Goßner, Johannes - Evangelische Hauskanzel - Am Sonntag nach dem Christtage.

Goßner, Johannes - Evangelische Hauskanzel - Am Sonntag nach dem Christtage.

Evang. Luk. 2, 33 - 40.

Und Sein Vater und Mutter verwunderten sich rc.

In diesem Evangelio haben wir Vieles und viele Personen zu betrachten: erstens die Eltern Jesu, zweitens Simeons Weissagung, drittens die fromme Hanna und viertens das Kind Jesus.

Erstens: Joseph und Maria, Sein Vater und Mutter wunderten sich deß, das von Ihm geredet ward von Simeon, bei dem Opfer, das sie nach dem Gesetz des Herrn gegeben haben, wo der alte, fromme Greis aus Antrieb des heiligen Geistes in den Tempel kam, das Kindlein sogleich erkannte, es auf seine Arme nahm, und Gott lobte und sprach: Nun läßt Du Deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben Deinen Heiland gesehen, welchen Du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht zu .erleuchten die Heiden und zum Preis Deines Volkes Israel. Solche Dinge von einem ehrwürdigen mit heiligem Geist erfüllten Greise im Tempel so feierlich ausgesprochen über dieses Kindlein, mußten sie allerdings in Erstaunen setzen; daß Er nicht nur der Trost Israels., die Zierde und Freude Seines Volkes, sondern auch ein Licht der Heiden, ein Heiland aller Menschen seyn sollte. Wer sollte sich nicht darüber freuen, wer sollte es nicht auch Andern gönnen, daß Allen geholfen werden sollte durch Ihn, und Er nicht nur für ein Land und Volk, sondern für alle Welt, für alle Völker und Nationen komme und Heil bringe. Wie waren sonst wir dazu gekommen? Wie würden die Heiden der vorigen Jahrhunderte und die unserer Tage selig geworden seyn! Gott hat allzeit, schon vor, bei und nach Seiner Geburt an die Heiden gedacht, und Ihn für Alle bestimmt. Darüber wollen wir uns nicht nur verwundern, sondern anbeten und danken; denn es ist große Gnade und unverdientes Erbarmen. Er ist Seinen Sohn weder den Juden noch den Heiden schuldig gewesen. Es war lauter herzliche Barmherzigkeit - o möchte Er nur allen Heiden und Juden und Christen recht offenbar werden.

Zweitens: Simeon segnete sie und sprach zu Maria, Seiner Mutter: Siehe, dieser wird gesetzt zum Falle und zur Auferstehung Vieler in Israel, und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird.

Der Segen ging voran, aber die Weissagung des Leidens und Schmerzes folgte nach. Es muß was austragen, von einem so ehrwürdigen, geistvollen, von Gott selbst in den Tempel bestellten Greise gesegnet zu werden. Da er voll heiligen Geistes war, so kann es nicht anders seyn, es muß durch seinen Segen ein Strom der Gnade und des Friedens auf die Gesegneten geflossen seyn - aber nicht, um sich blos zu freuen und gute Tage zu haben mit diesem Kindlein, sondern zu leiden mit demselben - und dazu sollte sie der Segen voraus stärken. Wenn Jesus im Herzen empfangen und geboren wird, so wird man erst auch recht gesegnet und einbalsamirt mit Friede und Freude - aber nicht, um sich immer mit Ihm zu freuen, sondern auch zu leiden. Diese Weissagung Simeons von Jesu darf sich Jeder gesagt seyn lassen, der sich mit Jesu einläßt und herzlich verbindet. Jesus ist heute noch in Allen, die Ihn aufnehmen und Ihn im Herzen tragen, gesetzt zum Falle und zur Auferstehung Vieler in der Christenheit, wie in Israel, ebenso auch zur Zielscheibe des Widerspruchs. Alle, die Ihn haben, gehören zu der Sekte, der allenthalben widersprochen wird. Wer Jesum frei bekennt in Wort und Werk, in der That und Wahrheit in Ihm wandelt, der wird eben darum Vielen zum Fall, Vielen zur Auferstehung seyn; Einige werden sich zu Tode ärgern, die Andern erbauen und aufrichten an ihm. Viele werden schmähen und lästern, verfolgen und kreuzigen - die Andern in sich gehen, ihre Sünden erkennen, und auch anfangen zu glauben und selig zu werden. Jesus ist eigentlich nicht gesetzt zum Fall, sondern nur zur Auferstehung - Gott hat Ihn gesetzt zum Grund- und Eckstein, daß sich Alle an Ihm aufrichten, auf Ihn gründen und erbauen sollen; aber die Bosheit der Menschen, ihre Feindschaft gegen Ihn, und die Unlust, sich zu bekehren, die unzertrennliche Freundschaft mit der Sünde und Welt, macht es, daß sie muthwillig sich an dem Steine stoßen, ärgern und sich zerstoßen, daß sie fallen, und so wird ihnen dieser Eckstein, der ihnen zur Auferstehung und zum Leben gegeben ist, zum Falle und zum Verderben.

