Etter, Johann Jakob - Die erste Frucht des Pfingstgeistes.
Pfingstpredigt über Apost. Gesch. 2. 14-41, von Alt-Pfarrer Johann Jakob Etter in Stein.
Vollbracht war es, das Werk der ewigen Versöhnung und Erlösung der Sünderwelt, das der Gottmensch Jesus Christus auf Erden vollführen sollte; vom Kreuze herab rief er selbst es aus: „Es ist vollbracht!“ - dann neigte er das Haupt und verschied. Doch am dritten Tage erstand er von den Toten, ein vollendet sieghafter Lebensfürst. Allein nur kurze Zeit weilte er noch in diesen niedrigen Gebieten; nach vierzig Tagen fuhr er gen Himmel, und das Vollbrachte, das nun erst in die Welt eingeführt werden sollte - seine Jünger sollten's tun, sollten seine Zeugen sein von Jerusalem an bis ans Ende der Erde (Ap. Gesch. 1. 8), die schwachen, blöden Jünger! wie möglich?
Dadurch, dass, wie bisher der Vater und der Sohn im Welterlösungswerke sich offenbart hatten durch Wort und Tat, also nun auch der Heilige Geist der Verheißung in diese Offenbarung eintrat und das vollzog, was nach dem ewigen Rate des Dreieinigen ihm diesfalls zugeordnet war. Das Amt des Heiligen Geistes nämlich ist: Christum und sein vollbrachtes Werk nun in die Sünderwelt und Sünderherzen einzuführen und sie fähig zu machen, das von Christo Vollbrachte sich anzueignen zu ihrer ewigen Errettung, zur Verherrlichung Gottes in Christo und Christi in den Sündern.
Darum ergoss er sich, gesandt von Vater und Sohn, in die zu seinen Werkzeugen auserkorenen Jünger als Lehrer und Tröster, als göttliche Lebenskraft; darum geschah am Pfingsttage, was wir V. 1 bis 4 lesen von dem wundersamen Brausen und Zerteilen der wie feurig gewordenen Zungen, und wie sie alle voll wurden des Heiligen Geistes und predigten mit andern Zungen. - Entsetzen ergriff das versammelte Volk, Etliche der Spottgeist; da trat Petrus auf, und predigte im Zuge und Triebe des Heiligen Geistes. Seht da, Geliebte, was wir jetzt zum Gegenstande unserer Betrachtung und Erbauung machen:
die erste Frucht des Pfingstgeistes, wie sie sich vorbildlich für alle Zeiten darstellt in Petri Predigt und ihrer Wirkung.
I.
Auf Petri Predigt, diese Erstlingsfrucht des Pfingstgeistes, richten wir zuerst unser Auge und Herz.
Dass diese Predigt, wie überhaupt das Pfingsttagswerk vorbildlich sei für alle Zeiten der Kirche, ergibt sich aus unserem Textesabschnitte, wo ausdrücklich die Rede ist von den „letzten Tagen“, „ehe denn der große und offenbare Tag des Herrn kommt“, d. h. von der ganzen neutestamentlichen Zeit bis zur Wiederkunft Christi; es liegt aber auch in der Natur der Sache, da dies Pfingstwerk eben das mächtig lebenskräftige Samenkorn war, aus dem die Kirche Christi erwachsen ist und es somit auch das lebendige Gesetz ihrer gesunden Entwicklung enthält, sowie diese Predigt auch Eins ist mit der ganzen apostolischen Predigt, mit welcher sie daher die Lehr- und Glaubensgrundlage der Kirche bildet bis zum Ende der Welt.
In dieser Predigt sind es namentlich zwei Punkte, auf welche Petrus, getrieben vom Heiligen Geiste, unsere und der Kirche Aufmerksamkeit hinlenkt.
A.
Der erste ist: die nun erfüllte Weissagung des alten Prophetentums; denn, spricht Petrus, das ist's, das durch den Propheten Joel zuvor gesagt ist.
