Gerok, Karl von - Andachten zum Psalter - Psalm 20.
(1) Ein Psalm Davids, vorzusingen. (2) Der Herr erhöre dich in der Not; der Name des Gottes Jakobs schütze dich. (3) Er sende dir Hilfe vom Heiligtum, und stärke dich aus Zion. (4) Er gedenke alles deines Speisopfers, und dein Brandopfer müsse fett sein, Sela. (5) Er gebe dir, was dein Herz begehrt, und erfülle alle deine Anschläge. (6) Wir rühmen, dass du uns hilfst, und im Namen unsers Gottes werfen wir Panier auf. Der Herr gewähre dich aller deiner Bitte. (7) Nun merke ich, dass der Herr seinem Gesalbten hilft, und erhört ihn in seinem heiligen Himmel; seine rechte Hand hilft gewaltig. (8) Jene verlassen sich auf Wagen und Rosse; wir aber denken an den Namen des Herrn, unsers Gottes. (9) Sie sind niedergestürzt und gefallen; wir aber stehen aufgerichtet. (10) Hilf, Herr! der König erhöre uns, wenn wir rufen.
In unserem Gesangbuch steht ein kurzes kräftiges Schlachtlied: Verzage nicht, o Häuflein klein. Das hat im 30 jährigen Krieg der edle König Gustav Adolf nach seinen eigenen angegebenen Worten von seinem Hofprediger Fabricius verfassen lassen; es war das Schlachtlied, das der fromme Held vor jeder Schlacht mit seinem Kriegsheer anstimmte auf offenem Feld; es war auch sein Schlachtlied in seinem letzten Kampf, sein Schwanengesang vor der blutigen Schlacht bei Lützen, wo er den Heldentod starb. Am 6. November 1632, frühmorgens, als noch der Nebel auf dem Gefilde lag und die beiden Heere in Schlachtordnung einander gegenüberstanden, ließ Gustav Adolf für sein ganzes Heer eine Betstunde halten und von allen Regimentern das Lied anstimmen: Verzage nicht, o Häuflein klein. Er selber lag dabei auf den Knien und betete brünstig. Dann stieg er auf sein Ross, zog sein Schwert, rief, während die Sonne durch die Wolken brach: Nun wollen wir dran, das walte der liebe Gott. Jesu, Jesu, hilf mir heut streiten zu deines heiligen Namens Ehre. Dann sprengte er voran, dem Feind entgegen, bloß mit einem ledernen Koller bekleidet; Gott ist mein Harnisch, hatte er zu dem Diener gesagt, der ihm die Rüstung anlegen wollte. Die Schlacht war heiß und blutig. Gegen 11 Uhr mittags traf ihn die tödliche Kugel und er sank sterbend vom Ross, mit den Worten: Mein Gott, mein Gott! Aber der Sieg war errungen und während der verklärte Held droben die Sieges- und Ehrenkrone aufs Haupt empfing, schlug sein Häuflein hienieden in rasendem Schmerz über des Königs Tod das Heer der Feinde aus dem Feld.
Dieser Geschichte, Geliebte, dürfen wir wohl gedenken bei unserm 20. Psalm. Denn dieser ist auch das Schlachtlied eines frommen Königs, mit seinem Kriegsheer gesungen vor dem Ausmarsch ins Feld. Auch David, der fromme Held, zog nicht in den Streit, ohne den Gott der Schlachten und den Herrn der Heerscharen an heiliger Stätte um seinen Segen anzuflehen. Wie er es in seinem ersten Kampf als Hirtenknabe gehalten, da er allein mit seiner Schleudertasche auszog gegen den Riesen, so hielt er es auch als König, wenn er mit tausenden und zehntausenden auszog zur Schlacht: Erst gebetet, dann losgeschlagen in Gottes Namen. Also Davids Schlachtlied.
Wir haben es uns als einen Wechselgesang zu denken, zwischen dem Levitenchor und dem König gesungen. Es beginnt mit dem
1) Chor der Leviten, B. 2-6.
