Kapff, Sixtus Carl von - Am Sonntag Judica.

Kapff, Sixtus Carl von - Am Sonntag Judica.

Text: Hebr. 9,11-15. Christus aber ist gekommen, dass Er sei ein Hohepriester der zukünftigen Güter durch eine größere und vollkommenere Hütte, die nicht mit der Hand gemacht ist, da ist, die nicht also gebaut ist; auch nicht durch der Böcke oder Kälber Blut, sondern Er ist durch sein eigenes Blut Einmal in das Heilige eingegangen, und hat eine ewige Erlösung erfunden. Denn, so der Ochsen und der Böcke Blut, und die Asche von der Kuh gesprengt, heiligt die Unreinen zu der leiblichen Reinigkeit; wie vielmehr wird das Blut Christi, der sich selbst ohne allen Wandel durch den heiligen Geist GOtt geopfert hat, unser Gewissen reinigen von den toten Werken, zu dienen dem lebendigen GOtt? Und darum ist Er auch ein Mittler des neuen Testaments, auf dass durch den Tod, so geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen, die unter dem ersten Testament waren, die, so berufen sind, das verheißene ewige Erbe empfangen.

Im heutigen Evangelium bezeugt der Heiland, dass Ihn Niemand einer Sünde zeihen1) könne, dass GOtt sein Vater sei, bei dem Er gewesen, ehe denn Abraham war, und dass, wer sein Wort halte, den Tod nicht sehe ewiglich. In diesen Worten liegt das Zeugnis von der heiligen und göttlichen Natur JEsu Christi. Unter Allen, die je auf Erden wandelten, ist Er der Einzige ohne Sünde, und ehe denn die Welt gegründet war, da war Er in der Herrlichkeit des Vaters als die ewige Weisheit, durch die alle Dinge gemacht sind. Deswegen konnte Er nach unserer Epistel das in Adam verlorene Geschlecht durch eine ewig gültige Erlösung erretten. Hätte Ihn Jemand einer Sünde zeihen können, so hätte Er selbst den Tod verdient, aber als der Heilige konnte Er für die Sünden der Unheiligen sterben, und um seiner göttlichen Natur willen galt sein Versöhnungsopfer für die ganze Menschheit. Deswegen heißt Er in unserer Epistel der Hohepriester der zukünftigen Güter, dessen Blut unser Gewissen auf ewig reinigt von allen toten Werken, dass die, so berufen sind, das verheißene ewige Erbe empfangen. Dabei zeigt der Apostel, wie unendlich das Opfer Christi alle Opfer des alten Bundes übertreffe, und wie alle Versöhnungsmittel der jüdischen Heils-Ökonomie bloß Schatten von dem waren, was in Christo erschienen ist. Solche Vergleichung der alt- und neutestamentlichen Heilsanstalten ist für uns von hoher Wichtigkeit, da wir daraus recht anschaulich erkennen, wie viel wir JEsu zu verdanken haben und wie viel Ursache also auch in dieser Passionszeit, über die Kraft seines Leidens und Todes fleißig nachzudenken und solches uns recht zuzueignen. Daher betrachten wir unter dem Segen des HErrn

Die Vorbilder des Hohepriestertums JEsu im alten Bund.

Wir sehen

  1. wie bedeutungsvoll diese Vorbilder waren,
  2. wie herrlich ihre Erfüllung in JEsu war.

I.

In unserem Text nennt der Apostel drei Hauptvorbilder des Hohepriestertums JEsu: die Hütte GOttes oder den Tempel, die Opfer im Tempel und den Hohepriester. Andere Vorbilder waren Isaaks Opfer, Melchisedeks Person und königliches Priestertum, das Osterlamm, die eherne Schlange und dergleichen.

