Huhn, August Ferdinand - Predigten über die Heiligen Zehn Gebote - Zweite Predigt über das zweite Gebot.

Huhn, August Ferdinand - Predigten über die Heiligen Zehn Gebote - Zweite Predigt über das zweite Gebot.

Das ist ein köstlich Ding, Dir, dem Herrn, danken und lobsingen, Deinem Namen, Du Höchster! des Morgens Deine Gnade und des Nachts Deine Wahrheit verkündigen. Ja, Herr Gott, unser Schöpfer und Heiland, dazu hast Du uns erschaffen, dazu hast Du uns erlöst, dass wir dich suchen und finden möchten. Dazu hast Du uns bestimmet, dass wir mit Dir umgehen sollen alle Lage und in Ewigkeit. Mit Dir umgehen, Deinen Namen anrufen, beten, loben und danken das ist Seligkeit. O Herr lass uns arme Sünder doch diese Seligkeit erfahren. Siehe, wir haben uns zu dieser Stunde zwar vor Dir gesammelt; aber sehnen sich unsere Herzen auch nach Dir? Verlanget uns auch nach der Seligkeit des Umganges mit Dir? Ach! wir wissen nicht, wie wir uns Dir nahen sollen, wir verstehen nicht recht zu beten, zu loben und zu danken. Vater! wir verstehen nicht umzugehen mit Dir. O erbarme Dich unseres Unglaubens, unseres Gott entfremdeten Sinnes. Decke auf unser unkindliches, knechtisches, weltliches und eitles Wesen. Strafe uns durch Dein Wort über unsere Trägheit in Deinem Dienste, über unsere Unlust zum Umgange mit Dir. Herr! dann lehre uns aber auch selbst, umzugehen mit Dir. Dann gib uns Deinen lebendig machenden Geist, dass wir mit Zuversicht Deinen Namen anrufen, dass wir mit Lust beten, dass wir mit Freuden loben und danken können alle Tage. Gib, o gib, dass der Umgang mit Dir unseres Herzens höchste Seligkeit sei und bleibe. Erhöre uns, Herr! um Deines heiligen Namens willen. Amen.

Ich habe letzthin vom Missbrauche des göttlichen Namens zu Euch geredet, versammelte Christen, also vom ersten Teile des zweiten Gebotes. Heute liegt uns der zweite Teil des Gebotes vor: der rechte Gebrauch des göttlichen Namens. Doch ehe ich darüber zu Euch rede, hört das Gebot selbst und die Erklärung unseres Katechismus-Vaters Luther.

2 Mos. 20, 8.
Du sollst den Namen deines Gottes nicht unnütz führen.

Luthers Erklärung:

Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir bei seinem Namen nicht fluchen, schwören, zaubern, lügen oder trügen, sondern denselben in allen Nöten anrufen, beten, loben und danken.

Wir sollen den Namen Gottes in allen Nöten anrufen, beten, loben und danken, das ist der rechte Gebrauch des göttlichen Namens. Fassen wir das Alles in Eins zusammen, so heißt das nichts anders als: wir sollen täglich und stündlich mit Gott umgehen, wie die lieben Kinder mit ihrem lieben Vater umgehen. Und das ist es, worüber ich heute zu Euch reden möchte, nämlich:

Lasst uns zuerst erwägen:

I. wie es um unseren Umgang mit Gott stehe. Und dann lasst uns zusehen,
II. wie wir allein den wahren Umgang mit Gott lernen können.

I.

