Kapff, Sixtus Carl von - Predigt am Sonntag nach dem Neujahrsfest

Kapff, Sixtus Carl von - Predigt am Sonntag nach dem Neujahrsfest

Text Joh. 1, 1 -18.
1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. 2 Dasselbe war im Anfang bei Gott. 3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. 4 In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. 5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht ergriffen. 6 Es war ein Mensch, von Gott gesandt, der hieß Johannes. 7 Der kam zum Zeugnis, damit er von dem Licht zeuge, auf dass alle durch ihn glaubten. 8 Er war nicht das Licht, sondern er sollte zeugen von dem Licht. 9 Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. 10 Es war in der Welt, und die Welt ist durch dasselbe gemacht; und die Welt erkannte es nicht. 11 Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. 12 Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden: denen, die an seinen Namen glauben, 13 die nicht aus menschlichem Geblüt noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern aus Gott geboren sind. 14 Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. 15 Johannes zeugt von ihm und ruft: Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich. 16 Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade. 17 Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden. 18 Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat es verkündigt.

Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit, Seine Geburt unsre Neugeburt, Seine Beschneidung unsre Erneuerung, Sein heiliger Jesusname unser Licht und Trost bei dem ernsten Wechsel der Zeiten! Das sind die Hauptgedanken, die das Neujahrsfest uns vor Kurzem vorhielt. Den eigentlichen Grund dieser hohen Wahrheiten deckt unser heutiger Text uns auf, indem er in das göttliche Wesen Jesu Christi uns Blicke tun lässt, die über Alles erhaben sind, was die menschliche Vernunft zu erkennen vermag. Aber - dürfen wir eintreten in das Heiligtum, dessen Vorhang durch das Licht unsers Textes uns aufgerollt erscheint? Je mehr wir hineinschauen, desto mehr geht es uns, wie Jesaja, als er den Herrn sahe sitzen auf einem hohen und erhabenen Stuhl, umgeben von Seraphim, die heilig, heilig, heilig riefen, dass die Überschwellen bebten von der Stimme ihres Rufens und das Haus ward voll Rauchs. Von dieser Majestät des Herrn niedergedrückt rief der Prophet: Wehe mir, ich vergehe; denn ich bin unreiner Lippen. Erst als der Seraphim einer mit glühender Kohle vom Altare des Herrn seine Lippen berührt und seine Missetat von ihm genommen hatte, erst da konnte er die Offenbarung des Herrn ertragen. Eben so gehört zum Verständnis unsers Textes ein von Gott geheiligter Sinn; denn nur in Seinem Licht sehen wir das Licht. Darum wollen wir, wie Mose vor dem feurigen Busch, die Schuhe, womit wir auf dem Irdischen uns umhertreiben, ausziehen und im Licht des Heiligen Geistes suchen einzudringen in die Erkenntnis des göttlichen Wesens Jesu, ohne welche wir den unendlichen Werth Seiner Geburt nicht recht verstehen und Seinen Namen nicht wie eine Friedensburg an den Anfang des neuen Jahres hinstellen können. Denn das dürfen wir, wie wir es vor einigen Tagen am Neujahrsfeste zu unserm Troste getan haben. Unser Text gibt uns das vollste Recht dazu; denn er zeigt uns in der Gottheit Jesu Christi nicht nur den Anfang aller evangelischen Heilsbotschaft, sondern auch den Grund und Anfang alles wahren Lebens, sowohl des natürlichen, als besonders des geistlichen. Als solchen Anfang und Urquell alles Lichts und Lebens, mit dem wir voll Zuversicht in jedes neue Jahr und in die Ewigkeit eintreten können, wollen wir Jesum weiter betrachten. Wir folgen dabei unserm Texte, dessen Hauptgedanken folgende sind:

Jesus Christus ist der Anfang alles wahren Lebens.

Er ist dieser Anfang

  1. als die vollkommene Offenbarung Gottes,
  2. als das Leben und Licht der Welt,
  3. als die Gnade und Wahrheit der Kinder Gottes.