Von der Hütte oder dem heiligen Gezelt spricht unser Text in den Worten: „Christus ist gekommen, dass Er sei ein Hohepriester der zukünftigen Güter durch eine größere und vollkommenere Hütte, die nicht mit der Hand gemacht, nicht also, wie die irdische, gebaut ist.“ Die irdische Hütte war nur der Schatten dessen, was in Christo wesenhaft erschien. Aber doch war Alles an ihr sehr bedeutungsvoll, daher der Apostel gerade vor unserem Text viel davon spricht. Die Hütte hatte drei Hauptteile, den Vorhof, das Heilige und das Allerheiligste. Das Volk durfte bloß bis in den Vorhof kommen, weil es in seiner Unreinigkeit nicht wert war, in das Heiligtum GOttes zu treten. Und selbst zum Vorhof erhielten sie den Zutritt nur durch die Opfer, die auf dem Brandopferaltar im Vorhof dargebracht wurden. Ohne das alle Tage fließende Blut der Opfer wäre die Nähe GOttes ihnen gänzlich verschlossen gewesen.

In das Heilige durften nur die Priester gehen, die GOtt geheiligten und geweihten Söhne Aarons, das heilige, ausgesonderte Geschlecht. Aber auch sie durften das Heiligtum nicht betreten, ohne zuvor in dem ehernen Becken im Vorhof ihr Fleisch mit Wasser gewaschen zu haben. Ihr Geschäft im Heiligtum war das Räuchern auf dem goldenen Rauchaltar, der in der Mitte stand, und das Anzünden und Besorgen des goldenen Leuchters auf der Seite, und das Auflegen der Schaubrote, die von einem Sabbat zum anderen auf dem goldenen Schaubrottisch an der anderen Wand liegen mussten.

Hinter dem Vorhang des Heiligen war das Allerheiligste, und in ihm war die Bundeslade mit dem Gnadenstuhl und den Cherubim darüber. Das war der eigentliche Thron GOttes. Zu diesem durfte kein Mensch nahen, als der Hohepriester, und auch er nur an Einem Tag des Jahrs, am großen Versöhnungstag, und nur mit Blut der Versöhnung und mit dem goldenen Rauchfass, dessen Rauch den Gnadenstuhl verhüllen sollte.

Das Alles war bedeutungsvoll für die Grundgedanken des neuen Bundes. Die Stiftshütte, als Wohnung GOttes, war das Vorbild Christi und seines Amtes. Wie GOtt sagte, vom Gnadenstuhl aus wolle Er mit Mose reden, und wie dorthin alle Gebete Israels gerichtet wurden, so ist nach Röm. 3 Christus der wahrhaftige Gnadenstuhl, durch den allein der Vater mit uns redet und wir mit dem Vater. GOtt war in Christo - diese Wahrheit wurde vorgebildet durch die Hütte des Zeugnisses, in der Alles auf die beständige Gegenwart GOttes hinwies. Darum musste auf dem Brandopferaltar Tag und Nacht unausgesetzt das heilige Feuer brennen, auf dem die Opfer Morgens und Abends verbrannt wurden. Auf dem Schaubrottisch lagen als beständiges Speisopfer „die Brote des Angesichts, „ d. h. der Gegenwart Gottes, als Vorbild auf das ewige Brot des Lebens. Der Räuchaltar stand mitten im Weg zum Allerhelligsten als Vorbild der priesterlichen Fürbitte Christi, ohne die wir nicht zu GOtt kommen dürfen. Der goldene Leuchter strahlte beständig sein siebenfaches Licht als Vorbild dessen, der da ist das Licht der Welt durch seinen heiligen Geist.

Dass aber kein Mensch das Allerheiligste betreten durfte, als nur der Hohepriester mit Versöhnungsblut, das zeigte an, dass vor Christi Opfertod alle Menschen von der Nähe und Gemeinschaft GOttes ausgeschlossen seien, und dass die Sünde eine Scheidewand zwischen uns und GOtt sei, gleich dem dichten Vorhang, auf dem Cherubim eingestickt waren, die sie vom Heiligtum abwehrten, wie einst der Cherub mit dem flammenden Schwert von dem Paradies vertrieb. Weil aber diese Scheidung aufhören sollte, und weil die äußerlichen Darstellungen der Gegenwart GOttes seiner innerlichen Gegenwart in Christo und durch Ihn in uns Platz machen sollten, deswegen war die Hütte, wie unser Text nach dem Griechischen sagt, nur von dieser nämlichen irdischen, vergänglichen Schöpfung. Der Schatten verging, als das Wesen in Christo erschien.

