Hus, Jan - Am Sonntag Misericordias Domini.

Hus, Jan - Am Sonntag Misericordias Domini.

Joh. 10,12-16.

Dieses heilige Evangelium ist der reinste Spiegel für alle wahren Nachfolger Christi, aber zugleich die Verurteilung aller falschen Prälaten, die Christo dem Herrn nicht nachfolgen. Der gnadenreiche Heiland setzt darin als Glaubensgrund fest, dass er ein guter Hirte ist. Er ist ein guter Hirte, aber nicht etwa zufälligerweise, sondern von Ewigkeit her als Gott; die übrigen Hirten sind bloß zufälligerweise gut. Denn manchmal sind sie gut und manchmal wieder böse oder sie können wenigstens später böse werden; aber Christus kann nicht böse werden, denn er ist die ewige Güte und Barmherzigkeit. Auch sagt er nicht etwa aus Stolz, dass er der gute Hirte ist; er sagt es als wahrer Gott und Mensch und kann ihn darum weder Stolz noch irgend welche Sünde überfallen.

Hieraus sieht man aber auch, dass niemand sonst ein so guter Hirte werden kann, wie es Christus der Herr ist. Zum zweiten folgt daraus, dass niemand ein guter Hirte werden kann, wenn ihm nicht die Gnade dieses Hirten zu teil wird. Zum dritten ist es unmöglich, dass man irgend welchen Hirten loben kann, wenn er nicht Christo in himmlischen Tugenden nachfolgt. Denn alle Tugend ist ein sicherer Punkt inmitten zwischen Sünden und muss ihren Anfang vom Sohne Gottes haben, welcher die Mittelperson ist zwischen Gott dem Vater und dem heiligen Geiste. So geht auch der Mensch und namentlich ein geistlicher Hirte in eben dem Maße vom Wege der Wahrheit irre, wie er in der Nachfolge Christi zurückbleibt. Weiter ersehen wir noch hieraus, dass man einen Priester und vorzüglich den Papst und Bischof an der Gleichartigkeit ihres Lebens mit den Werken Christi erkennen soll; folgen sie Christo nach, so sind sie auch zu ehren, aber strafbar, wenn sie ihm nicht nachfolgen. Und dieses Urteil richtet sich geradezu nach dem Grade der Treue in der Nachfolge Christi; je treuer ein Seelenhirt seinem Heilande nachfolgt, desto ehrwürdiger ist er, aber auch um so strafbarer, je mehr er sich von dieser Nachfolge entfernt.

Nachdem Christus als Glaubensgrund festgesetzt, dass er ein guter Hirte ist, weist er nun hin auf das Amt eines solchen Hirten, und spricht: Ein guter Hirte lässt sein Leben für die Schafe.

Das Amt des Hirten ist dreierlei: Erstens: dass er für eine heilsame und gesunde Weide für seine Schafe Sorge trage. Zweitens: dass er die Schafe vor jeglicher Gewalttat beschütze. Drittens: dass er für die Gesundheit der kranken Schafe sorge. Diese dreifache Amtstätigkeit kommt allein in vorzüglicher Bedeutung Christo dem Herrn zu. Denn erstens ist er allein der Hirte, der mit seinem eignen Worte seine Schafe weidet, die übrigen Hirten weiden sie aber nicht mit ihrem eignen, sondern mit des Herrn Wort, wofern man überhaupt sagen kann, dass sie die Schafe weiden. Zum zweiten kann er allein mit eigner Macht die Schafe, das ist die Auserwählten, vor dem Teufel beschützen weil er Gewalt hat über alle Menschen und über alle Teufel, und so ist er der einzige Hirte, der seine Schafe vor allen Teufeln beschützen kann. Zum dritten ist er allein der Mensch, der der Welt Sünde trägt, und gibt es auch für die Schafe, von denen in unserm heil. Evangelium die Rede ist, keine ärgere Krankheit als die Sünde. Welcher Hirte kann wohl, wie der barmherzige Heiland, die Schafe von der Seuche der Sünde gesund machen? Daher bedeutet das oberste Amt, die Schafe gesund zu machen und ihnen aufzuhelfen, für den Hirten so viel, als sein Leben lassen für die Schafe. Wiewohl viele das getan, so ist doch da ein großer Unterschied, denn sie haben ihr Leben nicht aus eigner Macht geopfert für die Schafe, wie Christus der Herr, der die Macht hat, sein Leben zu lassen, und wieder zu nehmen, und konnten auch niemanden durch ihren Tod von Sünden reinigen und von ewiger Verdammnis erlösen. Darum ist er, Christus, der beste Hirte, der sein Leben für die Schafe gelassen.