V. 2: „Der Herr erhöre dich in der Not, der Name des Gottes Jakobs schütze dich!“ So beten die Leviten oder so betet eigentlich das ganze Volk (und in seinem Namen die Leviten) für den König. Ist das nicht schön, ein Volk, das für seinen König betet in herzlicher Liebe? Ist das nicht schön, wenn ein frommer Fürst sehen darf in Leid und Freud, an seinem Geburtstag oder auf seinem Krankenlager, an seinem Jubelfest oder am Tage der Gefahr, wie in seinem Volk tausend Hände sich für ihn falten, tausend Herzen für ihn schlagen, tausend Zungen für ihn beten zum Herrn aller Herren und König aller Könige.
Ach, dass es überall so wäre in Christenlanden! Dass die Fürsten es überall bedächten, ihre schönste Leibwache sei die Liebe ihres Volkes und ihre stärkste Stütze seien nicht Bajonette und Kanonen, sondern die betenden Hände frommer Untertanen, für sie aufgehoben gen Himmel. Und dass die Völker es überall bedächten, was Paulus gebietet I. Tim. 2 So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen zuerst tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, für die. Könige und für alle Obrigkeit, auf dass wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit. Wie oft hat man das Gebet vergessen und mit Füßen getreten seit Jahr und Tag! Wie viele im Volk haben statt Gebete nichts als Flüche auf den Lippen gehabt für König und Obrigkeit! Darum ists auch mit dem ruhigen und stillen Leben aus gewesen, darum ist die Ruhe aus den Ländern geflohen und das Heil von den Völkern gewichen. Nein, Geliebte, wir wollen König und Obrigkeit betend auf dem Herzen tragen und wollens nie vergessen, wenn am Sonntag oder in der Betstunde gebetet wird für König und Obrigkeit, von Herzen miteinzustimmen: Der Herr erhöre dich in der Not, der Name des Gottes Jakob schütze dich.
Den Gott Jakobs ruft das Volk an für seinen König, den Gott, der seit uralten Tagen schon so viel Treue und Barmherzigkeit getan an seinem Volk, den Gott, der mit Jakob schon war auf so manchem schweren Gang, der mit Mose war und Josua, mit Gideon und Samuel, den alten Schuhgott Israels. So, Geliebte, dürfen wir auch Gott anrufen als den alten Schutz- und Bundesgott unseres deutschen, unseres württembergischen Volks. Wie hat er seit Jahrhunderten so viel Barmherzigkeit und Treue getan auch an unserem Volk und Land, und was können wir unserem König besseres wünschen, als: der Gott deiner Väter schütze dich, der Gott des frommen und weisen Eberhard, der Gott des vielgeprüften Ulrich, der Gott des unvergesslichen Christoph, der segne auch deine Ratschläge, der segne auch dein Regiment. V. 3: „Er sende dir Hilfe vom Heiligtum und stärke dich aus Zion.“ Von oben herab, aus dem himmlischen Heiligtum muss Hilfe, Kraft und Segen kommen auch für die Gewaltigen der Erde. Dort ist der große Alliierte oder Verbündete, von dem wir neulich einmal in der Betstunde den frommen General Ziethen zu seinem König Friedrich sprechen hörten; es ist der Herr Zebaoth, der Herr der Heerscharen, der Mächtige und Alleingewaltige. Ohne ihn vermag der Stärkste nichts, mit ihm vermag auch der Schwächste viel. Das bezeugt uns die Geschichte von Fürsten und Völkern und ihren Kriegen und Siegen mit tausend Beispielen im Großen und Kleinen. Wohl dem Fürsten, wohl dem Volk, das seiner Gnade sich getrösten darf. Ein Fürst wie David durfte das.