Ebenso war es mit den Opfern, von denen in unserem Text auch die Rede ist. Sie waren voll tiefer Bedeutungen auf das ewig gültige Opfer Christi. Der Apostel sagt: „Der Ochsen und der Böcke Blut, und die Asche von der Kuh gesprengt, heiligt die Unreinen zu der leiblichen Reinigkeit.“ Unter den vielerlei Opfern waren die Sündopfer die wichtigsten, und sie besonders waren Vorbilder auf Christum. In den Sündopfern musste ein Leben gegeben werden für das Leben des Sünders. Der Sünder, der das Tier darbrachte als Opfer für seine Sünde, musste dem Tier die Hände auf das Haupt legen, womit er bekennen sollte, dass er so wie das Opfertier zu sterben verschuldet hätte, dass er aber seine Sünden dem Tier, als seinem Stellvertreter, aufs Haupt lege. Dabei mussten die Opfertiere durchaus ohne Wandel sein, d. h. jedes in seiner Art vollkommen, ohne Fehler, ohne Wunde, Narbe, Krümmung, Beule und dergleichen, womit angezeigt wurde, dass nur etwas Vollkommenes für das Unvollkommene, etwas Reines für das Unreine geopfert werden könne. Und das Blut musste ins Heiligtum getragen werden, das Blut, von dem es heißt: „Das Leben des Tiers ist in seinem Blut;“ also Leben musste GOtt geopfert werden, zunächst Tierleben, anstatt Menschenleben. Das Blut wurde an den Gnadenstuhl gesprengt, gewöhnlich aber an die beiden Altäre, und so die Sünde versöhnt, nach dem Hebräischen wörtlich: bedeckt. Die Sünden wurden als am Thron oder Altar GOttes haftend, und gegen die Sünder zeugend gedacht; durch das Versöhnungsblut aber wurden die Sündenflecken gleichsam zugedeckt. Die beständige Wiederholung der Opfer aber wies hin auf ein Opfer, das an Vollkommenheit die Menschen eben so weit übertrifft, als Menschen an Vollkommenheit die Tiere übertreffen sollen. Daher sagt der Apostel in dem Kapitel nach unserem Text: „Alle Jahre muss man opfern immer einerlei Opfer, und kann nicht, die da opfern, vollkommen machen, denn es ist unmöglich, durch Ochsen- und Bocksblut Sünden wegnehmen.“ So half auch die Asche von der roten Kuh, die, mit Wasser vermischt, zu einem Reinigungsmittel für levitisch Unreine diente - sie half bloß zu leiblicher Reinigkeit, wie unser Text sagt, d. h. dass Einer wieder unter die Gemeine GOttes kommen durfte. Aber doch bildete diese äußerliche Reinigung die innere vor, die allein zum Reich GOttes uns den Zugang eröffnet.

