Jacoby, Carl Johann Hermann - Der erste Brief des Apostels Johannes in Predigten ausgelegt - VI. Die Heiligung der Lebensstufen.
1. Joh. 2,12-17.
2. Die Heiligung der Jugend.
Selig, in dem Herrn Geliebte, die Jünglinge, zu denen der Apostel die hohen Worte sprechen konnte: „Ihr habt den Bösewicht überwunden, ihr seid stark, und das Wort Gottes bleibt bei euch“; selig die Eltern, deren Söhnen dies Ruhmeszeugnis ausgestellt werden durfte; selig die Gemeinden, deren Jugend sich unter den Versuchungen des Lebens so siegreich bewährt hatte. Möchte doch der Apostel ein Recht haben, auch im Blick auf unsere Jugend ihr dies Lob zu erteilen! Aber wir müssten die Augen verschließen und mit Bewusstsein trügerischen Bildern Raum geben, wollten wir die Hoffnung hegen, der Apostel vermöchte, in unsere Mitte tretend, mit derselben Freudigkeit unsere Jugend begrüßen, die ihn damals erfüllte, als er sein Auge auf die Jünglinge der ihm befohlenen Gemeinden richtete.
Freudig freilich und dankbar erkennen wir es an, dass sie auch unter uns nicht fehlen, die Jünglinge, die ihren Weg unsträflich gehen, die mit Jugendfreude und Jugendlust den Gehorsam gegen Gottes Wort, die Nachfolge Jesu Christi, die Treue gegen Gott und die Reinheit des Wandels vereinigen; freudig und dankbar bezeugen wir es, dass ihre Schar nicht gering ist. Aber auf wie viele fällt unser Blick, die den Versuchungen, die an sie herantreten, erliegen, denen der Siegespreis entgeht; wie viele, welche den Reizen der zur Sünde lockenden Begierde folgen, welche den schäumenden Becher der Weltlust bis auf den letzten Tropfen leeren und einen verwüsteten Leib, eine leere, ermattete Seele als einziges Erbe davontragen; wie viele, welche auf die Zeit, die nach Gottes Willen die schönste hätte sein sollen, nur mit bittrer Reue zurückschauen! Denn das Gotteswort bleibt ewig wahr: „Wer auf sein Fleisch sät, der wird von dem Fleisch das Verderben ernten. Wer aber auf den Geist sät, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten“ (Gal. 6,8). Ach, meine geliebten, teuren Jünglinge, die ihr in dieser Stunde hier erschienen seid, dass es mir vom Geiste Gottes gegeben würde, den Stachel seines Wortes tief in eure Herzen zu senken, dass die Gefallenen sich wieder aufrichten, die Schwankenden Festigkeit gewinnen, die Gefestigten mit neuer Kraft in den Kampf gehen, die Siegeskrone zu erlangen!
Die Jugend ist der Frühling des Lebens. Es schmückt sie ein wunderbarer Reiz. Vor dem jugendlichen Geist liegt die Welt im holden Dämmerschein, und ahnungsvoll blickt er auf die Herrlichkeit, welche das Leben ihm zu verheißen scheint. Die Jugend ist der Frühling des Lebens, die schönste, aber auch die gefahrvollste Zeit. Wie viele Saatkörner, die der Landmann ausstreut, gehen nicht auf; wie viele Blüten des Gartens fallen ab oder werden vom Frost zerstört! Ach, es gibt auch so viele Jünglinge, die dieser Frühlingssaat, dieser Frühlingsblüte gleichen; welche die Hoffnungen, die an sie geknüpft wurden, täuschen; so viele Jünglinge, deren Wege, statt zu Licht und Klarheit zu führen, in Nacht und Dunkel enden. Die Jugend ist die schönste, die gefährdetste, aber auch die bedeutungsvollste Lebensstufe. Darum wollen wir alle, als Wegweiser die einen, als willig folgende die andern, auf das ernste Wort des Apostels hören, das heute zu uns redet.
Die Heiligung der Jugend,
dies ist sein Inhalt. Aber er weist auch der Jugend den Weg, den sie gehen soll. „Habt nicht liebt die Welt und was in der Welt ist,“ so lautet seine Mahnung. Die Weltüberwindung ist die Aufgabe, die der Jugend gestellt ist; in der Weltüberwindung offenbart sie die Heiligung des Lebens. Es ist eine zwiefache Gestalt, in der uns nach den Worten des Apostels die Weltüberwindung erscheint, in dem Sieg des Geistes über das Fleisch und in dem Sieg des Willens Gottes über die eigne Willkür.
