Ahlfeld, Johann Friedrich - Des Christen Kampf gegen den Versucher.

Ahlfeld, Johann Friedrich - Des Christen Kampf gegen den Versucher.

(Invocavit 1848.)

Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen.

Text: Ev. Matth. 4. 1-11.
Da ward Jesus vom Geist in die Wüste geführt, auf dass er von dem Teufel versucht würde. Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn, und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. Und er antwortete und sprach: Es stehet geschrieben: Der Mensch lebt nicht von Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes gehet. Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so lass dich hinab; denn es stehet geschrieben: Er wird seinen Engeln über dir Befehl tun, und sie werden dich auf den Händen tragen, auf dass du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest. Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum stehet auch geschrieben: Du sollst Gott, deinen Herrn nicht versuchen. Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Dies alles will ich dir geben, so du niederfällst und mich anbetest. Da sprach Jesus zu ihm: Hebe dich weg von mir, Satan! denn es stehet geschrieben: Du sollst anbeten Gott, deinen Herrn, und ihm allein dienen. Da verließ ihn der Teufel; und siehe, da traten die Engel zu ihm und dienten ihm.

In Christo Jesu geliebte Gemeinde. Der Herr war hervorgetreten aus der stillen Verborgenheit, in der er die ersten dreißig Jahre seines Lebens zugebracht hatte. Er war von Johannes im Jordan getauft worden. Bei der Taufe tat sich der Himmel auf über ihm, und eine Stimme rief hernieder: „Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe.“ Sein Vater, der sich zu ihm bezeuget hatte, da er geboren ward, bezeugte sich nun von Neuem zu ihm, da er sein Werk zur Wiedergeburt der Welt begann. - Wie aber auf die höchsten Höhen auf der Erde gemeiniglich die tiefsten Tiefen folgen, so ist es auch in dem Leben vor Gott. Gleich auf diese Bezeugung folgt die Versuchung des Herrn. Da ward Jesus vom Geist in die Wüste geführt, auf dass er von dem Teufel versuchet würde. Der Geist, der ihn führet, ist der heilige Geist, der in der Taufe auf ihn herabgekommen war. Weil ihn der heilige Geist dahin führte, muss auch in dieser Versuchung für Christum und für seine Kirche etwas Heilsames ruhen. Wozu ist er denn versucht worden? Er sollte uns in Allem gleich werden. Er ist uns in Allem gleich geworden, nur nicht in der Sünde. Aus eigner Erfahrung sollte er wissen, wie ein armes Menschenkind auf allen Seiten angefochten wird durch die Pfeile des Bösewichts. Wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte Mitleid haben mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist allenthalben gleich wie wir, jedoch ohne Sünde. Er ist versucht worden, auf dass wir mit Freudigkeit vor den Gnadenstuhl treten und Gnade empfangen und Barmherzigkeit erlangen auf die Zeit, da uns Hilfe not sein wird. Vergiss es nimmer, lieber Christ, dass dein Herr deine ganze Not kennen gelernt hat, dass du daher auch getrost aus ihr zu ihm emporschreien kannst. - Christus ist versucht worden, damit er dir ein Vorbild werde, wie du in der Versuchung einen guten Kampf kämpfen kannst. Er ist unser Meister, er ist unser Vorkämpfer. Er ist es im Glauben, er ist es in der Liebe, er ist es im festen Gehorsam gegen seinen himmlischen Vater; er ist es darin, dass er gegen den Widersacher Stand hält ohne zu wanken. - In die Fastenzeit gehört aber dieses Stück, weil es für den Heiligen Gottes ein schweres Leiden war, dass Keiner unversucht und unangetastet über die Erde gehen kann. Auch an Gottes Sohn wird der Versuch gemacht, ob er seine Ehrenkrone nicht dahinwerfen wolle für den Tand und Koth der Welt. - Wir werden uns in unserer Andacht heute vornehmlich an das Vorbild halten, das uns Christus im Kampfe gegen den Versucher gegeben hat. Wir behalten als unsern Grundgedanken:

Den Kampf des Christen gegen den Versucher.

