Calvin, Jean – Das Evangelium des Johannes - Kapitel 4.

V. 1. Da nun der Herr inne ward usw. Indem sich der Evangelist anschickt, über die Unterredung Christi mit der Samariterin zu berichten, legt er zunächst den Grund zum Aufbruch des Herrn dar: Jesus wusste, dass die Pharisäer in gereizter Stimmung waren; so wollte er sich denn ihrer Wut nicht vor der Zeit preisgeben. Das war der Grund, weswegen er aus Judäa fortwanderte. Er kam sonach nicht gerade planmäßig nach Samaria, um dort zu bleiben. Er wollte dies Land nur zum Durchzug benutzen, um dann Galiläa zu erreichen. Erst durch seine Auferstehung öffnete er dem Evangelium die Tür in alle Welt. Bis dahin musste er sich damit beschäftigen, die Schafe von Israel, zu denen er gesandt war, zu sammeln. Wenn er also die Samariter mit seinem Unterricht beglückt hat, so geschah das ausnahmsweise und war, wenn man das so nennen darf, eine Art Zufall. Aber warum zieht er sich in die entlegenen Gegenden Galiläas zurück, als läge ihm nichts daran, bekannt zu werden? War denn das letztere nicht vielmehr im höchsten Grade zu wünschen? Antwort: er hat wohl gewusst, weshalb er so handelte, und hat sich dergestalt der Zeitlage angepasst, um keinen Augenblick zu vergeuden. Es kam ihm darauf an, die ihm zugemessene Frist möglichst auszunutzen; alles sollte seinen geordneten Gang haben. Für uns sehr lehrreich! Auch unsere Gesinnung soll derart sein, dass wir furchtlos und unerschrocken unser Amt weiter treiben, aber doch nicht unnütz die Gefahr herausfordern. Die rechte Mitte werden die am besten treffen, welche auf ihren Beruf allen Fleiß verwenden. Wer das tut, geht in festem Schritte dem Herrn nach, ginge es auch mitten durch lauter Tod hindurch, - und doch wird er nicht nutzlos sein Leben wegwerfen. Er wird schon den rechten Weg finden. Lasst uns also im Sinne behalten: wir brauchen keinen Schritt weiter vor zu tun, als unser Beruf es erfordert. –

Als Feinde Christi erwähnt der Evangelist hier nur die Pharisäer, - nicht, als hätten etwa die Schriftgelehrten ihn besser leiden mögen, sondern nur deshalb, weil sie die herrschende Partei waren und sich unter dem Vorgeben frommen Eifers am weitesten von ihrer Leidenschaft fortreißen ließen. Weshalb haben sie denn aber Christo nicht gegönnt, dass er mehr Jünger hatte? Waren sie denn für das Ansehen und den Ruf des Johannes so sehr besorgt? Dies gewiss nicht. Die Sache liegt vielmehr so: es war ihnen schon schlimm genug, dass Johannes Jünger sammelte. Vollends aufgebracht wurden sie aber, als sie sahen, dass noch weit mehr zu Jesu gingen. Von dem Zeitpunkt an, da Johannes es offen ausgesprochen hatte: ich bin nur der Herold des Gottessohnes, - begann das Volk in immer größerer Zahl Jesum aufzusuchen. Ja, mit der Arbeit des Johannes war es nun bald ganz zu Ende. So hat er denn sein Lehr- und Täuferamt allmählich auf Christum übergehen sehen.

V. 2 bis 4. Wiewohl Jesus selber nicht taufte. Die Taufe, welche er durch andere erteilen ließ, heißt doch Christi Taufe. Darum sollen wir wissen: die Wertschätzung der Taufe hängt nicht im mindesten ab von der persönlichen Beschaffenheit des Dieners, der sie vollzieht, sondern ihre Kraft hängt einzig an dem, der sie veranlasst, und auf dessen Namen und Befehl hin sie vollzogen wird. Wie tröstlich für uns! Dann hat ja unsere Taufe zu unserer Reinigung und Erneuerung die nämliche Kraft, als hätte sie der Sohn Gottes uns eigenhändig erteilt. Der äußeren Verwaltung des Tauf-Sakraments hat Jesus sich, so lange er in dieser Welt weilte, zweifellos deshalb enthalten, damit er für alle kommenden Jahrhunderte es bezeugte: es geht der Taufe nichts von ihrer Wirksamkeit dadurch ab, dass sie von einem sterblichen Menschen erteilt wird. Alles, in allem: Christus tauft nicht nur innerlich mit seinem Geiste, sondern die sinnbildliche Handlung selbst, die ein sterblicher Mensch vornimmt, ist genauso anzusehen, als ob Christus selber aus dem Himmel die Hand hervor streckte, um uns zu segnen.

V. 5. Die heißt Sichar. Der ältere und ursprüngliche Name ist Sichem. Zur Zeit des Evangelisten war jedoch der Name Sichar im Gebrauch. Es war bekanntlich eine Stadt am Abhange des Berges Garizim, deren Einwohnerschaft einst von Simeon und Levi verräterischer Weise erwürgt worden war (1. Mo. 34, 25), und die späterhin Abimelech dem Erdboden gleich machte (Richt. 9). Doch war die Lage des Platzes so gut, dass auch nach Jesu Zeit noch ein drittes Mal eine neue Stadt, deswegen Neapolis genannt, dort erbaut wurde. Streit über die Örtlichkeit kann schon deswegen sich nicht erheben, weil der Evangelist so viele Nebenumstände angibt. Es ist aus 1. Mo. 48, 22 hinlänglich bekannt, wo das Feld lag, das Jakob seinem Sohne Joseph gab. Auch ist darüber nur eine Stimme, dass der Berg Garizim nahe bei Sichem lag. Dass ein Tempel dort erbaut war, werden wir gleich zu berichten haben. Auch das steht außer Zweifel, dass Jakob mit seiner Familie dort gewohnt hat.

V. 6. Da nun Jesus müde war von der Reise. Er stellte sich nicht erschöpft, sondern war wirklich müde. Um völlig mit uns fühlen und leiden zu können, hat er unsere Schwachheiten auf sich genommen (Hebr. 4, 15). Darauf hat auch die Tageszeit Einfluss geübt. Denn es ist nicht wunderbar, dass Jesus um die Mittagszeit vor Hunger und Müdigkeit sich an einem Brunnen ausruhte. Der Tag wurde von Sonnenaufgang bis Untergang in zwölf Stunden eingeteilt, somit war die sechste Stunde nach unserer Rechnung zwölf Uhr mittags. Wenn es heißt: er setzte sich „also“, so wird damit die Haltung eines ermüdeten Menschen beschrieben.

V. 7 u. 8. Da kommt ein Weib aus Samaria. Wenn der Herr das Weib um Wasser anspricht, so tut er das nicht geradezu mit der Absicht, um eine Anknüpfung für ihre Belehrung zu gewinnen; er wünschte zu trinken, weil der Durst ihn plagte. Aber das ist kein Anlass für ihn, die Gelegenheit zu lehren, die sich bietet, unbenutzt vorübergehen zu lassen. Die Rettung der Seele des Weibes ist ihm weit wichtiger, als die Stillung seines Durstes. Er vergisst alles eigene Bedürfen. Ein reichlicher Ersatz bietet sich ihm in dem so ungezwungen sich anspinnenden Gespräche, das er zum Unterricht des Weibes in wahrer Frömmigkeit zu wenden weiß, indem er von dem sichtbaren Wasser, das sie ihm nicht schöpfen will, die Überleitung zu dem geistlichen Wasser der himmlischen Lehre findet, mit dem er ihre dürstende Seele erquickt.

V. 9. So du ein Jude bist. Das ist ein Vorwurf, mit welchem das Weib die Verachtung ihres Volkes heimzahlen will. Bekanntermaßen waren die Samariter ein Mischvolk, das sich aus fremdländischer Einwanderung gebildet hatte. Da sie den Gottesdienst verfälscht hatten und viele verkehrte und abgöttische Bräuche pflegten, so waren sie den Juden begreiflicherweise verhasst. Dabei aber haben die Juden zweifellos großenteils den Eifer um das Gesetz nur als ein Mäntelchen über ihren fleischlichen Hass gegen die Nachbarn gehängt. Bei vielen überwog die nationale Eitelkeit und der Neid; sie konnten es nicht verschmerzen, dass die Samariter eine Gegend, die eigentlich ihnen bestimmt war, besetzt hielten. Dagegen trat die Sorge und Betrübnis über die Verletzung des reinen Gottesdienstes in den Hintergrund. Trotzdem hatte der Zwist seinen guten Grund, wäre nur die Gesinnung der Juden die rechte gewesen. Christus verbietet deshalb den Aposteln, die er zum ersten Male zur Predigt des Evangeliums hinaussendet, zu den Samaritern zu ziehen (Mt. 10, 5). Das Weib macht es genauso, wie wir es von Natur alle machen: wir wünschen recht angesehen zu sein und sind deshalb sehr missgestimmt, wenn man uns verachtet. Ja, es ist das in so hohem Maße eine Krankheit der menschlichen Natur, dass jeder sogar den Wunsch hat, seine Fehler möchten den anderen gefallen. Wenn aber jemand tadelt, was wir sind oder was wir haben, dann geraten wir alsbald ohne Unterschied in Zorn. Wer in den verborgenen Winkeln seiner Seele nachsieht, der wird diesen Hochmutssamen darin finden, so lange, bis er vom Geiste Gottes gänzlich beseitigt ist. Jenes Weib wusste, dass die abergläubischen Bräuche ihres Volkes von den Juden verurteilt wurden; so lässt sie denn ihren Unwillen darüber an Christo aus. Die Worte: „die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern“, sehe ich als von dem Weibe gesprochen an. Andere meinen, der Evangelist habe sie zur Erklärung beigefügt. Es kommt ja wenig darauf an, wie man das ansieht. Mir scheint es nur vortrefflich in den Mund des Weibes zu passen, dass sie Christum in dieser Weise verhöhnt: „Was? Das könnte dir gerade passen, von mir einen kühlen Trunk zu bekommen, während wir auch außerdem zu schlecht sind!“

