Körber, Emil - Ölblatt - Golgatha, oder die Herrlichkeit des Neuen Bundes.

Körber, Emil - Ölblatt - Golgatha, oder die Herrlichkeit des Neuen Bundes.

(9. März 1873.)

Text: 2 Korinth. 3, 4-11. Ein solches Vertrauen aber haben wir durch Christum zu Gott. Nicht, dass wir tüchtig sind von uns selber, etwas zu denken, als von uns selber; sondern dass wir tüchtig sind, ist von Gott: welcher auch uns tüchtig gemacht hat, das Amt zu führen des Neuen Testaments; nicht des Buchstabens, sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig. So aber das Amt, das durch die Buchstaben tötet und in die Steine ist gebildet, Klarheit hatte; also dass die Kinder. Israel nicht konnten ansehen das Angesicht Mosis, um der Klarheit willen seines Angesichts, die doch aufhört: wie sollte nicht vielmehr das Amt, das den Geist gibt, Klarheit haben? Denn so das Amt, das die Verdammnis predigt, Klarheit hat; vielmehr hat das Amt, das die Gerechtigkeit predigt, überschwängliche Klarheit. Denn auch jenes Teil, das verklärt war, ist nicht für Klarheit zu achten gegen dieser überschwänglichen Klarheit. Denn so das Klarheit hatte, das da aufhört; vielmehr wird das Klarheit haben, das da bleibt.

Ich bin durch alle Zeiten,
Wohl gar durch Ewigkeiten
In meinem Geist gereist;
Nichts hat mirs Herz genommen,
Als da ich angekommen
Auf Golgatha. Gott sei gepreist!

Ja, Geliebte, Gott sei gepriesen, dass es nicht bloß einen Sinai gibt mit dem Donner des Gesetzes, sondern auch ein Golgatha mit der süßen Botschaft des ewigen Friedens in Christo Jesu, dem Heiland der Welt. Gott sei gepriesen, dass dort, draußen vor den Toren Jerusalems, auf einem stillen Hügel ein Kreuz steht, und an dem Kreuze ein Mann hängt zwischen Himmel und Erde, um die Erde zum Himmel zu machen, ein Opfer für die Sünden der ganzen Welt! O schaut hin, wie der Mann der Schmerzen, Hohepriester und Lamm zugleich, das teure, edle Haupt im Tode neigt, und hört von den blassen Lippen unseres Bürgen und Versöhners das Wort ertönen: Es ist vollbracht! vollbracht das schwere Heilandswerk! vollbracht die Sühnung aller Sünden, vollbracht die Erlösung und Wiederbringung der abgefallenen, verlorenen Menschheit; vollbracht das Sühnopfer auch für die schwersten, elendesten und verkommensten Sünder! Darum noch einmal: Nichts hat mir‘s Herz genommen, als da ich angekommen auf Golgatha, Gott sei gepreist!

Und du, mein lieber Zuhörer, bist auch du schon im Glauben angekommen auf Golgatha, und hat auch dir der Gekreuzigte das Herz genommen? Merke wohl: das Herz! Nicht den Mund, dass du ihn mit den Lippen bekennst, aber dein Herz ist ferne von ihm, sondern das Herz! nicht ein Stück deines Herzens, nicht das halbe, sondern das ganze Herz, dass es in heißer und reiner Liebe zu ihm brennt, und du in Wahrheit sagen kannst:

In meines Herzens Grunde
Sein Nam‘ und Kreuz allein
Funkelt all Zeit und Stunde,
drum kann ich fröhlich sein.