Und wie sich aller Kampf in drei Teile zerlegt, so auch dieser Glaubenskampf. Die drei Teile sind: Angriff, Gegenwehr und Sieg.

Großer Siegesheld!
Tod, Sünd, Höll' und Welt
Hast du siegreich überwunden
Und uns unsrer Schuld entbunden
Durch das Lösegeld
Deines Bluts, o Held.

Steure meinen Sinn,
Der zur Welt will hin,
Dass ich nicht mög von dir wanken,
Sondern bleiben in den Schranken.
Sei du mein Gewinn.
Gib mir deinen Sinn.

Amen.

l. Der Angriff.

Der Feind greift ein Heer an dreierlei Orten an: in der Front, oder im Rücken, oder in der Flanke. So tut der alte Feind unserer Seligkeit an Christo auch. Der Herr ist in der Wüste. Er hat vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet. Es hungert ihn. Da tritt der Versucher zu ihm und spricht: „Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden.“ - Der Vater hat den Sohn in die Welt gesandt, die Sünder zur Buße zu rufen. Alle Macht und Herrlichkeit, mit der er ihn geziert hat, hat ihm der Vater mitgegeben, dass er die armen verirrten Seelen damit locke und überwinde. Wie der Magnet das Eisen anzieht, so sollte er mit aller Macht und Gottheit die anziehen, in denen das göttliche Ebenbild unter dem Schutt der Welt noch nicht ganz ersticket war. Nicht für sich war er in die Welt gekommen, damit er durch seine himmlischen Güter bei uns gute Tage habe. Er war in die Welt gekommen, dass wir durch diese Güter bei ihm eine gute Ewigkeit haben sollten. Da ficht ihn der Feind an, er soll diese Kräfte für sich verwenden, er soll das arme Geschlecht vergessen. Er soll seinen Beruf hintansetzen. Aus Steinen soll er Brot machen, dass er lebe. - Du Menschenkind, denke du dich in die Wüste. Die Wüste hat für dich einen doppelten Sinn. Sie ist einmal eine einsame Stätte, sie ist zum andern eine Notstätte. Gehst du in die Einsamkeit, so hüte dich vor Sicherheit. Wo du hingehest, da geht der Versucher nach. Und wenn du ganz allein bist in deinem Hause, und wenn du ganz allein bist in deinem Betkämmerlein - der Versucher findet doch den Weg zu dir. Ein alter Einsiedler, der mit andern zusammen in der ägyptischen Wüste lebte, war unter seinen Brüdern stets voll Unruhe und zum Zorn geneigt. Da dachte er: „Ich will fortgehen und allein wohnen. Wenn ich Niemand mehr habe, den ich höre oder mit dem ich spreche, wenn mich Niemand mehr reizt, dann wird die Leidenschaft schweigen, und ich werde Ruhe in mir haben.