Erkennt man den guten Hirten, so lässt sich auch ein böser Hirte leicht erkennen. Christus der Herr weist auch sofort auf die Eigenschaften eines schlechten Hirten hin, da er spricht: Ein Mietling aber, der nicht Hirte ist, des die Schafe nicht eigen sind, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe, und flieht. Hierbei ist zu bemerken, dass ein Mietling der genannt wird, der bei jemanden um zeitlichen oder leiblichen Lohn dient; darum heißt auch ein solcher ein Lohndiener oder Mietling, weil er für zeitlichen Lohn gemietet ist. So sind denn auch alle Priester, die wohl ein Hirtenamt übernommen, aber Jesum Christum in sich nicht aufgenommen haben, Mietlinge oder Lohndiener; sie führen das Amt nicht zur Ehre Gottes, zu ihrem eignen und der heiligen Kirche Heil, sondern allein um ihres leiblichen Wohles willen, und sind darum böse Hirten, falsche Mietlinge und Lohndiener. Daraus ersieht man auch weiter, dass alle heutigen Prälaten, die vermöge ihres Amtes über andre erhaben sind und nur allein nach zeitlichem Gewinn sich umsehen oder diesen wenigstens dem geistlichen Nutzen vorziehen, falsche Mietlinge sind, deren gewiss ewige Verdammnis harrt, wenn sie nicht in sich gehen und Buße tun. Denn sie setzen den Nutzen ihres Herrn Jesu Christi ihrem eignen Vorteil nach, und verkehren die Rechte Gottes so, dass sie auf ihren eignen und nicht auf des Erzhirten unsrer Seelen Nutzen bedacht sind; darum arbeiten sie auch nicht am Seelenheil derer, die ihrer Pflege befohlen sind, und werden ohne Ausrede verdammt, da sie das Hirtenamt nicht führen, andre nicht unterrichten, und nur sich selbst leiblich pflegen. Darum sagt der Prophet Hesekiel 34,2 von ihnen: Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! Und weiter sagt er: Sie weiden sich selbst, aber meine Schafe wollen sie nicht weiden. Darum, ihr Hirten, hört des Herrn Wort. So spricht der Herr Herr: Siehe, ich will an die Hirten, und will meine Herde von ihren Händen fordern, und will es mit ihnen ein Ende machen, dass sie nicht mehr sollen Hirten sein, und sollen sich nicht mehr selbst weiden. So sagt dir Gott selbst, dass Hirten, die das Volk nicht mit dem göttlichen Worte weiden, werden verdammt werden. Das sagen und lehren nach dem Worte Gottes auch die heiligen Kirchenväter. So sagt der heilige Isidor: Die Priester werden um der Sünden des Volks willen verdammt werden, wenn sie die Menschen über ihre Unwissenheit nicht belehren und sie ihrer Sünden wegen nicht strafen. Und der heilige Augustin sagt dieses: Es gibt nur wenige Priester, die Gottes Wort treu verkündigen, aber es gibt ihrer viele, die zu ihrer eignen Verdammnis stumm sind; einige sind zwar im Worte Gottes nicht unterrichtet, aber sie wollen auch nichts lernen; andre verachten sogar das Wort des Herrn, weil sie durch seine Verkündigung Zeit verlieren würden. Aber man kann weder jene noch diese ihres Schweigens wegen entschuldigen; denn ein Ungelehrter soll über andre nicht gesetzt werden; die aber, so gut predigen können, sollen nicht schweigen, auch wenn sie über andre nicht gesetzt sind. Der heilige Gregor sagt aber: Es ist geschrieben 2. Mos. 28,35, dass man einen Klang höre, wenn der Priester eingeht in den Tempel vor dem Herrn, auf dass er nicht sterbe. Und der Priester stirbt gewiss, wenn er in das Heilige vor dem Herrn ein- und ausgeht, und man keinen Klang der Predigt von ihm hört; er reizt so den geheimen Richter zur Rache, so lange er ohne Klang des Wortes Gottes aus- und eingeht. So führt also der heilige Gregor die Schrift an, wonach Mose zu Gott gesprochen, dass der Priester ohne Amtschildlein und Schellen an seinem Leibrock in den Tempel nicht eingehe, auf dass ihn das Volk beim Aus- und Eingehen hören könnte; würde er ohne Schellen eingehen, so sollte er sterben. So soll nach der Erklärung des heiligen Gregor auch heutigen Tags der Priester unter Androhung des ewigen Todes einen Klang vom Worte Gottes um sich herum verbreiten; er soll Schellen befestigen an seinem Leibrock, das heißt, an seinen guten Werken, die das priesterliche Kleid ausmachen. So sagt David: Deine Priester sollen sich kleiden in Gerechtigkeit. Und weiter sagt noch der heilige Gregor, dass der Priester Schellen an seinem Rocke trage, wenn seine Werke mit dem Schall der Zunge andern die Wege des Lebens weisen.

Und aus alle dem seht ihr, dass Priester, welche die Herde Christi nicht weiden, Mietlinge sind, welche die ewige Verdammnis verdienen. Darum wehe denen, so wegen zeitlichen Gewinns ein Hirtenamt übernehmen; denn ein jeder solcher Hirte ist nach den Worten Christi ein Mietling oder Lohndiener, der den Wolf, das ist, den Teufel kommen sieht, und verlässt die Schafe und flieht. Ein solcher Mietling sieht den Wolf, das ist, den Teufel kommen, wenn er des Teufels Werke an Menschen gewahrt, wie Ehebruch, Unzucht oder sonst ein andres teuflisches Werk; und er verlässt die Schafe, wenn er sich gar nicht darum kümmert, dass sie also sündigen; er sollte sie lehren, dass alles das Sünde heißt, aber er flieht. Dazu sagt der heilige Gregor: Er flieht; das heißt, er bleibt zwar am Orte, aber er leistet keine Hilfe, und so hascht der Wolf die Schafe, wenn der Teufel die Seelen zu sündlichen Lüsten und Ergötzungen verführt.