V. 4: „Er gedenke alles deines Speisopfers und dein Brandopfer müsse fett sein, Sela.“ Wie du deinem Gott gedient und dich zu ihm bekannt hast als ein frommer Fürst, so wolle er auch zu dir sich nun bekennen, und für die Opfer, die von dir emporgestiegen sind zu ihm, nun seinen Segen herabfließen lassen auf dich. Davids beste Opfer, das waren freilich nicht die Ochsen und die Lämmer, die er auf dem Altare darbrachte, sondern das waren seine Gebete und seine Werke in Gott getan, das war sein Glaube, sein Gehorsam, seine Buße, seine Demut. Um solcher Opfer willen, hoffte das Volk, werde der Herr ihm gnädig sein auch am Tage der Not. Wohl dem Fürsten, der wie David, so seinem Herrn dient mit Opfern frommen Gehorsams; für den werden auch am bösen Tag, wie für David, heiße Gebete aufsteigen gen Himmel, der darf auch auf gefahrvollem Gang wie David sich des Schirmes von oben getrösten.
V. 5: „Er gebe dir, was dein Herz begehrt und erfülle alle deine Anschläge,“ singt das Volk seinem König zu.
So kann man freilich nur beten für einen frommen König, für eine gerechte Sache. Wäre David in den Krieg gezogen um eine ungerechte Sache, hätte er in ein fremdes Land räuberisch einfallen, mit dem Blut von Tausenden sich eitlen Ruhm erringen und hochmütige Eroberungspläne ausführen wollen, dann hätte kein Priester für ihn die Hände erheben, dann hätte sein Volk nicht freudig für ihn beten können: Der Herr gebe dir, was dein Herz begehrt und erfülle alle deine Anschläge. Solche Kriege sind ein Gräuel vor Gott, solche Anschläge können keinen Segen hoffen von dem Gott der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens. Und wenn sie auch eine Zeitlang erfüllt werden, am Ende trifft doch noch der Fluch das stolze Haupt, das lehrt die Geschichte an tausend Beispielen von Nebukadnezar bis auf Napoleon. Aber wo ein Fürst in den Streit zieht um einer gerechten Sache willen, wie David, da er sein Land verteidigte gegen die räuberischen Einfälle der Philister, oder wie Judas Makkabäus, da er für Gottes Altar stritt, oder wie Herzog Ulrich, da er das Erbe seiner Väter fremden Händen wieder entriss, oder wie Gustav Adolf, da er auszog für seine bedrängten Glaubensbrüder in Deutschland, für die Sache des Evangeliums und der Glaubensfreiheit, oder wie die deutschen Heere auszogen mit ihren Fürsten, auch unser württembergisches Heer auszog mit seinem Fürstensohn, um das Joch fremder Knechtschaft endlich zu zerbrechen, wo das Schwert gezogen wird für eine gute und gerechte Sache, da darf man beten, wie Davids Volk betet: Er gebe dir, was dein Herz begehrt und erfülle alle deine Anschläge, da darf man hoffen wie Davids Volk hofft
V. 6: „Wir rühmen, dass du uns hilfst und im Namen unseres Gottes werfen wir Panier auf, der Herr gewähre dich aller deiner Bitte.“ Zum Voraus schon des Sieges gewiss, rühmt das Volk die Hilfe des Herrn. Die Fahnen und Paniere, welche ins Heiligtum gebracht waren, um dort geweiht und gesegnet zu werden und vor dem Herrn Zebaoth demütig sich gesenkt hatten, wurden nun freudig erhoben und flatterten im Winde, als könnten sie es nicht erwarten zum Kampf und Sieg dem Heer voranzuziehen. Und nun bricht der König selber aus in Worte frommen Vertrauens und freudigen Mutes. Wir hören die
2) Stimme des Königs. V. 7-9.
V. 7: „Nun merke ich, dass der König seinem Gesalbten hilft und erhört ihn in seinem heiligen Himmel; seine rechte Hand hilft gewaltig.“ Im Hinblick auf sein Volk, das ihn mit seinen Segenswünschen begleitete, im Aufblick zu Gott, der ihn auf den Thron gesetzt als seinen Gesalbten, die Liebe der Seinen um sich, die Treue Gottes über sich, zieht David freudig in den Streit, des Siegs und Heils zum Voraus gewiss. Wo wir auch kämpfen und streiten, in welchem Gedränge wir auch stehen, seis ein Schlachtgedräng und Kugelregen, oder seis sonst ein Gedränge von Anfechtungen und Widerwärtigkeiten, wenn wir nur das haben, was David hier hat, die Liebe der Unsern um uns und den Schutz des Herrn über uns, dann sind wir wohlgepanzert und gutbewehrt, ob wir auch gegen einen übermächtigen Feind stehen, wie einer gegen zehn. Auch David stand gegen einen übermächtigen Feind.