“ Er zog tief in die Wüste hinein und wählte eine einsame Höhle nahe an einer Wasserquelle zu seiner Wohnstätte. Aber was geschah? Eines Tages fiel der Wasserkrug um, den er eben gefüllt hatte. Er musste ihn zum zweiten Male füllen. Er tat es mit Ruhe und Gelassenheit. Als aber der Krug zum zweiten Male fiel, ward er zornig und warf ihn zur Erde, dass er zerbrach. Erst als er die Scherben umherliegen sah, kam er zu sich selbst und erkannte, dass der Zorngeist ihn irre geführt hatte. Jetzt sah er, dass der Zorn mit ihm zog, er mochte hingehen, wohin er wollte. Darum kehrte er zurück zu seinen Brüdern, weil er hoffte, ihn in ihrem Umgange leichter zu besiegen. Also der Versucher geht überall mit. Weißt du aber, wo er dich zuerst angreift? Welches ist die Front, wo er den Kampf zumeist beginnt? Der Mangel, die Not. Zu Christo sprach er' „ Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden.“ Zu dir spricht er: „Die Not ist da, Not kennt kein Gebot, Not bricht Eisen, Not fragt nicht nach Gott. In der Not kann man nicht so wählerisch sein, dass man überall die Wahrheit sagen solle.“ Er streift dem göttlichen Gebote seinen Ernst ab. Er redet zu dir von Notlügen, wie wenn es mit diesen so Viel nicht auf sich hätte. Er redet dir vor, in der Not brauche man ein gegebenes Versprechen nicht zu halten. Er redet dir vor, in der Not brauche man die Grenzen fremden Eigentums nicht zu achten, in der Not könne man ernten, wo man nicht gesät, und schneiden, wo man nicht gepflanzt hat. Er redet dir vor, in der Not könne man die Liebe verleugnen, die man seinen Brüdern, die man seinen Eltern schuldig sei, in der Not habe Freundschaft und Barmherzigkeit ein Ende. In einem alten heidnischen Staate, in Sparta, galt ein Gesetz, dass wer aus der Schlacht fliehe, mit dem Tode bestraft werden sollte. Nach einer mörderischen Schlacht gegen die Thebaner floh aber eine große Schaar. Da erklärte der damalige König, an jenem Tage hätten die alten Gesetze geschlafen. Wir wollen mit ihm nicht hadern, dass er das grausame Gesetz für den Tag schlafen lies. Aber fragen wollen wir uns, wie oft wir bei den nichtigsten Anlässen die Gesetze Gottes schlafen lassen. - Und diese sollen nimmermehr schlafen. - Bei Christo gelingt dieser Angriff nicht. Auch bei den Jüngern Christi, auch bei dir ist er oft nicht gelungen. Alle Not konnte dich nicht irre machen an Gottes heiligem Gebot. Du warst glücklich durch diesen Kampf. Warst du aber fertig? Der Angriff an der Front war gescheitert. Aber nun fällt dich der Feind im Rücken an. Er stellet Christum auf die Zinne des Tempels und spricht zu ihm: „Bist du Gottes Sohn, so lass dich hinab, denn es stehet geschrieben: „Er wird seinen Engeln über dir Befehl tun, und sie werden dich auf den Händen tragen, dass du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest,““ Ein leeres Kunststück, ein Gauklerwerk sollte der Herr vor den Augen der Leute vollbringen, Er sollte werben um eitle Ehre und sollte dahintenlassen das Heil seiner Brüder. Damit wäre keine Seele hineingeführt in die Erkenntnis ihrer Sünde, keine in die Erkenntnis