Es währt Alles nur vier Wochen, bis man den Fürwitz gebüßt hat; danach lässt mans liegen, und sucht Neues. Also müssen endlich Irrtümer einfallen, und ins Volk kommen. Jesus Sirach gehört in das Hausregiment, und ins Hausrecht: der Prediger Salomonis ins weltliche Regiment, und ist Stadtrecht.