Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Kolosser in 36 Betrachtungen - 25. Betrachtung

Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Kolosser in 36 Betrachtungen - 25. Betrachtung

„Kann auch ein Mohr seine Haut wandeln oder ein Parder seine Flecken? So könnt ihr auch nicht Gutes tun, weil ihr des Bösen gewohnt seid,“ spricht der Prophet Jeremias, Kap. 13. Die Meinung ist, dass, wie keine Lauge noch Seife von der Haut des Mohren die Schwärze, und keine Kunst von der Haut eines Parders die Flecken wegschaffen könne, es ebenso unmöglich sei, die Israeliten von der mit ihrer Natur verwachsenen Sünde zu befreien. Christen, erschreckt ihr nicht? Denn wir müssen ja bekennen, wir stehen darin den Israeliten gleich, dass wir alle abgewichen und allesamt untüchtig sind. Ist nun die Sünde mit unserer Natur, wie der Schatten mit dem Lichte, so unzertrennlich verbunden, dass keine Gewalt, weder im Himmel noch auf Erden, uns davon erlösen kann? Wäre das, so hilft und alle Erlösung nichts; an eine eigentliche Erneuerung und an ein Seligwerden wäre nicht zu denken. Wahr ist es, die Sünde ist eine solche Macht im Menschen, dass er mit seiner eigenen Kraft sich nicht dagegen behaupten kann. Aber bei Gott ist kein Ding unmöglich. Hat er den Felsen verwandelt in Wasserseen und die Steine in Wasserbrunnen (Ps. 114.), so kann er auch die felsenharten Herzen der Menschen mit dem Stab seines Wortes schlagen und erweichen, dass sie gleichsam zu Wasserseen werden. Von diesem Glauben lasst nicht, wie wir denn darin bestärkt werden durch das Wort Pauli:

Kol. 3, 8-11: Nun aber legt alles ab von euch, den Zorn, Grimm, Bosheit, Lästerung, schandbare Worte aus eurem Munde. Lügt nicht untereinander, und zieht den alten Menschen mit seinen Werken aus, und zieht den neuen an, der da erneuert wird zu der Erkenntnis nach dem Ebenbilde des, der ihn geschaffen hat, wo nicht ist Grieche, Jude, Beschneidung, Vorhaut, Ungrieche, Skythe, Knecht, Freier, sondern alles und in allen Christus.

Man muss nicht vergessen, dass hier zu Christen geredet wird, die bereits wiedergeboren sind; also der große entscheidende Anfang ist bereits gemacht, es kommt nur darauf an, dass der neue Weg nicht wieder verlassen, sondern auf ihm fortgeschritten werde bis zur dereinstigen Vollendung. Immer mehr alles und jegliches Böse von sich abtun, immer mehr alles und jegliches Gute sich aneignen, das ist

die Erneuerung, die uns Paulus beschreibt:

1.) als die Ablegung eines alten,
2.) als die Anlegung eines neuen Kleides,
3.) als eine Rückkehr ins verlorene Paradies, und
4.) als ein göttliches Band, welches die Menschen verknüpft.

1.

Zunächst setzt Paulus die durch Vers 6 und 7 unterbrochene Herzählung einzelner Sünden des alten Menschen fort, und fasst dann alles Einzelne zusammen in dem Begriff des alten Menschen, der die genannten und nicht genannten einzelnen Sünden und Lüste in und an sich hat. Aber was sonst gewöhnlich ist, dass man vom Kleineren zum Größeren fortgeht, das scheint hier nicht zu geschehen. Hurerei, Unreinigkeit, Geilheit, unersättliche Begierde, ist das nicht viel ärger als Zorn, Grimm, Bosheit, Lästerung, Lüge? Nein, Christen, jene Sünden sind zwar groß und abscheulich, aber diese sind wo möglich noch abscheulicher. Jene sind mehr sinnlicher, roher Natur, und können sogar mit einem gewissen Grad von Abscheu begonnen werden, wenn der Mensch gegen seinen eigentlichen Willen durch den gewaltigen Reiz und Trieb seiner sinnlichen Natur zu ihnen fortgerissen wird. Es gibt Wollüstlinge, die auf ihre Knie sinken und mit Tränen in den Augen Gott bitten, er wolle sie erretten, und die dennoch von dem allgewaltigen Triebe fortgezogen werden.

