Hus, Jan - Bruchstücke aus andern Predigten.

Hus, Jan - Bruchstücke aus andern Predigten.

Es kann noch die Frage entstehen, wie es denn kam, dass Christus aus Furcht vor den Juden nicht nach Jerusalem reiste zum Osterfeste, da doch Johannes der Täufer sich nicht fürchtete, den König Herodes bis zu seinem Tode seiner Ausschweifungen wegen zu strafen. Hierbei ist ein Dreifaches ins Auge zu fassen.

Erstens: Christus musste nach dem Willen seines himmlischen Vaters für die Menschen leiden; dieser Wille war ihm bekannt und sein Wille musste mit des Vaters Willen ganz übereinstimmen.

Zweitens: Christus wich dem Tode aus wider den Willen seiner Feinde und offenbarte so seine Macht, dass seine Feinde sähen, in seinem Willen liege es, wann und wie er sterben sollte.

Drittens: Er wollte seinen Jüngern für die Zukunft ein Beispiel geben, wann sie ihren Widersachern weise aus dem Wege gehen sollten. Auch darf man nicht zweifeln, dass Christus unerschrockener und in allen Tugenden würdiger gewesen ist, als Johannes der Täufer, wiewohl er unter Menschen wohnte, Fleisch aß und Wein trank, Johannes aber nicht. Denn er übertraf ihn wieder darin, dass er in der Wüste vierzig Tage und Nächte fastete, was uns von Johannes nicht bekannt ist. Auch übertraf er den Johannes an Unerschrockenheit, da er die Priester strafte, wiewohl sie ihn öfter steinigen wollten, da er unter ihnen blieb, wenn auch seine Jünger davongingen, und da er sich ihnen selbst überantwortete und sie noch alsdann strafte und sprach: Das ist die Macht der Finsternis, die nämlich der Teufel in eure Herzen gelegt hat, dass ihr meinen Tod begehrt; jetzt geht das Gericht über die Welt, nun wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden.

Weiter kann aber gefragt werden, wie man Christum entschuldigen könne, dass er aus Furcht vor den Juden nicht zum Osterfeste kam, obwohl dies doch durch das Gesetz geboten war. Darauf ist auch eine Antwort die, dass dadurch seine Feinde. die unversöhnlichen Groll gegen ihn führten, vor Gott von Schuld bewahrt wurden, dass sie ihre böse Tat an ihm nicht vollbrachten.

Also hoffe auch ich vor Gott Entschuldigung zu finden, dass ich mich in Rom nicht stellte, als mich der Papst dahin belangte. Ich ging aus folgenden Ursachen nicht dahin:

Erstens: Habe ich drei Jahre hindurch meine Verteidiger daselbst gestellt, die jedoch nie zum Verhör vorgelassen wurden; ja man hielt sie fest und warf sie ins Gefängnis, weil sie um ein gerechtes Gericht und Urteil baten. Zweitens: Ist es von Prag nach Rom ungleich weiter, als von Jerusalem nach dem See Tiberias, dahin sich Christus von Jerusalem begab. Drittens: Ist es nirgends in der heiligen Schrift befohlen, dass man die Menschen bis nach Rom hetze und vergeblich belange. Viertens: Findet man an des Papstes Hof wenig der Lehre der heiligen Schrift gemäße Wahrheit. Fünftens: Hätte ich durch eine solche Reise viel von der Predigt des Evangeliums versäumt; und was hätte ich auch unterwegs Gutes tun können? An des Papstes Hof selbst hätte ich aber keine Förderung der Heiligung für mich gefunden, sondern nur Streit und Zank und die beste Gelegenheit zur Simonie. Sechstens: Hätte ich unnützer Weise viel Almosen verbraucht, und so die Armen darum gebracht. Siebentens: Ist der Streit, den ich führe, gegen des Papstes Gebräuche gerichtet, nämlich gegen seine Gewalt, die ihm nicht etwa von Gott verliehen ist, sondern die er sich von Teufels wegen anmaßt.

Der Papst Alexander V. hat eine Geldbulle (für Geld nämlich) herausgegeben, wodurch er die Predigt des Wortes Gottes in den Kapellen verbietet, mögen sie auch dazu errichtet und von Päpsten bestätigt worden sein, und dieser Bulle nach soll das Wort Gottes nur in Pfarr- und Klosterkirchen gesetzlich gepredigt werden dürfen. Diese Bulle setzte guten Andenkens der Priester und Prager Erzbischof Zbiněk mit andern Prälaten und der Mönch Jaroslav bei dem Papste durch. Der einfältige Bischof fuhr in Angelegenheit dieser Bulle hin und her, und es steht auch darin, dass im Königreich Böhmen, in Prag und in der Markgrafschaft Mähren viele Herzen mit Ketzereien so sehr angesteckt und vergiftet wären, dass wohl strenge Aufsicht und Ahndung sehr notwendig sei. So zeigt diese Bulle, dass sowohl der Papst wie der Priester Zbiněk gegen das Gesetz Gottes sich versündigt haben; der Papst durch seinen Befehl und Zbiněk durch Geld und Bitten, dass das Wort Gottes nicht frei gepredigt werden sollte. Und das tun sie alles gegen das Evangelium und gegen das Beispiel unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi, der seinen Jüngern Mark. 16,15 befiehlt: Geht hin in alle Welt, und predigt das Evangelium aller Kreatur. Und weiter berichtet Markus V. 20: Sie aber gingen aus, und predigten an allen Orten, überall nämlich, wo das Volk zur Anhörung des Wortes Gottes geneigt war. Der Heiland predigte auch nach unserm heutigen Evangelium in der Wüste, ein andres Mal auf dem Meere, indem er ein Schifflein bestieg, sich darein setzte und das Volk aus dem Schiffe lehrte. Er predigte auf den Straßen und in den Gaffen der Städte, die keine Kirchen hatten, und in den Flecken und Schulen, und sagte seinen Jüngern Matth. 10,27.28: Was ich euch sage in Finsternis, das redet in Licht; und was ihr hört in das Ohr, das predigt auf den Dächern. Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, und die Seele nicht mögen töten. Nach Lukas 14 befahl er seinen Jüngern, auf die Straßen, Gassen, Landstraßen und an die Zäune zu gehen, damit sie das Volk zu seinem ewigen Abendmahl einladen, ja dazu mit Liebe nötigen möchten, auf dass sein Haus voll werde. Wie passt denn also die Bulle des Papstes zu dem Wort und Beispiel Christi? O, sie ist ein wahrer Spott auf das Evangelium! Darum habe ich mich ihretwegen zuerst an den damaligen Papst berufen; aber mein Streit greift auch diesen Papst an und so findet auch bei ihm die Wahrheit keine Aufnahme. So findet denn der zweite Teil der Bulle: „dass in Prag viele Herzen mit Ketzereien sehr angesteckt und vergiftet wären“ an denen seine Bestätigung, die die Bulle wider die Schrift und der Menschen Heil betrieben und darein willigten. Denn was wollten sie denn Gutes und Heilsames damit erreichen, da sie sich's so sehr angelegen sein ließen, dass das Wort Gottes nicht in Kapellen oder irgend wo anders denn allein in Pfarr- und Klosterkirchen gepredigt würde? Es liegt nur Neid, Geiz und teuflische Bosheit gegen das Wort Gottes mit der Absicht darin, dass die Kapelle Bethlehem der Predigt des Evangeliums beraubt würde. Sonst haben Bischöfe Kapellen errichtet, damit man darin predigte. Der Priester und Prager Erzbischof Johannes hat mit eigner Hand den Grundstein zu der Kapelle Bethlehem gelegt und sie bestätigt. Aber der verstorbene Priester und Erzbischof Zbiněk hat sich geradezu gegen Bethlehem verschworen; dazu wurde er von seinen Domherren, von den Prager Pfarrern und Mönchen angetrieben, die sich zum Untergange Bethlehems mit den Pfarrern vereinigten, damit so das Wort Gottes aufhöre und mir überhaupt das Predigtamt entzogen würde. Denn sie fassten auch den Beschluss, mich in keiner Pfarr- oder Klosterkirche zum Predigen zuzulassen, wenn einmal die Kapelle Bethlehem nach dem Befehl des Papstes geschlossen sein würde. Darum widersetzte ich mich diesem gotteswidrigen Befehle, als er mir bekannt wurde, und rief die Barmherzigkeit meines teuren Heilandes gegen ihre gottlose Bosheit zu Hilfe an. Ich fand mich aber auch an des Papstes Hofe darum nicht ein, dass ich nicht umsonst um mein Leben käme, denn ich habe überall Feinde, sowohl Böhmen wie Deutsche, die meinen Tod suchen; der Papst ein Feind und mein Richter, und auch die Kardinäle sind meine Feinde, wie sich's aus ihren Briefen herausstellt, worin sie mich einen Ketzer nennen, wiewohl sie mich weder je gehört noch gesehen haben. Man ist ja auch sofort ihr Feind, wenn man gegen Geiz und namentlich gegen Simonie predigt. Es würde mir sonach ein Gericht zu teil werden, wie unserm Herrn Jesu Christo, namentlich jetzt, wo so viele falsche Zungen gegen mich auftreten und ihr Zeugnis, das sie über mich in Prag abgaben, nach Rom schicken. Darunter zeugt einer, dass ich predige: es wäre kein Leib Christi da, wenn ein Priester die Messe liest. Ein andrer zeugt wieder, dass nach meiner Lehre der Priester, der in einer Todsünde befangen ist, das Brot bei der Messe wohl segnen, aber solches nicht konsekrieren oder weihen könne, dass es Christi Leib werde. Ein dritter sagt aus, ich hätte gepredigt, dass ein altes Weib würdiger sei denn der Papst, und viele andre Stücke noch, die sie mir fälschlich zur Last legen. Darum ist es auch kein Wunder, dass ich in den Rundschreiben, die ein Kardinal als erster Richter gegen mich herausgegeben hat, bereits ein Verführer des Volks und Erfinder allerhand Irrtümer genannt werde. Auch berichtet in der Klage des Priesters Zbiněk der Pfarrer Michael von St. Adalbert in der Neustadt über mich, dass alle treuen Christen des Königreichs Böhmen mich für einen Ketzer halten, dass ich alle Tage in Bethlehem Irrlehren und Ketzereien predige, und dass ich das Haupt aller Ketzer oder ein Erzketzer bin. Aber das schadet mir nach der Hoffnung, die ich zu meinem Heilande habe, nicht, und betrübt mich auch nicht; ich weiß ja, wie sich die alten Priester gegen seine heilige Gnade benommen und was sie ihm angetan haben. Ihm, dem Gekreuzigten, habe ich meine ganze Streitfache überlassen und anvertraut, damit er sie nach seinem heiligen Ratschlusse zu Ende führe, sei es auch mit meiner Beschimpfung oder meinem Tod; nur wolle er nicht zulassen, dass ich von seiner heiligen Wahrheit abfalle.

Noch höre ich sie sagen: Will er für seine Lehren mit dem Tode einstehen, so gehe er nach Rom, wie Christus nach Jerusalem ging. Darauf antworte ich ihnen: Würde ich wissen, dass es Gottes Wille ist, dass ich in Rom sterbe, so ginge ich dahin, oder wenn ich nur wüsste, dass ich dadurch irgend welchen Nutzen schaffen würde, wie Christus dem Volke nach ihm und den Heiligen vor ihm durch seinen Gang nach Jerusalem Heil und Segen bereitet hat. Den Bischöfen, Meistern, Priestern und Schriftgelehrten hat das freilich nichts genügt, denn sie haben ihn aus Neid und Ärger, dass er sie ihrer Sünden wegen strafte, als einen Verführer und Lästerer zum schimpflichen Kreuzestode verurteilt und grausam ermordet und so ihre Begierden samt und sonders befriedigt. Wollen sie aber dessen ungeachtet, dass ich nach Rom gehe, so mag der oberste Priester Bischöfe und Priester um mich schicken und ich will mit ihnen gehen, wie Jesus Christus getan hat. Es kamen wohl auch schon viele Päpstler in Rüstung mit Geschossen, Lanzen und Schwertern wider mich nach der Kapelle Bethlehem, während ich predigte, unter ihrem Anführer Bernhard Chotek; aber der Herr machte sie irre, dass sie nicht wussten, was sie tun sollten; sie kamen also zur Unzeit. Auch gegen den lieben Heiland haben die Bischöfe ihre Knechte ausgesandt, dass sie ihn fingen, während er predigte; aber seine Stunde war noch nicht gekommen; darum hörten sie ihn lieber an und unterließen seine Gefangennehmung. So ist auch die Stunde meines Todes noch nicht gekommen, daher ließen sie mich ruhig predigen, bis dass der Wille Gottes dazu käme. Hierauf wollten die Päpstler Bethlehem einreißen und beratschlagten sich hierüber auf dem Rathause in deutscher Sprache, und der Böhme Holubar sprach hierauf zu den Czechen, ob sie darein willigen, wie die Deutschen bereits eingewilligt, dass Bethlehem1) eingerissen werde.

Aber die treuen Böhmen wollten durchaus nicht darein willigen, denn sie erkannten, dass das gegen Gott, gegen sein heiliges Wort und der Seelen Heil wäre, auch erkannten sie, dass das nur zur Schande des böhmischen Volkes geschehen würde. Deshalb erklärten sie, dass sie nicht die Macht hätten einzuwilligen, dass in dieser Stadt ein Tempel Gottes eingerissen werde.

Siehe und bewundere der Päpstler Kühnheit! Ohne des Königs Befehl darf niemand seinem Nachbar weder Ofen noch Stall einreißen; hier aber durften sie sich erkühnen wegen der Einreißung eines Gotteshauses zu beratschlagen. Aber Gott stand ihnen dazu nicht bei, auf dass sie um so eher in sich gingen und sich weiterhin aller Beschädigung und Verunehrung seiner heiligen Tempel enthielten. Dies alles schreibe ich zur Warnung und Lehre für unsre Nachkommen, damit sie für die göttliche Wahrheit tapfer einstehen und sich vor aller Blindheit und Unwissenheit in Gottes Wort eifrig hüten. Diejenigen aber, die mich beschimpfen, ohne meine Streitsache zu kennen, mögen sich die Mühe nehmen, dass sie sie kennen lernen, und das Wort unsers Heilandes nicht mehr beschimpfen. Amen.

(Aus der Predigt am Sonntag Lätare über Joh. 6,1-15.)


Darum habe auch ich nicht aufgehört zu predigen und die Eselin loszulösen durch Gottes Wort von der Krippe der Hoffart und Wollust, als man mir das verbot und mir mit dem Banne drohte, wenn ich nicht aufhören würde zu predigen. Denn ich bedachte, dass der Herr Jesus durch seine Jünger allen, die sie etwa an der Ablösung der Eselin hindern sollten, sagen ließ, dass er ihrer bedürfe. Aber unsre jetzigen Besitzer der Eselin sind bei weitem unfreundlicher und härter, als es die alten waren; denn diese ließen die Eselin sogleich zum Herrn führen; die jetzigen aber wollen das nicht zugeben, und zwar zumeist aus der Ursache nicht, weil sie selbst die Eselin sind, die der Teufel zur Spreu der weltlichen Hoffart angebunden hat und sie festhält bei der Krippe der Lüste des Fleisches. Wer soll sie nun ablösen durch die Predigt des Wortes Gottes von Ehebruch, Unzucht, Stolz und Geiz; ich glaube nicht, dass es die zwei Jünger, Petrus und Andreas vermöchten, die ehedem nach der Eselin gingen und sie ablösten. Mögen sie sich aber auch nicht loslösen lassen, so sind es doch die Einfältigen, die wir mit Gottes Hilfe ablösen, und diese werden unter dem Esel verstanden. So spricht Jesaia 1, 3: Ein Esel kennt die Krippe seines Herrn, aber Israel kennet es nicht, und mein Volk vernimmt es nicht. „Ein Esel kennt die Krippe,“ so nimmt der gemeine Mann Gottes Wort an. „Aber Israel kennt Gott nicht,“ ja die Priester, die mehr denn die übrigen Gläubigen Gott kennen und ihn ehren sollten, befolgen seine Gebote nicht.

(Aus der Predigt am Sonntag Palmarum über Matth. 21, 1-9).


