Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Belehrung über den heiligen Geist.
Die Erwählten besiegelt Gott mit dem heiligen Anhauch.
Als der Herr gen Himmel gefahren und zu seiner Herrlichkeit eingegangen war, sandte er den Seinen am Tage der Pfingsten den heiligen Geist Ap. Gesch. 2, 1. Wie Gott unter dem alten Bund, um das Gesetz auf dem Berge Sinai zu geben, zu Mose herab kam 2 Mos. 19,3, so kam, da das Evangelium durch die Apostel in aller Welt verkündigt werden sollte, der Heilige Geist zu den Aposteln herab. Dort geschahen Donner und Blitze und erschütternder Posaunenhall 2 Mos. 19,16, weil das Gesetz gegen unsern Ungehorsam donnert und uns des göttlichen Zornes schuldig zeiht; hier aber das Brausen eines sanft rauschenden Windes, weil die Predigt des Evangeliums die erschrockenen Herzen aufrichtet: Dort Entsetzen und Schrecken des ganzen Volkes, weil das Gesetz Zorn anrichtet Röm. 4,15; hier aber kommt die ganze Menge zusammen und hört Wunderbares, weil durch das Evangelium uns der Zugang zu Gott offen steht: dort kommt Gott im Feuer herab, aber im Feuer des Zornes und Eifers, daher ward der Berg bewegt und rauchte; hier aber kommt Gott der heilige Geist herab im Feuer, aber im Feuer der Liebe und Erbarmung, daher wird das Haus nicht vom göttlichen Zorne bewegt, sondern vielmehr ganz erfüllt von der Herrlichkeit des heiligen Geistes. Was Wunder, wenn der heilige Geist vom Himmel gesandt wird um zu heiligen, da der Sohn gesandt worden ist, das menschliche Geschlecht zu erlösen? Das Leiden Christi nützte nichts, wenn es nicht durch das Evangelium der Welt verkündigt würde; denn welcher Gebrauch ist zu machen von einem verborgenen Schatz? Daher hat der grundgütige Vater eine große Wohltat durch das Leiden des Sohnes nicht bloß bereitet, sondern auch gewollt durch die Sendung des heiligen Geistes, dass sie der ganzen Welt dargeboten werde. Die treue Mutter reicht ihrem zarten Kind beide Brüste dar: Der treue Gott sendet uns Elenden eben sowohl seinen Sohn als auch den Heiligen Geist.
Der heilige Geist kam aber auf die Apostel, da sie einmütig bei einander waren im Gebet; denn er ist der Geist des Gebetes Sach. 12,10, wird durch Gebet erlangt, und treibt zum Gebet an. Weshalb? Weil er das Band ist, durch das unsere Herzen mit Gott geeinigt werden, wie er den Sohn einigt mit dem Vater, und den Vater mit dem Sohn; denn es besteht zwischen dem Vater und dem Sohn eine gegenseitige wesentliche Liebe. Diese unsere geistliche Verbindung mit Gott geschieht durch den Glauben; der Glaube aber, ein Geschenk des Geistes, wird durch Gebet erlangt, aber wahres Gebet geschieht im Geiste. Als im Tempel Salomonis dem Herrn Räucherwerk angezündet wurde, ward der Tempel von der Herrlichkeit des Herrn erfüllt 1 Kön. 8,11: so wird, wenn du die Opfer des Gebetes Gott darbringst, der Tempel deines Herzens erfüllt werden von der Herrlichkeit des heiligen Geistes. Lasst uns hier die Barmherzigkeit und Gnade Gottes bewundern: der Vater verheißt die Erhörung des Gebetes Ps. 50,15, der. Sohn vertritt uns Röm. 8,34, der heilige Geist bittet in uns Gal. 4,6, die Engel bringen unser Gebet vor den Herrn Tob. 12,12, und so ist der ganze himmlische Staat unserem Gebet offen. Der barmherzige Gott gibt uns die Stimmung zum Gebet, weil er uns den Geist der Gnaden und des Gebetes schenkt; er gibt uns auch den Segen des Gebets, weil er unser Gebet stets erhört, wenn auch nicht nach unserem Willen, so doch, wie es uns je und je zum Besten ist.