Die Sünden dagegen, die Paulus in unserem heutigen Text nennt, sind größtenteils mehr geistiger Natur; auch bei ihnen waltet der Naturtrieb, aber zugleich sind sie von Überlegung begleitet, werden mehr mit Ruhe, mit kalter Berechnung begangen, und eben darum sind sie oft viel schändlicher als die zuerst genannten Sünden. Doch betrachten wir unsern Text im Einzelnen: „Nun aber legt auch ihr das alles ab.“ Nun und früher! das ist der große Unterschied, den der Christ stets vor Augen haben soll. Das Alte ist vergangen, es ist alles neu geworden. In den Frühling der Wiedergeburt gehört nicht die winterliche Öde der dem Leben aus Gott entfremdeten Natur. Ihr seht, wie andere, die früher den Lüsten ihres Fleisches folgten, jetzt gewissermaßen wie Aarons Stab angefangen haben zu blühen und Mandeln zu tragen, so legt denn auch ihr, wie sie, das alles ab, was genannt ist und noch genannt werden soll, und auch das, was mit Stillschweigen übergangen wird. Vom Herzen ausgehend, als der Wiege jeglicher Sünde, nennt Paulus zunächst den Zorn. Der Zorn ist eine, durch ein wirkliches oder vermeintes Unrecht, das von andern getan wird, hervorgerufene heftige Gemütsbewegung, die verbunden ist mit einem Widerstreben gegen den, der das Unrecht tut. An sich ist der Zorn keine Sünde, auch der Herr selbst ist ja zornig im Geiste geworden; er wird aber Sünde, wenn er, wie bei Kain, aus Neid, Missgunst oder aus einer andern unreinen Quelle fließt; er wird es, wenn er, wie bei Elia, ohne Grund entbrennt; er wird es, wenn ihm mehr der Täter des Unrechts als die Tat zuwider ist; er wird es, wenn er nicht Maß noch Ziel hält und nicht weiß, was er tut; er wird es endlich, wenn er ein anderes Ziel vor Augen hat, als den Nächsten zu bessern und den Lauf der Bosheit zu hemmen. Sodann der Grimm ein höherer Grad des Zornes, gleichsam eine Raserei, da das Gemüt vor Zorn glüht, und sich anhaltend davon beherrschen lässt. Drittens Bosheit. Es ist die höchste Stufe des Zorns, da man über Rache brütet, und sich der List und der Ränke bedient, um seinen Zorn zu kühlen, wie die Brüder Josephs taten wider ihren Bruder, und Saul tat, da er dem David seine Tochter zum Verderben gab. Viertens Lästerung, hier nicht Lästerung wider Gott, sondern wider den Nächsten, wenn man ihm, wie Simei dem David, flucht, oder durch Stachelrede und beißenden Scherz ihm wehe tut, oder durch Verleumdung, durch Schmähsucht und dergleichen seinen guten Namen untergräbt. Es ist das Totschlagen mit der Zunge (Jer. 18.). Fünftens, die schandbare Rede, darunter hier weniger die unzüchtige als die dem Nächsten zum Ärgernis und Verderben gereichende mutwillige, freche Rede verstanden ist, dergleichen man oft im Verkehr der Menschen miteinander hört. Solche Rede legt ab, schafft hinweg aus eurem Munde, und lasst dagegen hören, was fein, lieblich, und Gott wohlgefällig ist. Endlich die Lüge: Lügt nicht untereinander. Ihr sollt wahr gegen die Menschen sein; euer Verhältnis zu Gott, als Kinder dessen, der die Wahrheit ist, wie euer Verhältnis zu den Brüdern, mit denen ihr Glieder Eines Leibes seid, fordert das. Der Lügner verlegt vorsätzlich die Wahrheit, und geht auf Täuschung aus, das stammt von dem Vater der Lügen her. Seid so wahr, dass ihr nicht einmal zur Notlüge eure Zuflucht nehmt. Des Nächsten Wohl durch Unwahrheit fördern, kann nimmer die Pflicht des Menschen sein. Wäre das der Wille Gottes, so gehörte, was undenkbar ist, die Lüge in den Plan seiner Vorsehung, und es wäre der Falschheit und Betrügerei Tür und Tor geöffnet. Alle diese Sünden nun, die jetzt und früher genannten und die ungenannten ebenfalls, legt ab. Ach, die Wurzel aller dieser Sünden steckt ja auch in den Wiedergeborenen noch, und je lebendiger in ihnen der Geist ist, desto mehr widerstrebt ihm das Fleisch. Was denn dazu an Neigung noch in euch ist, das ersticket, wenn es sich reget, gleich im Keim, entzieht ihm die Nahrung, wachet darüber, betet dawider, und wenn euch gleichwohl die Sünde übereilet und zu einer bösen Tat euch fortreißt, so bereuet das sofort, bittet um Vergebung, und seid umso vorsichtiger in Zukunft. Alle und jede Sünde, sie habe Namen, welchen sie wolle, muss euch ein Dorn im Auge, muss euch ein verhasster Fleck am Kleide sein, so dass, wenn ihr ihn seht, ihr gleich das Kleid auszieht und es wacht und reinigt. Alles in Ein Wort zusammengefasst, wollen wir sagen: Legt den alten Menschen ab mit seinen Werken. Alter Mensch - das ist das den ganzen Menschen nach Leib und Seele durchdringende sündliche Verderben, das uns anhaftet, so lange oder soweit wir noch nicht Christi eigen sind. Dieser alte Mensch tut Werke, er sitzt oder liegt nicht schlafend im Herzen, sondern ist immer geschäftig und fleißig in seiner Art. Seine Werke sind seine Äußerungen in Begierde, Wort und Tat, davon siebzehn namhaft gemacht werden Gal. 5., dazu noch Paulus setzt: „und desgleichen.“