Was das heißt, mit Jemandem einen Umgang haben, nun, das brauche ich wohl nicht erst zu sagen; auch das nicht, dass jeder Mensch von Natur schon den Trieb dazu hat. Aber eine andere Frage ist es: weißt Du auch, o Mensch, zu welchem Umgange Du vor allem Anderem und recht eigentlich bestimmt bist? Kennst Du das Haus, wo Du täglich anklopfen, täglich aus- und eingehen sollst? Kennst Du den Vater und Freund, den Du in allen Deinen Anliegen anrufen, den Herrn, den Du um Alles bitten, den Freund, dem Du Alles sagen kannst? Kennst Du den Wohltäter, dem Du für Alles, was Du bist und hast, loben und danken sollst? Wie sollten wir den nicht kennen! werdet Ihr mit Euren Kindern sagen, das ist ja der liebe Gott. Freilich müssen wir bei Ihm anklopfen und aus- und eingehen, freilich müssen wir Ihn in allen Nöten anrufen, beten, loben und danken; freilich sind wir dazu bestimmt, vor Allem mit Ihm umzugehen, und zwar so recht vom Herzen, so wie wir mit keinem Menschen, wie wir auch mit Vater und Mutter, Bruder und Freund nicht umgehen. Denn Gott hat uns ja nach seinem Bilde geschaffen und wir sollen und wollen ja seine Kinder sein. Und jetzt eben sind wir ja bloß deswegen hier, um mit Ihm umzugehen. Nun gut, ich halte Euch beim Worte, das heißt, wir wollen sehen, ob wir denn das auch wirklich tun, wovon wir eben sagten, dass wir es sehr wohl wüssten. Es gibt ein gutes, deutsches Sprichwort, das Ihr Alle gewiss kennen werdet. Das Sprichwort lautet so: Sage mir, mit wem Du umgehest, und ich will Dir sagen, wer Du bist. Gehen wir nun wirklich mit Gott um, was müssen wir dann für Leute sein? Seht, ich denke mir einen, der einen täglichen Herzensumgang mit Gott hat, so, dass an seinem ganzen Wesen etwas sichtbar werden muss, was nicht von dieser Welt ist, etwas Göttliches, Himmlisches, mit einem Worte, Gottes Bild. Merkt man es doch schon bei Kindern an ihrem Benehmen und Wesen, aus was für Häusern sie kommen und was für einen Umgang sie zu Hause haben. Und kann ja doch schon der Umgang mit Menschen so entschieden auf einen einwirken: wie sollte das nicht vielmehr der Umgang mit Gott? Wird der nicht auf unser ganzes Denken und Trachten, Tun und Treiben den entschiedensten Einfluss haben? Wird man von einem Freunde Gottes bei Allem, was er redet und wie er sich zeiget, nicht gleich sagen müssen: wahrlich, der hat keinen gemeinen Umgang, der muss einen trefflichen Vater, einen treuen Freund, einen weisen Ratgeber, der muss einen Lehrer und Erzieher haben, wie man ihn unter Menschen wohl nicht findet! Nun, meine Freunde, ist ein solches Wesen wirklich an uns sichtbar? Tragen wir das Bild dessen, von dem wir sagen, dass wir mit Ihm umgehen, wirklich in uns? Oder stoßen wir nicht, wohin wir nur sehen, rechts und links auf lauter Ungöttliches und Sündliches, auf hundert und tausend Worte und Werke, die mehr das Bild und Wesen des Satans, als des lebendigen und heiligen Gottes an sich tragen? Betrachte Dich doch einmal selbst, o Mensch; gehe doch Stück für Stück Dein Wesen durch; besiehe Dich doch einmal so recht in dem Spiegel des göttlichen Wortes; ja bleibe auch nur bei einem Tage stehen, und siehe, wie Du auch nur an diesem einen Tage von Stunde zu Stunde gedacht, geredet gehandelt hast, was siehst Du da, wenn anders Du nicht blind bist gegen Dich selbst, wenn anders du sehen willst? Nur solches, worüber Du selbst erschrecken, worüber Du seufzen und weinen musst, lauter Not und Elend, lauter Mängel und Gebrechen, ungöttlich Wesen und weltliche Lüste, hoffärtige Gedanken, eitles, albernes Sinnen und Trachten und wie sie alle heißen die Verzerrungen und Ungestalten an dem wahrhaftigen Bilde des Menschen. Du fragest: woher dies bodenlose Verderben in mir und an mir? Siehe, das ist die Frucht Deines Herzensumganges. Sage Dir doch einmal selbst recht aufrichtig, mit wem geht Dein innerstes Herz alle Tage und Stunden eigentlich um? Ich sage: Dein Herz, nicht Dein Kopf und Dein bloßer Verstand.