1.
Wenn der Apostel uns warnt: Habt nicht liebt die Welt und was in der Welt ist, so wird wohl niemand unter uns ihn so missverstehen, als habe er über den Weg der Freude an der Schöpfung Gottes die Inschrift stellen wollen: Verbotener Weg. Davon ist er weit entfernt. Die Welt, von der er uns zurückhält, ist nicht die Natur, die Gottes Herrlichkeit offenbart; ist nicht das Gebiet, auf dem sich die Kräfte entfalten, mit denen Gott selbst den Menschen ausgestattet hat; ist nicht die Wissenschaft, in der wir Gottes Gedanken nachdenken; nicht die bildende Kunst, in der wir die Schönheit darstellen und genießen, deren Gestalten im Blick auf die sichtbaren Werke Gottes in unserer Seele entstehen; nicht die Musik, in der die unaussprechbaren Regungen des Gemüts doch in der Sprache der Töne laut werden; nicht die Dichtung, in welcher der Menschengeist des Lebens Lust und Leid in ergreifenden Worten bezeugt oder seine Kämpfe, Niederlagen und Siege, dies wunderbare Gewebe von Freiheit und Notwendigkeit, diese erschütternden und zugleich erhebenden Geschicke, als eine versöhnende Wirklichkeit gestaltet und anschaut; nicht die Freundschaft, welche verwandte Gemüter vereinigt, eine Quelle edler Erquickung, reicher Segnung; nicht die frohe, heitere, unschuldige Geselligkeit, in der wir neue Frische zu des Lebens Arbeit, neue Kraft zu des Lebens Last gewinnen; nein, die Welt, die wir überwinden sollen, hat keinen Raum im ewigen Schöpfungsplan unsers Gottes, ist nicht sein Werk, ist nicht ein Glied in seines Reiches Bau, sondern die widergöttliche Schöpfung des Menschen, welche Gottes Schöpfung entstellt, stört und zu zerstören sucht. Die sündige Menschheit hat in Gottes Welt eine eigne Welt hineingebaut, in Gottes Reich ein eignes Reich gegründet, Gottes Gaben missbrauchend, sich mit ihren eine eigne Herrlichkeit geschaffen. Hier ist die Welt, gegen die wir kämpfen, über die wir siegen sollen, die Welt der Fleischeslust und der Augenlust.
Eine Welt der Augenlust! Durch die Sinne, und vor allem durch die Augen wird das Begehren in unserer Seele geweckt, durch die Sinne spiegelt sich die sichtbare Welt in ihr, reizt und lockt, weckt Lust und Verlangen, die Güter, welche jene in sich schließt, und die Genüsse, welche sie darzubieten vermag, zu gewinnen. Freilich erkennen wir auch hierin eine göttliche Ordnung; wir gehören dieser Welt an, die wir mit unseren Sinnen wahrnehmen; unser natürliches Leben schöpft die Kraft des Bestehens aus den Gaben, welche diese Welt uns gewährt, und das Begehren nach ihnen folgt daher einem unbezwinglichen, unaustilgbarem Gesetz. Wir begehren, wessen wir bedürfen. Aber, meine Lieben, was ein Gut ist und uns zusteht, kann ein Fluch für uns werden und ein verbotener Weg, die Welt der Sinne zu einer Welt der Augenlust. Alle vergänglichen Güter sind unser Eigentum, die ganze Welt der Sinne steht uns offen, wenn wir in dieser nicht unsere Heimat, in jener nicht den Frieden unsers Herzen suchen; und alle vergänglichen Güter sind uns Reizungen zur Sünde, und die ganze Welt der Sinne wird uns Quelle des Verderbens, wenn wir hier unser höchstes Gut, hier unsere Freude, hier unseren Frieden suchen. Dann folgen wir der Augenlust, dann auch der Fleischeslust, dann wenden wir uns zu dem hin, das nicht vom Vater ist. Das ist die Frage, die wir beantworten müssen, um den Weg zu erkennen, auf dem wir wandeln, wo ist dein Gott, wo ist dein höchstes Gut, dein Schatz, deines Verlangens Ziel. Danach entscheidet es sich, ob unsere Pfade aufwärts oder niederwärts führen.
