Krummacher, Friedrich Wilhelm - XIX. Eine Nachlese.
Ein beneidenswerthes Zeugniß war es, mit dem der Herr seine Jünger beglückte, als er nach Joh. 15, 19 zu ihnen sprach: „Ihr seid nicht von der Welt, sondern ich habe euch von der Welt erwählet!“ Selig, wem es zusteht, dieses Wort mit Zuversicht auf sich zu beziehen! Es wird Mancher also denken, und nach den untrüglichen Merkmalen der göttlichen Kindschaft fragen. Nach diesen hat ein Jeder in seinem Innern sich umzusehn. „Der Geist“, sagt der Apostel, „gibt unserm Geiste Zeugniß, daß wir Gottes Kinder sind.“ Dieses Geistes-Zeugniß aber hat an der vorwaltenden sittlichen Richtung des inwendigen Menschen den Prüfstein seiner Aechtheit. Das: „Ja Herr, - aber doch!“ der Kananäerin, das beugende von einem entschiedenen Bruch mit der Sünde begleitete, jedoch in der gläubigen Aneignung der Gnade Gottes in Christo sich aufhebende Bewußtsein unsrer Verschuldung vor Gott bildet das Grundwesen des Zustandes, der uns berechtigt, den Erwählten des Herrn uns beizuzählen. Was aber Heiliges in uns geboren ward, trägt in sich den Drang, auch nach Außen sich in Wort und That zu offenbaren, und so gibt es auch für Andere erkennbare Merkzeichen, daß wir „nicht mehr von der Welt sind, sondern von der Welt erwählt.“ Daß zu diesem ein dem göttlichen Gebote entsprechender Wandel gehöre, versteht sich von selbst. Der Wandel aber kann täuschen, weil, wenn zwei dasselbe thun, dies darum noch nicht dasselbe ist. Ebenso berechtigen Fehltritte, Schwächen und Gebrechen keineswegs schon zu dem Argwohn, daß man noch nicht „von der Welt erwählt“ sei, indem man wider letztere noch im heiligen Kampf begriffen, von ersteren aber bereits nach eingetretener Buße göttlich absolvirt sein kann. Es lassen sich jedoch Züge namhaft machen, an welchen diejenigen, so in der That der Welt entflohen, unfehlbar zu erkennen sind; und bei einer Nachlese in dem feierlichen Hergange der Einholung der Bundeslade, dessen wir Zeugen waren, werden wir an der Person und in dem Verhalten des Königs David wenigstens mehreren derselben begegnen.
2. Sam. 6, 14, 15, Und David tanzte mit aller Macht vor dem Herrn her, und war begürtet mit einem leinenen Leibrock. Und David sammt dem ganzen Israel führete die Lade des Herrn hinauf mit Jauchzen und Posaunen.
In dem Bilde Davids, wie es vor unsre Blicke tritt, entschleiern sich uns die wesentlichsten Signaturen eines wahren Gnadenstandes. Es sind deren fünf. Sie heißen, in's Neutestamentliche verklärt: die Freude an Christo; der Ausgang aus der Welt; das offene Bekenntniß zu dem Gekreuzigten; die Liebe zu dem Volke Gottes; und die willige Uebernahme der Kreuzesschmach. Fassen wir sie näher in's Auge.
I.