Rufst Du des Morgens, wenn Du erwachst, mit David: Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so dürftet meine Seele nach Gott, nach dem lebendigen Gott? Und wenn Du Dein Tagewerk beginnest, in wessen Namen tust Du es? wen fragest Du um Rat? mit wem besprichst Du Dich? Und wenn es nicht gehen will, wenn Dir etwas dazwischen kommt, wenn Dir etwas gebricht, wenn Dich etwas schmerzet und kränket und ärgert, wen rufest Du an? wo suchst Du Hilfe? Und wenn Dir etwas gelinget, wenn Gutes und Segen auf Dich kommt, wenn Du hast, was Du brauchest, und keinen Mangel leidest; täglich, wenn Du auf Dein Leben zurücksiehst, wen lobst Du, wem dankest Du? Mit Einem Worte: wer ist es, mit dem Dein innerstes Herz alle Tage und Stunden umgeht? Ist es der Herr des Himmels und der Erde, oder ist es die Welt und das, was in der Welt ist? Ist es der lebendige Gott, oder sind es die Götzen der Augenlust und Fleischeslust und Hoffart? Der eine Umgang schafft Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geiste, der andere gebiert nur Sünde und Tod und Unseligkeit. Der eine Umgang macht den Menschen erst zum Menschen, der andere erniedriget ihn zu den Tieren des Feldes. Der eine lässt ihn alle Tage im Himmel wandeln und Himmlisches genießen, der andere stürzet ihn in die Hölle. - Ach, Christen, das ist der Fluch der Sünde, dass der Mensch, wie er nun aus sich selbst ist, jeden anderen Umgang lieber hat als den mit seinem Gott. Einmal losgerissen von den Vaterherzen, fühlt er in jedem anderen Hause sich heimischer als in dem Vaterhause.