So war auch der Hohepriester ein Vorbild des vollkommenen Priestertums Christi. Nach unserem Text ging der Hohepriester in das Heilige, das mit Händen gemacht ist. Er tat das als Mittler des alten Bundes, als Mittelsperson zwischen GOtt und den Menschen. Denn Er allein durfte vor den Thron der göttlichen Majestät treten, Er trug dahin das Blut der Versöhnung, Er betete für das Volk und brachte ihm den Segen des HErrn aus dem Heiligtum. Dieses Mittleramt wurde auch durch das Äußere des Hohepriesters abgebildet. Über dem weißen Priestergewand trug er einen himmelblauen Talar mit goldenen Glöcklein, und über diesem den Leibrock, in dem das goldene Brustschildlein war mit den zwölf Edelsteinen, in welche die Namen der zwölf Stämme Israels eingegraben waren. Noch einmal trug er diese Namen auf zwei Onyxsteinen auf den Schultern. Indem so der Hohepriester die Kinder Israel auf seinem Herzen tragen musste, so handelte er in Allem als ihr Stellvertreter und Mittler, sein Opfern, Beten und Segnen geschah ganz nur für sie. Auf seiner Stirn aber trug er das goldene Stirnblatt mit der Inschrift: „Heiligkeit Jehovah.“ Indem er so den allerheiligsten Jehovahnamen an seiner Stirn trug, erschien er als der GOtt-geweihte Mittler, durch dessen heiliges Amt und Priestergeschäft Israel vor dem HErrn versöhnt und alles Mangelhafte in GOttes Dienst getilgt wurde nach 2 Mos. 28,38., da GOtt statt der Unreinigkeiten Israels den von ihm geweihten Mann ansah und durch die von seiner Stirne strahlende Heiligkeit seines Namens die vielen Gebrechen des Volks gleichsam überstrahlen ließ, dass sein Wohlgefallen auf ihm ruhen konnte. Das Alles war vorbildlich auf den großen Mittler, durch den allein GOttes Wohlgefallen vollkommen uns zu Teil wird, in dem allein GOtt uns vollkommen als heilig anschauen kann. Daher betrachten wir

II.

dass die Vorbilder des alten Bundes in Christo ihre herrliche Erfüllung fanden. Davon besonders spricht unsere Epistel. Christus ist gekommen, dass Er sei ein Hoherpriester der zukünftigen Güter durch eine größere und vollkommenere Hütte, die nicht mit der Hand gemacht, nicht von dieser irdischen, leiblichen Schöpfung ist. Unter dieser Hütte oder Zelt ist teils der Himmel zu verstehen, wohin JEsus nach dem Folgenden gegangen ist, als in das wahrhaftige Allerheiligste, teils aber auch sein Leib als Tempel GOttes, und so als das Allerheiligste, in dem Erde und Himmel, Menschheit und Gottheit zusammenkommen. Zunächst fasst unser Text das himmlische Heiligtum ins Auge und sagt: „Christus ist nicht durch der Böcke oder Kälber Blut, sondern Er ist durch sein eigenes Blut einmal ins Heilige eingegangen und hat eine ewige Erlösung gefunden,“ oder wie es nach unserem Text heißt: „Er ist in den Himmel selbst, von dem das irdische Heiligtum bloß Ab- und Vorbild war, eingegangen, um zu erscheinen vor dem Angesicht GOttes für uns.“ Der Eingang JEsu in den Himmel war die Verklärung der Menschheit in die Gottheit, und so die vollkommene Wiedervereinigung des durch die Sünde Getrennten. Das konnte JEsus wirken als der wahrhaftige Sohn GOttes, daher Er auch Joh. 3,13. sagt: „Niemand fährt gen Himmel, denn der vom Himmel herniedergekommen ist, nämlich des Menschen Sohn, der im Himmel ist.“ Vom Himmel herniedergekommen ist Er als Der, der von Ewigkeit mit dem Vater Eins war, von dem Johannes sagt: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei GOtt und GOtt war das Wort; alle Dinge sind durch dasselbige gemacht, und ohne dasselbige ist Nichts gemacht, was gemacht ist. In Ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.“ Als der ewige und eingeborene Sohn GOttes ist JEsus der Mittler GOttes und der ganzen Welt, durch welchen GOtt die Welten und Alles, was darin ist, alle Geister und alles leibliche Leben geschaffen hat, der daher auch das ganze All trägt und erhält, so dass Alles besteht in Ihm und durch Ihn. Diese ewige Gottheit Christi hat sich vereinigt mit der durch die Sünde von GOtt getrennten Menschheit, und dadurch hat nun Alles, was JEsus als der heilige Gottmensch für uns getan und gelitten hat, einen ewigen Wert, daher unser Text sagt: „Christus hat eine ewige Erlösung erfunden.“ In Christo ist Alles, was im alten Bund zerstreut und unkräftig war, in Einer GOtt-menschlichen Person vereinigt zur vollkommensten Versöhnungs- und Erlösungsmacht. Er ist Opfer, Hohepriester und Gnadenstuhl oder Tempel zugleich, und das Alles im vollkommensten Grad.