Diese Frage, die an uns alle gerichtet ist, gilt euch, teure Jünglinge, vor andern. Wo ist euer höchstes Gut? Liegt es in den vergänglichen Genüssen, in denen ihr doch verschmachtet vor Begierde, liegt es in der Welt, die eure Augen sehen, eure Ohren vernehmen, eure Hände ergreifen, und deren Herrlichkeit doch so schnell dahinschwindet; in ihren Reizen, die so flüchtig an euch vorüberziehen und das Herz leer lassen; opfert ihr Zeit und Kraft dem Gott dieser Welt, der euch durch Verheißungen täuscht, die unerfüllt bleiben; der euch ein Glück vorspiegelt, das er nicht zu gewähren vermag; der euch ein Verderben bereitet, in dem ihr eure Seele verliert? Er verspricht euch Freude, und nach kurzem Rausch der Lust erwacht ihr zu herbem Schmerz; er verspricht euch Genüge, und er macht euch elend; er ladet ein zu Ehre und Reichtum, und ihr gewinnt Armut und Schande. Ach, glaubt ihm nicht, er ist ein Lügner von Anfang; er ruft euch zu: Ihr werdet sein wie Gott, Herrscher der Welt, von ihren Gütern gesättigt, und er treibt euch aus dem Paradiese der Unschuld. Kämpfet gegen ihn, streitet und sieget. Der Kampf ist groß, die Versuchungen sind zahlreich, denn das Verlangen nach sichtbaren Gütern bewegt das jugendliche Herz, in reizvollen Farben erscheint ihm das Bild dieser Welt. Desto dringender und lauter muss der Schlachtruf erschallen: Seid männlich und stark, überwindet den Bösewicht, bleibt nicht zurück im ernsten Kampf. Christen sind Streiter. Aber ist dem Kampf unsere Kraft gewachsen, ist der Siegespreis unerreichbar? Meine Teuren! Dann ist die Niederlage gewiss, dann ist sicher die Schlacht verloren, wenn wir auf unsere natürliche Kraft vertrauen; wir dürfen allein auf Sieg hoffen, wenn der heilige Geist in uns ein neues Leben hervorgebracht hat, ein Leben der Freiheit, ein Leben der Kraft. Nur wer ein höheres Leben in sich trägt, kann die Sklavenketten abschütteln, mit welchen die Welt uns fesselt, kann das niedere Leben in uns, das Leben der Lust und Begierde, zügeln, unterwerfen. Es ist ein tiefes und wahres Wort: Wer nicht gehoben wird, der sinkt. Nur, wenn eine höhere, edle, heilige Freude uns bewegt, wird die Macht niederer Lust gebrochen; nur, wenn wir Bürger einer unsichtbaren Welt geworden sind, stehen wir nicht mehr im Dienste der Kräfte dieser sichtbaren Welt. Nur, wenn wir geistige Schätze in uns tragen, die nicht vergehen; wenn wir reich an ewigen Gütern geworden sind, die uns bleiben, tragen wir den Sieg über Fleischeslust und Augenluft davon. Und sind uns nicht diese Geistesgüter in reicher Fülle geschenkt worden; sind wir nicht in eine himmlische Welt aufgenommen, zu Kindern im Vaterhause Gottes durch unseren Heiland Jesum Christum berufen, und sind die Schätze dieses Vaterhauses nicht unser Erbe! Ist uns nicht die Herrlichkeit vollkommenen gottmenschlichen Lebens in Jesu Christo offenbar geworden, so dass wir in ihm zugleich in das Angesicht unsers himmlischen Vaters und in das Angesicht der reinen, nach dem Ebenbilde Gottes geschaffenen Menschheit schauen! Ist uns nicht sein Wort geblieben, in dem die Schätze himmlischer Weisheit verborgen sind, einer Weisheit, so schlicht und einfach, dass auch kindlicher Einfalt der Schlüssel des Verständnisses nicht fehlt; und doch so reich und tief, dass auch der gereifte Geist immer vor neuen Rätseln steht! Ist uns nicht das Auge geöffnet für die Herrlichkeit des Reiches Gottes, eines Reiches, in dem Menschen Gottes geboren werden, jeder ein eigentümlicher Spiegel der Fülle Gottes, die uns in Christo offenbar geworden, jeder in seiner Entwicklung eine neue, eigentümliche Bezeugung der wunderbaren, rettenden und erziehenden Leitung, durch welche Gottes Liebe und Weisheit das Leben der Seinen gestaltet! Hat sich nicht unser Blick erschlossen, um im Weltgang der Völker beides zugleich zu erkennen, Gottes Gerichte und Gottes Erbarmen! Können wir nicht im Buch der Natur lesen, da die Himmel die Ehre Gottes und die Feste seiner Hände Werk verkündiget! Erfahren wir nicht die Kräfte der Welt der Liebe, in die wir versetzt sind, die im Haus, in der Schule, in der Freundschaft uns erquickt!
