Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Trost bei dem Tod von Freunden.

Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Trost bei dem Tod von Freunden.

Das Leben ist unser Gewinn vom Tod.

Denke, andächtige Seele, an Christum, deinen Heiland, und du wirst den Schrecken des Todes nicht fürchten. Wenn dich die Gewaltsamkeit des Todes traurig macht, so richte dich die Macht Christi wieder auf. Die Israeliten konnten das Wasser zu Mara wegen seiner Bitterkeit nicht trinken 2 Mos. 15,23,25, aber der Herr wies dem Mose einen Baum, den tat er ins Wasser, da ward es süß. Wenn du dich entsetzt wegen der Bitterkeit des Todes, so weist Gott dir einen Baum, der ihn in Süßigkeit verwandelt, nämlich die Rute, die aufgegangen ist von dem Stamme Isai Jes. 11,1. Diese Rute ist Christus; so jemand sein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich Joh. 8,51. Das Leben ist voll Beschwerde, gesegnet ist darum ein Erleichterungsmittel derselben. Das Elend des christlichen Menschen stirbt, nicht der christliche Mensch. Was wir für den Tod halten, ist gleichwie eine Reise, nicht ein Ausgang, sondern ein Übergang. Wir verlieren die Unserigen nicht, sondern wir senden sie voraus; die Unserigen sterben nicht, sondern beginnen zu leben; sie gehen voran, sie entfernen sich nicht, sie gehen nicht davon; nicht ein Untergang ist es, sondern vielmehr ein Weggang. Der Weg der Frommen ist eine Wiederholung des Lebens: die Leichname der Frommen sind in einem gewissen Sinn Kapital. Die Unserigen sterben; das wolle so deuten: sie hören auf zu sündigen, sie hören auf beunruhigt zu werden, sie hören auf elend zu sein. Sie sterben im Glauben; das wolle so deuten: sie verlassen den Schein des Lebens, um zum wahren Leben, die Finsternis, um zum Licht, die Menschen, um zu Gott überzugehen.

Das Leben ist eine Schifffahrt, der Tod ist der sicherste Hafen. Darum gibt's nichts zu trauern, dass die Unserigen gestorben sind, sondern vielmehr ist ihnen Glück zu wünschen, dass sie aus dem stürmischen Meer in den Hafen gelangt sind. Dieses Leben ist ein Gefängnis der Seele, der Tod aber die Befreiung daraus; darum ruft Simeon aus, der nach dem Tod sich sehnt: Herr, nun lässt du deinen Knecht in Frieden fahren! Luk. 2,29. Er sehnt sich, entlassen zu werden, gleich als wäre er in ein leibliches Gefängnis eingeschlossen. Darum müssen wir den Unserigen Glück wünschen, dass sie aus diesem Gefängnis befreit zur wahren Freiheit gelangt sind. Ebenso wünscht der Apostel abzuscheiden Phil. 1,23. 2 Kor. 5,8, gleich als wäre er in einer elenden Knechtschaft an den irdischen Leib gebunden. Wollen wir uns daher betrüben, dass die Unserigen dieser Fesseln entledigt nunmehr wahrhaft frei sind? Wollen wir um ihretwillen schwarze Kleider anlegen, da sie die weißen Kleider angelegt bekommen haben? Denn es steht geschrieben: dass den Auserwählten weiße Kleider gegeben sind um ihrer Unschuld willen, und dass sie Palmen haben in den Händen um ihres Sieges willen Off. 7,9. Wollen wir mit Tränen und Seufzen um ihretwillen uns quälen, da Gott von ihren Augen alle Tränen abgewischt hat? Jes. 25,8. Off. 7,17. Wollen wir um ihretwillen klagen und in unserer Trauer uns selber Schmerzen bereiten, da jene an dem Ort sich befinden, wo weder Leib, noch Geschrei, noch Schmerzen mehr ist Off. 21,4, und sie von ihrer Arbeit ruhen? Off. 14,13. Wollen wir um ihres Sterbens willen mit unmäßiger Trauer uns aufreiben, da sie selbst in Gemeinschaft der Engel der wahren und dauernden Freude genießen? Wollen wir ein kläglich Geschrei um ihretwillen erheben, da sie selbst vor dem Lamm ein neues Lied singen, und Harfen und güldene Schalen haben? Off. 5,8.9. Wollen wir uns betrüben, dass sie von hinnen geschieden sind, da sie selbst sich Glück wünschen, dass sie geschieden sind?

Wie gut es ist aus dieser Welt zu gehen, das hat Christus gezeigt, der seinen Jüngern, da sie traurig geworden waren, weil er von seinem Weggang geredet hatte, antwortete: Hättet ihr mich lieb, so würdet ihr euch freuen Joh. 14,28. Wenn du zu Schiff wärest und dir ein unruhvolles und ungestümes Unwetter, während die Wasserwogen von der Gewalt des Windes erregt sind, den bevorstehenden Schiffbruch verkündigte, würdest du nicht schleunig dem Hafen zusteuern? Siehe, die Erde wankt und fällt dahin, und von ihrem Untergang zeugt sie nicht bloß durch das Alter, sondern auch durch das Ende der Dinge; und du dankst Gott nicht, wünschst den Deinigen nicht Glück, dass sie durch einen zeitigeren Tod hingerückt, den drohenden Unglücksfällen, Erschütterungen und Nöten entnommen werden? In wessen Händen ruht das Heil der Deinen sicherer, als in Christi Händen? An welchem Ort wird die Seele der Deinen sicherer wohnen als in dem Reich des Paradieses? Höre, was der Apostel vom Tod sagt: Sterben ist mein Gewinn Phil. 1,21. Gewinn ist es, der Mehrung der Sünde entgangen, Gewinn, dem Schlechteren entflohen, Gewinn, zu dem Besseren übergegangen zu sein. Wenn die, welche du durch den Tod verloren hast, dir sehr wert gewesen sind, so sei dir Gott noch werter, der sie hat wollen zu sich ziehen.