Hat so der Teufel den Menschen zur Todsünde verleitet, so hat er ihn erhascht und seine Seele erwürgt. Er zerstreut aber die Schafe, da er sie von der Einigkeit der Liebe abführt und Feindschaft unter ihnen stiftet, und manches Schaf treibt er auf den Gipfel der Hoffart, ein andres in die Grube der Trägheit, ein drittes in die Dornen des Geizes und nicht wenige in den Sumpf der Unzucht.

Man muss aber beachten, dass Christus ausdrücklich sagt: Ein Mietling aber, der nicht Hirte ist, des die Schafe nicht eigen sind. Daraus folgt von selbst, dass ein Mietling kein Hirte ist. Zum zweiten, dass die Schafe nicht sein eigen sind. Wer ist also kein Hirte? Gewiss der, der die Schafe nicht weidet, so wie im Gegenteil der ein Hirte ist, der die Schafe weidet. Darum ist auch niemand ein Hirte der Schafe Christi, der sie nicht weidet. Weidet er sie aber, und zwar mit dem Worte Gottes und mit dem Beispiel heiliger Werke und Tugenden, so ist er ein Hirte. Denn man kann wohl die Schafe Christi weiden und ist darum noch kein Hirte, wenn man sie nämlich weidet mit erdichteten Lehren menschlicher Weisheit oder mit Irrtümern und lügnerischen Worten; man ist dann vielmehr ein Dieb, da man den Schafen das Wort Gottes stiehlt, dass sie es nicht hören. Weidet man sie aber bloß um zeitlichen Nutzens willen, so ist man ein Mietling. So fragt der heilige Augustin: Was ist denn das, dass Christus sagt: „Ein Mietling?“ Und er gibt darauf zur Antwort: Es ist ein Hirte, der zeitlichen Lohn im Hause Gottes sucht, und darum im Himmelreich in Ewigkeit nicht wohnen soll. Und der heilige Gregor sagt: Es gibt viele, die oft irdisches Gut mehr denn die Schafe lieben, und den Namen der Hirten mit Recht verlieren; denn das ist kein Hirte, sondern ein Mietling, der nicht aus innerer Liebe, sondern bloß leiblichen Vorteils wegen die Schafe Christi weidet; der ist fürwahr ein Mietling, der wohl ein Hirtenamt innehält, aber das Heil der ihm anvertrauten Seelen nicht sucht, sondern alles bloß nach irdischem Vorteil berechnet und sich auf seinen Prälatenrang viel einbildet. So der heilige Gregor.

Ein Mietling wird demnach an drei Stücken erkannt. Erstens wohl daran, dass er zwar ein Hirtenamt annimmt, aber die Schafe verlässt, indem er sich nicht um sie bekümmert. Zum zweiten, dass er in Not und Widerwärtigkeit davon flieht; diese zweifache Eigenschaft eines Mietlings führt Christus der Herr ausdrücklich an. Die dritte liegt in dem Namen „Mietling“ selbst, dass er nämlich irdischen Lohn sucht und dafür gemietet ist. Seht und erstaunt über die Unzahl der Mietlinge! Wo sind denn die Hirten? Sie haben sich in Wölfe und Mietlinge verwandelt und in Diebe und Mörder, welche nicht durch Christum in den Schafstall hineingehen, sondern anderswo hineinsteigen, und ihre Zahl ist so groß, dass sie unsereiner nicht zusammenzählen kann. Ja, der Herr sagt gleich vor diesem Evangelium, dass alle, die vor ihm gekommen sind, sind. Diebe und Mörder gewesen, und er warnt uns vor diesen bösen Hirten nach Matth. 7,15 mit den Worten: Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe, falsche Propheten mit Ablässen, so um Geld feil find, in Schafskleidern, das ist, im Amte und mit priesterlicher Macht bekleidet, dass sie äußerlich einem Schäflein Christi gleichen. Sie ahmen auch die mitleidige Stimme der Schafe nach, und rufen euch zu: „Ihr werdet erlöst von euren Sünden!“ inwendig aber sind sie reißende Wölfe vor Begierde nach Geld, und zeigen sich auch äußerlich als Wölfe, denn Wölfen gleich heben sie ihr Haupt hoch empor und heulen. David sagt: Sie erdichteten und redeten Schalkheit. und redeten Bosheit in der Höhe; ihren Mund haben sie in den Himmel gelegt, aber ihre Zunge trotzt auf der Erde. Wen meint da David, da er spricht: Sie erdichteten Schalkheit? Es sind die, so allerhand Satzungen erfunden und damit das Volk plündern. Sie sprechen Bosheit in der Höhe, da sie laut ausrufen, dass jedermann, der sich ihnen widersetzt, ein Ketzer sei, und sie die Macht haben, ihn mittelst des Bannes zur Hölle zu verurteilen. Sie legen aber ihren Mund in den Himmel, indem sie predigen, dass sie die Macht haben, jedermann das Himmelreich zu öffnen und Sünden und ewige Pein dem zu vergeben, der ihnen Geld dafür gibt, ja ihm nach seinem Tode den Himmel sofort aufzuschließen! Und heißt das nicht sein Haupt frech erheben bis in den Himmel hoch über die Engel Gottes und nach Art der Wölfe Heulen, wenn Papst Clemens in seiner Bulle den heiligen Engeln befiehlt, dass sie sofort die Seele desjenigen in den Himmel tragen, der auf seiner Wallfahrt nach Rom sterben sollte! Ja, diese Wölfe meint der Prophet, da er sagt, dass ihre Zunge auf der Erde krieche, denn sie reden schalkhaft von irdischen Dingen und wollen Geld und zeigen dafür nach dem Himmel; das ist ihre Sprache und ihre Schrift, dass diejenigen den Himmel besitzen, die Geld geben oder doch wenigstens zum Geben behilflich sind. Und diese Wölfe mit den Mietlingen sind bereits so zahlreich und mächtig geworden, dass sie treue Hirten mit den Schafen, so auf den guten Triften des Wortes Gottes weiden, als Ketzer haschen und morden. Diese Wölfe kommen her von dem Antichrist, welcher ist der große Wolf, von welchem Jer. 5,6 sagt: Ein Wolf des Abends hat sie verdorben, das heißt, der Antichrist wird am Ende oder am Abende der Welt, wo die Sonne, Christus, mit den Strahlen seines göttlichen Lichtes den menschlichen Verstand nicht mehr erleuchtet und das Herz zur Liebe nicht erwärmt, die Schafe verderben; und diese Zeit hat Christus vorhergesagt, dass nämlich vor dem Tage des Gerichts die Ungerechtigkeit wird überhand nehmen und die Liebe in vielen erkalten. So verdirbt der Antichrist die Schafe, indem er kleinere Wölfe unter sie schickt, von welchen Christus seinen Getreuen Matth. 10,16 voraussagte: Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Daraus kann man auch erkennen, dass nicht bloß der Teufel und der Antichrist ein Wolf sei, sondern ein jeglicher schalkhafter Diener, der mit Gewalt oder List den Menschen ihre Habe raubt oder darein beißt. Darum sagt der heilige Gregor: Der Wolf kommt über die Schafe, wenn ein Ungerechter oder Betrüger die getreuen und demütigen Christen plagt und beraubt, und wenn der, der sich als Hirte ihrer annehmen sollte, die Schafe verlässt und davonflieht.