V. 10. Jesus antwortete. Jetzt benützt der Herr die Gelegenheit und beginnt dem Weibe von der Gnade und Kraft seines Geistes zu predigen. Alles das bei einem geringen Weibe, das völlig unwürdig war, dass er sich mit ihr in ein Gespräch einließ! Sicherlich ein wunderbares Beispiel seiner Güte! Wie kam dies unselige Weib dazu, dass sie auf einmal aus einer verworfenen Dirne eine Schülerin des Gottessohnes wurde? Freilich erweist er uns allen die gleiche Barmherzigkeit. Nicht alle Frauen sind solche Dirnen; nicht alle Männer sind mit einem Makel gebrandmarkt, - gewiss nicht! Aber vermag denn irgendein Mensch einen Vorzug aufzuweisen, um dessentwillen er der himmlischen Lehre und der Ehre, angenommen zu werden, würdig wäre? Nicht von ungefähr hat sich das Gespräch gerade mit einer solchen Person zugetragen. Vorbildlich zeigt der Herr uns an ihr, dass er durchaus nicht nach Würdigkeit diejenigen wählt, denen er die Heilslehre mitteilt. Wunderbar! so manchen bedeutenden Namen in Judäa hat er übergangen, dagegen zieht er dies Weib in eine vertrauliche Unterredung. Es musste die Wahrheit des Prophetenwortes (Jes. 65, 1) offenbar werden: „Ich werde gefunden von denen, die mich nicht suchten; und zu den Heiden, die meinen Namen nicht anriefen, sage ich: Hier bin ich.“

Wenn du erkenntest die Gabe Gottes. Worin diese Gabe Gottes besteht, sagen erläuternd die nächsten Worte: und wer der ist, der zu dir sagt usw. War es doch eine Wohltat Gottes sondergleichen, dass das Weib Christum vor sich hatte, der das ewige Leben mitbrachte. Noch deutlicher wird die Stelle, wenn man statt: „und“ einfügt: „nämlich“. Also: „Wenn du erkenntest die Gabe Gottes, nämlich: wer der ist, der mit dir redet.“ Übrigens empfangen wir damit die Lehre, dass wir dann erst wissen, wer eigentlich Christus ist, wenn wir ergreifen, was uns der Vater in ihm gegeben hat, und was er irgend an Gütern uns anbietet. Diese Erkenntnis aber beginnt erst dann, wenn wir unsere Bedürftigkeit fühlen. Nach einem Heilmittel verlangt erst der, welcher sein Leiden spürt. Daher lädt der Herr nicht die Trunkenen, sondern die Dürstenden, nicht die Satten, sondern die Hungrigen ein, zu essen und zu trinken. Was hätte es für einen Zweck, dass Christus zu uns gesandt wurde mit der Fülle seines Geistes, wenn wir nicht ohne ihn leer wären? Übrigens, so groß der Fortschritt ist, wenn einer seinen Mangel empfindet, und nun erkennt, wie sehr ihm Hilfe nottut, - nun würde es nicht genug sein, wenn er unter der Last seines Übels bloß seufzen wollte, - nein, es muss die Hoffnung hinzukommen: die Hilfe ist vor der Tür. Mit dem Seufzen allein würden wir uns vor Traurigkeit verzehren. Oder es würde uns gehen, wie den römischen Christen, welcher hier- und dorthin laufen und sich ganz ohne Nutzen ermüden. Sobald aber Christus erscheint, irren wir nicht mehr ziellos umher, um Hilfe zu suchen, wo es keine gibt, sondern gehen gerades Wegs auf ihn zu. Das erst ist wahre, nutzbringende Erkenntnis der Gnade Gottes, wenn wir wissen: in Christo ist sie für uns da; die Hand des Heilandes hält sie für uns hin. Zugleich macht Christus darauf aufmerksam, welche Wirkung die Erkenntnis seiner Gaben hat. Sehen wir sie, dann entbrennt unsere Seele von Verlangen nach ihnen, und es reizt uns, sie zu erbitten. „Wenn du es wüsstest“, sagt er, „du bätest ihn“. Übrigens lässt sich die Absicht dieser Worte nicht verkennen; sie zielen darauf ab, die Sehnsucht des Weibes zu erwecken, damit sie nicht, wenn Jesus ihr das Leben anbietet, es mit Geringschätzung abweise.

Er gäbe dir lebendiges Wasser. Mit diesen Worten bezeugt Christus, dass die an ihn gerichteten Bitten durchaus nicht vergeblich sind. Und sicherlich würde, wenn wir nicht dieser Zuversicht sein könnten, der Eifer des Gebetes völlig erlahmen. Aber wo Jesus denen, die zu ihm kommen, so freundlich begegnet und willens ist, sie alle satt zu machen, da ist kein Raum mehr für Trägheit oder Zaudern. Es würde auch ein jeder das merken, dass dies für uns alle gesagt ist, stände nur nicht jedem der eigene Unglaube im Wege. Anknüpfend an die Sachlage hat Christus den Namen des Wassers auf den Geist übertragen; doch kommt gerade dies Bild in der Schrift recht häufig vor, und zwar mit dem besten Grunde. Gleichen wir doch einem dürren, unfruchtbaren Lande; es ist keine Kraft in uns und kein Saft, bis der Herr uns mit seinem Geiste überströmt. Hes. 36, 25 wird der heilige Geist einmal „reines Wasser“ genannt; der Sinn ist dort ein etwas anderer. Er heißt so, weil er uns von dem Schmutze, welcher uns über und über bedeckt, abwäscht und säubert. Hier jedoch und an ähnlichen Stellen handelt es sich um die geheimnisvolle, belebende Kraft des Geistes, vermöge deren er in uns Leben hervorruft, die Entwicklung des neuen Lebens schützt und es zur Reife bringt. Etliche Ausleger beziehen die Bezeichnung „Wasser“ auf die Lehre des Evangeliums; das wäre möglich. Aber ich glaube, dass Christus hier die gesamte Erneuerung durch die göttliche Gnade kurz zusammenfassen will. Wissen wir doch, dass er gesandt ist, neues Leben zu bringen. Im Gegensatz zu dem Mangel an allem Guten, woran die Menschheit als unter einem schweren Drucke leidet, hat, meiner Auffassung nach, Christus seine Gabe als das Wasser bezeichnet. Er nennt es „lebendiges Wasser“, nicht nur um seiner Wirkung willen, weil es Leben bringt, sondern in Anspielung an anderes (totes, stillstehendes) Wasser. Lebendig heißt es, weil es aus einem lebendigen Quell hervorsprudelt.

V. 11 u. 12. Herr, hast du doch nichts, damit du schöpfst. Wie die Samariter von den Juden, so wurden wechselseitig auch diese von jenen verachtet. Deshalb behandelt das Weib anfänglich Christum verächtlich und verhöhnt ihn sogar. Sie versteht ganz wohl, dass Christus in einem Bilde redet. Sie macht sich über ihn lustig in einem Gegenbilde. Sie will ihm zu verstehen geben: du versprichst mehr, als du halten kannst. Weiter beschuldigt sie ihn der Anmaßung: du willst wohl etwas Besseres sein als der heilige Erzvater Jakob! Jakob, sagt sie, war mit diesem Brunnen zufrieden zu seinem und seiner ganzen Familie Gebrauch. Hast du denn besseres Wasser? Es ist Sünde, einen solchen Vergleich zu ziehen. Das geht schon daraus zur Genüge hervor, dass das Weib den Diener dem Herrn, einen verstorbenen Menschen dem lebendigen Gott gegenüberstellt. Und doch, verfallen nicht viele täglich in denselben Fehler? Umso mehr müssen wir uns hüten, Menschen nicht so hoch zu erheben, dass sie Gottes Herrlichkeit verdunkeln. Ehrfurchtsvoll sind Gottes Gaben zu begrüßen, wo sie immer sich einstellen. Deshalb ist es recht und billig, ausgezeichneten und besonders begabten Männern Ehrerbietung zu beweisen, aber doch nur so weit, dass Gott jederzeit über sie alle hoch hinausragt, dass Christus mit seinem Evangelium allen sichtbar hell erstrahlt. Ihm muss aller Glanz der Welt weichen. –

Zu bemerken ist noch, dass die Samariter sich fälschlich der Abstammung von den heiligen Vätern Israels rühmten. Hätten sie aber auch wirklich ihren Ursprung auf Jakob zurückführen können, so wäre dies dennoch nichts zum Rühmen gewesen; waren sie doch völlig entartet und von wahrer Frömmigkeit abgekommen. Sie sind ihrer Herkunft nach Kuthäer, oder doch aus allerlei heidnischen Völkern zusammengewürfelt; obwohl das feststeht, geben sie ihren unbegründeten Anspruch, sie seien Nachkommen des heiligen Erzvaters, nicht auf. Es nützt ihnen doch nichts, - eben so wenig wie denen, welche, des göttlichen Lichtes beraubt, sich selber ein Lichtlein angesteckt haben und dabei sich übermütig gebärden und doch keinerlei Gemeinschaft haben mit den heiligen Vätern, deren Namen sie nur missbräuchlich an sich reißen.