Wenn es nun heißt: „Zieht ihn aus,“ so wird der alte Mensch mit einem abgetragenen, befleckten Kleide verglichen, wie er auch Judä 23 ein befleckter Rock des Fleisches heißt. Was hier „den alten Menschen ablegen“ genannt wird, das heißt Röm. 6: ihn kreuzigen, 1 Petri 2: der Sünde absterben, Röm. 8: des Fleisches Geschäfte töten. Legt nun den alten Menschen ab, ihr müsst es können, sonst hieße es nicht, legt ihn ab. Die Sünde lehrt Paulus ist nicht etwas uns von Gott Angeschaffenes, nicht ein notwendiges Stück unserer Natur, sondern sie ist et was Angelegtes, das wieder abgelegt werden kann, und in fortschreitender Heiligung so abgelegt werden kann, dass zuletzt wenig, dass zu allerlegt gar nichts mehr davon übrig bleibt. Das sei wider die falschen Propheten gesagt, welche lehren, der Weg zur Tugend führe nach Gottes Plan und Ordnung mit Notwendigkeit durch die Sünde. Es ist nicht wahr, die Sünde gehört nicht in unsere Natur hinein. Darum entsinke dir auch nicht der Mut, wenn du einen schweren Kampf zu kämpfen hast. Glaube fest, die Sünde, wie mächtig auch, ist und bleibt doch immer ein Kleid, das du ablegen kannst, wenn du nur nicht aufhörst zu beten, und in deinem Kampfe nicht ermüdest. Endlich muss der Sieg doch dein werden hör' es, Christ, und fasse Mut, „Endlich“ ist ein schönes Wort. Aber wiederum merke dir auch: von selbst fällt die Sünde nicht ab, sondern es ist großer Ernst mit Wachen, Beten, Kämpfen, in der täglichen Buße und Erneuerung nötig, damit sie weiche. Nicht die Natur treibt den alten Menschen aus, wie sie die Schlange zum Häuten bringt, und ob man auch im Alter der Welt und vieler Sünden müde wird, so ist man doch darum noch kein neuer Mensch. Alt oder jung, ein Jüngling oder ein Greis - du wirst kein neuer Mensch, bevor du den alten ausgezogen hast. O ihr jämmerlichen Alten, die ihr früher tapfer gehurt und gebubt, gegeizt, gezürnt und gelästert habt, nun aber, da der Mut euch gesunken und das Mark in euren Gebeinen verdorrt ist, euch für tugendhaft haltet und meint, ihr habt die ewige Seligkeit schon in eurem Schoß; wahrlich, ich sage euch, es wird euch die liebe Mutter Natur, die euch bekehrt hat, dennoch in die Hölle bringen; denn ich wette, könnte sie euch die Jugend und mit der Jugend den Mut und die Kraft wiedergeben, die euch ausgegangen sind, so würdet ihr, wenn ihr euer Herz behieltet, ganz wieder die alten sein. Doch wir gehen weiter.

2.