Hochbegeistert geleitet David die heilige Lade, dieses Sinnbild des in Huld und Gnade zu den Sündern sich herablassenden Gottes, zum Berge Zion, und der erste bezeichnende Charakterzug derer, die zum Leben in Gott hindurchgedrungen, ist ihre herzliche Freude an Christo. Achtung vor, oder Wohlgefallen an ihm ist's noch nicht, was hier entscheidet. Ebenso wenig die Freude, die eine Beschäftigung mit ihm als mit einem Gegenstande wissenschaftlicher oder künstlerischer Behandlung gewährt, und möglicherweise sogar mit einer geheimen Feindschaft wider ihn verpaart gehen kann. Gemeint ist vielmehr die heilige Lust und die innige Liebe zu dem Sohne Gottes, als zu dem, in welchem man nicht blos das Heil Anderer, sondern das eigne für Zeit und Ewigkeit gefunden hat. Wohl wissen Viele mit Einsicht und Anerkennung von dem zu zeugen, was die Welt dem Herrn Christus Großes zu verdanken habe. Aber kein Festglanz strahlt dabei von ihrem Angesicht, und kein verborgenes Bächlein innerer Bewegung rauscht vernehmbar unter ihren Worten. Vielleicht tönen diese Zeugnisse in hohem Rednerschwunge daher; doch wird von jedem feiner organisirten Ohre das Vorhandensein des Klangbodens vermißt. Die Quellfrische fehlt, es fehlt der Anhauch des Gemüthes, mit einem Worte: das grüne, warme Leben. „Aber gibt es“, wendet man ein, „unter den wahren Christen nicht auch solche, die noch in Kümmerniß stehen, und geängsteten und angefochtenen Geistes sind? Sind Kinder Gottes nur diejenigen, die, wie David vor der Bundeslade her, frohlocken und jauchzen können?“ Verstehe man doch recht, was behauptet wird. Die vom Geiste Gottes gewirkte Freude an Christo hat ebensowohl ihre unterschiedenen Grade und Stufen, wie ihre mannichfaltigen Offenbarungsformen. Freuet sich doch auch schon der müde Wandrer, der nur erst von ferne des Zieles ansichtig wird, welchem er zustrebt, und nicht derjenige blos, der dasselbe schon erreichte, und mit Behagen seinen Wanderstab aus der Hand legt. Freut sich doch auch bereits der Gefangene, zu dem erst die Kunde gelangt, daß ein Befreier für ihn vorhanden sei, ob immer auch die Freude desjenigen, der sich schon auf freien Fuß gesetzt sieht, eine ungemischtere, vollkommenere und lauterere sein wird. So gibt es denn auch eine Sehnsuchts- und eine Hoffnungsfreude an Christo, wie eine Freude vollendeter Befriedigung und seligen Genusses an ihm. Wo aber, sei es auch nur als Fünklein und glimmender Docht, oder als schon hell aufschlagende Flamme, weder die eine noch die andere sich findet, da kann von einem Leben des Glaubens, ja selbst von einem zarten Keime des selben, noch keine Rede sein. Tritt zu mir her in welcher Trauergestalt du magst, hänge dein Haupt wie ein Schilf, zittere wie Espenlaub vor Tod, Ewigkeit und Gericht: nicht einfallen wird mir's, um deswillen dir Trostlosen das göttliche Leben abzusprechen. Nenne ich dir aber den Namen Christi als den deines Heilandes, oder führe ich dich in Kreise, wo man seiner aufrichtig sich getröstet, und sehe ich auch dann nicht einmal ein Dämmerlicht der Freude, ob auch nur erst der Freude einer schüchternen Hoffnung, das düstere Gewölk durchzucken, das deine Stirn bedeckt, wie darf ich bei dieser deiner Gleichgültigkeit gegen den einzigen Retter deiner Seele dich zu seiner Heerde zählen? Deine Traurigkeit ist sicher nicht die vom heiligen Geist gewirkte „göttliche“, welche „eine Reue wirket, die Niemanden gereuet.“ Herzensfreude an Jesu, in was für einem Maße auch immer, Lust, dort zu weilen, wo seine Ehre wohnt und seine Sünderliebe gepriesen wird, gehören wesentlich mit zu den Abzeichen derjenigen, die „von der Welt erwählet sind.“
II.