der Gnade, Ein Werk des eitlen Hochmuts wäre es geworden. - Du Menschenkind, du bist schon hundertmal denselben Weg gegangen. Wenn du den Kampf gegen das sechste oder siebente oder achte Gebot ehrlich gekämpft hattest, dann baute dir der Feind in deinem Herzen den Hochmutstempel auf. Da stelltest du dich mit deiner Frömmigkeit und Rechtschaffenheit auf die Zinne. Da ließest du dich von der Sonne des Ruhmes bescheinen. Du warst vergoldet von deinem eigenen Sonnenschein. Von da ließest du dich hinab. Du verglichest die Höhe, auf der du standest, mit der Tiefe derer, die in der Versuchung nicht Stand gehalten hatten. Vergiss es nimmer: wenn du den Versucher mit dem einen Angriff zurückgeschlagen hast, dann kommt er mit einem zweiten, feineren, versteckteren. Und kaum gibt es eine feinere Versuchung, als die des Hochmuts. Dieser verträgt sich ja auch mit einer äußern Furcht Gottes. Ja, er kann sich gerade auf sie stützen. Ist der erste Angriff der des Löwen in der Wüste, so ist der zweite der der Schlange im schönen, üppigen Walde. Sie umschlingt ihre Beute, sie hält sie gewiss, sie sucht die Stätte, da sie ihren Giftzahn einsenken kann. Könnten wir zählen, so würden wir finden, dass mehr Seelen durch Hochmut von Christo abgefallen sind, denn durch Mord, Diebstahl, Ehebruch und andere grobe, offenbare Übertretung, Doch der Herr hielt auch hier Stand, und nun greift der Versucher, wir möchten sagen in der Verzweiflung, zu der letzten Waffe. Er führet ihn auf einen sehr hohen Berg, er zeigt ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit. Ob dies in äußerer Tat oder ob es in einem Gesicht geschehen sei, das ändert an der Sache Nichts. Da spricht er zu ihm: „Dies Alles will ich dir geben, so du niederfällst und mich anbetest.“ Dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden, zu dem der Vater spricht: „Heische von mir, so will ich dir die Völker zum Erbe und der Welt Enden zum Eigentum geben,“ dem beut er alle Reiche der Welt an. Die Sünde ist blind. Sie will vergeben, was nicht ihr gehört, oder was sie nur durch Missbrauch besitzt; sie will es dem geben, dem es schon gehört. - Liebe Christen, wisst ihr wohl, welches das Stücklein Staub und Asche aus der Erde ist, an dem die meiste Sünde, an dem das meiste Blut hängt? Viele Tränen hangen an den Brautkränzen, aber mehr Blut hängt an den Königskronen. Uns allzumal wird wohl nie die Versuchung stechen, nach einer solchen zu trachten. Ja, wenn wir Kronen tragen sollen, so mag es eine Dornenkrone sein. An der hängt auch Blut, aber nur das eigne. Sie gibt uns aber bestimmte Hoffnung aus die Gnadenkrone. „Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch herunter zu den Niedrigen,“ heißt es in der Schrift. - Betrachten wir

