Calvin, Jean - Psalm 52.
Inhaltsangabe :
Ahimelech und die übrigen Priester waren ermordet (1. Sam. 22, 9 – 19). Das Volk war überall von Schrecken erfasst. Niemand wagte, dem David beizustehen. Doeg triumphierte, weil sein gottloser Verrat geglückt war. Aber David, der heilige Mann, richtete sich trotz alledem in seinem Glauben auf und dichtete diesen Psalm. Er beklagt sich über die grausame Treulosigkeit des gottlosen Verräters und ermuntert sich zur Hoffnung auf Gott, der als gerechter Richter im Himmel sitzt. Er tröstet sich seiner Hilfe, die er allen widerfahren lässt, die ihr ganzes Vertrauen auf ihn werfen. Endlich gedenkt er an die Zeit, da die von der Strafe getroffen werden, die Gott verachten und sich alles nach Herzenslust erlauben.
1 Dem Musikvorsteher: eine Unterweisung Davids; 2 da Doeg, der Edomiter, kam und sagte Saul an und sprach: David ist in Ahimelechs Haus kommen.
V. 1. Eine Unterweisung pflegt David eine Psalm zu nennen, der unter dem Druck der Hand Gottes gedichtet ist, oder wenigstens einen solchen, der zu einer Zeit entstanden ist, da er von irgendeiner Trübsal heimgesucht war, so dass er sich vorkam, als schlüge ihn die Rute des Lehrers. So ist es z. B. in Psalm 32 und 42. Etwas anders steht es im 45. Psalm. Wenn dieser Unterweisung genannt war, so geschah es, um dem Leser jeden Gedanken zu nehmen, als wäre jenes Liebesgedicht etwas Sinnliches, ihm vielmehr klar zu machen, es handle sich um die heilige und geistliche Verbindung Christi mit seiner Gemeinde. Der gegenwärtige Psalm jedoch und die folgenden tragen diese Überschrift, weil sie eine nützliche Zurechtweisung enthalten. Sicherlich wollte David darin zeigen, dass er damals nicht ohne tiefere Absicht geprüft und auf die Probe gestellt worden sei, um es zu lernen, sich Gott ganz hinzugeben. Es ist ja eine bekannte Geschichte, dass David, als er auf der Flucht umherirrte und zu Ahimelech in Nobe kam, diesem seine Lage nicht zu offenbaren wagte. Er gab vielmehr an, er käme mit geheimen Aufträgen in wichtigen Angelegenheiten vom König. Da erhielt er Wegzehrung und das Schwert, mit dem er Goliath getötet hatte. Als aber Doeg, der königliche Oberhirte, mit schimpflichem Verrat Sauls Gunst sich erschmeichelt hatte, da entflammte der Grimm des Tyrannen Saul nicht bloß gegen einen Menschen, der noch dazu unschuldig war, sondern gegen sämtliche Priester. So kam es, dass dem armen Flüchtling alle Auswege verschlossen wurden. Denn alle Leute wurden durch dies scheußliche Beispiel von Grausamkeit so eingeschüchtert, dass es sie es nicht wagten, irgendwelchem menschlichen Rühren nachzugeben. Doeg wütete weiter. Der Erfolg des Verbrechens hatte ihn ermuntert. Der Lohn seiner Treulosigkeit, den er sich errungen hatte, stachelte ihn auf, auch andere aufzuhetzen, dass sie mit ihm um die Wette auf Davids Verderben sannen. Aber der heilige Mann tröstet sich mit seinem Gott und kümmert sich nicht um die verruchte Frechheit jenes Doeg.
3 Was trotzest du denn, du Tyrann, dass du kannst Schaden tun, so doch Gottes Güte noch täglich währet? 4 Deine Zunge trachtet nach Schaden und schneidet mit Lügen, wie ein scharf Schermesser. 5 Du redest lieber Böses denn Gutes und Falsches denn Rechtes. (Sela.) 6 Du redest gern alles, was zu verderben dienet, mit falscher Zunge.