Hadere nicht mit dem Herrn, der nur genommen, was er gegeben: das Seine hat er zurückgenommen, das Deine hat er nicht genommen Hiob 1,21. Sei nicht unwillig, dass der Herr wieder fordert, was er nur geliehen hatte. Der Herr allein kennt die zukünftigen Übel voraus; für die Deinen hat er Fürsorge getragen, dass sie nicht in die bevorstehenden Unglücksfalle verwickelt wurden. Die in dem Herrn gestorben sind, ruhen sanft in ihren Gräbern Off. 14,13. Jes. 57,2, während die Überlebenden schmerzlich sich betrüben selbst in den Palästen ihres Reiches.

Wenn du Werte verloren hast, glaube fest, du wirst sie einst werter wieder haben. Ein kurzer Zeitraum trennt dich von ihnen, die selige und friedevolle Ewigkeit wird dich ihnen wieder vereinen. Unsere Hoffnung steht auf der über allen Zweifel erhabenen Verheißung, dass wir aus diesem Leben, aus welchem wir nahe dem Abschied etliche der Unserigen, indem sie scheiden, vorausschicken, zu dem Leben gelangen werden, wo sie uns, je bekannter um so teurer und ohne irgend welche Uneinigkeit fürchten zu müssen, liebenswürdig sein werden. Wie viel der Seelen sein werden, und wie viel ihrer vor uns gewesen, sie alle werden von großen Schauplätzen in fröhlichem Raume umfasst werden. Da wird es gestattet sein, die Gesichtszüge unseres Stammes zu erkennen und im wechselnden Ton uns mit einander zu unterhalten. Da wird mit dem Bruder die Schwester, da werden mit den Eltern die Kinder gehen, und ein Abend wird so wenig als irgend ein Tag der festlichen Feier ein Ende machen.

Darum siehe nicht bloß die Zeit des Verlassenseins an, weil nämlich die Deinen im Tod dich verlassen, sondern siehe auch an die Zeit der Wiedererstattung Ap. Gesch. 3,20, weil nämlich die Deinen dir werden wieder gegeben werden in der Auferstehung. Wo fester Glaube an die Auferstehung ist, da ist auch kein Tod, sondern vielmehr Ruhe. Das ganze Weltall ist ein Spiegel der Auferstehung. Das Licht, das täglich untergeht, leuchtet auch täglich von Neuem. Die Kräuter, die im Winter ersterben, leben in Wahrheit wieder auf. Der Phönix birgt in seinem Tod den Keim zu neuem Leben. Wo die Zeiten sich enden, da beginnen sie. Die Früchte werden verzehrt und kommen wieder zum Vorschein. Die Samenkörner gehen zu reicherer Frucht auf, nur wenn sie zersprengt und aufgelöst werden. Wenn es untergeht, wird alles erhalten, aus dem Tode wird alles in neue Gestalt gebracht. Ist's daher wohl anzunehmen, dass Gott solche Vorbilder umsonst im Reich der Natur uns vor Augen gestellt hat? Wird die Natur mächtiger sein als Gott, der die Auferstehung unserer Leiber verheißt? Der die erstorbenen und verwesten Samenkörner, von denen du in dieser Welt lebst, lebendig macht 1 Kor. 15,37, wird vielmehr dich und die Deinen auferwecken, auf dass du mit ihnen ewig lebst. Gott hat deine Lieben zu ihren Kammern gerufen Jes. 57,2; missgönne, Lieber, ihnen die friedevolle Ruhe nicht; bald wird die Stunde der Auferstehung da sein.

Du hofftest vielleicht, die Deinen sollten vor dem Tod brauchbare Glieder der streitenden Kirche sein: aber Gott hat es gefallen, dass sie Glieder der triumphierenden Kirche seien; Gott hat das gefallen, es gefalle auch dir. Du hofftest vielleicht, die Deinen sollten vor dem Tode sich Wissenschaft von mancherlei Sachen erwerben: aber Gott hat es gefallen, sie auf der himmlischen Hochschule die wahre Weisheit zu lehren; Gott hat das gefallen, es gefalle auch dir. Du hofftest vielleicht, die Deinen sollten vor dem Tod aus dem Kot erhöht und neben die Fürsten gesetzt werden Ps. 113,8: aber Gott hat es gefallen, sie den himmlischen Fürsten, den heiligen Engeln beizugesellen; Gott hat das gefallen, es gefalle auch dir. Du hofftest vielleicht, die Deinen sollten vor dem Tod sich großen Reichtum erwerben: aber Gott hat es gefallen, sie die Süßigkeiten des himmlischen Reiches schmecken zu lassen; Gott hat das gefallen, es gefalle auch dir.

Heiliger Gott, du hast genommen, was du gegeben hast Hiob 1,21; dein Name sei gelobt in Ewigkeit!

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/g/gerhardt_j/hb/gerhard_johann_hb_trost_bei_dem_tod_von_freunden.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain