Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Von der Hut der heiligen Engel.

Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Von der Hut der heiligen Engel.

Den Heiligen steht der heilige Engel zur Seite.

Bedenke, andächtige Seele, wie groß die göttliche Gnade ist, dass die Hut der Engel dir bestimmt ist! Der himmlische Vater sendet seinen Sohn, uns zu erlösen; der Sohn Gottes kommt in's Fleisch, uns selig zu machen; der Geist wird gesandt, uns zu heiligen; die Engel werden gesandt, uns zu behüten; so stellt sich also das ganze himmlische Reich gleichsam in unsern Dienst, und leitet seine Segnungen auf uns über. Ich wundere mich nicht mehr, dass alle niedereren Geschöpfe um des Menschen willen geschaffen sind, da selbst die Engel, welche an Wurde viel höhere Wesen sind, ihre Dienste uns nicht versagen. Was Wunder, dass der Himmel uns das Licht gibt am Tag, damit wir arbeiten, das Dunkel in der Nacht, damit wir ruhen, da selbst die Bewohner des himmlischen Reichs uns dienen? Was Wunder, dass die Lust uns zuführt, was wir zum Leben einatmen, und alle Gattung der Vögel uns zum Dienst stellt, da die himmlischen Geister über die Bewahrung unsers Lebens wachen? Was Wunder, dass das Wasser den Trank gibt, den Schmutz reinigt, das Dürre vor dem Verschmachten sichert und mancherlei Arten Fische darreicht, da uns, wenn wir von der Hitze der Trübsale und Anfechtungen ermüdet sind, selbst die Engel zur Seite sind, um uns zu erquicken? Was Wunder, dass die Erde uns trägt, mit Brot und Wein nährt, mit allen Arten von Früchten und Tieren unsere Tische besetzt, da die Engel den Austrag haben, auf allen Wegen uns zu behüten, und auf den Händen zu tragen, damit nicht etwa unser Fuß an einen Stein stoße? Ps. 91,11.12. Ebr. 1,14.

Die heiligen Engel waren besorgt um Christus, weil der Engel seine Empfängnis ankündigt Luk. 1,31, der Engel seine Geburt kund macht Luk. 2,9.10.11, der Engel seine Flucht nach Ägypten anordnet Matth. 2,13. Die Engel dienen ihm in der Wüste Matth. 4,11, die Engel sind um ihn während dem ganzen Geschäft seiner Predigt, der Engel ist bei ihm im Kampf mit dem Tod Luk. 22,43, der Engel erscheint bei seiner Auferstehung Matth. 28,2.5, die Engel sind da bei seiner Auffahrt gen Himmel Ap. Gesch. 1,10; die Engel werden da sein bei seiner dereinstigen Wiederkunst zum Gericht. Matth. 25,31. Wie daher die Engel Christo gedient haben in den Tagen seines Fleisches, so sind sie auch um alle die besorgt, welche durch den Glauben Christo einverleibt sind: wie sie dem Haupt gedient haben, gleicherweise dienen sie auch den Gliedern; sie freuen sich, denen auf Erden zu dienen, welche sie einst im Himmel zu Genossen haben werden; sie verschmähen es nicht, denen zu dienen, auf deren lieblichste Genossenschaft sie dereinst hoffen.

Dem Jakob begegnen auf dem Weg in sein Vaterland die Engel Gottes 1 Mos. 32,1: so werden den Frommen in diesem Leben, welches der Weg zum himmlischen Vaterland ist, die Engel zu Hütern beigegeben.

Den Daniel behüten die Engel mitten unter den Löwen Dan. 6,22: so stellen sie alle Frommen sicher vor den Nachstellungen des höllischen Löwen.

Den Lot entreißen die Engel dem Untergange Sodoms durch's Feuer 1 Mos. 19,15: so reißen sie uns durch heilige Eingebungen und Beschirmungen gegen die teuflischen Versuchungen oft aus den Flammen der Hölle.

Die Seele des Lazarus tragen die Engel in Abrahams Schoß Luk. 16,22: so bringen sie die Seelen aller Auserwählten in den Palast des himmlischen Reichs.

Den Petrus führt der Engel aus dem Gefängnis Ap. Gesch. 12,7: so errettet er die Frommen oft aus den augenscheinlichsten Gefahren.