Der Apostel beschreibt uns die Erneuerung nicht nur als eine Ablegung des alten, sondern auch als eine Anlegung des neuen Menschen. „Zieht den neuen Menschen an.“ Der neue Mensch - sonst auch ein „neues Herz,“ „ein neuer Geist,“ „eine neue Kreatur,“ „der Sinn Christi“ in der Schrift genannt - wird dem alten Menschen entgegengesetzt, und bedeutet nicht etwa eine solche Umgestaltung des Menschen, dadurch die eigentümliche, natürliche Grundlage seines Charakters eine andere würde. Christus lässt jeden bleiben, der er ist, Petro lässt er seinen Feuereifer, Paulo seinen Mut, Johanni sein weiches Herz, lässt jedem seine Kraft, Willen, Neigung, Gaben und Beruf, nur dass er das Herz göttlich macht und durch göttlichen Sinn den Menschen leitet und regiert, dass er alles Verkehrte abtue von seinem Wesen, und Gott ganz wohlgefällig werde in allem, was er denkt, redet und tut. Ein Haus bleibt dasselbe Haus, wenn man ihm seine Steine, Balken und auch im Wesentlichen seine frühere Gestalt lässt, und wird doch ein anderes, wenn man es auf einen bessern Grund setzt, und es also einrichtet, dass es ein schönes Aussehen bekommt und vornehme Gäste darin wohnen können. Auch ist nicht mit der Erneuerung, welche Paulus fordert, dies gemeint, als ob im neuen Menschen die Sünde gänzlich bis auf die letzte Wurzel und Faser ausgerottet wäre, sondern es bleibt noch viel vom alten Menschen in ihm, nur dass dieser seine frühere Macht und Herrschaft verloren hat und immer mehr verliert. Beide, Geist und Fleisch, liegen im neuen Menschen täglich miteinander im Streit, aber es gilt vom Fleische das Wort Johannes des Täufers (Joh. 3.): Christus muss zunehmen, ich aber muss abnehmen. Die Neuheit des Menschen ist also nicht eine gleich zu Anfang fertige und vollendete, sondern wächst und vollendet sich mit jedem Tage mehr und mehr. In diesem Sinne erklärt Paulus das Wort „neu“ näher, indem er

3.

die Erneuerung beschreibt als eine Rückkehr ins verlorene Paradies. „Der Mensch,“ spricht er, „wird erneuert zur Erkenntnis nach dem Ebenbilde des, der ihn geschaffen hat.“ Das Wort „erneuern“ bedeutet hier ein Wiederherstellen, und setzt voraus, dass der Mensch zu Anfang der Welt etwas gewesen ist, das er jetzt nicht mehr ist, aber durch Christum wieder werden soll. Der Apostel weist uns zurück auf das Wort 1 Moses 1, 27: Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde. Damals, bei der Schöpfung, erteilte Gott dem Menschen solche innere Vorzüge, wie sie jetzt in dem Wiedergeborenen durch Erneuerung nach und nach wiederhergestellt werden. Als einen der Hauptvorzüge des ersten Menschen nennt uns Paulus die Erkenntnis, nämlich dass sich Gottes Herrlichkeit vor allem im Geiste und Verstande Adams abspiegelte. Was sollte auch wohl den Menschen mehr schmücken und seinem Gotte näher stellen als die göttliche Erkenntnis, die auch unser Herr selbst das Vornehmste nennt (Joh. 17.): Das ist das ewige Leben, dass sie dich, dass du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen. Demnach will Paulus sagen, dass die Erneuerung den Menschen zur Erkenntnis Gottes und durch diese immer mehr zu dem durch die Sünde verlorenen Ebenbilde Gottes zurückführen soll. Will man wissen, worin dies Ebenbild bestanden, so betrachte man den Menschen, wie er beschaffen ist als wiedergeborner, erneuter Mensch: je mehr erneut, desto näher steht er jenem Bilde. Das Paradies, wovor der Cherub mit dem flammenden Schwerte stand, ist uns durch Christum wieder geöffnet, es ist das liebe Himmelreich, darin der Mensch zu dem Ebenbilde Gottes zurückkehrt, welches er verloren hat. Das sei denn auch unser Ziel, danach wir trachten, dass wir durch tägliche Erneuerung das verlorene Ebenbild Gottes mit jedem Tage mehr in uns herstellen. Wie alljährlich die Natur das Kleid des rauen Winters ablegt und zur Frühlingszeit mit jedem Tage mehr sich erneut, bis sie wieder dasteht in der ganzen Fülle ihrer früheren Herrlichkeit: also sollen auch wir immer mehr das Frühlingskleid der alten paradiesischen Herrlichkeit anzulegen streben, vor allem das Kleid der Erkenntnis, was den Geist, aber auch das Kleid der Heiligkeit und Gerechtigkeit, was Gesinnung und Werk anbetrifft. Denn das eine ist nicht ohne das andere: die Erkenntnis nicht ohne die Heiligkeit, die Heiligkeit nicht ohne die Erkenntnis.

Also stellen wir wieder in uns her das Bild dessen, der den Menschen zu Anfang gut und rein geschaffen hat.

4.