Der heilige Geist kommt, wenn alle einmütig an einem und demselben Ort bei einander sind, er ist ja der Geist der Liebe und der Eintracht; er verbindet uns mit Christo durch den Glauben, er verbindet Gott mit uns durch die Liebe, er einigt auch uns mit dem Nächsten durch die Liebe. Der Teufel, der Schöpfer der Zwietracht und des Haders, trennt uns durch die Sünden von Gott; durch Hass, Streit und Neid trennt er die Menschen von einander; aber der heilige Geist, wie er in Christo die göttliche und menschliche Natur durch seine wunderbare Überschattung verbunden hat Luk. 1,35, so verbindet er auch durch Ausgießung seiner Gaben über uns sowohl die Menschen mit Gott, als Gott mit den Menschen. So lange der heilige Geist mit seiner Gnade und mit seinen Gaben in dem Menschen bleibt, so lange bleibt auch der Mensch geeinigt mit Gott. So bald der Mensch durch die Sünden aus dem Glauben und der Liebe fällt, und den heiligen Geist von sich treibt, so bald wird er auch getrennt von Gott, und jene seligste Einigung aufgehoben. Wer den heiligen Geist hat, der hasst den Bruder nicht. Warum? Weil er durch den heiligen Geist des wunderbaren Leibes Christi, dessen Glieder alle Frommen sind, teilhaftig geworden ist; wer aber hat je sein eigen Fleisch gehasst? Eph. 5,29. Ja auch seine Feinde liebt der, welcher vom Geist des Herrn regiert wird, weil wer dem Herrn anhangt, ein Geist mit ihm wird 1 Kor. 6,17. Gott lässt ja auch seine Sonne aufgehen über die Guten und über die Bösen Mat. 5,45, und hasst nichts, was er gemacht hat Weish. 11,25. Wer den Geist Gottes hat, der ist geschickt allen zu dienen, der tut, wie seine Pflicht fordert, allen wohl, stellt sich allen zum Dienst, weil auch Gott die Quelle ist allen Erbarmens und aller Gnade gegen alle. Der heilige Geist bringt in dem Menschen aber solche Bewegungen hervor, die ihm ähnlich sind; wie die Seele den Leib belebt und mit Gefühl und Willensäußerung begabt: so macht der Geist den Menschen geistlich, erfüllt das Herz mit der Süßigkeit des göttlichen Trostes, und richtet alle Glieder zu dem Gehorsam ein, den sie Gott und dem Nächsten zu leisten haben.
Vom Himmel ist jenes Brausen gekommen, welches das Zeichen des ankommenden heiligen Geistes war, denn himmlischer Natur ist der Heilige Geist, nämlich eines Wesens mit dem Vater und dem Sohn, vom Vater und Sohn geht er von aller Ewigkeit her aus; er schafft auch, dass die Menschen auf Göttliches denken und das, was droben ist, suchen. Wer dem Irdischen anhangt und mit seiner Liebe der Welt zugetan ist, der ist noch nicht teilhaftig geworden des Himmlischen Geistes. Er kommt unter dem Zeichen des Windes, weil er den Angefochtenen lebendigen Trost darreicht; weil wir auch nach dem Fleisch durch wechselweises Aus- und Einatmen des Lufthauches leben, darum kam er unter dem Zeichen des Hauches und Windes, welcher aus Gnaden schafft, dass wir leben unserem bessern Teil nach. Der Wind bläst wo er will, und du hörst sein Sausen wohl, aber du weißt nicht, von wo er kommt und wohin er fährt. Also ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist Joh. 3,8. Dem entsprechend kommt er unter dem Zeichen des Windes, welcher vom Vater und Sohn durch ein Hauchen von Ewigkeit her ausgeht. Gewaltig war jener Wind, weil die Gnade des Heiligen Geistes nichts weiß von langsamen Wirkungen; jener heilige Geist bewegt die Frommen, in denen er wohnt, zu allem Guten Röm. 8,14, und bewegt sie so, dass sie weder um die Drohungen der Tyrannen, noch um die Nachstellungen des Teufels, noch um den Hass der Welt sich kümmern. Er verleiht den Aposteln die Gabe der Sprachen, weil ihr Schall in alle Lande ausgehen sollte Ps. 19,5, so auch ist die Verwirrung der Sprachen 1 Mos. 11,7, welche die Strafe des Stolzes und der Verwegenheit bei Erbauung des babylonischen Turms war, aufgehoben, und jene verschiedenen Völker sind so durch die Verschiedenheit der Sprachen zur Einheit des Glaubens durch die Gabe des Heiligen Geistes verbunden worden. Dem entsprechend kommt er, von welchem getrieben die heiligen Menschen Gottes geredet haben 2 Petr. 1,21, welcher in den Aposteln geredet hat, welcher die Worte Gottes in den Mund der Diener der Kirche legt, unter der Gestalt der Zungen.
Für so große Gaben ist der Heilige Geist zu loben und zu preisen mit dem Vater und dem Sohn in Ewigkeit!