Die Stellung, welche ein Mensch zu der im Argen liegenden Welt einnimmt, ist ein Zweites, was bei der Beurtheilung, ob sein Christenthum Wahrheit oder nur Schein und Larve sei, wesentlich mit in Anschlag kommt. David sonderte sich mit Entschiedenheit nach Sinn und That von der aus Rand und Band gerathenen Menge in Israel aus, und schwamm mit aller Macht wider den Strom des gottvergessenen Zeitgeistes an, dessen Herrschaft seit den Tagen Sauls eine so weite Ausdehnung gewonnen hatte. Zu Gleichem wird es den wahren Christen drängen. Alles, was kleinliche Mückenseigerei und pharisäische Gesetzlichkeit heißt, bleibe allerdings von ihm fern! Darüber, was sie essen und trinken, wie sie sich kleiden, und welcherlei Geberden oder Redeweisen sie sich anzueignen haben, sind den Kindern des Neuen Bundes keine Vorschriften gegeben. Auch der Scherz und das Lachen ist ihnen nicht untersagt, nur daß es zu letzterm nicht heißen müsse: „Lachen, du bist toll.“ Noch weniger ist's ihnen verwehrt, der schönen Natur, die vielmehr ihnen erst recht ihre Herrlichkeiten erschließen wird, sowie der Werke einer keuschen Kunst sich zu freuen, und in Bereichen einer edlen Geselligkeit sich zu bewegen, zumal wenn sie dieselbe geistig zu würzen und zu weihen verstehen. Hier heißt es zu ihnen: „Alles ist euer, ihr aber seid Christi.“ Wer aber mit Behagen sitzen kann, „wo die Spötter sitzen“, und in Kreisen sich wohlfühlt, wo Ton und Sitte untersagen, den Namen Christi mit Liebe zu nennen; wer an Zerstreuungen eine Weide findet, die nur auf die Reizung der Sinne berechnet sind, den Geist aber leer ausgehen lassen; wer zu Cirkeln sich hingezogen fühlt, in denen eitel Narretheidungen die Stelle lieblicher und gewürzter Unterhaltung vertreten: kurz, wem die stickstoffhaltige Atmosphäre libertinischer Weltklubs, in wie anständige Formen diese sich auch verkleideten, nicht die Brust beklemmt, der mache keinen Anspruch auf den Christennamen. Zu denen, die wirklich Christi eigen sind, hat es geheißen: „Gehet aus von ihnen“, den Anbetern der Weltgötzen, „auf daß ihr nicht ihrer Sünden theilhaftig werdet,“ und sie sind aus innerm Drang solcher göttlichen Weisung wirklich nachgekommen. Vielleicht erscheinen sie darum den Wandrern auf der breiten Straße als Sonderlinge. Aber was kümmert sie das? Sie gehen ihren Weg, der ein Weg des Friedens ist, festen Schrittes fort. „Jene befremdet's,“ sagt Petrus, „daß sie nicht mit ihnen laufen in dasselbe wüste unordentliche Wesen, und darum lästern sie.“ Aber wie befremdlich dünkt es den Jüngern des Herrn, daß man fähig ist, die kurze Lebensfrist in so eitlem, leerem und gottvergessenem Treiben zu vergeuden. O selig Alle, denen das Wort des Herrn gilt: „Ihr seid nicht von der Welt.“ Diese hören es auch gelassenen Gemüthes an, wenn der Herr weiter spricht: „Die Welt hasset euch!“ Vernehmen sie doch auch den Schluß jener Rede ihres Meisters: „Der Knecht ist nicht größer, denn sein Herr. Haben sie mich verfolgt, so werden sie euch ein Gleiches thun um meines Namens willen: denn sie kennen den nicht, der mich gesandt hat;“ und wie fühlen sie sich gehoben durch den Zuruf des Apostels: „Selig seid ihr, wenn ihr geschmähet werdet über dem Namen Christi: denn der Geist, der ein Geist der Herrlichkeit und Gottes ist, ruhet auf euch. Bei ihnen ist er verlästert, aber bei euch ist er gepriesen.“
III.
Was weiter den wahren Christen kennzeichnet, ist sein offenes freimüthiges Bekenntniß. Nicht, als wäre jeder Bekennende als solcher schon ein Christ. Wer aber nicht bekennt, ist sicher keiner. Dies stellt das Wort des Herrn außer Frage: „Wer mich bekennet vor den Menschen, den will auch ich bekennen vor meinem himmlischen Vater,“ und gleicherweise des Apostels Wort: „So man von Herzen glaubt, so wird man gerecht, und so man mit dem Munde bekennet, so wird man selig.“ Man schaue David an, den König, im schlichten Levitenkleide, wie er singend und spielend vor der heiligen Bundeslade herzieht. Durch keine Anstandsregeln, die der Unglaube ihm diktirte, läßt er sich Schranken setzen. Er folgt den Antrieben seines heilig bewegten Herzens. Alle Welt soll es wissen, daß das Bewußtsein, Gott sei ihm hold und gewogen, sein höchster Ruhm, sein köstlichstes Kleinod sei, köstlicher, als Krone und Scepter, und was sonst Begehrenswerthes genannt werden könnte.
Darfst aber du, der du dieses liesest, dem bekennenden David frei und frank in's Auge schauen? Drängt es, so oft dir ein Anlaß dazu gegeben ward, auch dich, laut und offen zu bezeugen, daß du in Christo dein Eins und Alles fandest? Verschwenderisch mit deinem Bekennen umzugehen, ist dir von dem Herrn nirgends geboten. Vielmehr warnt dich seiner Worte eins davor, nach welchem du das Heiligthum nicht den Hunden geben und die Perle nicht vor die Säue werfen sollst. Aber ward dir nicht gerade dieses Wort zu einem Lieblingsspruche? Pflegst du nicht, wenn du vorauszusehen wähnst, es werde dein freimüthiges Bekenntniß ein spöttisches Achselzucken in deiner Umgebung erregen, das Wort als Deckmantel deines feigen Verstummens zu gebrauchen? Bedienst du dich seiner nicht mit unlauterm Sinne als eines Schildes gegen die Anklagen deines erwachenden Gewissens, wo man deinen Heiland in den Staub herabzieht, und du, um mit Calvin zu reden, „von jedem Hunde beschämt wirst, der wenigstens bellt, wenn er seinen Herrn angegriffen sieht?“ Pflegst du nicht mindestens, bevor du bekennest, den Kreis zu mustern, in dem du dich befindest, und bist ein Held nur unter Freunden und Gleichgesinnten, unter Widersachern dagegen ein fahnenflüchtiger Verleugner? Müßtest du diese Fragen bejahen, woher nähmest du den Muth, dich einen Jünger des Herrn zu nennen, der gesagt hat: „Wer mich verleugnet vor den Menschen, den werde auch ich verleugnen vor meinem himmlischen Vater?“ Wer sich des Evangeliums vor Christo schämt, hat dasselbe als eine Kraft Gottes, welche selig macht, noch nicht an sich erfahren. Alles wahre Glaubensleben erzeigt sich gleich „einer Stadt auf dem Berge,“ und gleich „einem Licht auf dem Leuchter.“ Ein freudiger Heraustritt unter die Kreuzesfahne, zumal wo diese geschmäht wird, ist das dritte der unerläßlichen Merkmale derer, welche „von der Welt erwählet sind.“
Diesem aber an entscheidender Bedeutung gleich ist die Liebe zum Volle Gottes. Wir waren Zeugen, wie heimisch sich David zu Rama bei Samuel, und zu Najoth unter den Prophetenkindern fühlte. Zu seinen Vertrautesten gehörten der fromme Priester Abjathar und der Prophet Gad, und alle die, welche er bei der Abholungsfeier vorzugsweise in seinem Herzen segnete, und als Solche hervorhob, mit denen er „zu Ehren zu werden“ hoffe. Es waren geringe Leute; aber „Stille im Lande,“ unbekannt der Welt, jedoch bekannt im Himmel. Und auch heute noch sind diese dem Herrn Geweihten, gleichviel, welchem gesellschaftlichen Range sie angehören, dem Herzen der wirklich Gläubigen die Nächsten. Wer von diesem verwandtschaftlichen Zuge für sie nichts in sich verspürt, ja in den Kreisen der Kinder dieser Welt sich heimischer fühlt, als in denen der Freunde des Himmelreichs, der darf versichert sein, daß er zu denen zählt, die„ aus dem Munde des Herrn einst das Wort vernehmen werden: „Ich habe euch nie erkannt!“ Eine geheiligte Parteilichkeit für diejenigen, welche Johannes im Auge hatte, da er sprach: „So Viele ihn aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden,“ und die der Herr als das „Salz der Erde,“ Paulus als „Gottes Hausgenossen,“ und Petrus als „das auserwählte Geschlecht und königliche Priesterthum“ bezeichnen, nimmt unter den Kennzeichen eines wahren Christenstandes eine wesentliche Stelle ein. Als ein solches wird in der Schrift überall die Vorliebe für diejenigen dargestellt, mit denen man sich in dem Herrn verbrüdert fühlt, und bei welchen man dem deutlichen Widerhall dessen begegnet, was uns selbst am tiefsten bewegt und vor allem Andern uns am Herzen liegt. So lesen wir u. A. im ersten Briefe des Johannes: „Wer da glaubt, daß Jesus sei der Christ, der ist von Gott geboren; und wer da liebet den, der ihn geboren hat, der liebet auch sie, die von ihm geboren sind;“ und an einem andern Orte heißt es: „Wir wissen, daß wir aus dem Tode zum Leben hindurchgedrungen sind: denn wir lieben die Brüder.“