Meine Lieben! Die Jugendzeit ist die Lebensstufe, auf der diese unsichtbaren, geistigen Mächte mit einer fast unwiderstehlichen Gewalt in das Menschenherz einziehen und über dasselbe die Herrschaft gewinnen wollen. Die Jugend ist nicht bloß die Zeit schwerer Versuchungen, sie ist auch die auserwählte Stätte für die Herrschaft der geistigen Mächte, die Zeit der Begeisterung für höchste Ziele, für höchste Aufgaben. O, gebt euch, teure Jünglinge, in den Dienst dieser geistigen Mächte, sie verklären das irdische Leben, wie hütende Schutzengel halten sie euch vom Verderben zurück und rufen euch zum himmlischen Heiligtum.
2.
Aber noch eine zweite Aufgabe stellt der Apostel der nach Heiligung strebenden Jugend. Er warnt sie vor hoffärtigem Leben; einer Gefahr, die grade sie bedroht. Denn nur zu leicht folgt sie der Neigung, über ihre leiblichen Kräfte und ihre irdischen Güter verschwenderisch zu verfügen, im Vertrauen auf die Fülle geistiger Gaben, in deren Besitz sie sich befinde, die treue, hingebende Arbeit zu versäumen, ohne welche jene doch unfruchtbar bleiben. Die Versuchung tritt an sie heran, die Schranken, welche das erwachte Freiheitsgefühl zügeln wollen, zu überschreiten und dem Gebot der Selbstverleugnung sich zu entziehen. Und sie vorzüglich ist der Gefahr ausgesetzt, von leeren, nichtigen Truggebilden sich täuschen zu lassen, in der Entwicklung äußeren Glanzes ihre Befriedigung zu suchen, etwas scheinen zu wollen, das doch die Wirklichkeit nicht bestätigt. Schein, nicht Sein ist so oft die Losung.
Alle diese Versuchungen, meine Teuren, entspringen dem Missbrauch der Freiheit, und er liegt der Jugend so nahe. Denn die Jugend ist die Zeit der Freiheit. Der Jüngling verlässt das Vaterhaus, das ihn bis dahin behütete; die Schranken, in welche seine Ordnungen ihn einschlossen, hemmen nicht mehr seinen Fuß. Er ist frei geworden, Herr seiner Tätigkeit, Herr seiner Zeit; nur die Gesetze des bürgerlichen Lebens bilden die Grenzen, die ihn zurückhalten. Aber diese Grenzen geben Raum genug, der Sünde zu dienen und in ihrem Dienst zu Grunde zu gehen, Raum genug, die Freiheit zu missbrauchen und in die Willkür der Begierde zu verwandeln. Es ist eine große Gefahr, die der Jugend droht; und mit bangem, zagendem Herzen entlassen Vater und Mutter ihren Sohn auf die Bahn der Freiheit, in das versuchungsreiche Leben. Wird er in den Kämpfen, die es ihm auferlegt, den Sieg davontragen oder ihnen unterliegen? Und doch, wie große Gefahren auch drohen, wir können unsere Jugend vor ihnen nicht zurückhalten, die Freiheitsprobe kann ihr nicht erspart bleiben. Denn zur Freiheit ist sie berufen, und der Gebrauch der Freiheit kann nur in der Freiheit gelernt werden. So entlassen wir unsere Söhne zur Freiheit, begleitet von unseren Fürbitten. Ach, meine geliebten Jünglinge, vergesst es nicht, dass, wenn ihr auch fern vom elterlichen Hause weilt, die Gedanken eurer Eltern, Gedanken der Liebe und des Gebets, euch umschweben, wie heilige schützende Engel euch begleiten. Sie mögen euch in der Stunde der Versuchung vor Augen stehen.
Zur Freiheit seid ihr berufen, gebraucht sie, aber missbraucht sie nicht. Niemand soll dies euch mit Recht so wertvolle Gut antasten, es bleibe euch verbürgt, aber entstellt die Freiheit nicht zur Willkür der Begierde; gedenket daran, dass die Freiheit nicht ohne das Gesetz und nicht wider das Gesetz ist. Ihr seid frei, aber doch dem Willen Gottes unterworfen, der durch sein Wort, durch die Ordnungen, die das Leben der christlichen Welt regeln, und durch die Hüter derselben sich euch offenbart. Ihr seid frei, und doch verantwortlich vor Gott, der euch fragt, ob ihr treue Haushalter gewesen seid, eifrig gearbeitet habt mit den Pfunden, die er euch gewährt, mit den frischen Kräften Leibes und der Seele, oder ob ihr sie in Trägheit vergraben, in Genusssucht vergeudet habt. Ihr seid frei und doch verantwortlich euern Eltern, deren Liebe euch diese erquickende, reiche Jugendzeit bereitet hat, und die nur den einen Lohn von euch verlangt: Missbraucht nicht eure Freiheit. Ihr seid frei und doch verantwortlich euerm Volke, das zu seinem Dienst euch ruft, in den ihr mit reinem, unverdorbenem Herzen, mit einer frischen, von sündiger Lust nicht zerstörten leiblichen Kraft eintreten sollt, der einen arbeitstüchtigen Sinn und einen kenntnisreichen Geist fordert.
Ihr seid frei, und in der Freiheit werdet ihr der euch verliehenen Kraft inne, aber bewahrt euch in dem Selbstgefühl zugleich die Demut. Demut und Bescheidenheit sind der Jugend Schmuck. Erhaltet ihn euch nicht bloß euern Lehrern gegenüber, wie ihr es allezeit, und wir bezeugen es mit Freuden, tut, sondern auch im Verkehr untereinander. Wie viele Zwistigkeiten, welche Jünglinge, die zu freundschaftlicher Verbindung berufen sind, trennen, würden nicht entstehen oder entstanden leicht schwinden, wenn mit dem Selbstgefühl, welches die eigne Ehre schützt und schätzt, auch die Demut und Bescheidenheit geeint wären, welche ebenso ein übereilt gesprochenes Wort verzeihen, wie sie es zurücknehmen, wenn sie ihre Zunge nicht gehütet hatten.
Noch einmal sei es gesagt, bewahrt eure Freiheit, aber entstellt sie nicht zur Willkür der Begierde, bewahrt eure Freiheit, aber unterwerft sie dem Willen Gottes. „Habt Gott vor Augen und im Herzen und hütet euch, dass ihr in keine Sünde willigt und tut wider Gottes Gebot“ (Tob. 4,6). Bewahrt eure Freiheit, werdet nicht Knechte eurer Begierde. Gott dienen, sagt Augustinus, ist die Freiheit, und die heilige Schrift bezeugt: „Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht“ (Joh. 8,34). Der erste Schritt auf dem Wege der Sünde ist frei, der zweite nicht mehr. Mit jeder sündigen Tat wächst der Sünde Macht. Sie verstrickt uns in ihr Netz, wir werden ihre Gefangenen; wir erfahren den Fluch der bösen Tat, dass sie fortzeugend Böses muss gebären. Wir müssen der Sünde dienen. Wir glauben, frei zu sein, und haben doch unsere Freiheit verloren. Darum bleibt in der Freiheit, bewahrt und verteidigt sie gegen die Versuchungen der Sünde. Ihr seid zur Freiheit geboren, Kinder Gottes, Erlöste Jesu Christi.
Meine Lieben! Die Jugend ist die Zeit des Kampfes, ihr ziemt es nicht, zu zagen, feige zu fliehen, träge zu unterliegen. Der Jugend ziemt Tapferkeit, Stärke, männlicher Sinn. So tretet mutig in den Kampf ein! Will die Lust des Fleisches und der Augen euch hinabziehen, blickt auf zur Herrlichkeit des Reiches Gottes, der geistigen Welt, zu der ihr berufen seid; blickt auf unseren Herrn und Heiland Jesum Christum, der uns zuruft: Mir nach; hört auf die Stimme aus dem himmlischen Heiligtum: „Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben“ (Offenb. 2,10), auf die apostolische Mahnung: „So jemand auch kämpft, wird er doch nicht gekrönt, er kämpfe denn recht“ (2 Tim. 2,5). Tretet mit Mut und Tapferkeit der Versuchung entgegen, lasst euch nicht durch lockende Stimmen täuschen, die euch Freiheit verheißen und in die Knechtschaft führen. Eure Wegweisung sei das Wort der Wahrheit: „So euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr recht frei“ (Joh. 8,36); eure Losung jene Warnungsrufe, die wie aus einem Munde die Apostel Paulus und Petrus an uns richten: „Seht zu, dass ihr durch die Freiheit dem Fleische nicht Raum gebet“ (Gal. 5,13). „Als die Freien, und nicht als hättet ihr die Freiheit zum Deckel der Bosheit, sondern als die Knechte Gottes“ (1. Pet. 2,16). Seid stark, lasst das Wort Gottes bei euch bleiben und überwindet den Bösewicht. Denn die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit. Amen.