V. 3. Was trotzest du denn usw. Dass dem ruchlosen Doeg sein Verrat nach Wunsch geglückt war, war eine schwere, harte Versuchung für David. Er wappnet sich deshalb in heiligem Eifer zum Kampf und deckt Doegs Frevel auf, der sich wegen der durch seine Freveltat erworbenen Machtstellung überhebt. Es ist kein Wunder, dass der oberste Hirte eine so glänzende Rolle spielt. War er doch nicht selbst einer der Hirten, die ihre Aufgabe im Weiden der Herde zu sehen hatten, sondern als ihr Meister mit großer Würde ausgestattet. Nach unseren heutigen Begriffen kommt dieses Amt den Oberstallmeistern gleich, die an königlichen Höfen sich befinden. David will also sagen: Doeg hat durchaus keinen Grund, sich zu seiner Machstellung zu beglückwünschen, so lange er sie zu grausamen Verbrechen missbraucht. Er hat keinen Grund, durch die neue Gunst des Königs übermütig zu werden. Denn er hat sie durch schmachvolles Ränkespiel sich erworben. Untadelhaftigkeit allein ist der zuversichtliche Hüter von Macht und Würde, nicht aber tyrannische Gewalt oder Treulosigkeit oder fortgesetztes Unrecht. Die zweite Vershälfte bringt noch deutlicher zum Ausdruck, woher der Wahnsinn und die Blindheit der Gottlosen kommen: Gottesfurcht werfen sie von sich, alles Schamgefühl ersticken sie und gefallen sich nun in ihrer Schlechtigkeit. Sie bilden sich ein, sich alles gegen die andern erlauben zu können, die sie ihrer Demut und Niedrigkeit wegen verachten. Sie sind nach ihrer Meinung nicht wert, dass Gott für sie sorge. Ja, Gottes Fürsorge, die er den Seinigen angedeihen lässt, achten sie für nichts und nehmen sich das Recht heraus, immer wieder zu sündigen. Dem gegenüber erhebt sich David in heiligem Vertrauen und wirft diesen hochmütigen Übermenschen vor, sie zollten der Güte Gottes nicht die gebührende Ehre. Weil übrigens die göttliche Gnade nicht stets in gleichem Maße in greifbare Erscheinung tritt, ja sogar zuweilen durch unüberwindliche Hindernisse uns ferngehalten scheint, so wappnet sich David gegen diese Anfechtung durch die Aussage, dass Gottes Güte noch täglich währet. Damit will er ohne Zweifel sagen, dass alle Unterbrechungen für Gott kein Hindernis bilden, immer neue Beweise seiner Güte zu geben. So spricht er in diesem Worte die Hoffnung aus, er werde, was er bisher davon erfahren, auch in Zukunft erleben. Gott wird nicht müde, den Seinigen beizustehen und ihr Elend zu lindern. Hundertmal lässt er sie in Trübsal geraten, aber stets ist er zu ihrer Hilfe bereit.
V. 4. Deine Zunge trachtet nach Schaden. David handelt nicht wie die meisten Leute, die ungerechterweise beleidigt werden: er schmäht seine Feinde nicht, um sich zu rächen, sondern er verklagt sie vor Gott. Und daraus erwächst ihm Hoffnung. Denn je schändlicher sich die Bösen erfrechen, desto mehr erregen sie selbst Gottes Zorn. Das gibt uns aber den besten Trost: sobald die Leute, welche unser Heil durch ungerechtes Verhalten schädigen wollen, den höchsten Grad ihrer verbrecherischen Gesinnung erreicht haben, ist die Stunde der Errettung gekommen. David gedenkt hier also nicht der Schändlichkeiten seines Gegners, mit denen er ihm vor den Menschen nachstellt, sondern er hält sich Gottes Gericht vor Augen und gibt sich gegenüber den bitteren Beleidigungen, die er erleidet, der guten Hoffnung auf Errettung hin. Wenn Doeg auch grausam und blutdürstig war, so gilt die Anklage hier vor allem seiner inneren Schlechtigkeit, weil er durch seinen geheimen Verrat mit Hinterlist und Trug die unschuldigen Priester ins Verderben gestürzt hatte. Darum wird seine Zunge mit einem scharfen Schermesser verglichen, wie es ähnlich in Ps. 120, 4 geschieht. Alle giftigen Zungen sind ja scharfen Pfeilen gleich. Und Doegs Zunge gelüstete nach trügerischen Worten, welche schlichte, unschuldige Leute vernichten sollten. Mit diesen Versen will David also nichts anderes, als gerade durch den Blick auf die maßlose und unverbesserliche Ungerechtigkeit des Feindes seine Hoffnung stärken und umso gewisser Hilfe von Gott erwarten.
7 Darum wird dich Gott auch ganz und gar zerstören und zerschlagen und aus deiner Hütte reißen und aus dem Lande der Lebendigen ausrotten. (Sela.) 8 Und die Gerechten werden´s sehen und sich fürchten und werden fein lachen: 9 Siehe, das ist der Mann, der Gott nicht für seinen Trost hielt, sondern verließ sich auf seinen großen Reichtum und war mächtig, Schaden zu tun.