„Und es wird ein Schwert,“ fährt Simeon fort, „durch deine Seele dringen - auf daß vieler Herzen Gedanken offenbar werden.“ Ach wie viel Schwerter dringen durch jede Seele, die Jesum hat und Jesum liebt! Welt, Fleisch und Satan schmieden tausend Schwerter, womit sie die Jesusherzen durchbohren und verwunden. Wie könnte Jemand mit Jesu durch die Welt kommen, ohne mit Schwertern durchstochen und gehauen und geschlagen zu werden, von innen und außen. Jesus ist ein Schmerzens- und Kreuzes-Kind, man hat zu leiden, und muß mit Ihm gekreuziget, gegeißelt und gekrönt werden - oft möchte man auch Blut schwitzen - so wie man sich oft in der größten Noth und Herzensangst vom Vater verlassen suhlen muß. Darum sagte auch Paulus: Ich bin mit Christo gekreuziget - Die Christo angehören, kreuzigen ihr Fleisch sammt den Lüsten und Begierden. Und der Heiland selbst sagte Seinen Jüngern es voraus: In der Welt habt ihr Angst; die Welt wird es für Gottesdienst halten, wenn sie euch umbringt; ihr müßt gehaßt werden von Jedermann um meinetwillen. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke? Sein Kreuz, Sein Kelch war das erste, was Er Seinen Jüngern anbot, wenn Er sie zur Nachfolge einlud und anwarb.

Auf daß vieler Herzen Gedanken, offenbar werden. Ja, das Kreuz, der Widerspruch, der Stein des Anstoßes und Fels des Aergernisses, wo er gesetzt wird, das Alles, was Simeon sagte, macht die Herzens-Gedanken offenbar, das Feuer der Trübsal, die Verfolgung, die Schmach und Lästerung macht sowohl die Feinde, als falschen Freunde, die starken und die schwachen Jünger offenbar. Es kommt heraus auf beiden Seiten, was im Herzen ist, Feindschaft, oder wahre, ächte, unüberwindliche Liebe zum Herrn. Da wird Mancher bewährt, aber Mancher unächt erfunden, wenn er die Hitze der Trübsal und Verfolgung nicht aushalten kann. Denn Vielen sitzt es wohl im Munde, aber Wenigen im Grunde. Was nun nicht gründlich ist, das hält nicht Stich. Wenn Alles wie auf eine Zielscheibe seine Pfeile und Geschosse des Widerspruchs, der Lästerung und Schmähung auf einen richtet, der Christum erkennt, da muß er Christum nicht blos im Kopf und Munde, sondern tief im Grunde seines Herzens haben, wenn er bestehen und nicht verläugnen soll. Denn Christus ist in jedem wahren Christen, wie ehemals, so heute noch ein Zeichen, dem widersprochen wird, oder eine Zielscheibe des Widerspruchs, worauf Alle zielen; ein ächter Christ kann unmöglich ohne Widerspruch durchkommen.