1) Darin liegt etwas Großes und Köstliches für die gläubige Erkenntnis, damit hält uns der Heilige Geist so recht die Herrlichkeit des Reiches Gottes vor Augen; denn da gilt es nicht nur die große Wahrheit von der Erfüllung einer oder überhaupt der alttestamentlichen Weissagung, oder von dem großen Werte des geschriebenen Gotteswortes und des Alten Testamentes insbesondere, dessen hohe Wichtigkeit auch der Herr selbst so vielfach bezeugte, daher auch die Kirche die Bücher des Alten Testamentes ja nicht vernachlässigen, gegenteils aus den reichen Kraft- und Lichtquellen Mosis, der Propheten und Psalmen stets reichlich schöpfen soll; sondern gehen wir dem Wesen der Prophetie tiefer auf den Grund, wie es im Offenbarungsworte und in der Geschichte sich kund gibt, so erkennen wir, zur großen Stärkung unseres Glaubens, einen großen, tiefen Zusammenhang und eine planvolle Einheit der Ratschlüsse Gottes von Urzeiten und Ewigkeit her. Da erst wird uns das Reich unseres Erlösers groß und herrlich, und wird es uns zur heiligen Freude, dass auch wir desselben gewürdigt sind, wenn wir im Glauben erkennen, dass nicht nur heilige Männer vereinzelt in verschiedenen Jahrhunderten und Jahrtausenden einzelne Lichter angezündet haben in der Finsternis der Welt aus dem Schatze ihrer empfangenen Erleuchtung; sondern dass dies Alles von Anfang an ein stufenweise und organisch (gewächsartig) sich entwickelndes und offenbarendes Werk des einen göttlichen Planes und ewigen Ratschlusses Gottes zum Heile der armen Sünderwelt ist.
O, wie erhebt die Erkenntnis dieser Wahrheit das Herz, besonders von dem Zeitpunkte an, wo die Sonne der Pfingsten hervorbricht und der sich offenbarende Pfingstgeist diese Wahrheit mit Macht und Glanz verklärt und versiegelt! Seelen! steigt auf diese Höhe der christlichen Anschauung da weht eine glaubensstärkende Luft!
2) Sehen wir die Weissagung selber noch näher an, wie großartig herrlich ist ihr Inhalt! Was ist's mit dieser Pfingsten und ihren Erscheinungen? „Das ist es, das durch den Propheten Joel gesagt ist“ - und was also?
Lesen wir V. 17-18: „Und es soll geschehen in den letzten Tagen usw.“, d. h. also: von diesem Pfingsttage an sollen nicht mehr nur einzelne Wenige aus dem auserwählten Volke des Heiligen Geistes teilhaftig werden, sondern alles Fleisch, das Volk, die Völker, Heiden wie Juden, Jung und Alt, Dienende und Herrschende; wer nur aus allerlei Volk und Zeugen und Geschlecht gläubig unter das Panier der Kirche sich stellt und sein Herz auftut dem Wort und Sakramente, dem soll die Salbung werden, des Geistes Feuer und Leben. Das ist die köstliche Wahrheit, die sich an der Kirche seitdem und in unzähligen ihrer Glieder bewährt hat und noch heute bewährt zum seligen Troste aller ihrer Träger. Und wollte man fragen, warum denn ihrer so Viele in der Kirche sind, die von solchen Kräften des Heiligen Geistes so wenig oder gar nichts spüren und offenbaren? so ist die Antwort leicht zu finden, wenn man weiß, wie so Viele ihr Herz voll anderer Geister haben, von denen sie nicht lassen wollen, wie so Viele den Heiligen Geist betrüben und seinem Zuge widerstreben. O wäre das nicht, so würden wir auch heute noch das Walten des Geistes in der Kirche und ihren Gliedern viel mächtiger spüren, so würden jener heilig träumenden und Gesichte schauenden, der leben haltigen und selig getrösteten Seelen viel mehr unter uns sein.
Dann zeugt Joel auch von einem Andern, das noch nicht erfüllt ist in seiner Fülle; es ist das Wort V. 19 - 20: „Und ich will Wunder tun oben im Himmel usw.“ Dies merkwürdige Wort deutet auf das, was die Kirche und die Welt noch zu erleben hat bis in die letzten Zeiten, ehe der Herr wieder kommt, auf jene Zeiten der großen Versuchungen und Kämpfe und Bewährungen, und wie da zur Stärkung der Einen, zum Schrecknis der Andern - auch die Natur, die Erd- und Gestirnwelt ihr Zeugenamt ausrichten muss, zum Zeugnis, dass es des Allmächtigen Sache gilt und dem Abschlusse zugeht. Da werden noch Manchem die Augen aufgehen, wird Manchem das Herz erzittern, und werden, wie dort auf dem finsteren Golgatha die Juden, an die Brust schlagen und wie zerschmettert da stehen die Feinde Gottes. Wehe, wenn plötzlich da der Vorhang fiele!