V. 8: „Jene verlassen sich auf Wagen und Rosse, wir aber denken an den Namen des Herrn unseres Gottes.“ Streitwagen, die mit scharfen Sicheln auf beiden Seiten in die Reihen der Feinde hineinfuhren und alles niedermähten, was ihnen in den Weg kam, während oben vom Wagenlenker Speere und Pfeile herabgeschleudert wurden, gehörten zu den gefürchtetsten Waffen in den Kriegen der alten Völker. Solche Wagen mit Rossen hatten die Feinde Davids, Philister oder Syrer, eine große Zahl und trotzten darauf. Israel aber hatte solche Dinge nicht, teils weil auf dem gebirgigen Boden von Palästina Wagen und Rosse nicht gut zu brauchen waren, teils weil es dem Volk des Herrn schon durch Mose verboten war, solche heidnische Waffen zu brauchen. Aber mehr als Rosse und Streitwagen war mit ihnen: der Name des Herrn, des Allmächtigen und Alleingewaltigen; wo der vor ihnen herzog und durch ihre Reihen klang als Losungswort und Feldgeschrei, da wirkte er mehr als Wagen und Rosse, da machte er das Herz so mutig und die Hand so stark, dass einer das Feld behalten konnte auch gegen drei. Das war Mosis Macht, als er Gott anrief auf dem Berge, während sein Volk gegen die Amalekiter stritt; das war Gideons Feldgeschrei gegen die Midianiter: Hie Schwert des Herrn und Gideon; das war Davids Losungswort, als er auszog gegen die Philister; das war Luthers Streitruf, als er sang: Mit unsrer Kraft ist nichts getan, es streit' für uns der rechte Mann; das war Gustav Adolfs Schlachtgesang: Verzage nicht, o Häuflein klein; das hilft auch heute noch den Streitern Gottes in jedem Gedränge von außen und innen: Wir aber denken an den Namen des Herrn, unseres Gottes. Denkt an ihn, rufet ihn an, was gilts ihr werdet nicht zu Schanden!
V. 9: „Sie sind niedergestürzt und gefallen, wir aber stehen aufgerichtet.“ So ruft David in freudiger Siegesgewissheit, als wäre es schon gewonnen; auch wir, wenn wir auf Gott vertrauen, werden alles wohl ausrichten und das Feld behalten. Das Reich muss uns doch bleiben. Und nun zum Schluss
3) Noch ein kräftiger, mutiger Hilferuf der Leviten und des ganzen Volks.
V. 10: „Hilf, Herr, dem König, erhöre uns wenn wir rufen.“ Auch wir, nicht wahr, stimmen ein in diesen Hilferuf? Ja, hilf, Herr, auch unserem König und segne sein Regiment und schütze Volk und Land. Die Zeit ist bös, und wenn auch keine Kriegstrompete das Land durchschmettert, keine feindlichen Rosse die Felder zerstampfen, der Feinde unserer Wohlfahrt sind viel. Der Himmel mit seinen Wolken, die Erde mit ihren Gewässern, die Menschen mit ihrer Torheit und Sünde, die Hölle mit ihren Mächten, alles scheint verschworen gegen das Heil unseres Volkes. Nur eines kann uns helfen: dein heiliger Name. Darum hilf, o Herr, dass dein heiliger Name geheiligt werde, gefürchtet und gepriesen von König und Volk, von Groß und Klein; dann werden auch wir aufrecht stehen in allen Stürmen und den Sieg gewinnen und das Feld behalten.
Nun, Herr, du wirst erfüllen,
Was wir nach deinem Willen
In Demut jetzt begehrt;
Wir sprechen gläubig Amen
In unseres Jesu Namen,
So ist gewiss der Wunsch gewährt!
Amen.