Seht doch einmal recht in die Welt hinein, vor Allem in die Welt des eigenen Herzens. Welche Langeweile hat man, wenn man allein ist. Wie ekelt es einem, auch nur eine Stunde mit seinem Gott allein zu sein. Welche Mühe gibt man sich nicht um neue Bekanntschaften, um neuen Umgang, um neue Unterhaltung, um neue Zerstreuung! Wie glücklich schätzt man sich, wenn man den und den zum Freunde, wenn man die Gunst eines Großen und Angesehenen hat; wie werden die beneidet, die freien Zutritt bei solchen haben! Aber in Gunst zu kommen bei dem Herrn aller Herren, daran liegt einem wenig; darüber jemanden zu beneiden, möchte schwerlich jemanden auch nur einfallen; um die Bekanntschaft mit dem lebendigen Gott sich bemühen, hält man der Mühe nicht wert. Er mag alle Tage sein Haus öffnen, Er mag noch so freundlich laden, noch so viel verheißen, man geht doch zehn Mal lieber in jedes andere Haus. Ist es nicht so? Das Beten, Loben und Danken ist einem das schwerste Werk, es ist einem ein Ekel. Man ist froh, wenn es nur abgetan ist. Oder wie? Gibt es nicht immer noch gar Viele, denen ganz unheimlich zu Mute wird, wenn außer der Kirche einmal von Gott und göttlichen Dingen die Rede ist? Denkt Euch doch einmal selbst in irgendeine Gesellschaft hinein, und da stände jemand auf und sagte: lasst uns auch nun einmal an den Herrn, unseren Gott, denken, Lasst uns miteinander zu Ihm beten, was würdet Ihr dazu sagen? Würde Euch das nicht als etwas ganz Neues, Außerordentliches erscheinen? würde das nicht gleich als Stadtneuigkeit erzählet werden? Schlimm genug, dass das Denken an Gott und das Umgehen mit Ihm zu den Neuigkeiten gehören muss! Ihr wollt Alle einmal selig werden, nicht wahr? Nun, habt Ihr auch schon einmal darüber nachgedacht, worin die künftige Seligkeit bestehen wird? Im Schauen Gottes, im ununterbrochenen Umgange mit Ihm, ja ein beständiges Beten, Loben und Danken, das wird die Seligkeit sein, wie Gott das selbst in seinem Worte uns zeiget. Sagt, was werden nun alle diejenigen im Himmel anfangen, denen hier auf Erden das Beten und Singen und Loben so zuwider ist, dass sie gar nichts davon hören mögen? Was wollen die in dem ewigen Vaterhause machen, die hier in dem Gotteshause sich langweilen, und überall lieber sind als in der Kirche? Was werden die von dem Umgange mit Gott jenseits haben, die hier den Herzensumgang mit Ihm für Schwärmerei halten und das Trachten nach dem Leben in Gott Frömmelei und Überspannung schimpfen? Nun, meine Freunde, zerquält Euch über die Antwort auf diese Fragen nicht weiter. Ich will es Euch nur kurz sagen: solche Leute werden gar nicht in den Himmel kommen und nie den Herrn schauen, sondern hinausgestoßen werden in die äußerste Finsternis, wo Heulen und Zähneklappern sein wird. Denn was der Mensch säet, das und nur das wird er ernten. Wer auf sein Fleisch säet, der wird von dem Fleische das ewige Verderben ernten; und wer die Welt mehr lieb hat als Gott, der wird mit der Welt verdammet werden. Dabei bleibt es. bedenke doch ein Jeder, was er eigentlich will, wenn er selig werden will! Will er nicht am Ende etwas, was ihm doch hier alle Tage zuwider ist? Aber nun sagt selbst, meine Freunde, ist es nicht grässlich, dass das Größte und Seligste, wozu Gott den Menschen bestimmet, dem Menschen eine Last sein, dass er jedes andere Wort lieber hören und lesen kann als das Wort seines Gottes, dass er in jedes andere Geschwätz lieber sich einlässt als in das Beten, Loben und Danken zu dem Herrn, seinem Gott?! Ist es nicht grässlich, dass sein Herz mit jedem Götzen der Augenlust und Fleischeslust und Hoffart sich lieber beschäftigen kann als mit dem Herrn der Herrlichkeit?! So ist es, meine Freunde (wir wollen uns nicht selbst betrügen), so ist es. Ach, wie tief ist das Geschöpf, das Gott zu dem Allerhöchsten, zum Umgange mit Ihm, auserkoren, gesunken! Es will seinen Gott und Vater nicht. Nennt es ihn auch mit dem Munde, im innersten Herzen will es nichts von Ihm wissen; unfähig ist es, mit Ihm umzugehen, es kann nicht beten, es versteht nicht, zu loben und zu danken, es kennt seinen Gott nicht, es glaubt nicht an Ihn. Das ist der Fluch der Sünde, das ist der Sünden Sold, der Tod schon hier auf Erden. Denn wo das Herz nicht mit dem lebendigen Gott umgeht, da ist lauter Tod, lauter Finsternis, lauter Hölle.

II.