V. 13 u. 14. Wer dieses Wasser trinkt usw. Jedes Mal, wenn Christus sieht, dass er nicht viel erreicht, ja, dass gar seine Lehre bespöttelt wird, fährt er damit fort, das, was er gesagt hatte, noch klarer auseinanderzusetzen. Er macht einen Unterschied zwischen dem Wasser im Brunnen und dem Wasser, das er gibt: das erstere dient dem Leibe nur für eine kurze Zeit, wogegen das andere eine unvergängliche Kraft zur Belebung der Seele besitzt. Das Leibesleben ist dem Verfall ausgesetzt; so müssen auch die Mittel, denen es seine Erhaltung verdankt, nur eine vorübergehende und vergängliche Wirkung haben. Was dagegen die Seele lebendig macht, kann nur etwas Ewiges sein. Übrigens steht die Tatsache, dass gläubige Christen bis zum Lebensende ein brennendes Verlangen nach reichlicherer Erfahrung der Gnade haben, nicht im Widerstreit mit dem Worten Christi. Er will uns nicht zusagen, dass wir gleich am ersten Tage, da wir gläubig werden, uns für immer ganz satt trinken sollen, sondern meint nur das, dass der heilige Geist ein sprudelndes Wasser ist, das immerzu im Fluss ist. So besteht keine Gefahr, dass die, welche durch geistliche Begnadigung erneuert worden sind, wieder einem dürren, abgestorbenen Felde gleichen. Unser ganzes Leben lang werden wir immer wieder Durst verspüren. Und dennoch haben wir nicht für einen Tag oder für eine kurze Zeit aus der Quelle des Geistes getrunken, sondern für immer. Beständig sprudelnd soll er uns nimmermehr fehlen. Durst, sogar brennenden Durst nach Geist haben gläubige Christen tagaus, tagein, und dennoch besitzen sie dabei eine Fülle von Lebenskraft; und wäre es nur ein Tröpfchen Gnade gewesen, was ihnen zufloss, - es belebt sie beständig, sodass sie niemals völlig verdorren. Die Sättigung, von der hier Christus redet, steht nicht im Gegensatz zum Verlangen, - das erneuert sich immer wieder, - sondern nur zur inneren Dürre. Die folgenden Worten machen das noch deutlicher: Es wird ein Brunnen des Wasser werden, das in das ewige Leben quillt. Damit wird eine beständige Bewässerung beschrieben, die in diesem hinfälligen Erdenleben in den Gläubigen das Himmlische und Ewige nährt. Nicht auf eine kleine Weise nur strömt Christi Gnade in uns ein, sondern sie ergießt sich in uns solange, bis wir droben selig und unsterblich sind. Nicht eher steht dieser Strom still, als bis das unvergängliche Leben, das er hervorruft, in jeder Beziehung vollendet ist.

V. 15. Gib mir das selbige Wasser. Sicherlich versteht das Weib recht gut, dass Christus von geistlichem Wasser spricht. Aber sie verachtet ihn und schlägt deshalb alle seine Verheißungen in den Wind. Die Lehre findet solange keinen Eingang, als der, welcher sie vorträgt, bei uns nicht in Ansehen steht. Das Weib will Christo einen Seitenhieb mit ihren Worten beibringen. Sie sind hämisch gemeint: Du bist ein rechter Großprahler! Von alle dem sehe ich nichts. Statt Worten zeige Taten, wenn du das kannst!

V. 16. Rufe deinen Mann. Das scheint gar nicht dahin zu gehören. Ja, es könnte jemand auf den Gedanken kommen: Christus streckt vor der Halsstarrigkeit des Weibes die Waffen und will in seiner Verlegenheit die Rede auf etwas anderes bringen. Dem ist aber nicht so. Er sah, dass das Weib sich über alles, was er sagte, belustigte. Da wendet er das einzige Mittel an, was in diesem Falle zu helfen vermag. Er rührt ihr ans Gewissen und erinnert sie an ihre Sünde. Wieder ein herrlicher Beweis seiner Barmherzigkeit! Fast wider ihren Willen zieht er sie, da sie freiwillig sich nicht nähern wollte. Sehr bemerkenswert ist, was ich eben andeutete: wenn jemand in übergroßer Sicherheit fast ganz stumpf ist, dann muss man ihn durch die Erinnerung an seine Sünde verwunden. Die Lehre Christi werden Leute, wie die Samariterin, steht für ein Märchen ansehen, bis man sie einmal durch Weckung ihres Gewissens vor den Richterstuhl Gottes ruft und sie nun den, welchen sie verachteten, als ihren Richter fürchten müssen. So sind alle die zu behandeln, welche keine Scheu tragen, gegen die Lehre Christi mit Witzeleien und Narrenspossen anzugehen; nur so können sie merken, dass ihnen das nicht ungestraft hingehen wird. Viele sind so trotzig, dass sie Christum niemals anhören würden, wenn man sie nicht dazu nötigte. So oft wir dann merken, dass das Öl Christi ihnen nicht schmecken will, müssen wir es mit Essig vermischen, um es ihnen schmackhaft zu machen. Ja, das tut uns allen not: solange wir nicht durch Buße aufgerüttelt sind, macht es gar keinen ernstlichen Eindruck auf uns, was Christus sagt. Zu ordentlichem Vorwärtskommen in der Schule Christi ist es unerlässlich, dass uns das Elend der eigenen Sündhaftigkeit vor Augen geführt wird. Mit scharfem Pfluge muss unser hartes Herz bearbeitet werden. Die Erkenntnis der Sünde erst verjagt jedes Gelüste, das sich erfrechen will, Gottes zu spotten. Sollte es uns jemals in den Sinn kommen, das Wort Gottes hintanzusetzen, so gibt es kein passenderes Heilmittel, als dass wir, jeder für sich, uns bemühen, an unsere Sünden zu denken und uns ihrer zu schämen. Dann wird das Zittern vor dem Gerichte Gottes nicht ausbleiben, und wir werden demütig uns unter den Gehorsam gegen das nämliche Gotteswort beugen, das uns vorher lächerlich und verächtlich war.

V. 17 u. 18. Ich habe keinen Mann. Noch ist von der Ermahnung, durch welche Christus die Seele des Weibes hatte zur Buße treiben wollen, keine Frucht zu sehen. Das erste Anklopfen schien nichts geholfen zu haben. Von Eigenliebe berauscht, liegt der Mensch in tiefem Schlafe, ja, er ist völlig stumpf, und ein solches erstes Anklopfen vermag ihn noch nicht zum Aufstehen zu bringen. Aber Jesus ist der rechte Arzt, der auch solche Trägheit zu heilen versteht. Er fasst die Eiterbeule und drückt sie kräftiger. Mit unverhüllten Worten deckt er des Weibes Schande auf. Schwerlich ist sie von Anfang an eine öffentliche Dirne von Beruf gewesen.

Der Herr sagt (V. 18): fünf Männer hast du gehabt. Sie war demnach wohl fünfmal verheiratet, hat aber jedes Mal durch wollüstiges, ungezügeltes Leben den Mann bewogen, ihr einen Scheidebrief auszustellen. Ich verstehe Jesu vorwurfsvolles Wort also folgendermaßen: In rechtlich anerkannten Ehen hast du anfänglich gelebt, warst aber so unersättlich in deiner Sünde, dass du in allgemeinen Verruf kamst und mehrmals verstoßen wurdest; jetzt aber bist du zur öffentlichen Dirne herabgesunken.

V. 19. Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist. Hier zeigt sich schon eine Frucht des gemachten Vorhaltes. Kleinlaut erkennt das Weib seine Schuld an. Ja, - hatte sie vorher die Belehrung Christi für recht überflüssig gehalten, jetzt ist sie bereit und gewärtig, sie zu hören; aus freien Stücken begehrt und verlangt sie danach. Gelehrig, wie schon gesagt, ist erst der, welcher Buße hat. Hast du Buße, dann steht die Tür vor dir offen in den Hörsaal des großen Lehrers Christus. An dem Beispiele des Weibes haben wir zu lernen, dass es gilt, die Gelegenheit zu benutzen, wenn jemand sich findet, der uns belehren kann; benutzen wir solche Gelegenheiten nicht, dann sind wir undankbar gegen Gott, der seine Propheten schickt und uns damit seine einladende Hand entgegenstreckt. Wohl zu beachten ist, was Paulus (Röm. 10, 15) schreibt, dass die Prediger uns von Gott gesendet werden.