Christus der Herr gibt die Ursache an, darum der Mietling flieht. Er sagt: Der Mietling aber flieht, denn er ist ein Mietling, und achtet der Schafe nicht. Dazu sagt der heilige Gregor: Die Ursache, dass der Mietling flieht, liegt eben darin, weil er ein Mietling ist. Denn derjenige kann wahrlich in der Gefahr der Schafe nicht bleiben, der die Schafe nicht liebt, und darin, dass er über sie gesetzt ist, einzig und allein seinen irdischen Vorteil sucht. Da habt ihr aus den Worten Christi und des heiligen Gregor den Beweis, dass ein Mietling die Schafe nicht aufrichtig liebt, denn würde er sie aufrichtig lieben und dazu auch ein von Christo dem Herrn erwählter Hirte sein, so würde er wohl bis zum Tode gegen den Teufel kämpfen für seine Brüder.

Denn Christus sagt ausdrücklich, dass ein guter Hirte sein Leben lasse für die Schafe. Und der heilige Johannes sagt in seinem ersten Briefe 3, 16: Daran haben wir erkannt die Liebe, dass er sein Leben für uns gelassen hat, und wir sollen auch das Leben für die Brüder lassen. Diese Worte sind ein fester Grund, denn so hat Christus getan und dazu auch die Apostel in die Welt gesandt, so sollen auch andre Nachfolger tun. Und der heilige Augustin sagt zu diesem Grunde, dass wahre Liebe es wolle, dass wir die Seele unsers Nächsten mehr denn unsern eignen Leib lieben. Darum sollen wir für das Seelenheil unsers Nebenmenschen unsern Leib gerne dahingeben in den Tod, wenn es notwendig ist; sagt ja schon der natürliche Verstand, dass man ein geringes Gut zur Erlangung eines größeren willig opfern solle. Da aber das Leben des Leibes ein geringeres Gut ist gegen das Heil der Seele, so soll man auch jenes, wenn es an der Zeit ist, für dieses gerne dahingeben. So ist es denn auch ein Glaubenssatz, dass, wer aus Liebe zum Seelenheile seines Mitmenschen sich bis zum Tode opfert, zu der Schar der Auserwählten in der ewigen Seligkeit werde gezählt werden. Darum soll sich auch jeder treue Christ und vorzüglich ein Seelenhirte für die Schafe Christi bis zum Tode opfern, damit er sie gegen den Teufel und den Antichrist behüte. Hierzu tut aber der heilige Augustin folgende Frage: Die Apostel waren Hirten und keine Mietlinge; aber warum flohen sie denn, als man sie zum Tode suchte? Das war gewiss nach den Worten Christi getan, der Matth. 10,23 zu ihnen sprach: Wenn sie euch aber in einer Stadt verfolgen, so flieht in eine andre. Und diese Frage stellte der Bischof Honoratus an den heiligen Augustin, als er ihm schrieb: Man sucht meinen Tod, was soll ich tun? Ich weiß mir da keinen Rat. Denn einmal sagt Christus: Wenn sie euch aber in einer Stadt verfolgen, so flieht in eine andre; und das andre Mal sagt der Herr: Ein Mietling aber, der nicht Hirte ist, des die Schafe nicht eigen sind, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe, und flieht. Was soll ich denn tun, damit ich sowohl das erstere Wort des Herrn erfülle, und doch kein Mietling werde, wenn ich fliehe. Zur Beantwortung dieser Frage verfasste der heilige Augustin sogleich ein ganzes Buch, worin er bei der Sache lange verweilt, und zuletzt dem Bischof Honoratus diesen Rat erteilt: Entweder ist die Verfolgung gegen euch alle oder bloß gegen einzelne von euch gerichtet. Verfolgt man euch alle, so könnt ihr euch auch alle an einen andern Ort flüchten, damit ihr dieser Verfolgung entgeht. Verfolgt man aber euch nicht alle, so sind es entweder die Priester oder die Laien, die man verfolgt. Werden aber die Laien verfolgt, so brauchen die Priester nicht zu flüchten, die Laien aber können sich flüchten, denn sie sind keine Hirten. Trachtet man aber nach dem Leben der Priester, so dürfen gleichwohl nicht alle fliehen, denn so würde man ja das Volk Gottes ohne geistliche Pflege lassen, nämlich ohne Wort Gottes und Taufe und die Priester würden somit Mietlinge. Ja, würde selbst das Volk darauf dringen, dass sie davongehen, damit sie nicht ums Leben kommen, so dürfen doch die Priester nicht fliehen, denn die Seelen der Gläubigen müssen ihnen lieber sein, als ihr eignes Leben. Aber wer wird denn das Volk Gottes lehren und leiten, wenn alle Priester ums Leben kommen? Darum sagt der heilige Augustin weiter, dass nicht alle Priester im Orte bleiben, sondern einige zum künftigen Dienste der Kirche sollen aufbewahrt werden. Und wie soll das geschehen? Darauf sagt wieder der heilige Augustin: Sagt jemand von sich selbst: ich will gehen, ihr (übrigen) aber bleibt, so ist ein solcher entweder furchtsam und will vor allen andern flüchten, oder er ist stolz, indem er der Meinung ist, dass er zum künftigen Dienste der Kirche am besten tauglich sei. Darum darf sich niemand von selbst entfernen, sondern es müssen einige oder wenigstens einer von den übrigen zum künftigen Wohle der Kirche ausgeschieden und bestimmt werden, die sich alsdann von dem Orte der Verfolgung wegbegeben sollen. Aber es dürfte noch ein Zweifel darüber entstehen, wen man ausscheiden solle. Da muss man losen, und wen das Los zeigt, soll abgehen.

Aber man wird vielleicht einwenden, dass man von einer solchen Losung in der Schrift nichts lese? Das macht nichts zur Sache; eine solche Losung wird gewiss nützlich sein, wenn man sie vornimmt, auch wenn sie früher nie stattgefunden hätte. Trachtet man aber bloß einer einzigen Person nach dem Leben, so kann sich die betreffende Person oder der Mensch zum künftigen Dienste der Kirche durch die Flucht retten, wenn dadurch die geistige Pflege des Volkes Gottes nicht aufhört. So ging auch der Apostel Paulus von Damaskus hinweg, und taten ihn selbst die Jünger durch die Mauer, und ließen ihn in einem Korbe hinab. So rettete sich auch der heilige Athanasius, als ihn der Kaiser Konstantius wollte umbringen lassen, und hat durch seine Flucht nachmals der heiligen Kirche große Dienste erwiesen im Kampfe wider die Ketzer. Denn er hat das Glaubensbekenntnis verfasst, das wir alle Tage in der ersten Morgenstunde singen, und welches mit den Worten beginnt: Wer immer will selig werden usw. Sollte jedoch die Gefahr da sein, dass durch die Flucht des Hirten die geistliche Pflege des Volkes, nämlich die Predigt des Wortes Gottes und Taufe eingestellt würde, so darf der Hirte nicht fliehen, denn durch solche Flucht würde er die Schafe geradezu dem Teufel überliefern und sich als einen Mietling darstellen, der sein Leben mehr denn das Seelenheil seines Nächsten liebt. So hat der heilige Augustin gedachte Frage dem Bischof Honoratus beantwortet.