Ja, hat dir der Gekreuzigte das Herz genommen? Und mit dem Herzen den Leib und alle Glieder, dass du sie nicht mehr schändest und knechtest durch Sünde und Fleischeslust, nicht mehr missbrauchst zu Waffen der Ungerechtigkeit und Lüge, sondern dass sie sind Waffen der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens? O dass Golgatha mit seinem blutbeflossenen Kreuze Allen, die den Namen Christi tragen, ja allen Menschen das Herz nehmen möchte! Wahrlich, dann wäre die Erde ein Paradies. Aber dazu fehlt noch viel. Vielen Vielen hat die Welt das Herz genommen! Sie liegen in heißer Liebe an ihrer Brust und trinken die giftige Milch ihrer sündlichen Lüste und Begierden. Vielen hat Geld und Gold das Herz genommen, ihre Kapitalbriefe, Wertpapiere und Zinsen; gute Geschäfte machen, ein rechtes Vermögen erwerben, reicher und immer reicher werden - das ist ihr Dichten und Trachten bei Tag und bei Nacht. Geld und nur Geld steht oben an, dem müssen alle andern Interessen weichen, und auf Leute ohne Vermögen schauen sie herab mit stolzer Verachtung. Vielen hat die Fleischeslust das Herz genommen; in den buhlerischen Armen der Unkeuschheit suchen sie ihr Vergnügen und die Freude ihres Herzens; die Befleckung des Fleisches und des Geistes, allerhand geheime Sünden, Hurerei und Ehebruch zehren an dem edlen Mark ihres Lebens. Vielen hat die Eitelkeit und Kleiderpracht das Herz genommen; und dieses arme Herz ist so öde, fad und leer geworden, dass sie nichts Höheres kennen als ihre Toilette; sie schmücken und zieren und schminken sich auf alle mögliche Weise bis zur Unnatur und vergeuden die edelsten Stunden ihres Lebens mit Haarflechten, Kleideranlegen und Goldumhängen! Vielen hat die Ehre das Herz genommen; es gibt Leute genug, die setzen Alles daran, um nur einen Namen, einen Titel, eine Würde zu erlangen; Tag und Nacht arbeiten sie rastlos; aber der Name vergeht, der Leib stirbt, und die Seele ist verloren. Andere streben höher: Wissenschaft, Kunst, Bildung, Musik hat ihnen das Herz genommen; sie trachten nach sogenannten geistigen Genüssen und suchen ein höheres, ideales Leben zu führen. An den Dichtern und Philosophen, an den Männern der Wissenschaft und Kunst, an den Heroen der Musik hängt ihre Seele; aber für Christus, den Mann der Schmerzen, unsern Hohenpriester und Versöhner, ist ihr Herz tot und kalt; Christus, der Gekreuzigte, ist ihnen ein unbekannter Mann, oder gar ein Ärgernis und eine Torheit.

Nun, meine Lieben, was hat uns das Herz genommen? Wir wollen uns prüfen, fragen und erforschen, durchsuchen und erkennen, ehrlich und redlich vor dem Angesichte Gottes. Wer hat uns das Herz genommen? Damit uns Christus das Herz nehme, wollen wir heute im Geiste nach Golgatha gehen und dort schauen die Seligkeit und Herrlichkeit des Neuen Bundes, welche uns Paulus in unserem Texte so schön und lieblich beschreibt. Wir stellen also. nach Anleitung. der Worte des Apostels uns heute vor die Seele und sehen:

Golgatha, oder
die Herrlichkeit des Neuen Bundes;

I. er predigt Christi Gerechtigkeit,
II. er macht lebendig und gottgeweiht,
III er währt in alle Ewigkeit.

O du Sonne der Gerechtigkeit, Jesus Christus, unser Herr und Heiland, du am Kreuz erblasste Liebe! gib uns heute einen tiefen Blick in die Herrlichkeit des Neuen Bundes und lass uns Alle deine Klarheit schauen mit aufgedecktem Angesicht. Nimm uns Allen das Herz! dir gehört es von Rechtswegen, nur dir, nur dir!

Für dich sei ganz mein Herz und Leben,
Mein süßer Gott, und all mein Gut;
Für dich hast du mirs nur gegeben,
In dir es nur und selig ruht.
Versöhner meines schweren Falles,
Für dich sei ewig Herz und Alles.

Amen.