V. 20. Unsere Väter haben auf diesem Berge angebetet usw. Fälschlich nehmen einige an, das Weib wolle, weil ihr die Vorwürfe lästig und verhasst waren, schlau nach einer anderen Seite hin ausbiegen. O nein! Vielmehr geht sie von dem Einzelfall über auf das Allgemeine. Von ihrer Sünde überführt, will sie nun gern Bescheid haben, wie man Gott richtig verehrt. Wenn sie einen Propheten in dieser Sache um Rat fragt, um nicht verkehrt beschieden zu werden, so zeigt sie sich gewiss von einem ganz richtigen Takte geleitet. Ist der Mann vor ihr ein Prophet, so ist es ja gerade so gut, als fragte sie Gott selber: wie willst du verehrt werden? In der Tat kann es ja nichts Verkehrteres geben, als wenn man sich nach eigenem Gutdünken, ohne Anleitung des Wortes Gottes, allerlei Arten der Gottesverehrung selber zurecht macht. Bekanntlich war gerade die rechte Anbetung der beständige Streitpunkt zwischen Juden und Samaritern. Obgleich die Kuthäer und die übrigen Ansiedler, welche nach der Wegführung der zehn Stämme in die Verbannung nach dem entvölkerten Samarien verpflanzt worden waren, durch Landplagen gezwungen, die gesetzlichen Bräuche auf sich genommen hatten und ihrer Versicherung nach, den Gott Israels anbeteten (vgl. 2. Kön. 17, 27, war dennoch ihre Religion eine verkümmerte und in einer für die Juden vielfach unerträglichen Weise entstellte. Recht entbrannt war der Religionsstreit erst nach der Errichtung eines Tempels auf dem Berge Garizim durch Manasse, den Sohn des Hohenpriesters Johannes und Bruder des Jaddus, zu der Zeit, als der letzte Perserkönig Darius durch seinen Landvogt Saneballetes Judäa beherrschte. Dieser Manasse hatte eine Perserin, die Tochter eines hohen königlichen Beamten, geheiratet. Um nun an Rang seinem Bruder, welcher zum Hohenpriester in Jerusalem gewählt worden war, nichts nachzugeben, ließ er sich zum Hohenpriester an dem samaritischen Tempel wählen; so viel wie möglich, bewog er auch Juden zum Abfall vom judäischen Heiligtum und zog sie zu sich herüber. Das alles ist zu lesen in einem alten jüdischen Geschichtswerke, verfasst von Josephus.

Wie es nun bei dergleichen Verrätern an der Sache der wahren Frömmigkeit üblich ist, dass sie ihr Tun mit Belegen aus dem Leben der Vorfahren zu rechtfertigen suchen, so war es auch bei den Samaritern. Das kann man aus den Worten des Weibes abnehmen: unsere Väter haben auf diesem Berge angebetet. Als ob man sich um des Vorgangs der Väter willen über Gottes Gesetz hinwegsetzen dürfte! Man soll aber niemanden unter die „Väter“ zählen, der nicht zweifellos zu Gottes Kindern gehört und durch hervorragende Frömmigkeit solchen Ehrentitel verdient. Jedenfalls ist es eine Sünde, dass man das Tun der Väter ohne weiteres zum allgemeinen Gesetz macht. Alles menschliche Tun muss seinen einzigen Maßstab im Gesetze Gottes finden. Wird die Nachahmung der Väter als oberstes Gesetz aufgestellt, so meint die Welt, sie dürfe, wenn sie nur ihr Vorbild für sich habe, ungestraft sündigen. Auch da würden wir mit buchstäblicher Nachahmung der Väter grobe Fehler machen, wenn wir in solchen Fällen, wo uns nicht derselbe Geist wie sie beseelt, oder wo wir nicht in gleicher Weise wie sie göttlich beauftragt sind, ihr Tun nachäffen wollten. Moses hat (2. Mo. 2, 12) sein Schwert herausgezogen und Rache genommen für die Misshandlung seines Volksgenossen. Pinehas hat an den Hurern die Strafe Gottes vollstreckt (4. Mo. 25, 7). Beides ist durchaus nicht unmittelbar nachahmenswert. Wenn in Israel so häufig, wie wir in der Schrift lesen, Väter auf den wahnsinnigen Gedanken gekommen sind, die eigenen Kinder zu schlachten, so hängt das nach der Meinung vieler damit zusammen, dass die Juden dadurch ihrem Vater Abraham gleichen wollten, dem ja (1. Mo. 22, 2) Gott befahl: opfere deinen Sohn Isaak. Ein schauerliches Missverständnis, als wäre das ein Gebot, das für jedermann Geltung habe, während es doch nur dem Abraham gegeben war und darauf abzielte, gerade dieses einen Mannes Gottesfurcht zu prüfen (1. Mo. 22, 12). Willst du nicht selbstverschuldeter weise in Irrtum hineingeraten, dann musst du immer darauf achten, was für einen Geist dir Gott geschenkt hat, was dein besonderer Beruf mit sich bringt, was dir gerade zukommt, was dir gerade anbefohlen ist. Auch gilt es zu bedenken, dass nicht eine Zeit ist wie die andere. Gott hat den Vätern besondere Vorschriften gemacht. Er macht auch uns zu unserer Zeit besondere Vorschriften. Dass man das nicht bedacht hat, war der Grund für den in die Kirche eingedrungenen Wust von Zeremonien. Man hat da den Fehler begangen, dass man den Tempeldienst der Juden einfach übernahm. Die Juden hatten ihre Opfer. Um nicht weniger prunkvolle Gottesdienste zu feiern, erfand man das Messopfer. Als hätte man sich schlecht dabei gestanden, wenn man alle jene jüdischen Bräuche, die doch nur schattenhafte Vorausdarstellungen des Opfers auf Golgatha waren, getrost hätte schwinden lassen! Je länger, je mehr holte man diese Dinge wieder in den christlichen Gottesdienst hinein.

O, lasset uns ja nicht wieder auf diese schiefe Bahn kommen, sondern genau beachten, was für unser Tun in der gegenwärtigen Zeit die Richtschnur sein muss. Für den jüdischen Gottesdienst hatte Gott ganz ausdrücklich Weihrauch, Lichter, Priestergewänder, Altar, Gefäße und dergleichen mehr vorgeschrieben. Da galt es, zu gehorchen. Denn Gehorsam ist Gott das Allerliebste. Unsere Lage hat sich durch das Erscheinen Christi sehr viel anders gestaltet.

Wir haben jetzt das Evangelium. So gilt es, darauf zu achten, was uns Gott in demselben vorschreibt, und nicht ohne weiteres in die Fußspuren der Väter zu treten, welche unter dem Gesetz treulich beobachteten, was damals zu beobachten war. Wir sind ja nicht mehr unter dem Gesetz! Was damals fromme Pflege des Heiligtums war, würde heute frevelhafte Tempelschändung sein. Der Irrtum der Samariter bestand darin, dass sie bei dem Beispiel Jakobs die so sehr veränderten Zeitumstände nicht in Anschlag brachten. Die Erzväter hatten allenthalben Altäre errichten dürfen; war doch der Platz noch nicht bestimmt, den der Herr später auf dem Berge Zion auserkor. Als aber der Tempel dort erbaut war, da hörte die Freiheit der früheren Zeit auf. Deswegen ordnete Moses an (5. Mo. 12, 8): späterhin sollt ihr nicht tun, was einem jeglichen recht dünkt, sondern nur, was ich euch befehle. Von der Zeit ab, da der Herr das Gesetz gab, hat er seine Verehrung an die gesetzlichen Vorschriften gebunden, während früher das Tun und Lassen des einzelnen mehr seinem Belieben überlassen war.

Eines ähnlichen Vorwandes wie hier hatte man einst für die Anbetung in Bethel sich bedient. Jakob hatte dort Gott ein feierliches Opfer dargebracht. Nachdem aber der Herr den Platz in Jerusalem bestimmt hatte, wurde aus dem Bethel (Haus Gottes) ein Bethawen (Haus der Sünde). –

Nun zurück zu unserer Stelle! Die Samariter sagten: Wir richten uns nach den Vätern! Die Juden: Wir gründen uns auf Gottes Gebot! Das Weib dort am Jakobsbrunnen hat bisher die Stammessitte mitgemacht; aber sie fühlt sich nicht wohl dabei. Unter Anbetung ist hier nicht jede Anbetung zu verstehen, - für die täglichen Gebete war natürlich jeder Platz gleich gut, - sondern diejenige, welche sich mit Opfern verband, also die öffentliche, feierliche Religionsübung.

V. 21. Weib, glaube mir usw. Im ersten Teil seiner Antwort schafft Christus kurzweg den zeremoniellen Gottesdienst ab, wie er unter dem Gesetz eingerichtet worden war. Denn indem er sagt, die Stunde stehe unmittelbar bevor, da man keine besonders auserwählte Stätte der Anbetung mehr haben werde, spricht er es aus. Dass das durch Moses vermittelte Gottesgebot nur zeitweilige Bedeutung gehabt habe; es nahe die Zeit, da der Zaun hinfalle. So führt Jesus den Gottesdienst aus den bisherigen Schranken heraus in größere Weite, wo auch die Samariter daran mitbeteiligt werden. Es kommt die Zeit, bedeutet hier so viel als: „sie wird kommen“; doch ist der Sinn: ganz bald wird der Teil des Gesetzes, welcher sich auf Tempel, Priesterschaft und verwandte äußere Bräuche bezieht, wegfallen. Christus nennt hier Gott ausdrücklich den Vater, wahrscheinlich im Gegensatz zu den Vätern, deren das Weib wiederholt Erwähnung getan hatte. Er will sagen: Gott wird dann der Vater sein für alle miteinander; und man wird ihn in großem Vereine anbeten ohne Unterschied des Ortes und des Volkstums.