Er ist das vollkommenste Opfer. Daher sagt unser Text: „So der Ochsen und der Böcke Blut und die Asche von der Kuh gesprengt heiligt die Unreinen zur leiblichen Reinigkeit, wie viel mehr wird das Blut Christi, der sich selbst ohne allen Wandel durch den heiligen Geist GOtt geopfert hat, unser Gewissen reinigen von den toten Werken!“ Das Blut der Opfer im alten Bund half nur zur leiblichen, äußerlichen Reinigkeit, dass sie wieder in die Gemeine GOttes kommen durften, es war ein schwaches Mittel, die Gewissen der Sünder zu beruhigen, aber nur für kurze Zeit. Denn nach jeder neuen Sünde mussten die Opfer wiederholt werden. Und für die eigentlichen Sünden gab es keine Vergebung, sondern darauf war Todesstrafe gesetzt. So bei sieben von den bekannten zehn Geboten war der Tod die Strafe der Übertretung. Aber das Blut Christi macht rein von aller Sünde. Denn ohne Wandel, d. h. in sündloser Heiligkeit hat Er sich mit seinem heiligen, ewigen Geist GOtt geopfert, den Fluch, den die Gerechtigkeit GOttes über die Sünde aussprach, auf sich genommen. Und weil Er als der vollkommen Heilige keinerlei Strafe verdient hatte, darum konnte Er Alles, was Er tat, an unserer Stelle tun, und sein ewiger Geist oder seine ewige Gottheit gibt seinem ganzen Werk einen ewigen und unendlichen Wert. Wie das Leben eines Menschen mehr ist als das Leben aller Tiere, so ist das Leben des Sohnes GOttes unendlich mehr, als das aller Menschen zusammen in allen Zeiten, ja mehr als das ganze All. Daher sagt der Apostel kurz vor unserem Text: „Der alttestamentlichen Priester sind viele, darum dass sie der Tod nicht bleiben ließ; Christus aber bleibt ewiglich und hat ein unvergängliches Priestertum. Daher Er auch selig machen kann immerdar, die durch Ihn zu GOtt kommen, und lebt immerdar und bittet für sie. Denn einen solchen Hohepriester mussten wir haben, der da wäre unschuldig, unbefleckt, von den Sündern abgesondert, und höher, denn der Himmel ist.“ Höher denn der Himmel, mehr als das ganze All ist Christus. Deswegen gilt sein großes Versöhnungsopfer für alle Sünden aller Menschen. Wir Alle hätten verdient, in Ewigkeit solche Pein und Qual auszustehen, wie Er sie am Kreuz erduldete, aber Er hat an unserer Statt die Schuld und den Fluch der Sünde auf sich genommen. Er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Unsere Strafe lag auf Ihm, ans dass wir Friede hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. Ja, Paulus sagt in unserem Text, dass auch alle Sünden der ganzen Menschheit vor Christo nur um seinetwillen vergeben worden seien. Darum ist Er ein Mittler des neuen Testaments, auf dass durch seinen Tod, der geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen, die unter dem ersten Testament waren, die, so berufen sind, das verheißene ewige Erbe empfangen. Die Schuld aller Sünden von Mose, ja von Adam bis auf Christum, war trotz aller Opfer nicht vergeben, sondern nach Röm. 3 nur übersehen von der Langmut GOttes; erst der Tod Christi tilgte auch diese ungeheure Schuld, und so ist in Ihm für alle Sünden vor und nach Ihm die ewige Erlösung, Er ist das Opfer aller Opfer, die Vollendung aller Versöhnung. Denn Er hat als der vollkommene Hohepriester sich selbst geopfert, und hat als der vollkommene Gnadenstuhl oder vielmehr als der heilige Tempel GOttes alle Unreinigkeit aller Menschen in sich selbst nicht bloß bedeckt, wie im alten Bund die Versöhnung hieß, sondern getilgt. Daher sagt Paulus 2 Kor. 5: „Ist Einer für Alle gestorben, so sind sie Alle gestorben,“ so ist es, als wären sie Alle gestorben, hätten Alle die Strafe der Sünde erduldet.