Wir stellen uns im Geiste auf den Hügel Golgatha und schauen dort die Herrlichkeit des Neuen Bundes. Was finden wir da? Nicht Gold und Silber, nicht Perlen und Edelgestein, nicht Purpur, Zepter und Krone, keine äußere Herrlichkeit, keinen Namen, der glänzt und strahlt nach Art der Welt, sondern - ein einfaches Kreuz, von der Erde gen Himmel gerichtet; und an dem Kreuze hängt ein Mann, der Mittler zwischen Gott und den Menschen, der Versöhner der fluchbeladenen Welt! Wer zu diesem Kreuze aufblickt im Glauben, wird selig; dieses Kreuz ist ein Panier für alle Völker bis an die Enden der Erde. Das Blut, an diesem Kreuze geflossen, heilt die Seelen, heilt die Nationen, heilt die ganze Welt, die ganze mit dem Menschen gefallene Schöpfung, so dass endlich im Glanze der Ewigkeit dasteht ein neuer Himmel und eine neue Erde; und der Tod ist nicht mehr, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerzen, denn das Erste ist vergangen. Das ist die Herrlichkeit des Neuen Bundes! Sie ist so groß, dass mein schwacher Geist es nicht fassen und begreifen kann, dass mein armer, sterblicher Mund es nicht zu beschreiben vermag. Wenn wir uns auch alle Mühe geben, wenn wir die schönsten, besten und gediegensten Worte auslesen, wenn wir mit Menschen- und Engelzungen redeten Alles reicht nicht zu; all unser Denken, Reden, Predigen, Singen ist nur ein schwacher Nachklang, nur ein mattes Abbild von der überschwänglichen Klarheit des Evangeliums. Unser Wissen ist Stückwerk, und unser Predigen ist Stückwerk, ein armseliges Gerede, ein kindliches Lallen, ein leises Stammeln; wir können nicht hinanreichen und hineinreichen in die Tiefe und Höhe und Breite und Länge der Herrlichkeit des Neuen. Bundes. Aber trotzdem wollen wir es wagen an der sichern Hand des Apostels Paulus, und nach Anleitung unseres Textes reden von der Klarheit und Herrlichkeit des Evangeliums. Wir sehen:

I. der Neue Bund predigt Christi Gerechtigkeit.

„So das Amt, das die Verdammnis predigt, Klarheit hat; vielmehr hat das Amt, das die Gerechtigkeit predigt, überschwängliche Klarheit.“ Das Gesetz des Alten Bundes predigt Verdammnis. Es ist wohl heilig, recht und gut, aber der Mensch ist unheilig und sündig und kann es nicht halten ohne die Gnade Jesu Christi; darum ruht auf allen Menschen, so lange sie nicht im Glauben Christum ergriffen haben, der Fluch des Gesetzes. O wie unglücklich wäre die Menschheit, wenn nicht die Sonne des Neuen Bundes am Himmel aufgegangen wäre. Aber Gottlob, sie ist aufgegangen und glänzt und strahlt in reinem Lichte: der Neue Bund predigt Gerechtigkeit. Was soll das heißen, Geliebte? Etwa: der Neue Bund bringt und verschärft die Forderung, dass der Mensch gerecht und fromm sein und Gottes Gebote halten solle?

O, das versteht sich von selbst; um das zu wissen, ist das Evangelium nicht nötig. Das wusste man schon im Alten Bunde zur Genüge, und jedes Kind in Israel konnte davon erzählen und die zehn Gebote, den Inhalt aller Gerechtigkeit vor Gott und Menschen, auswendig hersagen. Nein, unter der Gerechtigkeit, welche der Neue Bund predigt, ist Christi Gerechtigkeit verstanden. Aber nicht so, dass uns das Evangelium bloß verkünden würde, dass Christus ein frommer und gerechter Mensch sei, wie kein zweiter auf Erden gelebt habe noch leben werde; nicht so, dass uns das Evangelium in dem Bilde Christi nur ein glänzendes, sonnenhelles, fleckenloses und reines Ideal aller Gerechtigkeit und Frömmigkeit vorhielte. Ach was würde uns das helfen? Je schöner das Bild Christi ist, desto schmerzlicher ist unser Abstand von Ihm; wir bleiben damit doch in unsern Sünden. Nein, Christi Gerechtigkeit wird uns gepredigt im Evangelium - das heißt: Er der Gerechte starb für uns Ungerechte, Er der Reine starb für uns Unreine, Er der Heilige starb für uns unheilige, gottlose, sündige Menschen. Gott hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir würden in Ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Wir werden gerecht und selig nicht durch unsere Werke, nicht durch unser Verdienst und unsre Würdigkeit, sondern allein durch den Glauben an die freie Gnade Gottes in Christo Jesu, unserem Herrn.

Christi Blut und Gerechtigkeit,
Das ist mein Schmuck und Ehrenkleid.
Mit ihm will ich vor Gott bestehen,
Wenn ich in Himmel werd eingehn.

Der Neue Bund predigt Christi Gerechtigkeit! O kostbare, herrliche Predigt für uns arme Menschen, die wir im innersten Kern des Lebens von der Sünde angefressen sind! O teures Gotteswort, süßes Evangelium! Du bist süßer denn Honig und Honigseim, köstlicher denn Gold und viel feines Gold, lieblicher denn Rosen und Lilien, edler denn der Schmuck Carmels und Sarons. Ja bringt alle Schätze, Kleinodien und Edelsteine auf Erden her, bringt alle Herrlichkeit des Himmels - sie muss schwinden und erbleichen vor dem Glanz der Herrlichkeit des Evangeliums, das Christi Gerechtigkeit predigt. Diese Gerechtigkeit will auch ich predigen und ausrufen bis zum letzten Atemzuge, die Gerechtigkeit Jesu Christi, sein heiliges Verdienst, als das einzige Heilmittel der Seelen in unserer friedelosen Zeit. Und auch heute will ich diese Gerechtigkeit: predigen und meine Stimme erheben wie eine Posaune.

Der Neue Bund predigt Christi Gerechtigkeit höre, wer es hören will allen mühseligen, über ihre Sünden bekümmerten Herzen. Ihnen ruft Jesus zu: Kommt her zu mir Alle, die ihr mühselig und beladen seid.

Ihr müden Seelen und ihr Frommen,
Versäumet nicht heut einzukommen
Zu meiner Ruhe Lieblichkeit!

Baut doch nicht auf eure eigene Gerechtigkeit, auf eure eigenen Werke, indem ihr den Frieden und die Ruhe der Seele abhängig macht von dem hohen und tiefen Grad eurer Buße, Selbsterkenntnis und Selbstzerknirschung. Baut vielmehr einzig und allein auf die Gerechtigkeit Christi und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade; wagt es ganz und gar mit eurem Heiland, werft euch ihm in die Arme, und zieht seine Gerechtigkeit im Glauben an. Das gibt Frieden, das gibt Ruhe, das gibt ein stilles Herz.

Der Neue Bund predigt Christi Gerechtigkeit allen selbstgerechten und tugendhaften Leuten, die meinen, keines Heilands zu bedürfen. Wie lange wollt ihr fortfahren und sprechen: Wir brauchen keine Buße, keine Bekehrung, keinen Heiland, keine Vergebung der Sünden; wir sind ehrbare, rechtschaffene Leute, denen Niemand etwas nachsagen kann, mit denen Jedermann zufrieden ist? Ist auch dein Gott mit dir zufrieden, du tugendhafter Mensch? und kannst du bestehen vor dem Feuerauge des Heiligen, der in das Verborgene sieht und Nieren und Herzen erforscht? O mache dich auf und werde Licht! Ergreife Christi Gerechtigkeit in bußfertigem Glauben; sonst wirst du einst mit Schanden bestehen am Tage des Gerichts, und das Flitterwerk, die. Lumpen und Lappen deiner vermeintlichen Tugend und Ehrbarkeit können die Schande deiner Blöße nicht decken, wenn du offenbar werden musst vor dem Richterstuhl Christi.

Der Neue Bund predigt Christi Gerechtigkeit allen gleichgültigen, leichtsinnigen und frechen Sündern. Und wenn solche nicht hier sind, so geht hin und sagt es ihnen zu Hause, in Liebe, in herzlicher Liebe und treuer Gesinnung: dass, so lange sie nicht Buße tun, für sie Christi Gerechtigkeit nicht gilt, sondern die Verdammnis des Gesetzes. Ach, meine Lieben, wenn ich an die Hunderte und Tausende denke, die im Diesseits ganz aufgehen, die nie eine Kirche besuchen, nie Gottes Wort hören, nie ihre stolzen, vornehmen, steifen Knie beugen, nie die Hände kalten und das Herz zum Himmel emporschicken: ach, da möchte mir das Herz brechen vor Mitleid. Denn Verdammnis wartet auf alle die, welche das Evangelium in diesem Leben verachtet haben, ja Verdammnis! unsere verweichlichte und entnervte Zeit mag es glauben oder nicht, der Sohn Gottes, der gemarterte, gepeinigte, gekreuzigte, wird zuletzt als Richter auftreten. O wir wollen es unsern in der Sünde gleichgültig dahin lebenden Mitmenschen sagen; wir wollen ihnen predigen durch den Wandel vor allen Dingen, aber auch zur rechten Zeit ein Wort der Liebe nicht scheuen; wir wollen für sie beten, inbrünstig beten, damit Viele noch im Glauben Christi Gerechtigkeit ergreifen, und so gerettet und selig werden.

Der Neue Bund predigt Christi Gerechtigkeit. Er macht uns aber auch

II. lebendig und gottgeweiht.

Davon redet unser Text also: „der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.“ Der Buchstabe ist der Alte Bund mit seinem Gesetz, der Geist ist der Neue Bund mit seinem Evangelium. Und weiter heißt es: „So aber das Amt, das durch die Buchstaben tötet und in die Steine ist gebildet, Klarheit hatte, also dass die Kinder Israel nicht konnten ansehen das Angesicht Mosis um der Klarheit willen seines Angesichts; wie sollte nicht vielmehr das Amt, das den Geist gibt, Klarheit haben?“ Wie ist das zu verstehen, Geliebte? Der Buchstabe, das Gesetz des Alten Bundes tötet, das heißt: es bringt nur Erkenntnis der Sünde und schafft in uns das Bewusstsein unseres geistlichen Todes, unseres gänzlichen Unvermögens in göttlichen Dingen, dass der Mensch ausruft: „Wollen habe ich wohl, aber vollbringen das Gute finde ich nicht. Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?“ Ja der Buchstabe tötet, aber der Geist Jesu Christi, der Geist des Neuen Bundes macht lebendig. Gelobt sei Gott! Seit Christus auf Golgatha gestorben ist, gibt es mitten in dieser Welt des Todes eine Quelle des Lebens, des neuen, geistlichen, ewigen Lebens; bei Golgatha fließt ein freier, offener Born wider alle Sünde und Unreinheit; das Blut Jesu Christi ist nicht bloß ein Blut der Vergebung und Versöhnung, sondern das Blut unseres Herrn macht uns rein, wesentlich und wirklich rein von allen Sünden. Der Neue Bund macht lebendig! Wie ist das noch näher zu verstehen und deutlicher zu erklären? Damit will der Apostel nicht nur sagen: ein Kind des Neuen Bundes, ein Christ muss einmal nicht im Grabe bleiben, sondern darf auferstehen und eingehen zum ewigen Leben. O nein, schon in dieser Zeit macht uns der Geist des Evangeliums lebendig, wie Paulus sagt: Uns, die wir tot waren in Sünden und Übertretungen, hat Gott nach seiner reichen Gnade mit Christo lebendig gemacht. Er hat uns lebendig gemacht, nicht er wird uns einst einmal lebendig machen. Seht, Geliebte: ein Mensch, der den Heiland ergreift, der sich gründlich bekehrt und Christi Gerechtigkeit im Glauben anzieht, ein solcher Mensch bekommt eben damit die Gnade und Gabe der Wiedergeburt, ein neues Herz, ein neues Leben. Der falte Winter der Sünde ist vorbei, und der schöne, liebliche, warme Frühling Jesu Christi zieht im Herzen ein, so dass man singen kann:

Allweg beginnts zu sprießen,
Nach liebem, altem Brauch,
So sprossen in meinem Herzen
Die lichten Blumen auch.

Die Blumen des Geistes, die Blumen des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung. Während die Seele vorher welk und verdorrt war, tot und unter die Sünde verkauft, siech und krank: nun wird sie lebendig und kräftig durch den Geist des Neuen Bundes; sie lebt auf in Lust und Liebe Gottes und des Nächsten, sie fängt an zu grünen und zu blühen und Früchte zu bringen der Wahrheit, der Gerechtigkeit, des Friedens, der Demut, der Keuschheit. Das Gesetz ist nicht mehr auf steinerne Tafeln geschrieben, sondern mit der Flammenschrift des Heiligen Geistes in die Herzen eingegraben als ein königliches Gesetz der Freiheit, das der Christ mit Lust und Liebe vollbringt. Die Sklaverei der Sünde ist gebrochen, die Bande und Fesseln der Lüste sind zerrissen, wir sind frei, frei, und atmen die frische, frohe, freie Lebensluft des Evangeliums. O der Neue Bund macht lebendig und gottgeweiht! Du Trunkenbold, du kannst frei werden von dem schändlichen Laster der Trunksucht durch die Gnade des Heilands; was deine guten Vorsätze nimmer zu Stande bringen, das schafft und bringt zu Stande das Blut Jesu Christi. Und du Wollüstling, der du durch die Lüste des Fleisches dir Leib und Seele für Zeit und Ewigkeit ruinierst - ach du Gebundener des Fleisches! willst du nicht frei werden? Der Sohn Gottes macht auch dich frei und zerreißt dir die schmachvollen Bande deiner schnöden Lust. Und du im Geiz gefangener und geknechteter Mensch, du vom Hochmut, von giftigem Neid, von Hass und Streit erfüllter Mensch! wir Alle, Alle können frei und los werden, ein Jedes von seiner Sünde. „Ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist geben, und will das steinerne Herz aus eurem Fleische wegnehmen, und euch ein fleischern Herz geben; ich will meinen Geist in euch geben und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln, und meine Rechte halten und danach tun.“ Also spricht der Herr, unser Gott.

Die Herrlichkeit des Neuen Bundes ist groß, überschwänglich groß. Er predigt Christi Gerechtigkeit, er macht uns lebendig und gottgeweiht und

III. er währt in alle Ewigkeit.

„So das Klarheit hatte, das da aufhört;“ der alte Bund mit dem Gesetz „vielmehr wird das Klarheit haben, das da bleibt“ der Neue Bund mit seinem Evangelium. Ja, Geliebte, der Neue Bund bleibt, er währt in alle Ewigkeit, das ist das dritte und letzte Hauptstück seiner Herrlichkeit. Und wie der Bund Gottes, in Christo Jesu mit uns armen Menschenkindern geschlossen, nicht wankt noch weicht, sondern ewiglich währt, so bleiben auch die Kinder des Neuen Bundes in Ewigkeit. Ich bin die Auferstehung und das Leben, sagt Christus, wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich. stürbe, und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Auch die Gemeinde Gottes stirbt nicht, sondern bleibt ewig. Wenn auch die äußeren Kirchen, wie es jetzt allen Anschein hat, zertrümmert und zerschmettert werden, was liegt daran? Die Gemeinde Jesu Christi kann nicht untergehen, sie ist auf einen Felsen gegründet, und die Pforten der Hölle können sie nicht überwältigen. O die Kirche Christi hat keine trübe, traurige und hoffnungslose Zukunft, wie die Feinde des Heilands meinen und schon sich freuen über ihren Fall und ihre Verwüstung; nein, die Kirche hat eine herrliche, selige Zukunft. Freilich wird es durch viel Trübsal und Elend. hindurchgehen; aber endlich bricht der heiße Tiegel, und der Glaub empfängt sein Siegel gleich dem Gold im Feuer bewährt. Christus, das glorreiche Haupt der Kirche, wird erscheinen in Herrlichkeit, und das Sabbatjahrtausend des Friedens wird anbrechen, bis endlich ein neuer Himmel ist, und eine neue Erde, in welchen Gerechtigkeit wohnt. Wenn die Feinde Christi, seiner Kirche und seines Wortes längst gestorben und der Verwesung anheimgefallen sind, wenn ihre Gebeine unter der Erde modern und der Sturmwind über ihre verwitterten und vergessenen Grabsteine hin weht; ja, was sage ich? wenn die Zeit in die Ewigkeit eingemündet ist: dann steht die Gemeinde des Herrn aufgebaut und ausgebaut zu einem herrlichen Tempel Gottes im Geist; dann blüht und grünt noch das Evangelium, das jene als eine Sammlung von Mythen und Fabeln mit Füßen getreten haben; dann steht noch das Wort Gottes in ewiger Jugend, gleich einer Himmelsblume, die nimmer welkt, und erfüllt mit seinem edlen Duft Himmel und Erde und dient zur Gesundheit der Nationen und Völker.

Ja Himmel und Erde werden vergehen, aber die Herrlichkeit des Neuen Bundes, Christi Reich, Christi Wort und Gnade wird nicht vergehen. Gelobt sei Gott! Halleluja! Amen.

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