V. 22. Jetzt setzt Jesus ausführlicher auseinander, was er in Bezug auf die Abschaffung des Gesetzes kurz angedeutet hatte. In dieser Auseinandersetzung sind zwei Hauptteile zu beobachten. In dem ersten verwirft er die bei den Samaritern bräuchliche Form der Gottesverehrung als abergläubisch und irrig und bezeugt, dass bei den Juden die wahre und rechte gewesen sei. Als Grund dieser Unterscheidung gibt er an: den Juden ist die Richtigkeit ihres Gottesdienstes durch das göttliche Wort verbürgt, wogegen den Samaritern solche Bürgschaft aus dem Munde Gottes fehlte.

Im zweiten Teile erklärt er, dass die bisher bei den Juden beobachteten Bräuche binnen kurzem ihr Ende finden würden.

Ihr wisset nicht, was ihr anbetet. Ein denkwürdiger Ausspruch, der uns belehrt, dass in religiösen Dingen nichts aufs Geratewohl hin und von Ungefähr darf angenommen werden, weil da, wo ausdrückliches Wissen fehlt, eben nicht mehr Gott, sondern ein Gebilde der eigenen Einbildungskraft oder eine Spukgestalt angebetet wird. Deshalb ist diese Stelle ein verzehrender Blitz für allen unbiblischen Gottesdienst, bei dem man sich darauf beruft, er geschehe doch aus der allerbesten Absicht. Wo kein ausdrückliches Wort oder Gebot Gottes die Menschen anleitet, sondern nur eigener Wahn und Gutdünken, da müssen sie unfehlbar in Irrtum verfallen. Christus tritt hier völlig auf die Seite seines Volkes und macht einen bedeutenden Unterschied zwischen Juden und Samaritern.

Denn er sagt: das Heil kommt von den Juden. Er bezeichnet es also als einen unbestreitbaren Vorzug der Juden, dass Gott mit ihnen den Bund des ewigen Heils geschlossen hat. Etliche Ausleger deuten diese Stelle auf Christus, der ja leiblich aus jüdischem Geschlechte ist. Und sicherlich gibt es, weil alle Gottesverheißungen Ja und Amen in ihm sind (2. Kor. 1, 20), kein Heil außer in ihm. Aber da kein Zweifel darüber obwalten kann, dass Christus den Juden deswegen den Vorzug zuerteilt, weil sie nicht irgendeine unbekannte Gottheit anbeten, sondern den einen Gott, der sich ihnen geoffenbart und der sie zu seinem Volke angenommen hat, so muss hier unter „Heil“ die heilbringende Offenbarung verstanden werden, welche sie an der himmlischen Lehre hatten. Aber warum sagt Jesus, dass es von ihnen komme, da es doch vielmehr bei ihnen als ein Schatz niedergelegt war, den sie allein gebrauchen sollten? Er spielt nach meiner Meinung auf die Prophetenstellen an, in denen geweissagt war, dass das Gesetz von Zion ausgehen werde (Jes. 2, 3). Denn nur in der Absicht hatte Gott die Juden für eine gewisse Zeit von den übrigen Völkern abgesondert, dass von ihnen dereinst die reine Gotteserkenntnis in die ganze Welt hinausströmen sollte. Die rechte Anbetung Gottes findet sich also dort, wo man seines Glaubens ganz gewiss ist. Solche Gewissheit aber kann nur aus dem Worte Gottes entstehen, woraus folgt, dass alle, welche vom Worte Gottes abgehen, in Götzendienst hineingeraten müssen.

Christus bezeugt deutlich, dass ein Götze oder ein hohles Wahngebilde an Gottes Stelle gesetzt wird, wo die Menschen den wahren Gott nicht kennen.

Als unwissend bezeichnet er alle, denen Gott sich nicht selbst geoffenbart hat. Leuchtet uns nicht das Licht seines Wortes, so sind wir unter der Herrschaft der Finsternis und Blindheit.

Zu bemerken ist indes, dass die Juden, da sie durch ihre Treulosigkeit den mit den Vätern geschlossenen Bund des ewigen Lebens gebrochen haben, des Schatzes verlustig gegangen sind, den sie damals noch besaßen. Damals waren sie ja noch nicht aus der Gemeinde Gottes ausgeschieden. Jetzt, wo sie den Sohn verleugnen, haben sie auch keine Gemeinschaft mehr mit dem Vater. Genau dasselbe gilt für alle, die sich von der reinen evangelischen Glaubenslehre geschieden haben und Menschenlügen den Vorzug geben. Mögen sie in ihrer Eigenwilligkeit sich selber noch so viel Beifall spenden, indem sie nach ihrem eigenen Kopfe oder nach menschlichen Überlieferungen Gott anbeten, - dieser eine Ausspruch unseres Herrn tönt vom Himmel herab wie ein Donnerschlag, der ihre vermeintliches Heiligtum zu Boden wirft: „Ihr wisset nicht, was ihr anbetet“. Soll unsere Religion Gott gefallen, so muss sie sich auf festes, aus der Schrift geschöpftes Wissen stützen können.

V. 23. Aber es kommt die Zeit usw. Es folgt der zweite Teil der Auseinandersetzung bezüglich des gesetzlichen Gottesdienstes. Wenn Jesus sagt, die Stunde komme oder werde kommen, so lehrt er damit, dass die mosaischen Anordnungen nicht immer bestehen bleiben werden. Wenn er sagt: die Stunde ist schon jetzt, so stellt er damit fest, dass die Zeit der Zeremonien abgelaufen ist, und nun etwas Besseres an ihre Stelle tritt. Dabei bestätigt er als für eine vergangene Zeit (Hebr. 9, 10) vollgültige Einrichtungen den Tempel, die Priesterschaft und alle damit zusammenhängenden Bräuche. Um nun zu zeigen, dass Gott weder zu Jerusalem noch auf dem Berge Garizim angebetet werden will, spricht Christus den erhabenen Grundsatz aus, dass der wahre Gottesdienst in der Anbetung im Geiste bestehe. Daraus folgt dann, dass man Gott mit Fug und Recht überall anbetet.

Fragen wir nun zunächst: Weshalb und in welchem Sinne wird die Gottesverehrung als eine geistliche bezeichnet? Damit wir das recht erfassen, ist der Finger auf den Gegensatz zwischen dem Geiste und den äußeren Sinnbildern zu legen, einen Gegensatz wie zwischen Schatten und wirklichem Gegenstand. Es heißt, die reche Gottesverehrung bestehe in der Anbetung im Geiste, weil dieselbe nichts anderes ist, als der im Herzen wohnende Glaube, der die Anrufung Gottes hervorbringt, ferner das gereinigte Gewissen und die Selbstverleugnung, die darin besteht, dass wir Gott völlig untertan, für ihn gleichsam heilige Opfer sind (Röm. 12, 1). Wir fragen weiter: Haben denn die Väter unter dem Gesetz Gott nicht im Geiste angebetet? Antwort: Gott ist immer der Gleiche; so hat ihm seit Beginn der Welt keine andere Anbetung gefallen als die geistliche. Dafür ist Moses selber hinreichend Zeuge, da er an vielen Stellen erklärt, das Gesetz bezwecke nichts anderes, als dass das Volk im Glauben und mit reinem Gewissen Gott anhange. Klarer noch wird das von den Propheten angedrückt, indem sie ernstlich gegen die Heuchelei des Volkes vorgehen, weil dasselbe meinte, Gott sei schon zufrieden gestellt, wenn man ihm Opfer darbringe und prunkvolle Festlichkeiten begehe. Es ist nicht nötig, hier viele Belegstellen anzuführen, denn die Schrift wimmelt von ihnen. Nur die hauptsächlichsten mögen hier ihre Stelle finden: Ps. 50; Jes. 1; 58; 66; Micha 5; Amos 7.

Wenn übrigens die Anbetung Gottes unter dem Gesetz einen geistlichen Charakter hatte, war derselbe doch dermaßen von den Hüllen von allerlei Zeremonien umgeben, dass in ihr das fleischliche und irdische Element sehr vorschmeckte. Deswegen bezeichnet Paulus die Zeremonien als Fleisch und dürftige Satzungen der Welt (Gal. 4, 9). Ähnlich sagt der Verfasser des Hebräerbriefs (9, 1), das alte Heiligtum mit allem, was dazu gehörte, sei irdisch gewesen. Deshalb wird es der passende Ausdruck sein: die gesetzliche Gottesverehrung war ihrem Gehalte nach geistlich, ihrer Form nach in gewisser Weise fleischlich und irdisch. Der Gesamtzustand im Alten Bunde war ein schattenhafter, sinnbildlicher; die Realität, die Sache selbst, tritt nun erst offen hervor.

Nun können wir sehen, was die Juden mit uns gemein gehabt haben und was nicht. Zu allen Jahrhunderten wollte Gott durch Glauben, Gebete, Danksagung, Reinheit des Herzens und fleckenloses Leben verehrt werden; das waren die Opfer, die ihm allein gefielen. Im Gesetz war mancherlei anderes hinzugekommen, sodass Geist und Wahrheit unter Schleiern verhüllt waren. Jetzt ist der Vorhang im Tempel zerrissen und nichts mehr dunkel und verdeckt. Auch wir haben allerdings heute noch gewisse äußerliche Übungen der Frömmigkeit, deren wir in unserer Unreife noch bedürfen, aber sie entsprechen nur dann dem rechten Maße und der rechten Nüchternheit, wenn sie die schlichte und klare Wahrheit Christi nicht verdunkeln. Was den Vätern nur schattenhaft angedeutet worden war, das haben wir jetzt klar und ausdrücklich. Das Papsttum hat diesen Unterschied nicht nur verwischt, sondern völlig ausgemerzt. Denn die Schatten finden sich bei den Römischen nicht weniger massenhaft, als im jüdischen Gottesdienst vor Zeiten. Dem gegenüber halten wir daran fest, dass keine Ausflucht uns dahin bringen darf, den von Christus festgestellten Grundsatz zu durchbrechen. Weiß doch der Herr am besten, was seiner Gemeinde frommt.