Noch eines Charakterzuges wahrer Christen, auf den schon vorübergehend hingewiesen ward, muß Erwähnung geschehen. Aus dem Vorbilde Davids leuchtet er mit besonderer Helle hervor. Es ist die freudige Bereitschaft zur Uebernahme der Schmach um Christi willen: ein Zug, der sich nur zu häufig namentlich in den sogenannten „gebildeten Ständen“ an denen vermissen läßt, die doch auch für lebendige Christen gelten wollen. Freilich thut es dem Fleische nicht sanft, in den Augen einer vermeintlich aufgeklärten Welt wo nicht für Frömmler, so doch für Tröpfe angesehen zu werden, die hinter der Zeitbildung zurück geblieben seien. Daher bei so Vielen jener „vornehmen Christen“ das eifrige Bemühen, in ihren sogenannten Bekenntnissen den Grundartikeln des Glaubens irgendwie die Spitze abzubrechen, das Wort vom Kreuz seiner „göttlichen Thorheit“ zu entkleiden, dem Evangelium durch „vergeistigende,“ d. h. ausleerende Umdeutungen die Ehre einer gewissen „Vernunftmäßigkeit“ zu retten, und sich selbst die Anerkennung zu erschmeicheln, daß man den „blindgläubigen“ Pietisten nicht beigehöre, sondern mit seinem Glauben auch vor philosophischen Geistern zu bestehen hoffe. Daher denn auch ein geflissentliches sich Anbequemen an die Redeweisen und Lebensformen der Kinder dieser Welt, ein Miteingehen in den Geist und die Tonart, welche die geselligen Kreise derselben beherrschen, und ein klüglich berechnetes Theilnehmen an deren Zerstreuungen, bis zu der Grenze wenigstens, durch deren Ueberschreitung man freilich dem Vorwurf eines offenen Abfalls von der Regel nicht mehr entgehen würde, nach der Alle zu wandeln berufen sind, welche Christo angehören wollen. In der That giebt es kaum einen kläglicheren Anblick, als die Halbherzigkeit und Feigheit jener Leute ihn gewähren, denen sicher auch die Drohung gilt, daß der Herr sie „ausspeien werde aus seinem Munde!“ Jeder edle Mann verschmäht es, von Solchen Ehre anzunehmen, die dieselbe einem nur menschlichen Freunde, den er achtet und lieb hat vorenthalten; und man könnte des himmlischen Freundes sich schämen, und ihn verleugnen, damit man nur die Gunst seiner Feinde sich wahre? Welch' einen herrlichen Gegensatz zu solcher Jämmerlichkeit stellt uns das Exempel Davids dar, der seine Ehre grade in der Schmach fand, die ihm Seitens der Gottentfremdeten sein freudiges Bekenntniß zu dem Bundesgotte Israels zuzog, und der sich ablehnend gegen sie verhalten haben würde, hätten sie ihn etwa als einen ihres Gleichen feiern wollen! Wie mannhaft und edel klangen Davids Worte: „Ich will noch geringer werden, denn also, und will niedrig sein in meinen Augen, und“ - (unbekümmert um das, was die blinde Welt dazu sage,) - „mit den Mägden, davon du geredet hast, zu Ehren werden.“ Zu jener Zeit stand der König Israel würdig einem Moses zur Seite, von dem die Schrift sagt: „Durch den Glauben achtete er die Schmach Christi für größeren Reichthum, als die Schätze Egyptenlandes; denn er sah an die Belohnung.“ Der apostolische Aufruf an die Christen lautet: „Lasset uns zu ihm, (dem Gekreuzigten,) hinausgehn außer dem Lager, (der glaubensfeindlichen Welt,) und seine Schmach tragen; denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir!“ Wer dieser Anforderung noch um jeden Preis auszuweichen trachtet, statt in der „Schmach Christi,“ versteht sich in der unverdienten und nicht etwa willkürlich herbeigezogenen, ein hehres Ehrenzeichen zu erblicken, der rühme sich nicht, daß er Ernst gemacht habe mit seinem Christenthum. So lange die Welt nicht eine andre ward, als sie gegenwärtig ist, ist es unmöglich, bei entschiedener Glaubensrichtung ungeschmäht durch sie hindurch zu kommen.
Die Nachlese ist gehalten; ihre Ausbeute aber für Manche vielleicht nicht die tröstlichste. Doch hieße die Frucht nur Selbstgericht und Beschämung, so wäre durch sie der Mühe des Suchens schon reichlich genug gelohnt. Den Erschrockenen aber gereiche das zur Ermuthigung, daß es nicht blos gewordene, sondern auch erst im Werden begriffene Christen, und ebensowohl Säuglinge und Kinder in Christo gibt, wie Jünglinge und Väter in dem Herrn. Einem Jeden sei zu seiner Ermuthigung kund, daß es schon etwas Großes und Verheißungsreiches ist, wenn es von ihm nur heißen darf, wie einst von Saulus zu Ananias: „Siehe, er betet!“ Freuen wir uns des prophetischen Wortes: „Das zerstoßene Rohr wird der Herr nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen, bis er ausführe das Gericht zum Siege.“