Nun, Christen, wie kommen wir heraus aus diesem Tode? Wie lernt unser Herz mit Gott, dem Herrn, umgehen? Wie bekommen wir wieder Mut und Glauben, den Namen Gottes in allen Nöten anzurufen? Wie bekommen wir Lust und Liebe und Verlangen, zu beten, zu loben und zu danken? Aus uns selbst lernen. und bekommen wir das nimmermehr. Das Du sollst kann uns wohl allenfalls auf die Kniee treiben und einige Worte des Betens und Dankens hersagen lassen: es kann uns wohl in die Kirche treiben, weil es Sonntag ist; es kann einen wohl auch zur Bibel treiben, oder sonst zu einem Andachtsbuche; aber es kann dem Herzen keine Lust und Liebe und Freude an dem lebendigen Gott geben, es kann die Seligkeit, die in dem Umgange mit Ihm liegt, nicht schaffen. Und das ist wohl auch der Grund, warum so Viele die Seligkeit des Umganges mit dem Herrn gar nicht kennen, warum bei so Vielen das Beten, Loben und Danken nur ein totes, gewohnheitsmäßiges Gesetzeswerk ist, das man allenfalls Morgens, Mittags, Abends und in der Kirche abtut; das ist der Grund, warum es Manchen so schwer wird, sich einmal von allem Anderen loszumachen und ihre Gedanken auf Gott zu richten. Sie kennen nur das Du sollst. Und bei diesem Du sollst bleibt das Herz sein Lebelang gottlos. Nein, meine Freunde, der Sünder in seinem Abfalle und in seiner natürlichen Feindschaft gegen Gott, er kann sich aus sich selbst zu einem wahren Herzensumgange mit Gott nicht erheben und mag es auch nicht. Solch' selbst gemachter Gottesdienst ist jedes Mal nur Götzendienst.

Das könnt Ihr in der Bibel auf allen Blättern lesen. Wenn es Gott den Herrn nicht um uns armselige Geschöpfe gejammert hätte, wenn es ihm nicht gefallen hätte, mit seinen abgefallenen, Ihm entfremdeten Menschenkindern wieder Umgang anzuknüpfen, wenn Er, der Herr vom Himmel, nicht unseren Umgang gesucht hätte: wir suchten Ihn nimmermehr, wir kümmerten uns nicht um Ihn. Ja, meine Freunde, alle jene Seelen, die lange, lange vor uns auf dieser Erde wohnten und die einen so vertrauten Umgang mit dem Herrn hatten, von deren Anrufen, Beten, Loben, und Danken Ihr im ganzen Alten Testamente lesen könnt, alle jene Seelen, der Herr hat sie zuerst aus Gnaden heimgesucht; Er hat zuerst mit ihnen Umgang angeknüpft; Er hat sich ihnen zu erkennen gegeben, hat ihnen sein treues, liebendes und erbarmendes Herz offenbart; Er hat zu ihnen geredet freundlich und gütig, hat sie herausgerissen aus der argen Welt, aus dem Götzendienste und aus der unseligen Feindschaft des Menschenherzens gegen Gott, und hat es ihnen ins Herz gegeben, ob sie Ihn doch suchen und finden möchten, der nicht fern von seinen Menschenkindern ist, durch den und in dem sie alle nur leben und weben können. Er hat es dem Jakob ins Herz gegeben, zu flehen: Herr ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn. Er hat es dem David ins Herz gegeben, dass er sagen konnte: Herr, ich habe Lust an Deinem Gesetze. Tag und Nacht rede ich davon. Und wiederum: Aus der Tiefe rufe ich zu Dir; wie ein Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu Dir. Und wiederum: Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen. Und: Dankt dem Herrn, denn Er ist freundlich und seine Güte währt ewig. Er, der Herr, hat es dem Assaph ins Herz gegeben zu rufen: Wenn ich nur Dich habe, so frage ich nicht nach Himmel und Erde; und wenn mir gleich Leib und Seele verschmachten, so bist Du Gott doch meines Herzens Trost und mein Teil. Ja, ja, meine Freunde, diese Worte atmen schon Leben, die verraten schon eine Lust, eine Liebe, eine Freude an Gott; die zeigen schon, dass jene Seelen Seligkeit hatten in dem Umgange mit dem Herrn. Ach! und dies Alles sollte ja nur ein Schattenriss der zukünftigen Güter, nur ein Vorgeschmack der verheißenen Seligkeit sein. Gott der Herr wollte uns arme Sünder heimsuchen, wie er es noch nie getan; Er wollte auf die Erde kommen und mit uns umgehen, wie noch kein Vater und keine Mutter mit ihren Kindern umgegangen; seinen Geist, seinen Sinn, den wollte Er uns dann ganz und gar ins Herz graben und uns eine Freudigkeit geben, alle Tage vor Ihn zu treten und bei Ihm aus- und einzugehen und mit Ihm zu reden jederzeit, wie es uns gerade ums Herz ist. Nun, hat der Herr nicht Wort gehalten? Ist er nicht gekommen in unsere elende Hütte? Ist Er nicht Mensch geworden, der Herr vom Himmel und hat gewandelt und gewohnt unter uns? Haben wir armen, Gott entfremdeten Sünder nicht gesehen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit?!

O Christen, geht Euch dies Erbarmen des lebendigen Gottes nicht durchs Herz? Der Herr vom Himmel, der wahrhaftige Gott und das ewige Leben, kommt und sucht Umgang mit seinen armen Kreaturen. Es liegt Ihm etwas, es liegt Ihm Alles an unserem Umgange. Er sucht, ob ihn nicht diese und jene Seele bei sich aufnehmen werde. O seht, wie er so mild und freundlich unter das Dach des Sünders geht, wie Er sich freuet über einen Zachäus und über einen Hauptmann von Kapernaum. Seht in sein innerstes Herz, wie es frohlocket, da das Kananäische Weib nicht ablässt, Ihm nachzuschreien. Und mit welcher Huld und Gnade ruhet sein Auge auf der Seele, die zu seinen Füßen sitzt, und auf jener, die mit ihren Haaren seine Füße trocknet. Hört, wie Er die Mühseligen und Beladenen einladet; seht, wie Er seine Arme nach Jerusalem ausrecket; seht, wie Er im letzten Augenblicke den Umgang mit dem Verbrecher nicht verschmäht, wie freundlich und holdselig Er zu ihm redet. Das tut der wahrhaftige Gott Jesus Christus. Ja, Er vergießt sein Blut nur, um uns Zugang zu Gott zu verschaffen. Werden wir nun erkennen, was dem Herrn, unserem Gott, an dem Umgange mit uns liegt? Fühlen wir nun, wer das ist, der unser Herz, der unsere Zuneigung, unsere Freundschaft begehrt? Können wir nun noch unser Herz an alles Andere lieber hängen? Wird uns nun noch in der Nähe des Herrn, unseres Gottes unheimlich und ekel, angst und bange? Fühlen wir gar keinen Trieb, gar keine Lust, mit einem solchen Gott einen Umgang anzuknüpfen!