Die wahrhaftigen Anbeter. Wie es scheint, soll das hier gebrauchte Beiwort einen Hieb gegen den alsbald hervortretenden jüdischen Starrsinn bedeuten. Wissen wir doch, wie heftig und kampflustig nach Offenbarung des Evangeliums die Juden für ihre altgewohnten Zeremonien eintraten. Doch hat unser Satz eine noch weitergehende Bedeutung. Der Herr wusste, dass die Welt nie ganz von abergläubischen Dingen gereinigt werden würde; er scheidet deshalb die frommen und rechten Anbeter von den verkehrten und nur vorgeblichen. Diese Aussage Christi deckt unsern schlichten und reinen evangelischen Gottesdienst gegen alle Zeremonien des Papsttums. Wo man Gott wirklich im Geist und in der Wahrheit anbetet, verschmäht man die Hüllen der alttestamentlichen Bräuche und behält nur das bei, was an der Gottesverehrung geistlich ist. Darin besteht die „Wahrheit“ und der Kern der Gottesverehrung, während die Zeremonien nur Anhängsel bilden. „Wahrheit“ steht ja hier nicht im Gegensatz zur Lüge, sondern zu den wesenlosen Sinnbildern.

V. 24. Gott ist Geist. Diese Aussage über das Wesen Gottes dient zur Bestätigung des vorigen Satzes. Da die Menschen Fleisch sind, so ist es nicht zu verwundern, dass ihnen das zusagt, was dieser ihrer Anlage entspricht. Davon kommt es, dass sie beim Gottesdienst sich vieles ausdenken, was großartig aussieht, aber gar keinen Kern hat. Sehr unziemlicher Weise! Denn beim Gottesdienst gilt es in erster Linie zu bedenken: wir haben es mit Gott zu tun. Und der Unterschied zwischen ihm und dem Fleische ist um nichts geringer, als der zwischen Feuer und Wasser. Diese eine Erwägung müsste, wenn es sich um die Art der Gottesverehrung handelt, genügen, um das zügellose Gelüsten unserer eigenen Gedanken zu bändigen. Der Abstand ist ein so großer, dass, was unserem Fleische aufs trefflichste gefällt, dem Herrn abscheulich und widerwärtig ist. Die Heuchler werden durch ihren Hochmut so blind, dass sie sich nicht scheuen, von Gott zu verlangen, er solle sich ihrer Meinung oder vielmehr ihrer Willkür fügen. Dem gegenüber dürfen wir dessen gewiss sein, dass die Selbstbescheidung, der alles, was unserem Fleische wohl gefallen möchte, verdächtig ist, sicherlich nicht den untersten Platz hat bei der wahren Gottesverehrung. Auf die höchste Höhe derselben werden wir freilich hier auf Erden kaum gelangen; aber wir haben in Gottes Wort die Richtschnur zu suchen, nach der wir unser Leben einrichten.

V. 25. Ich weiß, dass Messias kommt. So unrein und von allerlei Irrtümern durchsetzt die Religion bei den Samaritern auch war, gewisse Grundlehren, die aus dem Gesetze entnommen waren, hatten sich doch ihren Seelen eingeprägt, wie hier die vom Messias. Wahrscheinlich kam dem Weibe, als sie aus der Rede Christi schloss, dass eine außerordentliche Veränderung der Gemeinde Gottes bevorstehe, alsbald der Messias in die Gedanken: hoffte sie doch, dass unter ihm alles erneuert werden würde. Wenn sie sagt, der Messias werde kommen, so scheint sie von einem nahen Zeitpunkte zu reden. In der Tat wissen wir auch sonst, dass man damals mit allgemeiner Spannung auf das Kommen des Messias wartete. Er sollte dem Volke Gottes in seiner unglückseligen, ja hoffnungslosen Lage zu Hilfe kommen. Die Worte des Weibes ergeben nun zweifellos, dass sie den Messias und sein Lehramt hoch über Moses und alle Propheten stellt. Ihre wenigen Worte besagen dreierlei.

Erstens: die Lehre des Gesetzes ist keine in jeder Beziehung vollendete gewesen, sondern enthielt nur die elementarsten Wahrheiten. Nur bei der Annahme eines weiter noch bevorstehenden Fortschritts hatte es einen Sinn, zu erwarten, dass der Messias alles verkündigen werde. Also die Propheten haben nur den Anfangsunterricht erteilt: Aufgabe des Messias wird es sein, die Schüler zum Ziel zu führen.

Zweitens erklärt die Samariterin, sie hoffe auf einen Christus, der die Willensmeinung des Vaters kundgeben und alle Frommen belehren und unterweisen werde.

Endlich deutet sie an, dass dann etwas Besseres oder Vollkommeneres nicht mehr gesucht werden dürfe, sondern dass seine Lehre der Weisheit höchster Gipfel sei, über den man nicht weiter hinauskomme.

Die Weisheit dieses Weibleins übertrifft den Papst und Mohammed. Was haben diese anders getan als die Lehre des Evangeliums durch ihre üblen Zusätze „vervollständigt“? Als wäre sie ohne ihren Unsinn unvollständig gewesen! Wer in Christi Schule etwas Rechtes gelernt hat, wird nicht auf den Gedanken kommen, sich nach anderen Lehrern umzusehen, wird auch niemandem anders die Befugnis des Lehrens einräumen.

V. 26. Ich bin es, der mit dir redet. Indem Jesus sich dem Weibe als Messias kundtat, bietet er sich ihr offenbar als Lehrer an, um der Hoffnung, die sie hegt, zu entsprechen. Daher ist es nur wahrscheinlich, dass eine reichere Belehrung sich noch angeschlossen hat, die ihren Durst zu stillen bestimmt war. Jesus wollte gerade an diesem armseligen Weibe einen Beweis seiner Gnade geben, um es jedermann zu bezeugen, dass er es nie an sich fehlen lässt, wo man ihn als Lehrer haben will. Es ist also keine Gefahr vorhanden, dass er irgendjemanden links liegen lässt, bei dem er wirklichen Lerneifer findet. Wem es aber zu lästig ist, sich seiner Belehrung zu unterwerfen, oder wer anderswo eine höhere Weisheit erwartet, der ist es wert, in unzähligen Vorspiegelungen sogenannter Weisheit ruhelos umherzuirren und in einem Wirrsal von Irrtum zu versinken. Übrigens ist der Messias-Name, den Jesus für sich beansprucht, ein Siegel für die Lehre des Evangeliums. Der Messias oder Christus (d. h. der Gesalbte) hat vom Vater die Salbung empfangen dadurch, dass der Geist Gottes sich auf ihn niedergelassen hat, damit er uns die Heilsbotschaft überbrächte (Jes. 61, 1).

V. 27. Und es nahm sie wunder. Wenn der Evangelist berichtet, dass die Jünger sich gewundert haben, so kann das zweierlei Gründe haben; entweder nahmen sie Anstoß an der Verworfenheit des Weibes, oder sie meinten, für Juden sei eine Unterredung mit Samaritern verunreinigend. Beides entsprang aus frommer Ehrfurcht vor dem Meister. Und doch handeln sie grundverkehrt, wenn sie staunen, als sei es sinnlos, dass er ein so verkommenes Weib solcher Ehre würdigt. Warum werfen sie keinen Blick auf sich selber? Sie würden da nicht weniger Stoff zum Staunen finden, darüber dass sie, so unbedeutende Menschenkinder, sozusagen die Spreu des Volkes, auf die höchste Ehrenstufe erhoben worden waren. Wenn sie nun trotz ihrer Verwunderung sich nicht getrauen, den Herrn zu fragen, so ist dies nur außerordentlich lehrreich: will uns auch bisweilen in Gottes und Christi Werken und Worten etwas sonderbar vorkommen, so dürfen wir uns doch nicht die Zügel schießen lassen, indem wir heftig dagegen aufbegehren; vielmehr sollen wir dann bescheidentlich den Mund halten, bis Gott uns das, was uns verborgen war, vom Himmel her offenbart. Gottesfurch und ehrerbietige Scheu vor Christo ist der Boden, auf dem solche Bescheidenheit gedeiht.