2. Die Gegenwehr.

Die große Rüstkammer in allen Anfechtungen ist die heilige Schrift. Bei jedem Sturm greifet der Herr da hinein. Als der Versucher ihn anfasst beim täglichen Brote, da spricht er: „Der Mensch lebt nicht von Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes gehet.“ Als er ihn umschlingen will mit den Banden des Hochmuts, erwidert er: „Du sollst Gott deinen Herrn nicht versuchen.“ Da er ihm anbietet alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit, wenn er niederfalle und ihn anbete, entgegnet er: „Du sollst anbeten Gott, deinen Herrn, und ihm allein dienen.“ Lieber Christ, wenn an dich die Versuchung kommt, eile du auch zu seiner Rüstkammer. Wohl dir, wenn du sie nicht weit hast, wenn du dir in jungen Jahren den Harnisch des Glaubens aus derselben genommen hast, wenn du allezeit gerüstet bist mit dem Schwert und Speer des göttlichen Wortes, die wunde Stelle des Feindes zu treffen. Gottes Wort ist und bleibt schärfer, denn ein zweischneidig Schwerdt, und dringet hindurch, bis dass es scheidet Seele und Leib und Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des menschlichen Herzens. Wenn die Not kommt, wenn die Kleinmütigkeit an's Herz will, nimm zuerst vor dich das Bild deines Herrn. Wie hat er geduldet, wie hat er getragen! Nie ist er irre geworden an der gnädigen Führung seines himmlischen Vaters. Nimm dir vor die Seele die Helden des alten und neuen Bundes. Durch Meer und Wüste gehen ihre Wege. Sie haben hindurch gemusst durch Ehre und Schande, durch böse und gute Gerüchte; als die Verführer und doch wahrhaftig; als die Unbekannten und doch bekannt; als die sterbenden, und siehe, sie leben; als die Gezüchtigten und doch nicht ertötet; als die Traurigen und doch allezeit fröhlich; als die Armen, und die doch Viele reich machen; als die Nichts inne haben, und die doch Alles haben. Nimm dir die bestimmte Erklärung des Wortes: „Alle die gottselig leben wollen, müssen Verfolgung leiden.“ Das Gold muss im Feuer, der Glaube in der Trübsal geläutert werden. Und zu diesen Worten der Schrift füget das Leben seine Erfahrung hinzu: Ein Flachs, der eine gute Leinewand geben soll, muss erst geröstet, gesonnt, geschlagen, gehechelt, geschwungen und gesponnen werden. - Will dich der Feind antasten mit Hochmut, so kehre du wieder zurück in jene Rüstkammer. Ihre Waffen sind wohl alt; aber sie sind gefegt und geschliffen, sie rosten nimmermehr. Der Herrlichste unter allen Menschenkindern ist der Niedrigste geworden. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Geh zum Meister und lerne bei ihm Demut. Geh zu den Jüngern und lerne bei ihnen Demut, Paulus, der gewaltige Arbeiter Jesu Christi, hat seine Sünde in ihrer ganzen Tiefe beständig vor sich stehen. Er kann sagen: „Ich habe mehr gearbeitet denn Alle.“ Aber er weiß, wer in ihm und durch ihn gearbeitet hat. Jesus Christus, der in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen, unter welchen Paulus sich den Vornehmsten nennt. Will die Hoffart dich angreifen, so frage dich: „Woher habe ich denn Alles, daraus ich mich brüste?“ Ich habe es mir nicht gegeben. Es ist ein Lehen von meinem gnädigen Herrn und Gotte. Der es mir gegeben hat, kann es mir auch zu jeder Zeit wieder nehmen. - Will sie aber damit noch nicht weichen, so wirf deinen Blick hinaus über die 30 oder 20 oder 10 oder 2 Jahre, die du noch zu leben hast, wenn es anders noch so viel ist. Was bist du dann? Ein Häuflein Asche. Nicht mehr und nicht weniger. Von Erde bist du genommen, zur Erde bist du dann geworden. Von aller deiner Höhe ist dann Nichts übrig, als ein Grabhügel. Das schlägt nieder. - Siehst du aber noch weiter hinaus, so stehest du vor Gottes Gericht: und da ist Niemand groß denn der klein ist, der sich bei Zeiten demütigen gelernt hat vor dem Herrn der Herrlichkeit. - Endlich wenn du trachtest nach hohen Dingen, wenn du in Gefahr kommst, Christum um der Welt willen zu verleugnen, wenn du in Gefahr kommst, falschen Göttern zu dienen: geh in die Rüstkammer des göttlichen Worts. Da steht geschrieben: „Es ist ein großer Gewinn, wer gottselig ist und lässt ihm genügen. Denn wir haben Nichts in die Welt gebracht; darum offenbar ist. wir werden auch Nichts hinaus bringen. Wenn wir aber Nahrung und Kleider haben, so lasset uns genügen.