Aber „wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll selig werden!“ bezeugt der Apostel V. 21. Wer in seinem geängstet zerschlagenen Herzen zur wahren Buße erwacht, also dass er im Glaubensdrange den Herrn anruft, der kann und soll noch errettet werden jetzt und dann. Und was ist das für ein „Name des Herrn?“ Es ist der, von dem der Apostel sofort angelegentlich spricht als von dem Mittelpunkte seiner Predigt, auf welchen der Heilige Geist die Kirche von Anbeginn hinweist, als auch ihr Zentrum für alle Zeiten:
B.
Es ist Jesus Christus, der wahrhaftige Sohn des lebendigen Gottes, der Herr, in des' Namen das Heil ist.
1) Geliebte! es ist ein Neues, das mit der Ausgießung des Heiligen Geistes in die Geschichte der Welt und des Reiches Gottes eintritt, neues Leben, neue Kräfte, neue Erscheinungen; aber der Inhalt all' dieses Neuen ist doch nichts Neues, es ist Christus Jesus, der Gottmensch, der ewig beim Vater war, den der Vater von Ewigkeit her verordnet hat zum Heile der Welt, der vom Paradieses-Evangelium durch das ganze Alte Testament hindurch verheißen, endlich in der Fülle der Zeit erschienen als Mensch und Erlöser und vor zehn Tagen wieder heim gen Himmel gefahren ist, von wo aus er den heiligen, seligen Pfingstregen ergießt. Diesen macht der Pfingstgeist zum ersten Gegenstande und ewigen Zentrum seiner Predigt, und zwar nicht nur so eine Idee oder ein abgezogenes Gedankenbild von dem erschienenen Christ Gottes, wie eine gewisse Weisheit will, sondern
2) ihn selbst, wie er leibt und lebt auf Erden und im Himmel. Lest, Geliebte, V. 22-35: „Ihr Männer von Israel! hört diese Worte: Jesum von Nazareth usw.“ So stellt der geisterfüllte Petrus ihn dar in den Grundzügen seines wahrhaft menschlichen und gottmenschlichen Leidens und Lebens, wie er erwürgt worden und auferweckt und erhöht ist zur Rechten Gottes, und waltet da, und zwar das Alles nach dem prophetisch voraus verkündeten Ratschlusse des Ewigen, und, bezeugt der Apostel V. 36: „So wisse nun das ganze Haus Israel gewiss, dass Gott diesen Jesum, den ihr gekreuzigt habt, zu einem Herrn und Christ gemacht hat.“
Ja wahrlich, eben diese geschichtlichen Tatsachen des irdischen und überirdischen Lebens Christi sind die rechten Zeugnissäulen und Grundsteine für den Bau und die Erhaltung der Kirche; sie sind es, in welchen recht eigentlich das Heil der Welt und der Kirche liegt; nicht die Lehre, sondern die Tat seines Todes und seines ewigen Lebenssieges ist aller Welt Leben und der Kirche Psalm und Hort für und für! Darum hat der Heilige Geist gleich bei der Geburt der Kirche ihr diesen geschichtlichen Christus predigen lassen, zum ewigen Zeugnis, dass dieser der Kern und Stern des evangelischen Glaubens sei, und darum sollen auch wir Glieder der evangelischen Gemeinde auf nichts Anderes unseren Trost und all' unsere Hoffnung setzen als auf dieses Christuskreuz-Panier und Osterfahne und Geisteswehen- und Walten, und es uns recht ins Herz hinein predigen lassen vom Heiligen Geiste, dass dieser Name in diesen geschichtlichen Zügen, namentlich auch in unserem, von dieser Grundlage vielfach hinweg flatternden Zeitalter und Geschlechte wieder frisch und stark soll gepredigt und bekennt werden - zuerst im eigenen Herzen recht, dann recht in die Kirche und die Welt hinein! - Aber ja zuerst im eignen Herzen recht; das führt uns auf die zweite Gestaltung der Pfingstfrucht:
II.
Die Wirkung der geisterfüllten Predigt Petri.