V. 28. Da ließ das Weib usw. Das erzählt der Evangelist, um zu zeigen, wie völlig sie hingenommen war von dem, was sie bewegte. Nun hat sie höchste Eile. Sie lässt sogar ihren Krug stehen und kehrt um in die Stadt. Das ist ja des Glaubens Art, dass wir den Wunsch haben, wenn wir des ewigen Lebens teilhaftig geworden sind, auch andere zu gewinnen. Wenn einer Gott erkannt hat, so lässt er diese Erkenntnis nicht in seinem Herzen liegen wie in einem Grabe; nein, er muss darüber bei anderen sprechen. Es bewahrheitet sich immer wieder (Ps. 116, 10): „Ich glaube, darum rede ich.“ Und umso merkwürdiger sind für uns der Drang und die Freudigkeit des Weibes, da sie sich an einem ganz kleinen Fünkchen Glaubens entzündet haben. Eben erst hat sie von Christo etwas geschmeckt, da macht sie ihn schon in der ganzen Stadt bekannt. Also ist es für die, welche schon einigermaßen in der Schule Christi Fortschritte gemacht haben, mehr als schimpflich, wenn sie sich träge erzeigen. Aber ist es nicht vielleicht gerade tadelnswert, dass das Weib bei ihrer eben erst gewonnenen und noch unfertigen Erkenntnis die Schranken ihres Glaubensmaßes überspringt? Darauf ist zu antworten: sie würde allerdings unüberlegt gehandelt haben, wenn sie sich als Lehrmeisterin hätte aufspielen wollen. Das hat sie aber gar nicht getan. Sie wünscht ja nur ihre Mitbürger anzuregen, dass sie Christum anhören sollen. Der Vorwurf, dass sie sich vergessen und zu weit vorgewagt habe, würde vollkommen unbegründet sein. Was sie getan hat, war, dass sie, einer Trompete oder einer Ausruferschelle ähnlich, zu Jesu zu gehen einlud.

V. 29 bis 31. Sehet einen Menschen … ob er nicht Christus sei? Diese noch zweifelnde Redeweise könnte den Schein erwecken, als habe das Weib von Christi Würde doch noch keinen tieferen Eindruck empfangen. Wir müssen aber annehmen, dass die im Bewusstsein ihrer Unfähigkeit, ein so tiefes Geheimnis in überzeugender Rede zu vertreten, in ihrer Weise das Beste tat, ihre Mitbürger zu Christo zu locken. Der wirksamste Stachel hierfür war der Hinweis auf ein unzweideutiges, wenn auch im Verhältnis zur Lehre ungeordnetes Zeichen, wodurch Jesus sich als Prophet zu erkennen gegeben hatte: er hat mir alles gesagt, was ich getan habe. Wenn die Leute hören, dass Jesus dem Weibe verborgene Dinge eröffnet hat, so ziehen sie den Schluss, dass er ein Prophet Gottes sein muss. Steht aber dies fest, so erwacht das Verlangen nach seinem Unterricht. Obgleich die Anregung des Weibes weiter geht, - sie sollen sehen, ob er nicht der Messias ist, - ist sie mit dem ersten Erfolg schon zufrieden. Sie überlässt es ihnen selbst, zu suchen, was sie schon gefunden hatte. Sie wusste ja, dass sie bei Christo mehr finden würden, als was sie versprach.

Aber warum übertreibt sie, Christus habe ihr alles gesagt? Wie schon oben gesagt, hat sie Christus nicht nur um die eine Tatsache ihrer Buhlschaft zur Rede gestellt, sondern ihr in kurzen Worten eine ganze Reihe von Versündigungen vorgeworfen, durch die ihr ganzes Leben befleckt war. Der Evangelist hat ja auch nicht haarklein die einzelnen Aussprüche Jesu alle berichtet, sondern nur zusammenfassend mitgeteilt, dass Christus, um die geschwätzige Zunge des Weibes zu zähmen, das frühere und gegenwärtige Leben desselben zur Sprache gebracht hat. Dabei sehen wir auch, dass sie, von frommem Eifer entzündet, sich und ihren Ruf durchaus nicht schont, um nur den Namen Christi in helles Licht zu setzen; denn sie hält mit der Erzählung ihrer eigenen Schande nicht zurück.

V. 32 u. 33. Ich habe eine Speise usw. Wunderbar, dass Jesus trotz seiner Müdigkeit und trotz seines Hungers keine Speise annehmen will. Das, was geschehen ist, beschäftigt eben seine ganze Seele, dass es ihn keiner Überwindung kostet, die Speise unberührt zu lassen. Dabei ist Jesu Meinung durchaus nicht, dass er im Eifer für die Erfüllung der Gebote seines Vaters überhaupt nicht essen und trinken wolle. Er zeigt nur, was ihm an erster, und was an zweiter Stelle steht. So lehrt uns denn sein Beispiel, dass die Sache des Reiches Gottes den Vorzug vor aller leiblichen Bequemlichkeit haben muss. Gott erlaubt uns, zu essen und zu trinken; wir dürfen nur darüber die Hauptsache nicht außeracht lassen, die darin besteht, dass ein jeder den Ansprüchen seines Berufes Folge leistet. Man könnte einwerfen: aber in jedem Falle sind doch Speise und Trank Ablenkungsmittel, durch die wir von einer besseren Verwendung unserer Zeit abgehalten werden. Das ist wahr, ich gebe es zu, aber weil der Herr in seiner Nachsicht uns gestattet, dass wir für unser leibliches Leben sorgen, soweit es die Not erfordert, so darf man demjenigen, welcher mäßig und nüchtern dem Körper das Seinige zuführt, sicherlich nicht den Vorwurf machen, er vergesse, den Gehorsam gegen Gott über alles zu stellen. Indes haben wir uns zu hüten, dass wir uns nicht dermaßen an die bestimmte Essenszeit binden, dass wir nicht bereit wären, die irdische Speise uns auch einmal zu versagen, wenn Gott der Herr uns eine besondere Gelegenheit gibt, für sein Reich zu arbeiten, die es eben zu ergreifen gilt. Ein solcher günstiger Augenblick war jetzt in Christi Händen. Wenn er jetzt hätte essen wollen, wäre derselbe ihm entschlüpft.

Deshalb packt er ihn recht fest und lässt ihn sich nicht entgehen. Die Arbeit, die der Vater ihm aufgetragen hat, drängt dermaßen, dass darüber alles andere stehen und liegen bleiben muss, selbstverständlich auch das Essen. Es würde sich auch sehr sonderbar ausgenommen haben, wo die Samariterin ihren Krug stehen lässt und davon läuft, um das Volk herbeizurufen, wenn dann an Christo weniger Eifer zu sehen gewesen wäre. Behalten wir nur scharf im Auge, dass wir nicht, um unser Leben zu erhalten, das preisgeben dürfen, um dessentwillen sich allein zu leben lohnt, - so werden wir ohne Schwierigkeit den rechten Weg finden. Wer sich als Lebensziel erwählt hat, dem Herrn zu dienen, wovon er selbst um den Preis des Todes nicht abweichen darf, der wird daran mehr haben als Speise und Trank. Die bildliche Redewendung vom Essen und Trinken gewinnt dadurch mehr an Reiz und Anmut, dass sie sich so natürlich aus der Unterredung ergibt.

V. 34. Meine Speise ist usw. Jesus will damit nicht bloß sagen, dass es sein höchstes Anliegen ist, des Vaters Willen zu tun, sondern auch, dass es nichts gibt, was ihm mehr Freude machen könnte, oder womit er sich lieber und begieriger beschäftigen möchte. So sagte David zur Empfehlung des göttlichen Gesetzes nicht bloß, dass es für ihn köstlich gewesen sei, sondern sogar süßer als Honig (Ps. 19, 11). Wollen wir rechte Nachfolger Christi sein, so müssen wir nicht nur mit inniger Begier uns Gott hingeben, sondern so willig sein in der Ausrichtung seiner Befehle, dass uns keine Arbeit zu sauer wird. Indem Christus fortfährt: und vollende sein Werk, gibt er genügenden Aufschluss darüber, worauf des Vaters Wille gerichtet war, dem er sich mit solcher Hingebung widmet, nämlich darauf, dass Jesus das ihm befohlene Amt ausführen sollte. So hat jeder auf seine besondere Berufung zu achten, damit keiner einen göttlichen Auftrag vorschütze, während er doch nach seinem eigenen Dafürhalten ohne Beruf etwas unternimmt. Übrigens ist ja zur Genüge bekannt, was Christo oblag: er sollte das Reich Gottes ausbreiten, verlorene Seelen wieder ins Leben rufen, das Licht des Evangeliums erstrahlen lassen, kurz der Welt das Heil bringen. Daran lag ihm alles! So konnte er trotz seiner Ermattung und seines Hungers Essen und Trinken vergessen. Überaus tröstlich für uns! Hat Christus so sehr das Heil der Menschen sich angelegen sein lassen, dass es für ihn die höchste Wonne war, sich darum zu bemühen, dann wohl uns! Denn zweifellos ist er heute noch ebenso gesinnt gegen uns, wie damals.

V. 35. Sagt ihr nicht usw. Jesus führt hier den vorigen Ausspruch weiter aus. Er hatte gesagt, es gehe ihm nichts davor, dass er des Vaters Werk vollende. Jetzt zeigt er, wie reif dies Werk schon ist und stellt dabei den Vergleich mit der Ernte an. Ist die Aussaat reif geworden, so darf man die Ernte nicht hinausschieben; die Körner fallen sonst aus. Ebenso ist es auch bei der geistlichen Frucht. Auch da darf man, sobald sie reif ist, nicht zögern; jeder Aufschub wäre Sünde. Wir sehen, wozu Jesus den Vergleich heranzieht; er will sagen: hier tut Eile not. Das Satzteilchen: „sagt ihr nicht“, ist ein Stich auf unsere irdische Gesinnung. Wie viel aufmerksamer sind wir doch auf irdische, als auf himmlische Angelegenheiten! Wie brennen die Menschen von Verlangen nach der Ernte! Wie rechnen sie ängstlich Monate und Tage! Und dagegen: wie stumpf sind wir, himmlischen Weizen zu sammeln! Dass diese Untugend uns nicht nur angeboren, sondern in unserem Herzen fast nicht auszurotten ist, bezeugt die tägliche Erfahrung. Weit hinaus tragen wir alle fürs irdische Leben Sorge; dagegen wie wenig wenden wir unsere Gedanken den göttlichen Dingen zu! Deshalb sagt Christus (Mt. 16, 3): Ihr Heuchler, nach dem Aussehen des Himmels beurteilt ihr, was morgen für ein Tag sein wird; die Zeit meiner Heimsuchung aber merkt ihr nicht.