Drittens: Und es war eine Prophetin Hanna, eine Tochter Phanuels, vom Stamm Asser, die war wohl betaget, und hatte gelebt sieben Jahre mit ihrem Manne, nach ihrer Jungfrauschaft, und war nun eine Wittwe bei vier und achtzig Jahren, die kam nimmer vom Tempel, dienete Gott mit Fasten und Beten Tag und Nacht. Die fehlte nie im Tempel, wenn eine Andacht, eine Erbauung, ein Opfer oder Gebet war; die versäumte keine Gelegenheit der Gottesverehrung. Fasten und Beten war nun in ihrem hohen Alter ihr einziges Geschäft, Gott ihr einziges Ziel, und ihr ganzes Leben, Tag und Nacht Ihm gewidmet. Er war Mittelpunkt ihres Herzens, daher auch all ihres Strebens und Thuns. Wie schön und selten ist eine solche entschiedene Herzensrichtung! eine solche vollkommne Hingabe an Gott! Möchten doch alle Wittwen, alle Frauen und Jungfrauen auf dieses ausgezeichnete Beispiel sehen und es nachahmen! Entschädiget würden sie gewiß Alle werden für die Verläugnungen und Opfer, die sie diesem Hanna-Leben bringen müßten, durch die Gnade, Segen, Friede und Freude, die sie dabei genießen würden; denn die Gottseligkeit ist ein großer Gewinn, sie hat die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens. Welch ein Segen in einer Familie, in einer Gemeine, eine solche echt fromme, Gott im Geist und in der Wahrheit dienende Hanna! Dagegen welch ein Unglück und welch eine Last, eine geschwätzige, böse, alte Zunge, die viel Unheil stiftet und alle Wetter anrichtet mit Hin- und Herreden, mit Aufhetzen und Zänkereien! Solchen ist gesagt: So sich Jemand dünken läßt, er diene Gott mit vielem Beten, Lesen und Kirchenlaufen, und hält seine Zunge nicht im Zaum, sondern verführt sein Herz, deß Gottesdienst ist eitel. Jak. 1, 26.

Dieselbige trat auch hinzu zu derselbigen Stunde, und pries den Herrn, und redete von Ihm zu Allen, die auf die Erlösung zu Jerusalem warteten. Die trat gleich auch hinzu, wo von Gott und göttlichen Dingen die Rede war, hingegen entfernte sie sich alsbald, wo unnütze Reden oder gar schädliche und sündliche Gespräche geführt wurden. Da war nun ihr Element, wo es hieß: Der Herr ist da, der Heiland aller Welt ist erschienen! Hier haben wir Ihn. Simeon hat Ihn auf den Armen und möchte vor Freude sterben. Wer möchte da nicht diese alte, fromme, brünstige Hanna gesehen haben, wie sie dazu hineilte, wie sie das Kindlein herzte, küßte; wie sie den Herrn pries, lobte und dankte, wie sie sich freute, und zur Freude und zum Dank ermunterte. Von Ihm nun war ihre Rede zu Allen, mit denen sie zusammenkam und redete - Er nur war der Gegenstand ihres Gespräches; wovon ihr Herz voll war, davon ging ihr Mund über, und mit denen, die gleiches Sinnes waren, redete sie gern, die gleiche Theilnahme bewiesen, die auch sehnlich warteten auf die Erlösung, auf den Heiland, zu Jerusalem; die haben sich wohl auch Alle gekannt und gefunden. Welche Freude nun, den Erwarteten auf einmal gefunden zu haben! O selig sind die Seelen, die nur dahin treten, wo Er ist, oder wo von Ihm die Rede ist! selig die Seelen, die, statt andre zu schänden, nur Ihn preisen und Ihm die Ehre geben, nur mit denen sich verbinden, die ihres Orts auf die Erlösung warten, oder schon erlangt, Jesum schon gefunden haben, und in Ihm wandeln. Suche die Gott Suchenden, so wirst du Gott finden, denn Gott ist bei denen, die Ihn suchen. Gehe zu denen, die auf Jesum warten, die nach Seiner Nähe, nach Seinem Heil und Frieden dürsten, denn Er ist da, wo man um Ihn weint. Er ist nahe Allen, die Ihn anrufen, die Ihn mit Ernst anrufen.