Also verließ ich mich auch auf die Gnade Gottes und den Rat vieler Männer, denen ich nicht wert bin die Schuhriemen aufzulösen, und diese Worte des heiligen Augustin, und machte mich aus dem Wege, als man mir nach dem Leben trachtete, denn das Volk wurde hinlänglich mit dem Worte Gottes auch während meiner Abwesenheit bedient, und wurden auch seine sonstigen geistigen Bedürfnisse befriedigt. Danach kehrte ich zurück und predigte wieder. Und als auf des Königs Befehl eine Versammlung wegen zu erzielender Einigung stattfinden sollte, trat ich abermals ab, nachdem das Volk bei einer Predigt darein eingewilligt hatte. Als aber auf dieser Versammlung wegen freier Verkündigung des Wortes Gottes nichts erzielt worden war, nahm ich mein Predigtamt wieder auf, wiewohl sie mir zu predigen verboten hatten. Da jedoch dieses Verbot (Interdikt) große Bewegung im Volke verursachte, indem man weder taufen noch Tote begraben durfte und darum auch große Unordnungen zu fürchten waren, trat ich abermals ab. Ich weiß fast nicht, ob ich so recht oder unrecht gehandelt habe, und ob alle diese Gründe hinreichen, dass ich nicht ein Mietling heiße. Doch tröste ich mich hierin mit dem Gedanken, dass ich in Hoffnung auf Gott mein Leben gerne dahingeben wollte, wenn ich mir bewusst wäre, dass ich durch meine Handlungsweise sündige, und wollte ich mich gerne ihrem Interdikte widersetzen. Das aber hält mich am meisten zurück, dass das Volk zur Verteidigung der göttlichen Wahrheit nicht viel Mut zeigt, auch ohne des Papstes Gottesdienst zu bleiben, ihre Toten wo immer zu begraben und in dieser großen Not ihre Kindlein selbst zu taufen, bis Gott der Herr die Netze des Antichrists zerreißen würde. Das Verbot des öffentlichen Gottesdienstes ist wohl das festeste Netz des Antichrists, das seine Priester über die Völker ausspannen und wodurch sie ihre Willkür durchzusetzen pflegen. Damit verteidigt der Antichrist seinen Geiz und Mammon, und damit hält er von sich und seinen Dienern alles Leiden und jede Unbill fern, ganz im Gegensatze der ersten Christen und Priester, welche mit Freuden jedes Unrecht litten, wenn man ihnen ihre Habe nahm, sie verhöhnte, marterte und tötete; sie stellten dafür den Gottesdienst nicht ein, aber sie beteten um so eifriger und opferten sich Christo um so mehr auf. Unsre heutigen Priester haben sich mit den Satzungen des Antichrists wie mit einer mächtigen Schanze umgeben. Nimmt jemand einem Priester etwas, und zwar auf gerechte Weise, oder ergreift man einen Priester im Ehebruch oder beim Raub, so wird auch sofort der öffentliche Gottesdienst eingestellt, wenn man nämlich den priesterlichen Ehebrecher und Räuber gefangen setzt. Oder erhält ein Priester in der Schenke während des Gezänks beim Würfelspiel oder um feile Dirnen einen Backenstreich, so wird sein Gegner sofort vors geistliche Gericht gefordert und mit dem Bann belegt. Wird aber der Priester dabei verwundet, so wird der öffentliche Gottesdienst eingestellt und der Gegner gezwungen, nach Rom zu pilgern, indem sie vorgeben, dass nur der Papst allein denjenigen lossprechen könne, der einen Priester verwundet. Wenn aber ein Priester jemandem Hand oder Fuß abhaut oder gar einen Unschuldigen tötet, so wird weder der öffentliche Gottesdienst eingestellt, noch ein solch priesterlicher Übeltäter mit dem Bann belegt. Und warum wohl nicht? Weil ein Teufel dem andern kein Auge aushackt, ja, man hört sie sogar sagen: Das ist ein stattlicher Priester, der weiß wohl mit seinem Kerl fertig zu werden. Und so hat der Teufel nach und nach sein Netz ausgebreitet, indem er anfangs die Bösen dazu führte, dass sie die Guten mordeten. Da er aber gewahr wurde, dass sich ihre Zahl dadurch nicht verringerte, ersann er allerhand Martern gegen sie und ließ sie