Bei solcher Erneuerung kommen dann die äußeren Unterschiede, die uns trennen, gar nicht mehr in Betracht; sie ist das göttliche Band, das uns alle in Christo verknüpft. Im Stande der Erneuerung gilt nicht Grieche und Jude, Beschneidung und Vorhaut, Ungrieche, Skythe, Knecht, Freier, sondern alles und in allen Christus. Dies ist vornehmlich geredet wider die Irrlehrer zu Kolossä, welche noch immer auf die Beschneidung und auf andere Stücke des Gesetzes Moses drangen. Paulus aber sagt, nur auf Eins komme es an, auf die Erneuerung, in deren göttlichem Lichte alle äußeren Unterschiede verschwinden, wie Kerzen und Fackeln durch das Sonnenlicht verdunkelt werden. Vier solcher Unterschiede werden genannt, die in Christo innerlich aufgehoben sind, doch nur als Beispiel, denn anderswo werden noch andere genannt. Als den ersten Unterschied nennt er den der Nationen und als den zweiten den der Religion: ob jemand Grieche oder Jude sei, und ebenso, ob jemand als Jude beschnitten oder als Grieche mit der Vorhaut, d. h. unbeschnitten ins Himmelreich eingeht, das macht keinen Unterschied, sondern sie stehen sich ganz gleich an Wert vor Gott, wenn sie nur beide in der Erneuerung zur Gottähnlichkeit heranreifen. Ein dritter Unterschied ist der der Bildung: (Grieche und) Ungrieche. Die Griechen waren das gebildetste Volk des Altertums, ihnen hieß alles, was nicht Grieche war, Barbar. Doch gab es unter den Barbaren oder Nicht-Griechen wieder viele Stufen der Bildung. Als eins der rohesten Völker nennt Paulus die Skythen, die im Norden des schwarzen und des kaspischen Meeres in Asien wohnten. Mag nun immerhin der Grad der Bildung, den ein Mensch besitzt, Einfluss haben auf seinen christlichen Sinn und Wandel - wollte Gott, man risse allenthalben durch guten Unterricht die Menschen aus ihrer Rohheit und Unwissenheit, darin sie noch stecken! so hat doch ein Christ darum, weil er gebildet ist, nicht mehr Wert vor Gott, als ein minder gebildeter, ja, es hat mancher Sauhirte, der nicht weiß, wo Paris oder London liegt, tausendmal mehr inneren Wert, als mancher Doktor, der im feinsten Rocke der Aufklärung steckt. Ein vierter Unterschied ist der des äußeren Standes Knecht und Freier. Zu Pauli Zeiten ging die Knechtschaft bis zur Sklaverei, so dass der Knecht nicht einmal als Person, sondern als Sache betrachtet und behandelt wurde. Lass dich's nicht verdrießen, lieber Knecht, liebe Magd, ob du gleich Dünger werfen oder die Säue füttern musst; denke: das ist mein irdischer Beruf, in den mein lieber Herr und Heiland mich gestellt hat; und wenn du nur diesen deinen Beruf in den göttlichen Rahmen des Glaubens und der täglichen Erneuerung fasst, so sieht dein Herr im Himmel auf dich mit gleichem Wohlgefallen, wie auf deinen Herrn. Also gelten die äußeren Unterschiede nichts für sich, wie viel auch die Welt daraus mache. Wenn aber sie nicht gelten, was gilt denn? Christus Alles! Nicht die Nationalität, nicht die Bildung, nicht der äußere Stand und dergleichen mehr macht dich wert und teuer deinem Gotte, sondern das tut ganz allein der liebe Heiland in dir, an dem dein Herz hängt und aus dem es sich nährt, wie eine Rebe an und aus dem Weinstock. Christus Alles, und Paulus fügt noch hinzu: Christus in allen, womit er sagen will, dass es mit Christo nicht ist, wie mit allem jenen äußerlichen Tand, der die Menschen scheidet und auseinanderreißt. Äußerlich angesehen, sind wir so verschieden wie Mond und Sonne, Kraut und Baum, Essig und Wein; aber greift in euren Busen, da findet ihr, seid ihr anders Christen, bei euch allen Einen Herrn, der nur äußerlich bei uns einen verschiedenen Rock, entweder von Seide oder von Leinewand trägt. Ihr seid alle Einer in Christo (Gal. 3, 28.). Darum verachtet oder beneidet nicht einer den andern um äußerlicher Dinge willen, sondern sorget nur, dass ihr alle möget Christum gewinnen, zu dem einem jeglichen die Tür offen steht, und in ihm von Tag zu Tage verklärt werden zur Erkenntnis, zur Heiligung und Gerechtigkeit.

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autoren/k/kaehler_c/kaehler_kolosserbrief_25_betrachtung.txt · Zuletzt geändert: von aj
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