Es war also zu Jerusalem doch ein Häuflein Seelen, die auf die Erlösung warteten, und die kannten einander, kamen wohl oft zusammen, beteten mit einander und ermunterten einander im Vertrauen, im Harren und Hoffen - und siehe, so verachtet sie gewesen seyn müssen bei der gottlosen Welt, als einfältige Leute, so wurden sie doch in ihrer Erwartung und Hoffnung nicht getäuscht - ihre Augen haben ihren Heiland noch gesehen. Hoffnung auf Gott wird nicht zu schanden. Die alte Hanna hat gewiß keins von diesen Häuflein, die auf den Heiland warteten, vergessen, sondern es allen gesagt: Der Herr ist da! Kommet, sehet! Ihre Freude war zu groß, sie mußte sie mit Allen theilen; darum heißt es: sie redete von Ihm zu Allen, sie sagte es Allen, die auf die Erlösung zu Jerusalem warteten; sie lief in ganz Jerusalem umher, und machte es Allen kund - Alle mußten das Kindlein sehen und preisen; Alle mußten sich mitfreuen. Man muß, wenn man einen Segen vom Herrn hat, Keinen ausschließen, sondern Allen mittheilen, was für Alle gesegnet ist. Der Heiland ist etwas für Alle, wer Ihn hat und genießt, der suche Ihn Allen, die Ihn verlangen und nach Ihm sich sehnen, mitzutheilen und bekannt zu machen. O kennten Ihn doch alle Leute, die Er mit Seinem Blut erkauft! o hatten Ihn doch alle Leute, die schon auf Seinen Tod getauft!

Simeon und Hanna sind ein augenscheinlicher Beweis, daß man nicht vergeblich harret auf den Herrn; sie rufen beide uns Allen zu: Harre des Herrn, sey getrost und unverzagt, und harre des Herrn! Sie harreten des Herrn bis in ihr hohes Alter, und nun haben sie Ihn in den Armen und im Schooße, nun schauen ihre Augen Ihn, und ihre Freude ist unaussprechlich.

Und da sie, die Eltern Jesu, Alles vollendet hatten nach dem Gesetz des Herrn, kehrten sie wieder in Galiläa, zu ihrer Stadt Nazareth - erst nach Bethlehem, wo der Besuch der Weisen, hierauf die Flucht nach Egypten vorfiel. Er kam ja, das Gesetz zu erfüllen, und hat sich selbst unter das Gesetz gethan, um uns vom Gesetze, d. i. vom Fluche des Gesetzes zu erlösen, indem er für uns das Gesetz erfüllte, und den Fluch desselben an unsrer Statt auf sich nahm und trug. Darum haben schon auch Seine Eltern mit Ihm Alles nach dem Gesetze des Herrn genau beobachtet, und sich streng an den Buchstaben desselben gehalten. Und nachdem sie Alles in Ordnung gebracht hatten, was öffentlich zu thun war, kehrten sie wieder in die Stille und Verborgenheit zurück, nach dem kleinen, verachteten Nazareth, um da unbekannt und ungenannt zu bleiben, bis Ihn Gott hervorrufen würde.

Viertens: Und das Kind wuchs und ward stark am Geist, voller Weisheit, und Gottes Gnade war mit ihm. Er ist nicht als vollkommner Mann, sondern als unmündiges Kind auf die Welt gekommen, an Geberden, Gestalt und Gaben gleichwie ein andres Menschenkind erfunden - Er machte keine Ausnahme, sondern wollte den Lauf des menschlichen Lebens wie ein Anderer zurücklegen und bei der Unmündigkeit und kindlichen Schwachheit anfangen, wie alle vom Weibe Gebornen. Daher wuchs Er und nahm zu an Alter und Jahren wie andre Kinder, wurde starker und stärker am Geist, an Kenntnissen und Gaben, Verstand und Weisheit; Alles fand sich nach und nach bei Ihm ein, wie bei allen Menschen. Er mußte auch Alles lernen, Gehorsam, wie es Hebr. 5, 8. heißt: Und wiewohl Er Gottes Sohn war, hat Er doch an dem, das Er litte, Gehorsam gelernet, und ward gehorsam bis zum Tod am Kreuze. Und wie durch Eines Menschen Ungehorsam viele Sünder worden sind, so sind durch Seinen Gehorsam Viele gerecht worden. Das ist die Ursache, warum Er so aufwuchs, und in Allem, wie andre Menschen sich Alles gefallen ließ. Es ist an Ihm Alles verdienstlich, Alles für uns versöhnend, vergütigend. Er hat Alles, was wir bei unserm Aufwachsen schlecht und verkehrt machen, versäumen und verderben, gut gemacht, gebessert, geheiligt, gereinigt und vervollkommnet, so daß wir in Ihm von Seiner Kindheit an einen Versöhner, Bürgen, ein Opfer und einen Erlöser oder Heiland haben. In jedem Alter, wo wir Ihn ansehen, erblicken wir Ihn als unser Lösegeld und unser Lamm, das unsere Sünden in allen unsern Lebensaltern und Jahren getragen und gebüßet hat; aber zugleich auch als das Vorbild, das uns reizt und stärkt, das es uns verdient hat, auch so zu seyn, wie Er war, auch so zu wachsen und zuzunehmen wie an Alter, so auch an Weisheit und geistlichem Verstand. Es wird Keiner als vollkommner Mann in Christo wiedergeboren, sondern als Kind in Christo, als Säugling, der erst wachsen und zunehmen muß. Viele aber, die wie kaum geborne Kindlein sind, wollen gleich ausgewachsene und vollendete Männer in Christo seyn. Wir müssen erst anfangen, ehe wir am Ende sind. Johannes unterscheidet unter den Christen: Kinder, Jünglinge und Väter. Und alle Apostel ermahnen ihre Gläubigen immer zum Wachsen und Zunehmen in der Erkenntniß und Liebe Christi - zum völliger werden, zum Fortschreiten in der Heiligung mit Gottesfurcht, zum Ueben in der Gottseligkeit; nicht lässig zu seyn im Werke des Herrn, sondern anzurichten die lässigen Hände und die müden Kniee; abzulegen den alten Menschen; zu tödten die Glieder der Sünde und die Werke des Fleisches durch den Geist, und anzuziehen den neuen Menschen, und sich zu reinigen von allen Befleckungen des Fleisches und des Geistes.