auf die mannigfaltigste Weise quälen und peinigen. Doch auch dieses Mittel hat nicht geholfen. Hierauf erdachte er die Bosheit, dass er den Guten das Schwert nahm und es den Bösen gab, nämlich das Schwert des Wortes Christi zur Ausschließung aus der heiligen Gemeinschaft der Gläubigen, was man den Bann heißt. Dieses Schwert gab Christus seiner heiligen Kirche, damit die Guten mit einem Menschen, der offenbar tödlich sündigt und nach dreimaliger Ermahnung von seiner Todsünde nicht ablassen will, keine Gemeinschaft halten und ihn absondern. Dieses Schwert aber überantwortete listigerweise der Teufel den Bösen zum Gebrauche gegen die Guten, so dass nun Simonisten, Ehebrecher, Wollüstlinge, Geizhälse und offenbare Widersacher Gottes diejenigen von der heiligen Gemeinschaft ausschließen, so Gottes Wort predigen und sie ihrer Sünden wegen strafen. Und damit fing der Teufel schon bei dem Herrn Jesus an, zu dessen Zeiten schon die Priester, Bischöfe und Schriftgelehrten seine Anhänger mit dem Banne zu belegen anfingen. So berichtet uns der heilige Johannes 9, dass sie den Blindgebornen, dem der Herr Jesus die Augen aufgetan hatte, verfluchten und ihn aus ihrer Gemeinschaft hinausstießen, weil er von Christo zeugte, dass er ein Prophet ist; denn sie hatten sich schon vereinigt, dass derjenige, der ihn als Christum bekenne, in den Bann getan würde. Und von diesem Bann redete Christus zu seinen Jüngern Joh. 16,1.2.3 also: Solches habe ich zu euch geredet, dass ihr euch nicht ärgert. Sie werden euch in den Bann tun; es kommt aber die Zeit, dass, wer euch tötet, wird meinen, er tue Gott einen Dienst daran. Und solches werden sie euch tun, dass sie weder meinen Vater noch mich erkennen. Da sehen wir ganz deutlich, was man eigentlich mit dem Banne schon von alters her bezwecken wollte und noch heute erreichen will; wir sehen auch, dass der Bann aus Unkenntnis Gottes des Vaters und des Sohnes herrührt, darum man auch meint, Gott dadurch zu dienen, dass man seine Knechte mordet. Also hat der Teufel listigerweise die Bannflüche vermehrt und will damit überall sowohl neuen Reichtum den Priestern erwerben, als auch das Erworbene beschützen und eigentlich die ganze Welt ihnen untertänig machen; man soll hinfort gegen ihre Bosheit nichts unternehmen und vorzüglich sich niemand unterfangen, gegen sie zu predigen. Darum verbieten sie auch unter Androhung des Bannes über Priester vor dem gemeinen Volke etwas zu sagen, es sei denn, dass es ihnen zum Lobe und leiblichen Nutzen gereichen könnte. Wer daher predigt: „dass Priester Götter sind und göttliche Wundertäter, dass sie die Macht haben jeglichen Menschen nach Belieben selig zu machen oder zu verdammen, dass niemand ohne sie selig werden könne, dass sie niemand irgend welcher Sünde zeihen solle, dass sie allein alles, was das Beste ist, aufessen, vertrinken und verbrauchen dürfen“: wer so predigt, ist ein verehrungswürdiger Prediger, und nur ein solcher darf predigen. Wer aber predigt: dass Priester nicht Unzucht treiben, das Volk mit ihrer Simonie und Geiz nicht plündern, fremde Ehefrauen in Ruhe lassen, mit einer Pfründe sich begnügen sollen, der ist ein Schänder des heiligen Priestertums, ein Zerstörer der heiligen Kirche und Ketzer, und soll nicht predigen. Den treiben sie auch vor ihre Tribunale und verfluchen ihn. Und wo dieses Teufelsnetz nicht ausreicht, da verbieten sie den öffentlichen Gottesdienst und dehnen das Teufelsnetz möglichst weit aus, damit sie ihren Willen durchsetzen, und verbieten wo möglich allen Menschen Gott zu dienen. Gott befahl: Predigt, tauft, haltet das Abendmahl zu meinem Andenken und betet ohne Unterlass. Aber der Antichrist sagt: Predigt nicht, tauft nicht, haltet auch keine Messe, betet nicht, sondern hört mir damit auf.