V. 7. Darum wird dich Gott zerstören. Noch deutlicher als bisher zeigt sich jetzt, dass David Doegs Schuld nur deshalb ans Licht zieht, um mit desto größerer Zuversicht ihm das nahe bevorstehende Gericht ankündigen zu können. Aber nicht um Doeg zu schrecken, tut er dies, sondern um seine eigene Hoffnung zu steigern. David will also sagen: zieht sich Gott auch eine Zeitlang zurück, so duldet er es doch nicht, dass ein so schändlicher Verrat ungerächt bleibt. Die Gottlosen, die, so lange sie Glück haben, so frech sind wie sonst nichts in der Welt und sich einbilden, von den göttlichen Pfeilen nicht erreicht werden zu können, - die Gottlosen verachten und verhöhnen alle Urteile Gottes. Ihre Macht schreckt auch die Frommen. Ihre starken Mittel erwecken auch bei ihnen Angst. Darum wiederholt der Dichter mit verschiedenen Wendungen denselben Gedanken, um sich doch als glaublich vorzustellen, was schwer zu glauben ist: er wird dich zerstören, zerschlagen, ausreißen, ausrotten. So spottet er über die Sicherheit der hochmütigen Menschen, stärkt sich zu guter Hoffnung und bannt seine Furcht. Er will etwa sagen: mag Doeg noch so tief wurzeln, mag seine Stärke noch so groß sein, Gott hat noch mehr Macht als nötig ist, um ihn auszurotten. Eben darauf deutet es auch, dass es heißt: aus deiner Hütte und aus dem Lande der Lebendigen. Mögen sich die Gottlosen noch so sicher ihr Nest bauen und sich wohl fühlen in ihrer Hütte – glauben sie doch, kein Unheil könne sie dort treffen – mögen sie noch so sehr mit ihrem unzerstörbaren Lebensbesitz prahlen: plötzlich, wenn der Zorn Gottes gereift ist, müssen sie hinweg. Vielleicht ist mit „Hütte auf den Beruf Doegs angespielt. Die Hirten pflegten ja in Hütten zu wohnen.
V. 8. Die Gerechten werden`s sehen usw. Auch der Blick auf den Erfolg, den Gott mit der wohlverdienten Bestrafung Doegs erzielen würde, lässt David den Schluss ziehen, dass diese Strafe unmöglich ausbleiben könne. Denn Gott übt seine Gerichte deshalb, um sich desto mehr ehrfürchtige Anerkennung bei den Gläubigen zu verschaffen und sie durch die Erweisungen seiner Gerechtigkeit zu erquicken. Freilich wird Doegs Untergang auch für die Verworfenen und Gottesverächter ein Schauspiel sein, aber um eines doppelten Grundes willen wird gesagt, dass vornehmlich die Gerechten ihn sehen sollen. Denn die Verworfenen zeigen sich auch offenbaren Erweisungen Gottes gegenüber blind, sodass man sich nicht wundern darf, wenn sie aus seinen Gerichten keinen Nutzen ziehen. Aber die Gerechten werden es sehen, denn sie haben sehende Augen. Der zweite Grund ist, dass Gott zu Gunsten der Seinen ein Zeugnis dafür ablegen will, wie eifrig er für sie sorgt: so verwandelt er ihre Schmerzen in Freude, indem er die stolze Macht der Gottlosen zerbricht. Dass aber die Gerechten, denen Gott insbesondere ein Schauspiel vor Augen stellt, sich fürchten, schreibt ihnen nicht einen Schrecken zu, wie er die Menschen angesichts der Rache Gottes oft niederschlägt und erzittern lässt, sondern deutet auf die freudige und willige Ehrfurcht, mit welcher die Gläubigen anerkennen, dass Gott sie wert achtet, sich ihrer anzunehmen und ihren Feinden zu widerstehen. So lange sie unter dem Druck der Verfolgungen nicht Gottes als des Richters gedenken, werden sie von vielen Zweifeln darüber umher getrieben, ob sich der Herr überhaupt noch um das Weltregiment bekümmere. Bekommen sie aber seine gerechten Gerichte zu sehen, so wacht ihr schläfriger Geist zu ernster und frommer Betrachtung auf. Das ergibt dann eine „Furcht“, welche die Gerechten durchaus nicht hindert, zugleich zu lachen. Beides verträgt sich gut miteinander: Die Gläubigen unterwerfen sich voll Ehrfurcht dem Herrn, denn sie müssen erkennen, dass er die frevelhafte Grausamkeit straft. Zugleich aber freuen sie sich unaussprechlich, weil sie Gott auf ihrer Seite sehen: denn diese Bundesgenossenschaft hat mehr Wert als alle Triumphe.