“ „Den Reichen in dieser Welt gebeut, dass sie nicht stolz sein, auch nicht hoffen auf den ungewissen Reichtum. sondern auf den lebendigen Gott, der uns dargibt reichlich allerlei zu genießen.“ Wenn der Teufel dir zuruft: „Dies Alles will ich dir geben, so du niederfällst und mich anbetest,“ so antworte ihm: „Du sollst anbeten Gott, deinen Herrn, und ihm allein dienen. Das Eine ist not.“ Wer seinen Glauben verkauft um Güter dieser Welt, oder um Ehre dieser Welt, der ist ärger denn Esau, der seine Erstgeburt verkaufte um ein Linsengericht. Den Esau hungerte, als er vom Felde kam, als er seinen bösen Handel schloss. Viele haben satt und die Fülle und treiben diesen Handel doch, treiben ihn immerfort. Das öffentliche Gespräch, die öffentliche Meinung fährt jetzt mit vollen Segeln auf dem wüsten Meere des Unglaubens. Du meinst: „Da muss ich einstimmen, damit ich im Fortschritt bleibe, damit ich als ebenbürtig und gesinnungstüchtig anerkannt werde.“ Und du verleugnest deiner Väter Glauben, deinen Gott und deinen Heiland. Das ist noch ein schlechterer Handel, als der des Esau. Esau bekam doch Etwas zu beißen, du aber bekommst ein böses Gewissen, das dich beißt, und dazu den Dank der Welt. Den kennst du doch? Undank ist der Welt Lohn. Und von des Teufels Dank hat man auch nie viel zu rühmen gewusst. - Doch heraus aus diesen betrübten Geschichten! Wir wollen uns ein Beispiel vor die Seele führen, an dem wir uns erwärmen können zum Festhalten an dem Herrn trotz aller Verlockungen: Herzog Georg von Sachsen, der Zeitgenosse Luthers, war der bitterste Feind des evangelischen Glaubens. Sein Bruder Heinrich und dessen Gemahlin Catharina von Mecklenburg waren eben so innige Freunde desselben. Aber sie waren arm. Georg, der ältere Bruder, besaß das reiche und große Herzogtum; sie nur die beiden kleinen Herrschaften Freiberg und Wolkenstein. Georg machte allerlei Versuche, sie von dem evangelischen Bekenntnis zum katholischen hinüber zu locken. Auf Anraten des Papstes bot er ihnen eine große Summe Geldes an. Ja eine reiche Provinz wollte er ihnen abtreten, wenn sie wieder Katholiken würden. Damit er recht sicher zum Ziel käme, hatte ihm der Pabst den Rat gegeben, zuerst die Frau zu gewinnen, dann würde sich das Weitere schon finden. Aber was antwortete Catharina dem Gesandten? „Wozu sind alle die Versprechungen und dieses Geld nötig? Will Herzog Georg Etwas, das uns zu unserm ewigen Heile frommt, so bin ich samt meinem Gemahl erbötig, es umsonst zu tun. Will er aber etwas Anderes, so hat er nicht Goldes und Silbers genug, um uns dazu zu bewegen.“ Aller Welt Reichtümer wolle sie nicht für Christus und den Glauben nehmen. Sie wundere sich, wie sie Georg als Unbekannte versuchen und glauben könne, dass sie das Irdische höher schätzen, als den Himmel und ihr Gewissen. Sie verzeihe ihrem Schwager von ganzem Herzen und würde nicht aufhören für ihn zu beten. Die Gesandten aber möchten eilen, dass sie Freiberg verließen, damit nicht Andere durch sie bestochen würden, denn ihre Sprache komme ihr vor wie die Sprache des Versuchers gegen Christum: „Dies Alles will ich dir geben, so du niederfällst und mich anbetest.“ Sie wünsche ihrem Schwager langes Leben, Gesundheit und ein ruhiges Alter. Sie wären mit ihrer Armut zufrieden und wünschten Nichts, als ein reines Gewissen zu erhalten und selig aus der Welt zu gehen. Alles Übrige stellten sie ruhig Gott anheim. - Die Gesandten wurden mit sicherem Geleit über die Grenze gebracht. Wie es aber Gott so oft macht, so machte er es auch hier. Was man nicht mit Sünde erkaufen will, das gibt er umsonst, ja er gibt noch mehr. Der Erbprinz des Herzogs Georg starb vor dem Vater, und das ganze Land fiel Heinrich als rechtmäßiges Erbe zu. Kämpfe du auch den guten Kampf des Glaubens. Der Herr ist auch dein Helfer, er hat auch für dich seine Krone.