So sehen wir, wie wahr es ist, was wir, kurz nach unserem Text lesen: „Das Gesetz hat nur den Schatten von den zukünftigen Gütern, nicht das Wesen der Güter selbst. Alle Jahre muss man opfern immer einerlei Opfer, und kann nicht, die da opfern, vollkommen machen, sondern es geschieht dadurch nur ein Gedächtnis der Sünden alle Jahre. Denn es ist unmöglich, durch Ochsen- und Bocksblut Sünden wegnehmen. Christus aber hat ewig gültiges Opfer für die Sünden aller Welt geopfert, und als der ewige Hohepriester sitzt Er nun zur Rechten GOttes und vertritt uns, lässt die Kraft seiner Versöhnung ewig fortwirken zu unserem Heil, und wartet hinfort, bis dass alle seine Feinde zum Schemel seiner Füße gelegt werden. Denn mit Einem Opfer hat Er in Ewigkeit vollendet, die geheiligt werden“ (Hebr. 10,1-14.).

Nach Allem diesem können wir beurteilen, was von den Leuten zu halten ist, die einen Weg zur Seligkeit außer oder neben Christo suchen. Das wollte z. B. eine Jungfrau, die in einer tödlichen Krankheit ihren Seelsorger zu sich bat, ihm aber sogleich erklärte, er möchte sie nach dem alten Testament auf den Tod vorbereiten, nicht nach dem neuen, denn von diesem glaube sie Nichts, es sei ein Fabelbuch, und nach einem Fabelbuch wolle sie nicht auf den Tod vorbereitet sein. Auf die Frage, woher sie das wisse, sagte sie, ein junger und rechtschaffener Theologe habe ihr das gesagt. Als darauf der Pfarrer Kraft sich über ihren Zustand befragte, musste sie ihm bekennen, sie habe sich ihre tödliche Krankheit durch das Tanzen, zugezogen. Kraft sagte: Nun, ich soll Sie also nach dem alten Testament zubereiten. Das will ich tun. Sehen Sie, im alten Testament hat GOtt sein Gesetz gegeben. Tut der Mensch danach, so wird er selig; wo nicht, so wird er verdammt. Das Gesetz aber untersagt unter Anderem alle Ausschweifungen; wir sollen uns nicht gelüsten lassen des Bösen, wir sollen GOtt lieben aus allen Kräften und den Nächsten als uns selbst. Haben Sie so gelebt? „Nein.“ Was wollen Sie dann anfangen, wenn Sie nach dem Tod vor den Richter kommen und Er Sie nach seinem Gesetz verurteilt? Wäre es Ihnen nicht erfreulich, wenn Sie da einen Mittelsmann hätten, der sich Ihrer annähme und den beleidigten Richter zufrieden stellte? Weinend antwortete sie: „O ja! o ja!“ Nun, sagte Kraft, sind wir im neuen Testament. Dies stellt uns in JEsu einen solchen Mittelsmann vor Augen. Dann erklärte er ihr 2 Kor. 5,19 ff. Das war Balsam in die Wunde ihres Herzens. Jetzt war ihr das neue Testament kein Fabelbuch mehr. Sie fühlte die Kraft des Versöhnungswortes, sie zerfloss in Tränen und gab JEsu ihr Herz in kindlichem Glauben. Sie bat Kraft, er möchte sie doch bis zu ihrem nahen Tod täglich besuchen; und so von ihm im Weg des Heils gründlich unterwiesen, konnte sie als ein versöhntes Kind GOttes nach drei schweren, leidensvollen Wochen mit großer Freudigkeit sterben.