Herr! Komm in mich wohnen!
Lass mein Herz auf Erden
Dir ein Heiligtum noch werden!
Komm, du nahes Wesen,
Dich in mir verkläre,
Dass ich Dich stets lieb' und ehre!
So ich geh',
Sitz und steh',
Lass mich Dich erblicken
Und vor Dir mich bücken. Amen.

Unser Text zeigt uns Christum als den Anfang alles wahren Lebens. Er selbst nennt sich so (Off. 1, 11.): Ich bin das A und das O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende, und: das sagt Amen, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Kreatur Gottes. Der Zeuge, der die Wahrheit selbst ist, nennt sich „Anfang“, Urgrund alles Seins und Lebens. Diese tiefe Wahrheit, die für unsern ganzen Glauben so hohe Bedeutung hat, wird in unserm Evangelium nach ihren verschiedenen Beziehungen zu Gott, zur Welt, zur Menschheit und besonders zu den Geistes- oder Gottesmenschen auseinandergesetzt. Als den tiefsten Grund, warum Christus „der Anfang“ heißt, gibt unser Text uns den an, dass

I.

Er die vollkommene Offenbarung Gottes selbst ist. Das drückt Johannes dadurch aus, dass er Christum „das Wort“ nennt. „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ Diese wunderbaren Worte führen unsern Geist vom Anfang des Evangeliums zurück in den Uranfang der Ewigkeit, in dem noch keine Kreatur war, kein Mensch, kein Engel, keine Welt und keine Zeit. Da war nur Gott und das Wort und der Geist. Das Wort war im Anfang, d. h., da Gott keinen Anfang hat, es war von Ewigkeit bei Gott und Gott selbst war das Wort. Mit dieser tiefen Rede hat der Apostel einerseits den Unterschied im göttlichen Wesen, andererseits die vollkommene Einheit desselben angezeigt. Gott unterscheidet sich von dem Wort, „das Wort ist bei Gott“, also, um menschlich davon zu reden, außer und neben ihm, und doch ist Gott selbst das Wort oder das Wort ist Gott. Folglich ist Gott und das Wort vollkommen Eins, daher das Wort sogar nach Seiner Menschwerdung sagen kann: Ich und der Vater sind Eins (Joh. 10.). Aber wie unterscheidet sich das Wort vom Vater? Wie bei uns der Gedanke sich ausspricht im Wort, und beide unterschieden und doch Eins sind, so redet, wirkt und offenbart sich der Vater durch das Wort; das Wort ist außer Ihm als der Ausdruck Seines Wesens und doch Eins mit Ihm als sein eigenstes, ewiges Wesen. Worte sind überall Mittel des Bewusstseins. Kein Geist ist seines Gedankens sich bewusst ohne den Ausdruck im Wort. Auch Gott musste Seinem innersten Wesen nach, das ja lauter Liebe ist, sich mittheilen und offenbaren im Wort und konnte daher nicht sein ohne ein Wesen außer Ihm, in welchem Er sich selbst anschauen, erkennen und sich so im Gegenstand Seiner Liebe selber abstrahlen konnte. Die ganze Fülle Seiner Herrlichkeit hat sich im ewigen Sohne abgespiegelt; in Ihm hat Gott Seine ganze Vollkommenheit von Ewigkeit her angeschaut. Er ist das völlige Ebenbild und der reine Abglanz oder Ausdruck des göttlichen Wesens (Ebr. 1,3.), also Gott selbst und als sein Ebenbild doch von ihm zu unterscheiden, so dass im Wesen kein Unterschied ist, sondern bloß im Bewusstsein.