So rufe denn wer da wolle, Papst, Bischof oder sonst ein Priester: Mensch, ich vergebe dir deine Sünden, ich befreie dich von deinen Sünden und den höllischen Qualen; es ist das eitel Geschrei und vergebens und hilft nichts, wofern nicht Gott selbst dem Menschen vergibt, der seine Sünden herzlich bereut. Denn so spricht Paulus 2. Kor. 3,4.5.6: Ein solches Vertrauen aber haben wir durch Christum zu Gott; nicht dass wir tüchtig sind von uns selber, etwas zu denken als von uns selber, sondern dass wir tüchtig sind, ist von Gott; welcher auch uns tüchtig gemacht hat, das Amt zu führen des Neuen. Testaments, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig. So kann also weder der Papst noch irgend jemand Sünden vergeben und von höllischen Strafen der Sünden befreien, so wenig der Papst oder jemand anders uns wahre Reue über begangene Sünden schenken kann. Aber doch hat der Mensch die Macht, Sünden zu vergeben, da er seinem Nächsten die Schuld nachlassen kann, die derselbe an ihm begangen hat, dass er nämlich diese Schuld weder rächen, noch darüber zürnen will; diese Macht hat Christus jedem Menschen gegeben, darum wir auch im Vaterunser sagen: „Vergib uns unsre Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.“ Und diesem nach hat manch altes Weib ungleich mehr Sünden dem Nächsten erlassen, als mancher Papst, Bischof oder irgend ein Priester. Oder sollte das nicht wahr sein? Siehe, die heilige Jungfrau Maria, die im hohen Alter gestorben, hat mehr Sünden vergeben, denn der Apostel Petrus, denn sie vergab allen, die an dem Tode ihres lieben Sohnes Schuld waren, und die sich gewiss mehr gegen sie versündigt hatten, als gegen den Apostel Petrus; sie vergab ihnen allen und ihre Vergebung ist auch allen zu Gute gekommen, welchen ihr Sohn vergeben. So könnest du nun die Worte verstehen: Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; wenn nämlich Gott dem bußfertigen Sünder. die Sünden erlässt und der Priester in der Verkündigung der Sündenvergebung mit Gott übereinstimmt, so werden die Sünden vergeben, aber sie werden nicht auf bloßen Willen. des Priesters und sein Wort: „Ich vergebe dir“ erlassen.

Das wollen wir uns noch durch folgende Beispiele näher beleuchten. Es geschieht erstens oft, dass ein Mensch dem Priester seine Sünden nicht aufrichtig beichtet; er sagt ihm bloß kleine Sünden und verschweigt die großen oder Todsünden. Der Priester kennt das Herz des Menschen nicht und vergibt ihm seine Sünden, die eigentlich durch die lügenhafte Beichte nur größer geworden sind. Zum zweiten kann der Priester nie wissen, ob er wirklich jemanden von seinen Sünden so losgesprochen hat, dass ihm die Sünden vergeben worden sind; es wäre denn, dass ihm Gott dieses besonders geoffenbart hätte. Denn der Priester weiß auch von sich selbst nicht, ob er in der Gnade Gottes steht, so wie er überhaupt nicht weiß, ob nicht irgend welche Todsünde an ihm haftet, da ja nach der Schrift niemand weiß, ob er der Liebe oder des Hasses würdig ist. Darum sollen sich die Priester die Gewalt der Sündenvergebung nicht anmaßen, wie der heilige Augustin es ihnen verweist. Christus der Herr hat zu dem Gichtbrüchigen, zu Maria Magdalena und zu andern reumütigen Sündern, als er ihnen ihre Sünden vergeben, nicht gesprochen: Ich vergebe dir deine. Sünden, sondern er sprach allezeit: Dir sind deine Sünden. vergeben, nämlich von Gott, und das hat er darum so gesagt, dass andre nach ihm sagen: Hoffe, mein Sohn, meine Tochter, denn da du deine Sünden bereust und auch nicht mehr sündigen willst, so werden dir von Gott deine Sünden vergeben. Sie sollen also nicht sagen: Ich vergebe dir deine Sünden, denn hiermit verfällt jeder Priester nach der Erklärung des heiligen Augustin in Ketzerei und wird von Gott als Lügner gezüchtigt werden, selbst wenn dem Menschen, der da beichtet, seiner aufrichtigen Reue wegen die Sünden erlassen würden. Sollte aber der Mensch seine Sünden nicht bereuen, wiewohl er sich derselben bewusst ist, so würde Gott ihm auch nicht vergeben, und der Priester ist wieder Lügner, welcher spricht: Ich vergebe dir deine Sünden. Darum ist es genug für einen Priester, dass er zu einem Menschen, der Reue fühlt über seine Sünden. und nicht mehr sündigen will, in Hoffnung der göttlichen Gnade und nicht mit Gewissheit spricht: Hoffe, lieber Bruder, dass der gnadenreiche und barmherzige Heiland und Gott der Herr deine Sünden dir vergeben haben. So redeten die Apostel und nach ihnen andre Heilige, und prahlten nicht das mit, noch sprachen sie je davon, dass sie Sünden erlassen könnten. Aber die jetzigen Priester, und hauptsächlich die unkeuschen und geizigen, prahlen fortwährend damit, dass sie Sünden vergeben und jedermann nach Belieben in den Himmel oder in die Hölle schicken können; Lüge ist ihr Erwerb, sie schreien sie beim Verkauf der Ablässe öffentlich aus; im Beichtstuhle aber sprechen sie nach langer Übung ohne etwas dabei zu denken: Ich vergebe dir deine Sünden und mache dich frei von den höllischen Qualen! Gott sei jedoch in Ewigkeit dafür gepriesen, dass er ihnen die Macht nicht gegeben hat, je nach Belieben Sünden zu erlassen oder zu behalten, um die Menschen entweder in den Himmel oder in die Hölle zu befördern oder zu verstoßen. Denn würden sie darin ihren Willen haben, so würden sie wahrlich nur ihre Beischläferinnen lossprechen und in den Himmel hinaufbefördern, aber die treuen Christen, die gegen ihre Unzucht und ihren Geiz sprechen, würden sie ohne Erbarmen alle zur Hölle verdammen; auch würden sie sofort jedermann die Sünde behalten, der sich ihrer Bosheit nicht wollte willfährig zeigen, und müsste auch jede gottesfürchtige Frauensperson, die sich zum Werkzeug ihrer Unzucht nicht hergeben wollte, ohne Gnade und Barmherzigkeit in die Hölle wandern. Aber der treue Christ lässt sich nicht mehr irreführen; seine Hoffnung beruht auf Gott, der ihm seine Sünden vergibt. Er weiß auch, dass ihm kein Priester mehr die Sünden behalten kann, wenn sie ihm Gott erlässt. So lasse ich mich auch nicht schrecken, wenn alle Priester zusammen würden schreien, dass sie mir meine Sünden nicht vergeben; sie sind mir erlassen, wenn sie mir Gott erlässt, und ihr Geschrei ist eitel Lüge. Ich will mich auch von ihnen nicht einschläfern Lassen, wenn sie mir sagen: Wir vergeben dir deine Sünden und machen dich frei von der höllischen Pein; denn ich weiß, dass Gott also spricht: Da du deine Sünden nicht aufrichtig bereust, so werden sie dir behalten. Diese Wahrheit wird am jüngsten Tage allen geoffenbart werden; wie werden auch alsdann alle lügenhaften Priester beschämt werden, die selbst keine Buße getan und andre Menschen betrogen haben! Dagegen werden treue und demütige Priester ihren Lohn erhalten, die jetzt aufrichtig bekennen, dass sie unnütze Knechte Gottes sind und aus sich selbst nichts vermögen, sondern alles nur durch Gott; welche also das Wort Gottes nicht verfälschen, sondern aus Lauterkeit und als aus Gott reden in Christo. Zu solchen spricht Christus auch wie einst zu seinen Aposteln: Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten..

(Aus der Predigt am Sonntag Quasimodogeniti über Joh. 20, 19-31.)

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die Bethlehemskirche, in der er predigte
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autoren/h/hus/hus-bruchstuecke.txt · Zuletzt geändert: von aj
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