So steht also auch dieses nicht umsonst in der Bibel: Und das Kind Jesus wuchs - und ward stark im Geist. Wenn Er wuchs, sollst du nicht auch wachsen, nicht erstarken im Geist? - Du dünkst dich gleich groß, erwachsen, stark und fertig zu seyn?! Wie es aber bei Ihm heißt: Und Gottes Gnade war mit Ihm - so werden wohl auch wir nicht anders wachsen und zunehmen, werden nicht stärker werden am Geist, es sey denn Gottes Gnade mit uns, um die wir fleißig und unablässig beten und bitten müssen; denn aus eigner Kraft und Vernunft werben wir nicht wiedergeboren, und aus eigner Kraft und Vernunft werden wir nicht wachsen in Christo, nicht stark und stärker werden im Geiste. Gnade ist das Element, in dem wir allein wachsen und bestehen können. Wenn mit Ihm Gottes Gnade seyn mußte und war, wie vielmehr mit uns! Was wollen wir anfangen ohne Gnade?

Nun haben wir also noch am letzten Sonntage dieses Jahres vier schöne, ja die schönsten Beispiele vor Augen - die Eltern Jesu, die sich verwundern im stillen Nachdenken über Alles, was von ihrem Kinde Jesu gesagt wurde und mit Ihm geschah. Was könnte uns heilsamer seyn, als stilles Nachdenken und Erwägung dessen, was wir von Jesu, von Seiner Kindheit an bis zum Kreuzestode und bis über alle Himmel hinauf gehört haben und wissen? Zweitens: den lieben alten Simeon, der segnend weissagt, was das Kind, die Mutter und Jeder, der es mit dem Kinde hält, erfahren und leiden muß; Christus lebendig geglaubt und erfahren, ist Vielen zum Aergerniß und Fall, Andern zur Erbauung und Auferstehung, eine Zielscheibe des Widerspruchs, mit vielen Schmerzen und Leiden verbunden, die wie Schwerter durch die gläubigen Seelen dringen. Drittens: die fromme Hanna, die unablässige Beterin und gottesdienstliche Verehrerin des Heilands, die mit allen Frommen von Ihm und nur von Ihm gern redete, beschämt uns gewiß Alle, daß wir uns weit hinter ihr zurück erblicken. Viertens endlich: das allerliebste Kind möge ja auch in uns wachsen und uns stark machen am Geist, voller Weisheit und Gnade - wolle in Gnaden stets mit uns seyn, und eine vollkommne Gestalt in uns gewinnen! Amen.

Herzensknabe!
Aller Erden Gut und Habe
Ist nur Unflath gegen Dich;
Du kannst mit gar wenig Blicken
Millionenmal erquicken:
Wirf auch einen Blick auf mich!

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