Diese tiefe, all' unser Begreifen übersteigende Verbindung zwischen Gott und Seiner Wesensoffenbarung kann die Sprache nicht ausdrücken, sie ringt nach Bildern aus dem Menschlichen, z. B. „Vater und Sohn“ und noch tiefer: „Gott und Wort.“ Das Sichoffenbaren oder Sichselbstmitteilen Gottes an das Wort wird ein Zeugen genannt, daher Christus in unserm Text der „Eingeborne, einziggeborne oder gezeugte“ heißt, obwohl diese Zeugung eine ewige ist, die Jesus selbst (Joh. 5.) durch die Worte erklärt: wie der Vater das Leben hat in ihm selbst, also hat er dem Sohne gegeben das Leben zu haben in ihm selbst. Eben deswegen ist das Wort „Sohn“ noch zu menschlich, macht den Sohn zu sehr abhängig und unterschieden vom Vater, während dagegen der Ausdruck „Wort“ mehr die Wesensgleichheit und Wesenseinheit des Vaters und Seines Offenbarers ausdrückt. Nur ist das Wort Gottes persönlich geworden, während menschliche Worte nichts Wesenhaftes, für sich Bestehendes haben. Wie in der Schöpfung - Gottes Worte sich gleichsam verkörperten, so ist sein Urwort, seine von Ewigkeit her ausgesprochene Wesenheit ein besonderes Wesen außer ihm, denn „dasselbige war im Anfang (von Ewigkeit her) bei, d. h. außer und doch in Gott,“ Gott von Gott, Licht vom Licht, gleich ewig, gleich allmächtig, gleich vollkommen wie der Vater, das Ebenbild seines Wesens und sein Wesen selbst. Ebendeswegen bleibt die göttliche Natur des Sohnes für uns so unbegreiflich, wie das Wesen des Vaters, und es gilt, was Jesus sagt: „Niemand kennet den Sohn, denn nur der Vater“ (Matth. 11, 27.), und Paulus: kündlich groß ist das gottselige Geheimnis: Gott ist geoffenbart im Fleisch (1. Tim. 3.). So unergründlich dieses Geheimnis ist, so gewiss ist, dass wir nur im Sohne den Vater haben, und dass Niemand zum Vater kommt, denn nur durch den Sohn (Joh. 14, 6.). Daher sagt unser Text: Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborne Sohn, der in des Vaters Schoos d. h. aus und in dem Wesen des Vaters, Eins mit Ihm ist, und als der Einzige des ganzen Geisterreiches in völliger Wesensgleichheit mit Gott steht, der hat es uns verkündiget, Gottes Wesen uns geoffenbart. Außer Christo schaut kein geschaffener Geist in die Tiefen des göttlichen Wesens. Selbst zu Mose, seinem Freund, spricht der Herr: kein Mensch wird leben, der mich sieht (2. Mos. 33.). Aber als Ersatz dafür verheißt er ihm: mein Angesicht soll mit dir gehen. Das Angesicht Gottes ist der offenbare Gott, in dessen Erscheinung sich die verborgene Herrlichkeit der Gottheit darstellt; es ist der Engel des Bundes, der Engel Jehovah, der den Vätern des alten Bundes so oft erschien und ganz als der Herr selbst mit ihnen sprach und sich sogar selbst z. B. aus dem feurigen Busch bei Mose Jehovah nennt, von dem Gott sagt: Mein Name d. h., mein Wesen ist in ihm.

Dass dieser Offenbarer des verborgenen Gottes der Anfang alles wahren Lebens sei, ist besonders deutlich Sprichw. 8. gelehrt. Da spricht die Weisheit, d. h. eben der Engel Jehovah oder das ewige Wort also: „der Herr hat mich gehabt im Anfang seiner Wege, nach dem Grundtext: als den Anfang seines Weges, d. h. seiner, Offenbarung und Selbstmittheilung, somit als den Anfang des aus Gottes Tiefen hervortretenden Lebens; ehe er etwas machte, war ich da, ich bin eingesetzt, oder, wie es wortgetreuer heißen sollte, gesalbt von Ewigkeit, von Anfang, vor der Erde. Da er den Grund der Erde legte, da war ich der Werkmeister bei ihm und hatte meine Lust täglich (wortgetreuer: war Lust für ihn) und spielte vor ihm allezeit.“ Wie das Bild im Spiegel, so und noch unendlich tiefer stellt das wesenhafte Abbild der göttlichen Herrlichkeit alle Vollkommenheiten Gottes in sich dar, und diese Liebes- und Wesensgemeinschaft Gottes und seines Wortes ist Gottes Lust und Seligkeit. Denn Gott kann das höchste Wohlgefallen nur an dem reinen, heiligen Ebenbild seines Wesens, an dem Sohn seiner Liebe finden, in welchem er seine unendliche Vollkommenheit anschaut, erkennt und liebt. Aber vom Sohne breitet sich die unendliche Liebe Gottes aus zu den Kreaturen; die Weisheit steigt vom Himmel herab und sagt deswegen: „meine Lust ist bei den Menschenkindern.“ Als zu seinem Bild Geschaffene liebt er sie; und der Sohn, das der Welt zugekehrte Antlitz Gottes, hat Seine Lust an ihnen so sehr, dass er ihre Natur an sich genommen hat, um sie zu retten aus dem Abfall von Gott und zur ewigen Liebe sie zurückzuführen. Deswegen sagt unser Text „das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns.“ Das ist der wunderbare Übergang des Wortes aus der ewigen Gottherrlichkeit in die Niedrigkeit des menschlichen Lebens und eben dieses Eingehen der ewigen Offenbarung Gottes in die Gestalt des sündlichen Fleisches ist der Anfang der neuen Zeit, die mit Christi erlösendem Leben über der Menschheit aufgegangen ist, der Anfang einer neuen Geburt der ganzen Menschheit in der Person des Gottmenschen.