Sagt doch, ist dieser Herr ein Herr, der Euch lange vor der Tür stehen lässt und zuletzt Euch doch nicht annimmt? Ist dieser Herr ein Herr, von dem man nicht weiß, wie er gelaunt sein, was für eine Miene er machen wird, dem man nicht zu ungelegener Stunde kommen darf? ein Herr, dem man allerhand schöne Gaben und Geschenke, Verdienste und Würdigkeiten bringen muss, ehe er einem ein freundliches Gesicht macht? Christen, lernt doch Jesum kennen, wenn Euch etwas an dem Umgange mit dem Herrn, Euren Gott, liegt. Wer Ihn sieht, der sieht den Vater. Er ist der wahrhaftige Gott. Ihr kommt anders zu keinem wahrhaftigen Umgange mit dem lebendigen Gott als durch den Umgang mit Jesu. All' Euer Anrufen, Beten, Loben und Danken ist eitel, ist nichts, wenn Ihr Euch nicht an Jesum wendet. Ich will es Euch sagen, warum so Manche gar keinen Herzensumgang mit Gott haben. Sie erkennen Gott gar nicht; sie wissen gar nicht, wie sie sich Ihn vorstellen sollen; sie wissen höchstens die Namen von seinen Eigenschaften und Vollkommenheiten und so etwas von seiner Vorsehung und Vaterliebe. Und dabei denkt man Wunder, was man hat. Man meint, das heiße Gott im Geiste und in der Wahrheit anbeten. Aber das sind alles leere Gedankengebilde, die wohl schnell in den Kopf kommen, indes das Herz doch gottlos bleibt. Lauter flüchtige Rührungen und Empfindungen, aber kein bleibender Eindruck, keine bestimmte Vorstellung, nichts, woran das Herz sich eigentlich halten kann. Nun, ich berufe mich auf die eigene Erfahrung so Mancher unter Euch. Sagt, was hattet Ihr, ehe Ihr Jesum als den wahrhaftigen Gott kanntet, was hattet Ihr von Eurem Umgange mit dem Gott, den Ihr Euch aus Eurer eigenen Vernunft und aus Euren eigenen Gedanken zusammen setzt? Gewiss wenig oder gar nichts; denn der Gott war ebenso elend, wie wir selbst sind. O darum bitte ich Euch, die Ihr noch irgendwie an jenen leeren Gedanken von Gott hängt, die Ihr meint, Ihr ginget mit Gott um und habet nur ein Schattenbild, einen eingebildeten, toten Gott, werfet doch Alles, Alles weg und geht in das Evangelium hinein und lernt Jesum kennen. Ich bitte Euch, lasst Jesum doch nicht als den bloßen Sterblichen, als den bloßen Tugendhelden und göttlichsten Menschen Euch aufschwatzen, als den toten Christus, der vor einem Paar tausend Jahren gelebt und vor einem Paar tausend Jahren die Menschen gelehrt und ihnen ein gutes Beispiel gegeben hat. Haltet Ihn doch nicht für einen Gottessohn, wie auch die Heiden von Göttersöhnen sprachen. Kümmert Euch doch einmal um unsere kirchlichen Bekenntnisse. Lest, was Luther in der Erklärung des zweiten Artikels sagt: Ich glaube an Jesum Christum, wahrhaftigen Gott vom Vater in Ewigkeit geboren. Seht, wie die Apostel Ihn anbeteten und mit ihnen die ganze, wahre Christenkirche, und wie sie ihre Seligkeit nur im Umgange mit Jesu fanden. O, meine Lieben, es hängt von der richtigen Erkenntnis Jesu Christi Alles ab, es hängt unsere ganze Seligkeit daran, Und darum kann ich Euch, wenn vom Umgange mit Gott die Rede ist, nur sagen: lernt Jesum erst kennen, lernt mit Ihm erst umgehen. Und in seinen Umgang zu kommen, ist nicht schwer. Er ist uns täglich näher, als wir glauben. Denn Jesus, der wahrhaftige Gott, lebt, lebt in alle Ewigkeit. Täglich sucht Er Umgang mit Dir; merke nur darauf. Und erkennest Du Ihn noch gar nicht, hast Du noch nichts von dem Segen erfahren, den der Umgang mit Ihm gewährt, und möchtest es doch gern: nun so falle nieder und bete zu dem unbekannten Heilande. Sprich zu Ihm: Herr, ich kenne Dich nicht, aber ich möchte Dich kennen, mein Herz möchte Dich haben, ich möchte mit Dir umgehen alle Tage und Stunden!

Christen, tut das alle Tage und Ihr werdet erfahren, ja gewiss, Ihr werdet erfahren, was Christus sagt: Wer mich liebt, der wird mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden kommen und Wohnung bei ihm machen. Nun dazu verhelfe der lebendige Gott und Heiland uns Allen! Amen.

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