Christum in die Sünderwelt einzuführen, - dies sein Amt hat der Heilige Geist gleich am ersten Pfingsttage kräftig begonnen; das ersehen wir an der Wirkung der Pfingstpredigt.
Was war diese Wirkung? - Von Spott und süßem Weine hören wir nichts mehr; wohl aber lesen wir V. 37-41: „Da sie aber das hörten, ging's ihnen durchs Herz usw.“ Das war die ausgereifte Erstfrucht der Pfingsten. Sehen wir sie recht an, sie bedarf keiner Erklärung, wohl aber eines offenen Herzensackers, in welchem sie als Samenkorn sich lege und fortan solche selige Frucht zeuge; denn gleich wie sie das Weizenkorn war, aus dem die ganze Kirche erwachsen ist, so ist sie auch die vorbildliche Lebenskraft für alle Zeiten der Kirche, aus der sie stetsfort sich erneuert, und soll auch heute noch als solche sich bewähren.
Geliebte! derselbe Geist der Pfingsten lebt noch und hat noch dasselbe Amt; sollte er nicht noch heute von uns dieselbe Wirkung, dieselben Erfolge wie damals verlangen? Freilich ja, alle Erweckung und Wiedergeburt, sowie auch alle Wiederbelebung der schon Bekehrten ist Sache des Heiligen Geistes, und es gilt im neuen wie im alten Bunde das Wort des Propheten: „Bekehre Du mich, so werde ich bekehrt; denn Du, Herr, bist mein Gott!“ (Jer. 31. 18.) Aber gleichwie der Herr auch selber sagt: „Ringt danach, dass ihr durch die enge Pforte eingeht“ (Luk. 13. 24), so heißt es auch am Ende unseres Textabschnittes: „Die nun sein Wort gern annahmen, an denen geschah jene Vollwirkung des Heiligen Geistes.“ Und das hat auch seine Geltung, und ist namentlich uns Menschenkindern gesagt. - Und wie nun das? Es ist uns schon am ersten Pfingsttage vorbildlich und klar gesagt; hören wir:
1) „Da sie das hörten, ging es ihnen durchs Herz.“ Durchs Herz soll es auch uns gehen, das heilige Pfingstwort vom Geiste und vom Christ Gottes; ins Leben hinein soll es uns gehen, in des Lebens innersten Quellpunkt, und soll uns anfassen und aufwecken und schüttern, dass wir gleichermaßen fragen: was sollen wir tun? - Brüder! ans Herz ist's Manchem gekommen, und ist noch da; aber helf' Gott, dass es durchs Herz dringe und uns in der Tiefe erfasse, uns erkennen lehre, dass es wahrlich nicht ein Baden des Herzens im lauwarmen Wasser gilt, sondern ein Leben im Geiste und Feuer der Pfingsten. Dies Leben - haben wir's ergriffen? O Brüder, die Hand auf die Brust! auch wir sollen fragen: was sollen wir tun? Was?
2) „Tut Buße und lasse sich ein Jeglicher taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden, so werdet ihr empfahen die Gabe des Heiligen Geistes.“ V. 38.
Ja, Buße zuerst. Die Buße der Bekehrung und Wiedergeburt ihr, die ihr bisher draußen gestanden und den Götzen der Welt Seele und Leib geopfert habt, Buße, die euch zittern macht und euch sehnen nach Errettung!
