Kleinschmidt, Friedrich Emanuel - Der Brief an die Römer - Röm. 1, 1-17.
Ehe ich eine erbauliche, streng an den Wortlaut sich haltende Erklärung des Briefes Pauli an die Römer anfange, mache ich einige kurze einleitende Bemerkungen. - Paulus scheint diesen Brief an die Gemeine in Rom von Korinth aus geschrieben zu haben (Kap. 16, 1), im Jahre 58 oder 59 nach Christo. Wann und wie die Gemeine in Rom gegründet worden ist, weiß man nicht; bei der Verbindung der Hauptstadt mit allen Provinzen des großen Reiches sind aber mancherlei Wege denkbar, die Gott benutzt haben könnte, um die Kenntnis des Evangeliums von Christo dorthin zu bringen. Paulus selbst war noch nicht dort gewesen, und wohl auch kein anderer Apostel, auf den er sonst gewiss in seinem Briefe sich bezogen hätte. Die Gemeine, welche der Mehrzahl nach wohl aus Heidenchristen bestand, scheint ein volles Vertrauen zu dem Apostel Paulus und zu seiner Predigt gehabt zu haben, zumal das ihm im Herrn nahe verbundene Ehepaar Aquila und Priscilla sich dort befand (Kap. 16, 3. 4). Die Übereinstimmung mit dem Apostel beweist auch der Ton des Briefs, der ein ruhiger ist, nicht im Streit mit irgendeiner Partei, wie die Briefe an die Korinther und der an die Galater; der Brief enthält eine ruhige Auseinandersetzung des Evangeliums, das der Apostel predigt, und zwar im fortlaufenden Zusammenhang, wenn auch auf eine schöne, freie Art. Der Brief handelt in seinem Hauptbestandteil, Kap. 1-11, vom Gerecht- und Seligwerden durch den Glauben an Christum, wie der Brief an die Hebräer, auch im Zusammenhang, Christum als unsern Hohenpriester und Versöhner schildert, an den wir zu glauben haben, und der Brief an die Epheser von der Gemeinschaft solcher Gläubigen, der Gemeine Christi handelt. Danach legt der Brief an die Römer den Grund, und ist darum von so großer Wichtigkeit; die gewaltigsten Bewegungen im Reiche Gottes, durch Augustin, durch Luther und Calvin, durch die Brüdergemeine und die Methodisten, haben angeknüpft an das Evangelium, wie es dieser Brief uns auseinandersetzt. Schreiten wir daher zum Trost für unser eigenes Herz zur Betrachtung dieses wichtigen Teiles der Heiligen Schrift.
Kapitel 1, 1-7 enthält ein kurzes Vorwort, an das sich der Gruß an die Gemeine zu Rom anschließt. Paulus, ein Knecht Jesu Christi, der sein Leben damit verbringt, diesem Heiland, dem Gesalbten des Herrn, zu dienen, berufen zum Apostel, wie die andern, nur auf eine außerordentliche Weise, jedenfalls mehr geradeswegs durch Christum, als dies bei Matthias (Apg. 1, 26) der Fall gewesen war; abgesondert von andern Menschen, auserwählt vor ihnen, zu predigen das Evangelium Gottes, d. h. das Gott selbst gegeben hat, und wozu er den Grund gelegt hat; welches er zuvor verheißen hat durch seine Propheten in der Heiligen Schrift, so dass also die Propheten in seinem Namen und durch seinen Antrieb geredet haben, und zuvor hingewiesen auf das Evangelium von Christo, das wir also in den heiligen, mit keinen menschlichen Büchern zu vergleichenden Schriften des A. T. angewiesen finden. Dies Evangelium handelt von dem Sohne Gottes (V. 3), der geboren ist aus dem Samen Davids nach dem Fleisch; seinem menschlichen Wesen nach stammt er durch seine Mutter Maria von dem König David ab, dessen Sohn, nach den Aussprüchen der Propheten, Christus sein sollte; ferner aber ist er (V. 4) kräftiglich erwiesen ein Sohn Gottes nach dem Geist, der da heiligt, durch seine Auferstehung von den Toten, d. h. Gott hat einen kräftigen Beweis davon abgelegt, dass es sein Sohn, und nicht der eines menschlichen Vaters ist, indem er ihn von den Toten auferweckt hat, und zwar ist dies geschehen nach dem Geist der Heiligung, weil ihn der Heilige Geist von seiner Empfängnis an heilig, d. h. sündlos gemacht hat, wie ja der Engel zu Maria sagte: Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten, darum auch das Heilige, das von dir geboren wird, wird Gottes Sohn genannt werden. (Luk. 1, 35.) Als Gottes Sohn ist aber Jesus durch seine Auferstehung von den Toten erwiesen worden, d. h. als der Heilige, Sündlose, indem der heilige Gott den Tod, der doch die Strafe der Sünde ist, als ein gerechter Gott auf ihm hätte bleiben lassen müssen, wenn er nicht sündlos gewesen wäre; dadurch aber, dass er ihn von den Toten auferweckt hat, hat er gewaltig erklärt, dass er nicht der Sohn eines sündigen Menschen, sondern sein Sohn ist, weswegen auch Paulus bei einer andern Gelegenheit es öffentlich in einem Bethaus der Juden aussprach: Wir verkündigen euch die Verheißung, die zu unsern Vätern geschehen ist; dass dieselbige Gott uns, ihren Kindern, erfüllt hat in dem, dass er Jesum auferweckt hat, wie denn im andern Psalm geschrieben steht: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt (Apg. 13, 32. 33).1) Das Evangelium von diesem Sohne Gottes hat Paulus zu verkündigen, nämlich von Jesu Christo, unserm Herrn (V. 4); Jesus ist der Name, den er hier auf Erden geführt hat; der Gesalbte Gottes, was ja Christus heißt, ist seine Bestimmung für diese Welt, aber jetzt schon ist er unser Herr; wir alle, die wir glauben, haben ihm zu gehorchen, und haben alles von ihm; durch ihn hat auch Paulus Gnade und Apostelamt empfangen, Gnade, herablassende Liebe, die ihn zum Apostelamt befähigte, und es ihm auch übertrug, ihm den Auftrag gab (V. 5) unter allen Heiden den Gehorsam des Glaubens aufzurichten unter seinem Namen; alle Heiden, wo er sie nur findet, sind dem Apostel Paulus zur Ausübung seines Amtes überwiesen, er soll sie zum Gehorsam des Glaubens bringen, zur Unterwerfung unter das Seligwerden durch den Glauben an Jesum, dessen Namen, was er ist, was er für uns getan, und was ihm um unsertwillen widerfahren ist, er predigt. Zu diesen Heiden, unter denen das Evangelium von Jesu Eingang gefunden hat, gehören auch die Gläubigen in Rom (V. 6), sie sind Berufene Jesu Christi, ihm angehörig, nachdem sie Gott berufen, durch die Wirkung seines Geistes zur Gemeine Jesu gebracht hat. Allen diesen nun wünscht der Apostel Segen; allen, schreibt er (V. 7), die zu Rom sind, den Liebsten Gottes und berufenen Heiligen. Dass wir an Jesum glauben, ist ein tatsächlicher Beweis von der Liebe Gottes gegen uns, denn hätte er uns nicht lieb, so hätte er diesen seligmachenden Glauben nicht in uns gewirkt; berufene Heilige sind wir, deren Berufung ihnen die Bestimmung gegeben hat heilig zu werden. Gnade sei mit euch, schreibt er, herablassende, alles Gute in euch wirkende Liebe, Friede sei mit euch, Freiheit von aller Unruhe und Furcht, sowohl was dieses Leben als auch was das zukünftige betrifft. Diese Gnade und dieser Friede möge euch zu Teil werden von Gott, den wir nicht mehr als einen schrecklichen Richter und Rächer unserer Sünde ansehen, sondern als unsern lieben Vater, mit dem wir vertraulich und vertrauend umgehen können, der uns alle seine Segen durch Jesum Christum, unsern Herrn, zukommen lässt, sodass ich auch von diesem euch Gnade und Frieden zuwünschen kann. Welche Freude muss es der Gemeine in Rom bereitet haben, als sie durch ein so schönes Eingangswort von dem Apostel begrüßt wurde! (V. 1-7.)
Nach diesem Eingangswort und Gruß geht der Apostel näher darauf ein, wie es sein Wunsch sei, in der römischen Gemeine Segen zu stiften. Durch Jesum Christum (V. 8), durch den wir uns Gott nahen, und durch den Gott uns segnet, dankt er Gott in Beziehung auf alle Mitglieder der Gemeine in Rom, weil in der ganzen Welt, d. h. im ganzen römischen Reich, und wo sonst noch etwa christliche Gemeinen sich befanden, von ihrem Glauben, ihrem Vertrauen auf Jesum die Rede sei, weswegen er auch beständig darum bete, dass es ihm einmal zuteilwerden möge, diesen ihren schönen Glauben von nahem zu sehen. Gott ist mein Zeuge, schreibt er (V. 9), welchem ich diene in meinem Geist, d. h. willig und aufrichtig, an dem Evangelium von seinem Sohne, dass ich ohne Unterlass euer gedenke, und allezeit (V. 10) in meinem Gebete flehe, ob sichs einmal zutragen wollte, dass der Wille Gottes mich zu euch brächte. Denn mich verlangt (V. 11), euch zu sehen, auf dass ich euch mitteile etwas geistliche Gabe, Trost, Belehrung usw., wie sie mir die Gnade Gottes zuteilwerden lässt, um euch zu stärken. In seiner tiefen Demut aber, damit es nicht erscheine, als ob er nur gebe und nicht auch empfange, fügt der Apostel hinzu: Das ist (V. 12), dass ich mit euch und unter euch getröstet werde durch unsern gemeinschaftlichen Glauben, den wir, einer wie der andre, haben, indem ihr auf Christum vertraut und ich auch. Kann der hochbegnadigte Apostel erwarten, Erbauung zu finden unter den Mitgliedern der Gemeine zu Rom, wie viel mehr sollten wir meinen, nicht auch an den Worten und an dem Wandel unsrer Brüder in Christo uns zu erbauen! Dies Verlangen nach der Gemeine in Rom hatte es dem Apostel oft in den Sinn gegeben (V. 13) zu ihnen zu reisen, er war aber bis dahin verhindert worden; er hätte ja so gern auch unter ihnen Frucht geschafft für das Reich Gottes, wie ihm das unter andern Heiden schon hin und her gelungen war. Der Apostel wünscht dies Evangelium auch in Rom zu verkündigen, weil er die Predigt des Evangeliums als eine ihm auferlegte Schuld ansieht, die er abzutragen habe. Ich bin ein Schuldner, schreibt er, beides der Griechen und der Ungriechen (der Barbaren) d. h. aller Völker der Heiden, beides der Weisen und der Unweisen, der Gebildeten und Ungebildeten. Darum, heißt es weiter (V. 15), so viel an mir ist, von mir abhängt, und nicht von Gott verhindert wird, bin ich geneigt, auch euch in Rom das Evangelium zu predigen, denn ich schäme mich des Evangeliums von Christo nicht (V. 16), wenn es auch Schimpf und Verfolgung nach sich zieht, so unterlasse ich doch nicht, es zu bekennen, weil es etwas so Großes und Herrliches ist, weil es so viel Gutes wirkt, und so viel Segen stiftet, denn es ist eine Kraft Gottes zur Seligkeit einem jeglichen, der daran glaubt - für die Juden vornehmlich, und auch für die Griechen. Der Apostel nennt das Evangelium eine Kraft Gottes, d. h. nicht etwa eine von Gott gewirkte Kraft, ein Ausdruck, den die Heilige Schrift überhaupt nicht kennt, da sie nichts von Kräften weiß außerhalb Gott, sondern eine Gotteskraft, eine in Gott liegende Kraft, diese begleitet die Predigt des Evangeliums, zunächst bei den Juden, bei denen es Gott von alters her darauf angelegt hat, aber auch bei den Griechen, bei denen sich diese Gotteskraft auch nicht unbezeugt lässt, es ist bei beiden eine Gotteskraft zur Seligkeit, d. h. zur Erlösung oder Errettung, es errettet sie beide von dem Zorne Gottes, der nur infolge der Geduld Gottes noch nicht in vollem Maß über sie hereingebrochen ist, denn derselbe würde sie nach ihrem Tode zu Grunde richten, und jedenfalls am Tage des Gerichtes. Von diesem Zorn errettet sie das Evangelium, die Gotteskraft, die mit demselben tätig ist, und der nichts widerstehen kann, eben weil sie eine Gotteskraft ist.
Dies merkwürdige Evangelium, wovon nun der Apostel bis zum Ende von Kapitel 11 handelt, fasst er nun in wenigen Worten, zugleich mit einem Beleg aus dem A. T. zusammen (V. 17). Denn die Gerechtigkeit Gottes (wörtlicher und besser als Luthers: die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt) wird in demselben offenbart, nicht nur dass sie als etwas Neues gepredigt wird, sondern sie kommt an denen, die sie erlangen, zum Vorschein, und zwar ist sie eine Gerechtigkeit, die aus Glauben in Glauben kommt. Eine Gerechtigkeit Gottes heißt diese Gerechtigkeit, weil nicht Menschen sie zustande bringen, ja nicht einmal Gott in ihnen; sondern weil dieselbe, ehe irgendeine Gerechtigkeit, d. h. ein Halten der Gebote Gottes, in uns zustande gebracht wird, uns von Gott geschenkt wird. Gerecht ist ein Mann, der vor Gericht freigesprochen wird; dies geschähe infolge eigner Gerechtigkeit (Kap. 10, 3) oder der Gerechtigkeit aus dem Gesetz (Phil. 3, 9), wenn ein Mensch das Gesetz Gottes, wie er dasselbe durch Moses gegeben hat, oder auch nur die zehn Gebote, innerlich und äußerlich vollkommen hielte, wie das der sündlose Heiland, Jesus Christus, wirklich getan hat, aber für einen sündigen Menschen, wie wir ja alle sind, ist das unmöglich (Kap. 3, 21; Gal. 2, 16), die Lust am Übertreten des Gesetzes Gottes wohnt nicht nur in unserm Herzen, sondern wir übertreten dasselbe fort und fort äußerlich; wenn daher eine menschliche Gerechtigkeit, eine Gerechtigkeit aus dem Gesetz, zum Seligwerden unumgänglich nötig wäre, so gingen wir alle unrettbar verloren, denn Gott hat es so gefügt, dass alles dem Ungehorsam unterworfen ist, Juden sowohl als Heiden. Da wir nun nicht durch menschliche Gerechtigkeit, durch Gerechtigkeit, die sich in uns findet, selig werden können, so macht uns die Gerechtigkeit Gottes selig, d. h. er vergibt uns unsre Sünden, und erklärt uns für gerecht, obgleich wir es nicht sind, er rechtfertigt uns, wie sich Paulus wiederholt in diesem Brief ausdrückt. Er rechtfertigt uns aber um Christi willen (Kap. 3, 22 c.), nicht indem er uns gerecht macht oder uns heiligt, sondern indem er uns, wie gesagt, ungeachtet unsrer Sünden für gerecht erklärt, und erst die Folge davon ist die Heiligung.
Die Gerechtigkeit Gottes ist aber aus Glauben in Glauben, d. h. wenn einer glaubt, sein Vertrauen auf Jesum setzt, besonders auf seinen Versöhnungstod, so spricht ihn Gott gerecht, mit Glauben hat es angefangen, und geht in den Glauben zurück d. h. wer sein Vertrauen auf Jesum gesetzt hat, dass Gott sich in dessen Namen seiner erbarmen werde, der vertraut nun, nachdem ihm Erbarmen widerfahren und er gerechtfertigt worden ist, darauf, dass Gott ihn in Christo liebt, und wie er sich seiner erbarmt hat, auch fortfahren werde, sich seiner zu erbarmen. Das heißt, die Gerechtigkeit Gottes kommt aus Glauben in Glauben. Dem Glauben, der auf Christum vertraute, ist die Gerechtigkeit zugesprochen worden, wie denn geschrieben steht: der Gerechte wird seines Glaubens leben (Hab. 2, 4); wer, nach dem im A. T. gewöhnlichen Ausdruck, ein gerechter Mann ist, im äußeren Halten der Gebote gewandelt hat, der wird vor Gott gerecht werden nicht durch diese Gerechtigkeit nach dem Gesetz, sondern durch seinen Glauben leben d. h. selig werden. Man kann auch, was den Sinn im Wesentlichen nicht ändert, mehr der Sprache des Paulus gemäß übersetzen: Der aus dem Glauben Gerechte wird leben.