Ehe wir zu dieser Betrachtung weitergehen, wollen wir nur noch einige Zeugnisse der Schrift vernehmen, die uns Christum als die ewige Offenbarung Gottes darstellen. Jesajas nennt ihn (9,6.) den Sohn, dessen Name ist Wunderbar, Rath (Weisheit), Gottheld, Ewigvater (wörtlich: Vater der Ewigkeit), Friedefürst. Bei Jeremias (23, 6.) heißt er Jehovah unsre Gerechtigkeit, bei Sacharja (2,8.) Jehovah Zebaoth, bei Micha (5, l.) der, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. Johannes nennt Ihn in unsrem Text die Herrlichkeit des Vaters, und in seinem ersten Brief (5,20.) den wahrhaftigen Gott und das ewige Leben; denn nach unsrem Evangelium war Er eher, denn Johannes, der Täufer, ebenso eher, denn Abraham (Joh. 8.); ja, ehe die Welt war, war Er in ewiger Klarheit und Herrlichkeit des Vaters (Joh. 17.). Deswegen nennt Ihn Paulus den großen Gott und Heiland (Tit. 2, 13), Gott über alles gelobet in Ewigkeit (Röm. 9, 5.), in welchem leibhaftig d. h. wesenhaft wohnet die ganze Fülle der Gottheit (Col. 2,9.).

O erhebe, meine Seele, den Herrn, und mein Geist freue dich Gottes, deines Heilandes! Beten alle Engel Ihn an, so will auch ich mein Herz und Leben Ihm heiligen; ist Er der ewige Mittler, ohne den es keinen Weg gibt vom Vater zu uns und von uns zum Vater, so soll Er auch in meinem Leben Anfang, Mittel und Ende sein. Er soll auch mein Ein- und Alles sein und immer mehr werden, bis ich Ihn erkennen werde, gleichwie ich von Ihm erkannt bin.

II.

Christus ist aber auch deswegen der Anfang alles wahren Lebens, weil Er das Leben und das Licht der Welt ist. In Ihm war das Leben, sagt Johannes, Er ist der Urgrund alles Lebens, denn „alle Dinge sind durch das Wort gemacht und ohne dasselbige ist Nichts gemacht, was gemacht ist.“ Wunderbare Worte! Wenn wir in der Schöpfungsgeschichte des alten Bundes lesen: „am Anfang schuf Gott Himmel und Erde,“ wer denkt da daran, dass der, durch welchen Himmel und Erde geschaffen worden, Christus sei, Christus, das ewige Wort, das da spricht, so geschieht es, das da gebeut, so steht’s da. Ja Er ist es, durch welchen Gott die Welt gemacht hat (Ebr. 1.). In dem unermesslichen Umfang der Schöpfung ist „ohne Ihn Nichts gemacht, was gemacht ist.“ Das bezeugt Paulus ausführlich (Col. 1, 17.): durch Ihn ist Alles geschaffen, das im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und Unsichtbare, beides die Thronen und Herrschaften, die Fürstentümer und Obrigkeiten; es ist Alles durch Ihn und zu Ihm geschaffen. Er ist vor Allen und es bestehet Alles in Ihm. Er erhält, Alles, trägt alle Dinge mit dem Wort Seiner Allmacht (Ebr. 1.).