Die Macht unseres Widersachers, des Teufels, ist zwar groß, aber es ermutige uns die Hut der Engel: und zweifle du nicht, dass diese in allen Gefahren als Helfer um dich sind, weil die Schrift sie uns unter der Gestalt der Cherubim und Seraphim als geflügelt abmalt, damit du fest annimmst, dass sie mit unglaublicher Schnelligkeit zur Hilfeleistung zur Stelle sein werden. Zweifle nicht, dass an allen Orten diese als Beschützer dir nahe sind, weil sie die feinsten Geister sind, denen kein Leib Widerstand tut; alles Sichtbare weicht ihnen, eben so sind auch alle Körper, wie fest oder dick sie sein mögen, für sie durchdringbar und durchgangbar. Zweifle nicht, dass diese Geister deine Gefahren und Nöte kennen, denn sie sehen allezeit das Angesicht des himmlischen Vaters 2 Mos. 25,18. Jes. 6,2, und stehen zu allen Diensten auf das Pünktlichste ihm bereit.

Bedenke auch, andächtige Seele, dass dies Heilige Engel sind; darum befleißige sich der Heiligkeit, wenn du sie zu Genossen haben willst. Die Ähnlichkeit der Sitten erwirbt am ersten die Freundschaft. Gewöhne dich an heilige Handlungen, wenn du der Engel Hut begehrst. An jedem Ort und Ende beweise deinem Engel die schuldige Ehrfurcht, und unterlass in seiner Gegenwart, was du vor einem Menschen zu tun errötest. Keusch sind diese Geister, daher werden sie durch unzüchtige Handlungen vertrieben. Die Bienen vertreibt der Rauch, die Tauben der Gestank; so verscheucht die Engel, die Hüter des Lebens, die abscheuliche und stinkende Sünde. Hast du durch die Sünde diesen Schutz verscherzt, wie willst du gesichert sein vor den Nachstellungen der bösen Geister? Hast du die Hut der Engel nicht mehr, wie willst du gesichert sein vor dem Schaden der mancherlei Gefahren? Wenn deine Seele die Engel nicht zur schützenden Mauer hat, so wird der böse Geist durch den Trug seines gottlosen Rates sie leicht überwältigen. Zum Dienst werden die heiligen Engel von Gott ausgesandt Ebr. 1,14; von Gott musst du dich daher erst wieder gewinnen lassen durch den Glauben, wenn du den Engel zum Hüter haben willst. Wo die Gnade Gottes nicht ist, da ist auch die Hut der Engel nicht. Lasst uns die Engel betrachten gleichwie die gnadenreichen Hände Gottes, die an kein Werk gehen, ohne dass Gott sie dazu ausstreckt. Es wird Freude sein im Himmel vor den Engeln über einen Sünder, der Buße tut Luk. 15,10. Die Tränen der Sünder, die Buße tun, sind gleich als der Wein der Engel; das unbußfertige Gemüt aber verscheucht den behütenden Engel. Darum lasst uns Buße tun, auf dass wir den Engeln Freude bereiten. Von himmlischer und geistlicher Natur sind die Engel; darum lasst uns auf das Himmlische und Geistliche denken, dass sie Lust haben bei uns zu sein. Demütig sind die Engel, und Hochmut ist ihnen gründlich zuwider, die sich nicht schämen auch den Kleinen zu dienen Matth. 18,10. Was erhebt sich die arme Erde und Asche Sir. 10,9, da der himmlische Geist sich so herablässt?

Im Tod ist am meisten die List des bösen Geistes zu fürchten, denn es steht geschrieben, dass die Schlange in die Ferse sticht 1 Mos. 3,15; die Ferse ist der äußerste Teil des Leibes, der äußerste Teil deines Lebens ist der Tod. In jenem letzten Kampf mit dem Tod ist vor allem nötig die Hut der Engel, damit sie uns von den feurigen Pfeilen des Teufels befreien, und die Seele, die ihre Behausung im Leib verlassen hat, zum himmlischen Paradies bringen. Da Zacharias im Tempel seines Heiligen Dienstes wartete, kam der Engel des Herrn zu ihm Luk. 1,11: so auch wirst du, wenn du an der Übung im Wort und Gebet deine Freude Hast, des Schutzes der Engel dich freuen können.

O freundlichster Gott, der du durch deine heiligen Engel durch die Wüste dieses Lebens uns führst, gib, dass wir durch eben dieselben zum himmlischen Reich geführt werden!

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