Und das gemeine Volk meint nach ihrer Lehre, dass das alles in Ordnung sei, und sie können nicht einmal begreifen, dass, wenn ein Beamter des Königs allen übrigen Mitbeamten befehlen würde, dass sie ihre Ämter und ihren Dienst niederlegen, weil ein Diener des Königs böse sei, diese nicht gehorchen dürfen, und dass sie auch dann ihren Dienst nicht einstellen dürfen, wenn ein treuer Diener des Königs den Willen eines bösen Beamten nicht erfüllen wollte. So darf man auch nicht gehorchen, wenn sie befehlen, dass die Guten Christo dem Könige nicht dienen und sein Geschäft nicht treiben sollen; darf man auf das Verbot des öffentlichen Gottesdienstes nicht achten, wie ich in meiner lateinischen Schrift von der Kirche ausführlicher darüber geschrieben habe. Das Netz des Verbots des öffentlichen Gottesdienstes warf der Papst zuerst über Rom aus, als man zu einer Zeit daselbst einen Kardinal verwundet hatte; und es durfte ganz Rom Gott öffentlich nicht dienen. Als der Antichrist merkte, dass das Mittel ihm gute Dienste tue, warf er das Netz immer weiter aus, und das hauptsächlich zu dem Zwecke, auf dass niemand seine Priester angreifen oder gar ihm selbst zu nahe treten sollte. Und unlängst vor der Welt Ende breitete er das Netz auf die pfiffigste und hinterlistigste Weise aus, damit die Vögel Christi das Wehen des heiligen Geistes nicht verspüren und sich vor den ihnen gelegten Nachstellungen nicht in acht nehmen. Hoffentlich wird aber Gott der Herr sein Volk um so eher aufklären, damit es das Netz zerreiße und ihn lobe auch wider den Willen des Antichrists und den Gottesdienst nicht einstelle. Ja, Gott der Herr sei dafür von uns gepriesen, dass er in seinem heiligen Wort dem Antichrist und seinen Dienern keinen Vorwand dazu gegeben, wohl aber seinen Jüngern befohlen hat, das Netz zu zerreißen, damit sein Lob im Volke ewiglich erschalle. So werde auch ich, wenn es Gottes Wille sein wird, ungeachtet ihres Verbots des öffentlichen Gottesdienstes das Wort Gottes predigen, denn solche Widersacher des Wortes Gottes sollten vielmehr selbst weder Gottesdienst halten, noch taufen.

