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Heliand - 58 - Das Todesurtheil.

Heliand - 58 - Das Todesurtheil.

Der Gebornen bester harrte noch, in Banden
Für der Menschen Geschlecht. Ihn umdrängte die Menge
Der Judenleute, mit Lästerworten
Den Hohen höhnend, der da geheftet stand.
In Geduld ertrug er was das Volk ihm that
Zu Leid, die Leute.

Da kam mit neuem Licht
Der Morgen den Menschen. In Menge sammelten
Sich der Juden Häupter, mit wölfischem Herzen,
Mit verlogenem Sinn. Der Schriftgelehrten
Fanden viele sich ein zu früher Stunde,
Eifrige, eigensinnige, des Unglaubens voll
Und tückischen Sinnes. Sie traten zusammen
In den Ring zur Berathung und rathschlagten lange,
Wie sie es anlegten mit wahrlosen Leuten,
Mit meineidigen, den mächtigen Christ
Auf sein eigen Wort hin solcher Unthat zu zeihen,
Daß sie ihn qualvoll könnten versehren,
Den Tod ihm ertheilen. Doch fanden sie des Tages
Kein so widriges Zeugniss, daß sie ihm Züchtigung
Ertheilen könnten oder den Tod erkennen,
Ihn vom Leben lösen.

Da kamen zuletzt
In der Rathenden Ring ruchloser Männer
Zweie gegangen, die bezüchtigten ihn,
Daß sie ihn selber einst sagen gehört,
Niederwerfen woll er das Weihhaus des Herrn,
Aller Häuser höchstes durch seiner Hände Macht,
Und wieder aufrichten allein durch seine Kraft
Am dritten Tage; des sich Niemand dürfe getrauen.
Er schwieg und duldete. Was da auch gesprochen ward
Von den Leuten mit Lügen, er wollt es mit leidigem
Reden nicht rächen. Im Rath erhob sich da
Ein boshafter Mann, der Bischof der Leute,
Der Vornehmste des Volks und fragte den Christ,
Ihn bei sich selbst beschwörend mit starken Eiden:
In Gottes Namen heischt' er und begehrte dringend,
Daß er ihm sagte ob er der Sohn wäre
Des lebendigen Gottes, der dieß Licht erschuf,
Christ, der ewige König. „Wir können das nicht erkennen
An deinen Worten und Werken.“ Da entgegnete der wahre,
Gute Gottessohn: „Vor diesen Juden sprichst du jetzt
Und sagst es sicherlich, daß ich es selber bin;
Mir glauben diese Leute nicht und laßen mich nicht los:
Sie würdigen mein Wort nicht. Ich sag euch in Wahrheit doch;
Ihr sollt noch sitzen sehn Gott zur rechten Seite
Den gewaltigen Menschensohn in der Machtfülle
Des allwaltenden Vaters und dann wiederkommen
Hieher in Himmelswolken, all dem Heldengeschlecht
Sein Urtheil zu ertheilen nach seinen Thaten.“

Da erboste der Bischof mit erbittertem Sinn
Das Volk zum Richter rufend, zerriß sein Gewand,
Zerbrach es vor der Brust. „Was braucht ihr auf Zeugniss
Noch weiter zu warten, da ihm solche Worte fahren,
Solche Meinrede aus dem Munde? Ihr Männer hört es all,
Ihr Rather in diesem Ringe, daß er sich so mächtig rühmt,
Für Gott sich ausgiebt. Was wollt ihr Juden ihm dafür
Zum Urtheil ertheilen? Ist er des Todes nicht
Würdig nach solchen Worten?“ Da wies ihm all
Das Volk der Juden, er sei dem Tode verfallen,
Der Strafe würdig. Doch geschahs um seine Werke nicht,
Daß in Jerusalem die Judenleute
Den Sohn des Herrn, dem sündelosen,
Den Tod ertheilten.

Da trachteten nur
Die Judenleute, was sie dem Gottessohne,
Dem gehefteten, möchten zumeist zum Harme thun.
Sie umstanden ihn scharweis, schlugen ihn an die Wangen,
An den Hals mit den Händen, ihm zum höchsten Hohne;
Frevelnd flucht' ihm die feindliche Menge
Mit schmählichem Schelten. Da stand der Sohn Gottes
Fest unter den Feinden mit gefeßelten Händen,
Ertrug in Geduld was ihm der tobende Tross
Auch Bitteres brachte, entbrannte nicht in Zorn
Wider die Widersacher.

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