So dürfen alle über ihre Sünden angefochtenen Seelen zu JEsu fliehen, und was alle Tugend und Gerechtigkeit und Weisheit nicht geben kann, das gibt Er: Versöhnung, Gerechtigkeit, die vor GOtt gilt, Friede und Freude im heiligen Geist.

Aber nicht bloß von der Hölle hat Er uns erlöst, den Himmel hat Er uns erworben und ewige Seligkeit will Er uns geben. Deswegen nennt Ihn unser Text den Hohepriester der zukünftigen Güter, dass die, so berufen sind, das verheißene ewige Erbe empfangen. Von zukünftigen Gütern war in der Gesetzesanstalt gar nicht die Rede, nur die Schuld der Vergangenheit konnte auf kurze Zeit hinweggetan oder vielmehr bloß bedeckt werden. Aber im neuen Bund ist nicht bloß von Reinigung der vergangenen Sünden die Rede, sondern da wird der Himmel uns aufgetan, wie das schon bei der Geburt und bei der Taufe JEsu geschah. Da wird ein ganz anderes Ziel uns vorgesteckt, als unter dem Gesetz, das als der Zuchtmeister nur für die Gegenwart und Vergangenheit wirkte. Christus dagegen hat zukünftige Güter als himmlische Schätze uns erworben, hat uns eingesetzt zu Erben GOttes, die das verheißene ewige Erbe empfangen sollen, das selige Leben in der Herrlichkeit des Himmels, da wir Ihm gleich sein sollen, weil wir Ihn sehen dürfen, wie Er ist (1 Joh. 3,1.), und so verklärt werden sollen in Sein Bild nach Geist, Seele und Leib. Da erst wird der ganze Segen des Hohepriestertums JEsu sich offenbaren. Nicht nur von der Hölle hat Er uns erlöst, den Himmel hat Er uns erworben, und Miterben seiner Herrlichkeit sollen wir sein, so dass in der Auferstehung selbst unser Leib leuchten soll, wie die Sonne in seines Vaters Reich. So herrlich ist uns durch JEsum der Zugang ins Allerheiligste des Himmels eröffnet, während im alten Bund kein Mensch außer dem Hohepriester hinter den Vorhang treten durfte, durch den GOttes heilige Majestät Alle von sich ferne hielt. Im Augenblick des Todes JEsu zerriss dieser Vorhang, und damit war der Zugang zum Gnadenthron eröffnet für alle Seelen, die nicht mehr in der Welt, nicht mehr in sich selbst, sondern allein in JEsu Heil und Friede suchen.

So komme denn, wer Sünder heißt,
Und wen sein Sündengräu'l betrübet
Zu dem, der Keinen von sich weist,
Der sich gebeugt zu Ihm begibet.
Wie willst Du Dir im Licht steh'n
Und ohne Not verloren geh'n?
Willst du der Sünde länger dienen,
Da dich zu retten Er erschienen!
O nein, verlass die Sündenbahn!
Mein Heiland nimmt die Sünder an.

Komm' nur mühselig und gebückt,
Komm' nur, so gut du weißt zu kommen.
Wenn gleich die Last dich niederdrückt,
Du wirst auch kriechend angenommen.
Sieh, wie Sein Herz dir offen steht,
Sieh, wie Er dir entgegengeht!
Wie lang hat Er mit vielem Flehen
Sich brünstig nach dir umgesehen!
So kommt denn allesamt heran!
Mein Heiland nimmt die Sünder an!

Amen.

1)
bezichtigen
Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/k/kapff/kapff_judica.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain