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Kapitel 29

Kapitel 29

Letztes Selbstgespräch Hiobs über sein einstiges Glück (Kap. 29) und sein grenzenloses Elend (Kap. 30) trotz seiner aufrichtigen Frömmigkeit (Kap. 31).

1 Darauf fuhr Hiob also fort, seine Rede vorzutragen:
2 O daß ich wäre wie in früheren Monden, wie in den Tagen da mich Gott beschützte;
3 als seine Leuchte über meinem Haupte schien, und ich bei seinem Licht durch Dunkel wandelte,
4 so, wie ich war in meines Sommers Tagen, als Gottes Freundschaft über meinem Zelte waltete,
5 als der Allmächtige noch mit mir war, rings um mich meine Knaben;
6 als ich meine Schritte in Dickmilch badete, und der Fels neben mir Bäche Öls ergoß;
7 als ich zum Thore ging hinauf zur Stadt, auf dem freien Platze meinen Sitz aufschlug.
8 Wenn mich die Knaben sahen, verbargen sie sich, und die Greise erhoben sich und blieben stehn;
9 Häuptlinge hielten inne mit Reden und legten die Hand auf ihren Mund.
10 Der Edlen Stimme verbarg sich, und ihre Zunge klebte an ihrem Gaumen.
11 Denn wo ein Ohr nur hörte, da pries es mich selig, und wo ein Auge sah, da gab es mir Zeugnis.
12 Denn ich rettete den Elenden, der um Hilfe schrie, und die Waise und den, der keinen Helfer hatte.
13 Der Segen des Verlorenen kam über mich, und das Herz der Witwe macht ich jubeln.
14 Gerechtigkeit zog ich an, und sie zog mich an, wie Talar und Turban zog ich an meine Rechtschaffenheit.
15 Auge ward ich dem Blinden und Fuß war ich dem Lahmen.
16 Ein Vater war ich den Armen und die Rechtssache des mir Unbekannten untersuchte ich;
17 ich zerschmetterte dem Frevler die Kinnladen und warf ihm die Beute aus den Zähnen.
18 So dachte ich denn: „Bei meinem Neste werde ich verscheiden und wie der Phönix meine Tage mehren.
19 Meine Wurzel steht über dem Wasser offen, und der Tau übernachtet in meinen Zweigen.
20 Meine Würde ist stets neu bei mir, und mein Bogen verjüngt sich in meiner Hand.“
21 Mir hörten sie zu und warteten und lauschten schweigend meinem Rate.
22 Wenn ich geredet, sprachen sie nicht mehr, und meine Rede troff auf sie herab.
23 So warteten sie auf mich wie auf Regen und wie nach Spätregen sperrten sie den Mund auf.
24 Ich lächelte ihnen zu, wenn sie verzagten, und das heitre Antlitz trübten sie mir nie.
25 Gern wählte ich den Weg zu ihnen, saß da als Haupt und thronte wie ein König in der Heerschar, wie einer, der Trauernde tröstet.

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