V. 9. Siehe, das ist der Mann usw. Dies Wort ist wohl kaum auf den Hochmut Doegs gemünzt. Ich halte es vielmehr für eine Erläuterung von Furcht und Lachen. Denn David will zum Ausdruck bringen, welchen Nutzen die Gläubigen von den Gerichtsurteilen Gottes haben. Der Misserfolg der Gottlosen in diesem Punkte mahnt sie, den Übermut geduldig zu tragen, der schon durch sich selbst zu Fall kommt. Zugleich aber werden die Gläubigen auch zur Bescheidenheit angeleitet, damit sie sich nicht in ähnlicher Verblendung gegen Gott und Menschen erheben. Dass sie über den Untergang der Gottlosen lachen werden, sagt David also weniger in der Meinung, dass sie sich daran ergötzen sollen, als vielmehr, dass sie sich der Hilfe Gottes ruhig getrösten und unter Verzicht auf alle Lockungen sich ihm gerne unterwerfen sollen. So oft uns also derartige Beispiele begegnen, zieht Gott unsern Sinn, der nur zu gerne bald da bald dorthin sich neigt, zu sich, um uns allein zu besitzen. Der Aufruf „Siehe“ – stellt uns den unglücklichen Ausgang, den die stolzen Gottesverächter nehmen müssen, anschaulich vor Augen. Ist's ja eine feine Klugheit, wenn man an dem einen Beispiel lernt, dass die, welche anderswo als bei Gott ihre Hilfe suchen, im Elend verkommen und das schlimmste Ende zu gewärtigen haben. Die Worte: „der Gott nicht für seinen Trost hielt, sondern verließ sich auf seinen großen Reichtum“ gehören enge zusammen. Denn solange ein Mensch, ohne seine eigene Not zu kennen, etwas von sich hält, kann von einem ernsthaften Ausruhen in Gott nicht die Rede sein. So lange einer noch etwas Gutes in sich haben glaubt, erhebt er sich nicht zu Gott. Ist's doch immer so: was einer sich anmaßt, das entzieht er dem Herrn, und wer auf seinen Reichtum baut, hält Gott nicht für seine Stärke. Was aber David hier vom Reichtum insbesondere sagt, gilt auch allgemein: wo immer ein Mensch auf die Welt und irdische Machtmittel sich verlässt, da hindert ihn eben dies daran, Gott zu suchen.
10 Ich aber werde bleiben wie ein grüner Ölbaum im Hause Gottes, verlasse mich auf Gottes Güte immer und ewiglich. 11 Ich danke dir ewiglich, denn du kannst's wohl machen, und will harren auf deinen Namen, denn deine Heiligen haben Freude dran.
V. 10. Ich aber werde bleiben usw. Nachdem sich David auf den Flügeln des Glaubens und der Hoffnung aufgeschwungen hat, setzt er sich über den fleischlichen und darum nur scheinbaren Machtschimmer Doegs begeistert hinweg. Er hebt sich aus der Tiefe seines Elends empor und vergleicht sich in der Hoffnung auf seine Wiederaufrichtung mit einem Ölbaum, obwohl er jetzt wie ein unnützer, morscher Baum am Boden liegt. David konnte sich ja an dem Untergang des Doeg nicht trösten, wenn er nicht die Überzeugung gehabt hätte, von oben herab würde der grausame Mensch seine Strafe bekommen, der sich gegen Unschuldige vergangen hatte. David erinnert sich also daran, dass all das Übel, das er unschuldig erlitten hatte, von Gott gerächt werde, und freut sich der neuen Kraft, in der er wieder aufleben wird. Zugleich tut er kund, dass sein größtes Glück sein werde, sich unter Gottes Dienern zu wissen und seinem Glauben öffentlich leben zu dürfen. Anderswo (Ps. 42, 5; 43, 3 f.) betrachtet er ja das als den größten Schmerz, fern vom Heiligtum Gottes sein zu müssen, als einen Schmerz, dem gegenüber die Trennung von seiner Frau und die Beraubung aller seiner Güter und das Umherirren in den Höhlen der wilden Tiere nichts bedeutete. David stellt sich mit diesen Worten in Gegensatz zu Doeg wie zu seinen andern Gegnern. Jetzt muss er fern vom heiligen Land umherirren und den Anblick des Heiligtums entbehren. Aber er hofft auf eine neue Zeit, sobald die Heuchler vernichtet sind, die dort nicht bloß einen Platz innehaben, sondern sogar den Tempel selbst als ihr Eigentum betrachten, während sie ihn doch nur verunreinigen und entheiligen. Hier wollen wir uns ins Gedächtnis rufen, dass uns als Zweck unseres Lebens immer vorschweben muss, zur Herde Gottes gezählt zu werden. Und da unsere Schwachheit äußerer Hilfsmittel bedarf, so dürfen wir es als eine besondere Wohltat ansehen, wenn wir gottesdienstliche Versammlungen besuchen können, in denen man sich gegenseitig zum Dienste Gottes aufmuntert. Dazu will der Gott, der selbst Einer ist, dass auch wir in ihm eins seien und dass wir seinen Namen wie aus einem Munde loben: darum sammelt er uns durch die Sakramente, die ein gemeinsamer Besitz des Volkes Gottes sind, zur gemeinsamen Hoffnung auf das ewige Leben. Davids Beispiel möchte uns also lehren, einen Platz in der Gemeinde Gottes allen trügerischen Stellen vorzuziehen. Denn nur darum darf er sich mit einem grünenden Ölbaum vergleichen, weil er sagen kann: ich verlasse mich auf Gottes Güte. Damit stellt er sich noch immer in Gegensatz zu seinen Feinden: noch grünen jene und breiten ihre Zweige weit aus, ja, sie sind stolz auf ihr hohes Wachstum. Aber ihre Wurzel wird bald bloßgelegt sein, da sie nicht in Gottes Güte ihren Halt hatte. Während sie also vertrocknen, wird den Frommen niemals Saft und Kraft mangeln: denn sie hoffen auf Gott. Lange Trübsalszeit konnte den David freilich aufreiben, wenn nicht auch seine Zuversicht lange standhielt. Darum sagt er, er habe dem Herrn keine Zeit vorgeschrieben, hoffe auf ihn immer und ewiglich, d. h. für alle Zukunft. Konnte er seinem Gott doch nimmermehr die Macht über sein Leben und Sterben rauben. Hier sehen wir, wodurch sich echte Gotteskinder von Heuchlern unterscheiden: wenn auch alle untereinander in der Gemeinde vorhanden sind, wie Spreu und Weizen auf der Tenne, so wachsen doch die einen stetig in ihrer Hoffnung, die andern werden in ihrer Eitelkeit wie Spreu auseinandergeweht.
V. 11. Ich danke dir usw. David schließt mit Dank, der von ganzem Herzen kommt. Denn er erkennt, dass es sich hier um Gottes Gnadenhilfe handelt. Das ist sehr beachtenswert. Mögen die Menschen nach ihrer gewöhnlichen undankbaren Art vielleicht mit dem Munde oberflächlich Dank sagen, so erkennt doch unter hundert kaum einer ernsthaft Gottes Wohltaten und verehrt ihn als den Geber. David stellt also fest, sein Entrinnen aus Doegs Hand sei nur der Hilfe Gottes zu danken gewesen. Sie sei es auch, die ihn nie zu Grunde gehen lasse. Nicht nur einen Tag will er dankbar sein, sondern „ewiglich“, d. h. immerdar oder sein Leben lang. Wenn die Kinder Gottes in allen andern Frömmigkeitsübungen zur Standhaftigkeit ermuntert werden müssen, so ist es vor allem in diesem Punkte nötig. Das Danken vergisst man gar zu leicht, und die meisten Menschen lassen das sofort im Grabe der Vergessenheit versinken, woran sie ewig gedenken müssten. Endlich erklärt David noch, dass sich mit seiner Dankbarkeit weitere Hoffnung verbinden soll: und will harren auf deinen Namen. Dies besagt, dass er geduldig auf Gottes Gnade warten will, wenn sie sich auch verborgen hält, und dass er an des Herrn Wort hangen will, wenn die Erfüllung auch lange auf sich warten lässt. Und um diesen Vorsatz mit umso getrosterem Mute ausführen zu können, betont er, dass seine Hoffnung nicht vergeblich sein werde, indem er von Gottes Namen sagt: denn deine Heiligen haben Freude dran, buchstäblich: „denn er ist gütig vor deinen Heiligen.“ Gott täuscht seine Gläubigen niemals, sondern tut ihnen seine Güte sichtbar kund. Wenn also auch der Name Gottes den Ungläubigen verhasst ist, wenn sie auch erbeben, so oft sie ihn vernehmen, weil sie seine Güte nicht erfahren, so sagt David: die Gläubigen dürfen es stets erleben, wie freundlich und gut der Name Gottes ist.