3. Der Sieg.

Der Sieg. Der Kampf war vollendet. Der Herr hatte ausgehalten. Der Feind hatte alle seine Pfeile gegen ihn verschossen. Wohl hatte er die Lockungen des Versuchers gehört; aber für ihn waren es keine Lockungen. Keine Welle des Gefühls hatte dem Feinde entgegengeschlagen, kein Gedanke war ihm entgegengegangen. Wie ein matter Pfeil abfällt von einer glatten Mauer, so fielen die Höllengeschosse ab von dem Sohne Gottes. „Hebe dich weg von mir, Satan!“ war sein Abschied an ihn. Da verließ ihn der Teufel. Er muss gehorchen. Warum? Weil er ein festes Herz sieht, weil er den vollen Ernst in Gott sieht. Wo das Herz fest ist, da muss er weichen. - Auch an dich ist er schon gekommen in allerlei Gestalt, in Freundesgestalt, in Feindesgestalt, versteckt in Not, Ehre, Geld und Habe. Du hast auch gesagt: „ Hebe dich weg von mir Satan!“ Aber in dir war ein anderer Teil, der sprach leise: „Bleibe hier, gehe nicht gleich, wir werden doch wohl noch einig.“ Da hat er gar scharfe Ohren, auch versteht er sich aus die Gesichtszüge der Leute vortrefflich. Er weiß sehr gut, ob hinter deinen Worten ein halbes oder ein ganzes Herz steckt. Und nur wenn ein ganzes dahinter steckt, weicht er. Darum schreie besonders in den Versuchungsstunden deinen Gott an: „Schaff in mir Gott ein reines Herz und gib mir einen neuen, gewissen Geist.“ Ein Anderer kann ihn nicht geben. Nur „der Name des Herrn ist ein festes Schloss; der Gerechte läuft dahin und wird beschirmet.“ - Der Satan war von Christo gewichen. Da traten die Engel zu ihm und dienten ihm. Die Engel hat gelüstet zu schauen das Geheimnis unserer Erlösung. Sie haben Freude an einem Sünder, der Buße tut. Hier sehen sie die Erlösung der Sünder ein großes Stück vorwärts schreiten. Da dienen sie dem Herrn in Ehrfurcht gegen den Sieger über die höllischen Pforten. Sie dienen ihm in eigener Mitfreude über unsere Errettung. - Wenn von deinem Glauben die giftigen Pfeile des Bösewichts abgeprallt sind, treten die Engel Gottes auch zu dir und dienen dir. O dann wird dir so wohl. Es ruhet aus dem Herzen ein Friede, der lieblicher ist, denn alle Lust der Welt. Die Seele hat einen Frühlingsmorgen des neuen Lebens. Das ist Einspruch und Einzug der Engel in dein Haus und in deinen Dienst. Sie dienen dann weiter. Jede künftige Anfechtung wird dir leichter. Ein Heer, das gesiegt hat. geht im Siegerschritt zum zweiten Kampfe. Sie helfen dir um so eifriger, je mehr du dem Herrn gehörest. Sie bewachen dich um so eifriger, je mehr du selbst wachest und betest, dass du nicht in Anfechtung fallest. Sie sind bestellet, dass sie dem Herrn seine Kronjuwelen bewahren sollen. Und die Kronjuwelen Jesu Christi sind gerettete Sünder. - Sieh dich aber auch hier vor, dass du den Teufel nicht für einen Engel ansehest. Wenn du fertig bist mit einer Anfechtung, dann erhebet sich in deinem Herzen flugs ein Leben und Jubilieren: „Sieh einmal, du bist doch ein ganzer Mann, du bist doch ein Hauptkämpfer.“ Wie heller Sonnenschein liegt es dir in der Brust. Leib und Seele werden lebendig dabei vor großer Freude. Wisse, da ist es nicht richtig. Das ist kein Engel Gottes. Der Feind selbst ist es. Er macht noch einen versteckten Versuch, der ihm meist nur zu gut gelingt. Du bist im Stande, bei dir zu sagen: „Nun, ich bin Herr meiner Lust, das sehe ich, ich kann es tun. ich kann es lassen. Also kann ich mich ihr auch ruhig einmal hingeben.“ Wenn es dahin mit dir gekommen ist, hat der Engel das weiße Kleid abgelegt. Er zeigt sich in wahrer Gestalt. Er selbst der Satan hat sich in einen Engel des Lichts verstellet. So die Engel des Herrn wahrhaftig bei dir stehen, muss in dem Siege nach der Versuchung dein Herz voll sein von Loben und Danken gegen deinen Gott und Heiland, dass er deine Seele nicht hat verloren gehen lassen. Es muss voll sein von heiligem Zittern über die Gefahr, in der du warst. Nur mit Zittern kannst du frohlocken und mit brünstigem Gebet, dass der Herr bei dir bleiben und dich vor neuer Versuchung behüten möge. Wo es so klingt im Herzen, da sind es die Engel Gottes, die das Freudenlicht anzünden, die dem Erretteten dienen. Amen.

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