O wie jauchzet mein Herz vor Freude und bebet von heiligem Schauer über dieser Größe und Herrlichkeit meines Heilandes! Der, den ich in der Gestalt meines sündlichen Fleisches auf Erden wandeln sehe, der auch der ärmsten Sünder sich erbarmungsvoll annimmt und alle ihre Noth heilt, der am Kreuze für mich gestorben ist in tiefster Schmach und Qual, zu dem ich heute noch ohne Furcht und Grauen beten darf und der sich auch freundlich zu mir hält, in dem war und ist die ewige Gottheit, die dem, das nicht ist, rief, dass es sei, und Alles, was ich sehe in der weiten Welt und an mir und aller Menschen Leben, das ist Seiner Hände Werk und Seines Geistes Hauch. Die Erde mit Allem, was darauf ist das Meer, dessen Wogen brausen, die Sonne und alle leuchtende Sterne, - Er hat sie gemacht, Er hat Welten ohne Zahl wie Sandkörner ausgestreut in den unermesslichen Himmelsraum. Mein unsterblicher Geist, aller Menschen Seelen, aller Engel Glanz und Pracht und alle Himmelsherrlichkeit - Er ist ihre Quelle und in Ihm ist der Grund und Anfang des höchsten geistigen, wie des niedersten leiblichen Lebens. O betet an, betet an vor dem König der Ehren, von dem ein überschwänglich reicher Lebensstrom geflossen ist in Millionen geschaffener Wesen. Wie einst, da Er die Erde gründete, die Morgensterne Ihn lobten und jauchzten alle Kinder Gottes, so soll Sein Lob immerdar in unsrem Munde sein; ja Alles, was Odem hat, lobe den Herrn! Hallelujah!

„In Ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen, das Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.“ Was nur von Licht, Wahrheit und Weisheit zu irgend einer Zeit in die Menschheit geflossen ist, das ist ein Ausfluss aus Christo. Die Offenbarung Gottes an Adam, Noah, Abraham, Mose und an alle die Führer und Lehrer des Volks, Könige und Propheten, der ganze alte Bund war die Morgendämmerung, deren Schimmer nur von Christo, als der Sonne der Geister, herrührte. Auch das natürliche Licht unsers Geistes, Gewissen und Vernunft, in dessen Schein auch die Heiden ein gewisses Maas von Erkenntnis erlangten (Röm. 1 und 2.), es ist ein Licht, das Christus, der einige Offenbarer Gottes, angezündet hat; und was nur in der ganzen Heidenwelt Wahres, Schönes und Gutes sich findet und was heute noch der natürliche Mensch Lobenswertes hat und tut, das alles hat von Christo seinen Schein, wie der Mond von der Sonne. Nur von Ihm werden alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen, auch wenn sie Ihn nicht kennen. Dass es also sei, beweist unser Text, indem er zeigt, wie von Natur alle Menschen ohne Licht sind, versunken in Finsternis. „Das Licht scheinet in der Finsternis und die Finsternis haben es nicht begriffen. Es war von jeher in der Welt, und die Welt ist durch dasselbige gemacht, aber die Welt kannte es nicht.“ Ist das nicht eine furchtbar-ernste Wahrheit? Das Geschöpf hat den, dem es sein Leben verdankt, nicht erkannt; am hellen Mittag haben sie die Sonne nicht gesehen! Wie tief muss das Verderben einer solchen Kreatur sein, und wie wenig hat die Menschennatur Ursache, sich zu trösten, als ob sie Licht und Leben in sich selbst hätte außer Christo! Seit dem Sündenfall wurde die Menschheit immer weiter von Gott entfremdet; in Selbstsucht, Eigenwillen und Weltlust versunken, beteten sie das an, was ihnen Genuss, Macht und Besitz verschaffte. In diesem fleischlichen Sinn haben sie das Geschöpf mehr geehrt, denn den Schöpfer, und so ist ihr unverständiges Herz verfinstert worden (Röm. l.), dass sie das reine Licht des heiligen Gottes nicht liebten und darum nicht erkannten. Denn um ihn zu erkennen, muss man ihn lieben. Das wollte die Welt nicht und zeigte damit, dass in ihr kein Licht sei, sondern nur Finsternis. Selbst das auserwählte Volk liebte die Finsternis des fleischlichen Lebens mehr, als das Licht eines reinen göttlichen Lebens. Daher sagt unser Text: „Er kam in Sein Eigentum und die Seinen nahmen Ihn nicht auf.“ Sein Eigentum war das alte Bundesvolk Israel, die Seinen nach Seiner menschlichen Abstammung. Dass auch diese, die von alten Zeiten her durch Gesetz und Verheißung so wunderbar auf Ihn vorbereitet waren, doch Ihn nicht erkannten, das ist ein Beweis, dass alle Menschen, also auch du und ich, in sich kein Licht haben, sondern Finsternis und Schatten des Todes, und dass in Christo allein Licht und Leben für alle Menschen zu finden ist. Er allein ist der Anfang des wahren Lebens, wie in der Welt, so in jedem einzelnen Menschenherzen. Ja