Ich möchte die Schafe Christi noch mehr bestärken in dem Glauben, von welchem es im Evangelium weiter also heißt: Ich bin ein guter Hirte und erkenne die Meinen und bin bekannt den Meinen. Der Herr sagt zu wiederholten Malen, dass er ein guter Hirte ist, damit er seine Rede bekräftige und diese Wahrheit uns noch mehr zu Herzen führe; auch sollen wir daraus erkennen, dass er sowohl als Gott als auch als Mensch Hirte ist.

Er beweist es mit dreierlei Gründen, dass er ein guter Hirte ist: Erstens, weil er seine Schafe kennt, denn er spricht: Ich erkenne die Meinen. Zweitens, weil er sein Leben gibt für seine Schafe, da er sagt: Und ich lasse mein Leben für die Schafe. Drittens durch seine große Sorgfalt um die Schafe, da er spricht: Und dieselbigen muss ich herführen.

Und ist denn nicht der ein guter Hirte, der alle seine Schafe kennt und sein Leben für sie lässt und bis in seinen Tod um sie bedacht ist? Zeige mir jemand einen bessern Hirten, und ich werde kühnlich behaupten, dass er weiser ist denn Gott selbst. Christus der Herr sagt: Ich erkenne die Meinen, das ist, durch ewige Erkenntnis zur Erlösung; er erkennt seine Schafe, das heißt, die im Volke zur ewigen Seligkeit Auserwählten. Und ich bin bekannt den Meinen, das ist, meine Schafe erkennen mich jetzt im Leben und werden mich mit ewiger Liebe nach dem Tode erkennen. Und wie mich mein Vater kennt durch ewige liebevolle Erkenntnis, so kenne ich den Vater als sein ewiger Sohn durch dieselbe Erkenntnis. Aber die Schafe erkennen Christum nicht durch ewige Erkenntnis, denn sie sind nicht von Ewigkeit her, sondern sie erkennen ihn zeitlich durch lebendigen Glauben und werden ihn in künftiger Seligkeit forterkennen; ihre Erkenntnis fängt hier an und wird in himmlischer Seligkeit vollendet. So hat Christus als Gott die höchste Erkenntnis mit dem Vater, als Mensch aber erkennt er den Vater mittelst der Erkenntnis, die er als Gott mit ihm hat; also erkennt er den Willen seines Vaters und ist bereit, sein Leben für die Schafe zu lassen.

Darum sagt er auch gleich und mit Recht: Ich lasse mein Leben für die Schafe, oder für die Auserwählten zur Erlösung; denn dies ist das vorzüglichste Werk Gottes, das von Ewigkeit her bestimmt und Christo dem Herrn als Menschen von der heiligen Dreieinigkeit aufgetragen war, dass er sein Leben gäbe in den Tod für seine Schafe.

Das Erlösungswerk ist aber nicht bloß den Juden allein zum Heile, von welchen Christus dem Fleische nach abstammte, und zu denen er von allen übrigen gesendet war, sondern auch den übrigen Völkern. Darum spricht Christus der Herr: Und ich habe noch andre Schafe, das ist, Heiden auserwählt zur Seligkeit, die sind nicht aus diesem Stalle, das heißt, sie stammen nicht aus dem Geschlechte der Juden, welches Geschlecht eine Gemeine ist der Heiligen. Und dieselbigen muss ich herführen in die Gemeinschaft der Heiligen, nicht etwa wider meinen eignen Willen, sondern im Auftrage der heiligen Dreieinigkeit. Und wird Eine Herde und Ein Hirte werden. Darunter verstehen einige die endliche und völlige Bekehrung der Juden zu dem Glauben Christi; andre aber verstehen unter Einer Herde und Einem Hirten die völlige Bekehrung aller Auserwählten, die zuletzt mit Christo dem Herrn in den himmlischen Wohnungen der Seligkeit herrschen werden, und dieser Sinn ist der richtige. Denn es ist gewiss, dass alle Auserwählten endlich Christi Stimme hören und die Versammlung bilden werden, welche Christus eine Herde nennt. Und Ein Hirte dieser Herde ist der Stall, welcher heißt die streitende heilige Kirche, und nach dem letzten Gericht wird es einen Schafstall geben, nämlich die triumphierende heilige Kirche, das ist, die Gemeine aller Heiligen, die Fleisch, Welt und Teufel besiegten und allezeit nur einen Hirten haben, unsern Herrn Jesum Christum. Der Zahl dieser Schafe gehörte z. B. der Apostel Judas nicht an, wiewohl ihn Christus zum Bischofsamte berufen, denn er war nicht zur Seligkeit auserwählt. Ein Auserwählter kann auch nie zu Grunde gehen, wie niemand, der vorhergesehen ist, selig werden kann. So sagt der heilige Augustin: Ein Auserwählter ist derjenige, den Gott der Herr erwählt hat, dass er fromm lebe und endlich selig werde; ein Vorhergesehener heißt aber derjenige, den Gott als solchen erkannte, der böse vor ihm wandeln und zuletzt verdammt sein würde. In den Schafstall aber der Heiligen wolle uns nach den Mühen und Plagen dieses Lebens unser Heiland Jesus Christus in Gnaden aufnehmen. Amen.

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autoren/h/hus/hus-misericordias.txt · Zuletzt geändert: von aj
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