Die Buße der schmerzlichsten Reue - zur Wiederkehr wir, die wir zwar den Herrn bekannt haben in Glauben und Liebe, aber doch auch vielfach ihn betrübt und verleugnet haben durch so mancherlei Untreue, Lauigkeit, Halbheit und Hinken. Das sollen wir herzlich und bitterlich beweinen, und uns taufen lassen auf den Namen Jesu Christi! Getauft sind wir mit der Taufe Jesu Christi, wie er sie eingesetzt hat; sind als Kindlein unter Wasserbegießung eingetaucht worden in den Namen des dreieinigen Gottes, und haben mit diesem Sakramente das Pfand der Sündenvergebung und die Gnade des Heiligen Geistes in uns empfangen als einen innerlichen Heilsschatz. -
Aber während Viele dies Pfand hernach mit Füßen getreten, haben viel Andere es wohl etwa im Herzen behalten, aber nicht heilig geachtet als das heilig teure Kleinod der Seligkeit, nicht gepflegt und genützt dessen Kraft und Leben, vielmehr verkümmern lassen die arme Seele, der die Taufgnade ein Sauerteig des Heils sein konnte und sollte. - Nun, eine äußere Taufe ist nimmermehr not; denn dass unsere Kindleintaufe an sich sakramentlich gesegnet ist, das beweisen viel tausend Seelen, die, als Kinder getauft, die gesegnetsten Gotteskinder geworden, im Herrn gelebt und gestorben sind oder noch als solche wallen und kämpfen; das beweist die Gnade und der Segen, die der Herr der Kirche bei all' ihren schweren Gebrechen bis auf den heutigen Tag, ja neuerdings wieder durch so mancherlei Lebenskräfte schenkt: darum ist eine äußere Taufe uns nicht wieder not; aber die empfangene Taufgnade in uns erwecken, um eine neue Geistestaufe beten, das, Geliebte, sollen wir auf Grund der empfangenen Verheißung, denn;
3. „euer und eurer Kinder ist diese Verheißung und Aller, die ferne sind, welche Gott, unser Herr, herzurufen wird.“ V. 39. Ja wahrlich, nicht nur Israels ist sie, sondern Allen, die ferne sind, auch den Heiden, und die sind auch wir, wir in unseren Vätern gewesene Heiden, nun aber herzu gerufen durch die Gnade Gottes aus dem finsteren Sündentode zum lichten, seligen Reiche des Lebens. Darum gilt sie auch uns, die Verheißung; darum lasst sie uns ergreifen, auf dass wir recht Mut fassen zum rechten Fragen, was zu tun zur gründlichen Buße, zur Unterstellung unter die Geistestaufe, zur wirklichen Aufnahme der sich ergießenden geistlichen Gaben und Kräfte, zu einem kräftig gesunden Leben in ihm!
4. O Geliebte! Lasst uns doch auch Solche sein, die dies sein Wort, das apostolische Geisteswort, das Lebenswort unseres Erlösers und Herrn Jesu Christi, gern annehmen! Lasst uns doch erkennen im Geiste unseres Gemütes, was der treue Vater, Sohn und Geist von Ewigkeit her und durch die ganze Zeit hindurch für die Kirche und an und in ihr, und was er an uns von Mutterleib an getan, wie er uns gesucht, gelockt, gezogen, bewahret, o vor wie manchen tiefen Fällen und Abgründen, an denen wir schon standen, so treu bewahret hat, und dies Alles fortan tut an der Kirche und an uns! Geliebte! sollen und wollen wir nicht erwachen und uns erheben, Alles für Kot achten, auf dass wir Christum gewinnen, uns ganz ihm hingeben, der ja doch allein unsere rechte Ruhe, unser Alles, unsere Weisheit und Gerechtigkeit, unser Leben und der Alles überschwänglich ersetzende, sichere, zeitliche und ewige Reichtum ist? Soll's und will's nicht Pfingsten werden auch in uns? O ja, und bald!
Aber nicht ein Brausen selbstgemachter schwärmerischer Hast des stürmisch aufgeregten Gefühls, das bald in schiefe Fahrt gerät oder, erschlafft und übersättigt bald wieder, wie Demas, die Welt lieb gewinnt und bösem Schlafe verfällt; vielmehr, wo wir des Geistes Arbeit in uns spüren, lasst uns ihm nur stille halten, ja wohl sein so nötiges Feuer und Leben in uns aufnehmen, es nähren und nützen, - aber von ihm lernen, wie lange und wann und wo wir den gefundenen Schatz still verborgen halten wie der Kaufmann die Perle, und wann und wie und wo wir unser Licht sollen leuchten lassen. Den Geist, den heiligen, und das Wort, das lebenskräftige, lasst reichlich unter uns wohnen und walten, uns lehren und führen, in ihm an unserem inwendigen Menschen erstarken, auf dass wir recht demütig-mutige, gesunde, glaubens- und arbeitstüchtige Zöglinge des Geistes und Zeugen der Liebe und Herrlichkeit des Herrn werden.
Walt's Gott in Gnaden, dass der Pfingstregen uns fruchtbar mache und hier und überall Viele hinzu getan werden zur wahren, einen, heiligen, allgemeinen Kirche Jesu Christi! Amen.