III.

Jesus ist Gnade und Wahrheit und so der Anfang des wahren geistlichen Lebens auch bei den Kindern Gottes. Johannes sagt: „Das Gesetz ist durch Mosen gegeben, die Gnade und Wahrheit ist durch Jesum Christum geworden,“ und eben durch diese zwei Hauptgottesgaben, Gnade und Wahrheit, ist Er der Anfang des geistlichen Lebens in allen Kindern Gottes zu allen Zeiten geworden.

Im Alten Bunde war für die eigentlichen Sünden keine Vergebung, sondern Todesstrafe, für die leichteren Vergehungen war nur durch Opfer Versöhnung zu erlangen; aber die Opfer mussten immer wiederholt werden und es war unmöglich, durch der Ochsen und der Böcke Blut Sünden wegzunehmen (Ebr. 10) In Christo dagegen ist die volle Gnade Gottes gegen Sünder, seine unendliche Liebe erschienen, und von Golgatha aus tönt über die ganze Erde hin das herrliche Evangelium: Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von aller Sünde. An Christi Kreuz ist der Zorn verwandelt in Liebe, denn Er hat an unsrer Statt den Fluch unsrer Sünde getragen; ist Einer für Alle gestorben, so ist es, als wären sie Alle gestorben. Denn als der wahrhaftige Gott kann Jesus Allen, die dem Tod verfallen waren, Leben geben, weil Alles, was Er getan und gelitten hat, durch Seine ewige Gottheit einen unendlichen Werth und ein ewig gültiges Verdienst hat. Deswegen sagt unser Text ans Seiner Fülle haben wir Alle - so viele unser gläubig worden sind - genommen Gnade um Gnade, d. h. eine Gnade um die andere, Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit vor Gott, Gemeinschaft des Heiligen Geistes, Kindschaft Gottes, Friede und selige Ruhe des Herzens, Zugang zum Gnadenthron, Licht aus Gottes Wort, Kraft zu allem Guten, Liebe und Geduld, Freude in der Gemeinschaft, der Heiligen und eine gewisse Hoffnung des ewigen Lebens. In dieser Fülle der Gnade Christi liegt auch die vollkommene Wahrheit, die uns durch Jesum geworden ist. Außer Ihm ist alles eitel; da ist Betrug der Sünde, Selbsttäuschung, Irrtum, Unglaube und so Finsternis. In Ihm und aus Ihm allein ist wesenhaftes Gut, wesentliche Wahrheit, ewiger Bestand. Sein Geist leitet in alle Wahrheit, und der in Ihm aufgeschlossene Himmel verbreitet über alle irdische Erscheinungen das rechte Licht. So ist Er der Anfang des geistlichen, des alleinwahren, seligen und ewigen Lebens.

Aber bei wem ist Er dies? Das sagt unser Text „Wie viele Ihn aufnahmen, denen gab er Macht (innere Freiheit, Kraft und Würde) Gottes Kinder zu werden, die an Seinen Namen glauben, welche nicht von dem Geblüt noch von dem Willen des Fleisches, noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.“ Wiedergeburt, Geburt aus Gott heißt die große Veränderung, die bei uns Allen vorgehen muss, damit wir aus Finsternis, Tod und Verdammnis übergehen in das Leben und Licht, in die Gnade, Wahrheit und Seligkeit Gottes. Solche Wiedergeburt geschieht durch die Mittheilung des Heiligen Geistes in gottverlangende, heilsbegierige Seelen. Den Geist aber sendet Jesus vom Vater (Joh. 15,26.) und so ist Jesus der Anfang des geistlichen Lebens durch die Neugeburt. Nachdem der Geist die Seelen von ihrer Sünde und Fluchwürdigkeit überzeugt hat, so verklärt er in ihnen Jesum als das alleinige Heil, voller Gnade und Wahrheit, und so findet ein Herz, dem die Sünde zuerst eine Lust, dann eine schwere Last geworden war, in Jesu Leben, Leiden und Tod seine Versöhnung, und in Seiner Auferstehung und Himmelfahrt seine Rechtfertigung und Erhöhung. Ja, je mehr wir Christo uns hingeben, desto mehr werden wir durch Seine Gnade getröstet, durch Seine Wahrheit erleuchtet und geheiligt und so verklärt in Gottes Bild von einer Klarheit in die andere. Der Fleischeswille und alles, was wir durch die unreine Geburt von Adam her in uns haben, das wird durch die Geburt aus Gott, durch den Geist mehr und mehr verdrängt oder verklärt, und je größer unsre Liebe zu Gott und Jesu ist, desto bälder gilt uns das Wort: Ist Jemand in Christo, so ist er eine neue Kreatur, das Alte ist vergangen, siehe es ist alles neu geworden (2 Kor. 5.).

Da zeigt sich dann erst vollkommen, in welch' hohem Sinne Christus das Leben und das Licht der Menschen ist, ein Licht, das sich über Alles verbreitet, durch das selbst unser Dunkel wird, wie der Mittag (Jesaj. 58.), ein Leben, das fortwirkt, bis Alles, was vom Tod noch übrig, verschlungen ist in den Sieg und bis in der Auferstehung die Gerechten leuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich. Dann ist Christus Anfang und Ende und durch Ihn sind wir nach Geist, Seele und Leib verklärt in das, was Er selbst ist, in das Bild Gottes.

Nun, Geliebte, ist Christus so der Anfang alles wahren Lebens, des leiblichen und geistlichen, des zeitlichen und ewigen, ist Er der Anfang und das Ende, in dem allein unsre Seelen zur Ruhe und zum Frieden kommen, wie dürfen wir es länger hinausschieben, Ihm uns gänzlich zu ergeben, wie darf die Sunde uns noch gefangen halten, wie die Welt uns lieber sein, als Er, der für uns vom Himmel auf die Erde gekommen ist, damit wir von der Erde zum Himmel erhoben würden? Ja wie darf auch nur Eine Lust uns begehrungswürdiger sein, als Seine Liebe, wie Eine Ehre und Ein Gut höher, als die unverwelkliche Krone der Ehren und als der unerschöpfliche Brunnen der Freude, wozu Er führt? Nein, es bleibe bei dem, was wir vor einigen Tagen bei unsrer Huldigung zum neuen Jahr Ihm gelobt haben:

Weg Welt, weg Sünd', dir geb' ich nicht
Mein Herz; nur, Jesu, Dir,
Ist dies Geschenke zugericht't,
Behalt es für und für.

Jesus, der wahrhaftige Gott und das ewige Leben, sei unser Anfang im neuen Jahre, unser Anfang an jedem Tage, bei jedem Geschäfte, im Leiden, im Tod und in der Ewigkeit. Seine Liebe sei unser Leben, Seine Wahrheit unser Licht, Seine Gerechtigkeit unser Schmuck, Sein Reich unsre Heimat! Ist so Er unser Ein und Alles, dann werden wir durch Ihn der göttlichen Natur teilhaftig werden und zur Erfüllung der großen Verheißung gelangen: Wer überwindet, der wird es Alles ererben, und Ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein. Amen.

Quelle: Dr. Christian Friedrich Schmid/ Wilhelm Hofacker - Zeugnisse evangelischer Wahrheit, Bd. 3

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