V. 36. Und wer da schneidet, der empfängt Lohn. Ein zweiter Grund, der unseren Eifer für Gottes Werk rege halten soll: es wartet unser für solche Mühe ein reicher, herrlicher Lohn. Jesus verheißt eine Frucht, und zwar eine unvergängliche, die zum ewigen Leben führt.

Übrigens kann dieser letzte Satz doppelt verstanden werden.

Entweder ist er eine Erklärung des Lohnes, - dann würde Christus zweimal dasselbe sagen, nur mit verschiedenen Worten, - oder er ist eine Empfehlung der Arbeit für die Ausbreitung des Reiches Gottes, wie der Herr sie später (15, 16) wiederholt: „Ich habe euch erwählt, dass ihr hingeht und Frucht bringt, und eure Frucht bleibe.“ Und gewiss muss Beides den Dienern am Wort einen fröhlichen Mut machen, sodass sie niemals unter der Arbeit ermatten, wenn sie hören, dass im Himmel für sie die Krone der Herrlichkeit bereit liegt, und wenn sie wissen, dass die Frucht ihrer Ernte nicht bloß vor Gott köstlich, sondern noch dazu ewige sein wird.

Zu diesem Zwecke, nämlich um zu ermutigen, pflegt allenthalben in der Schrift der Lohn erwähnt zu werden, nicht aber, um unsere Werke als verdienstliche hinzustellen. Wer wird zur Stunde der Rechenschaft nicht vielmehr der Strafe für Unfleiß, als des Lohnes für Fleiß würdig befunden werden? Ach, den besten Arbeitern wird nichts anderes übrig bleiben, als dass sie sich dann niederwerfen und ihre Zuflucht zu demütiger Bitte um Vergebung nehmen. Der Herr handelt mit uns wie ein Vater. Um uns aus unserer Trägheit herauszuholen und uns, denen des recht an Beherztheit fehlt, umso mehr zu ermutigen, lässt er sich dazu herab, uns einen Gnadenlohn auszuzahlen.

Die Lehre vom Lohn vermag, so gefasst, die Gerechtigkeit aus Glauben nicht zu zerstören, sondern nur zu befestigen. Woher kommt es denn, dass Gott bei uns überhaupt etwas findet, wofür er uns belohnen kann? Doch nur davon, dass er uns mit seinem Geiste beschenkt hat. Nun wissen wir aber, dass der Geist das Angeld und Unterpfand der Kindschaft ist. Weiter: woher kommt es, dass Gott solchen Werken, denen Unvollkommenheit und Sünde anklebt, so große Ehre erweist? Einzig davon, dass er, nachdem er uns aus Gnaden mit sich versöhnt hat, das Sündliche, was unseren Werken noch anhaftet, nicht in Anrechnung bringt. Obwohl wir das nicht verdient hätten, nimmt er unsere Werke an. Alles in allem soll diese Stelle besagen, dass die Mühe, welche die Apostel auf das Lehren verwenden, ihnen nicht im mindesten hart oder drückend sein darf, wenn sie dabei wissen, wie nützlich sie für sie selber, wie fruchtbar für Christum und die Gemeinde ist.

Auf dass sich miteinander freuen, der da sät usw. Mit diesen Worten weist Christus darauf hin, dass sich niemand darüber beklagen wird, wenn die Apostel auf einem Boden, den ein anderer bebaut hatte, die Frucht einsammeln werden. Diese Ausführung gilt es wohl zu beachten. Wie viel wird in dieser Welt geseufzt von denen, die sich darüber beklagen, dass ein anderer die Frucht davonträgt, wo sie gearbeitet haben! Und doch verhindert das nicht, dass der neue Besitzer die Saat, die ein anderer einst dem Erdboden anvertraut hat, mit Vergnügen erntet. Wo ist da die Einmütigkeit von dem, der sät, und von dem, der schneidet? Wo ist da die wechselseitige Freude und Beglückwünschung? Versteht es sich nicht ganz von selbst, dass die, welche schneiden, weit fröhlicher sind, als die anderen? Zum rechten Verständnis unserer Stelle muss man den Gegensatz zwischen Saat und Ernte im Sinne behalten. Die Aussaat war die Lehre des Gesetzes und der Propheten. Damals wurde die Saat in den Boden geworfen und blieb sozusagen im ersten Wachstum stehen. Die Lehre des Evangeliums dagegen wird passenderweise, da sie die Menschen zur vollen Reife führt, mit der Ernte verglichen. Das Gesetz war weit entfernt von der Vollkommenheit, welche erst in Christo erschienen ist.

Bekannt ist auch der Vergleich zwischen der Kindheit und dem Mannesalter, welchen Paulus zieht (Gal. 4, 1), und der geradeso gemeint ist. Erst die Ankunft Christi brachte die volle Heilsgegenwart mit sich; deshalb ist es nicht wunderbar, wenn das Evangelium, in welchem die Tür zum Himmelreich offen steht, eine Ernte der prophetischen Lehre genannt wird. Dem steht nicht im Wege, dass auch die Väter unter dem Gesetz in Gottes Scheuern gesammelt worden sind.

Der Vergleich mit Saat und Ernte bezieht sich ja lediglich auf die verschiedene Weise einer und derselben Lehre. Wie das Kindesalter der Kirche bis zum Ende des Gesetzes gewährt hat, und dann nach der Predigt des Evangeliums rasch das Jünglingsalter folgte, so begann zu dieser Zeit das Heil zu reifen, dessen Aussaat wenigstens die Propheten gemacht hatten.

Aber da Christus diese Rede in Samarien gehalten hat, so scheint es, dass er die Aussaat weiter als auf das Gesetz und die Propheten ausdehnte. Es gibt sogar Ausleger, die diese Gedanken sowohl auf die Heiden als auf die Juden beziehen.

Ich gestehe zu, dass einige Körnlein der Frömmigkeit jederzeit in der ganzen Welt ausgestreut waren, ja, es kann keinem Zweifel unterliegen, dass hie und da bei Philosophen und weltlichen Schriftstellern sich sinnreiche, schöne Aussprüche finden, die wir als Samenkörner ansehen müssen, welche Gott ihnen zum Aussäen in die Hände gelegt hat. Aber dieser Same wurde in der untersten Wurzel verfälscht. Die Ernte also, die daraus hervorwachsen konnte, war nicht die rechte. Das Gute, was wirklich aufwachsen wollte, wurde durch einen wahren Wust von Irrtum in der Heidenwelt erstickt.

Die heidnische Verderbnis lässt sich unmöglich mit einer Ernte vergleichen. Ferner passt das, was hier über die gemeinsame Freude steht, gar nicht auf die Weltweisen und ihresgleichen. Doch der Knoten ist noch nicht aufgeknüpft, da Christus in der Tat gerade von den Samaritern redet. Wie ist er zu lösen?

Nun, es war doch, obwohl bei ihnen alles von Verderbnis befleckt war, dort ein gewisser Same von Frömmigkeit verborgen. Woher denn solche Bereitwilligkeit, sobald sie das Wort von Christo hören, ihn aufzusuchen? Gewiss davon, dass sie aus Gesetz und Propheten gelernt hatten, der Erlöser werde kommen. Der eigentliche Acker des Herrn war Judäa gewesen; durch seine Propheten hatte er ihn bestellt. Aber da ja ein kleiner Teil der Aussaat nach Samarien hingebracht worden war, sagt Christus nicht unzutreffend, dass auch dort die Saat gereift sei.

V. 37 u. 38. Hie ist der Spruch wahr usw. Das war ein bekanntes Sprichwort, das die Wahrheit aussprach, dass viele oftmals den Ertrag fremder Arbeit hinnehmen. Doch traf hier nicht zu, dass der, welcher die Arbeit getan hat, sich darum grämt, wenn ein anderer die Frucht einheimst. Die Apostel hatten vielmehr die Propheten zu Genossen ihrer Freude. Doch kann hieraus nicht geschlossen werden, dass die Propheten noch Zeugen und Mitwisser dessen sind, was heutzutage in der Gemeinde sich zuträgt. Christus will nur von der freudigen Stimmung des Glaubens reden, mit welcher sich schon im Voraus die Propheten der Frucht gefreut haben, die ihnen nicht mehr selbst zu sammeln vergönnt war. Viel Ähnlichkeit mit unserer Stelle hat 1. Petr. 1, 12, wo gesagt wird, dass die Weissagungen der Propheten nicht für sie selbst, sondern für uns bestimmt waren. Nur redet Petrus dort zu der Gesamtheit der Gläubigen, während Christus hier die Jünger allein im Auge hat und in ihrer Person die Diener des Evangeliums. Er heißt sie mit diesen Worten in voller Einmütigkeit ihre Arbeit verrichten, ohne Eifersüchteleien. Wer zuerst ans Werk geschickt wird, der soll auf die Bestellung des Landes, wie sie gerade nottut, dermaßen sein Augenmerk richten, dass er einem Nachfolger den reicheren Segen nicht neidet, den dieser wie auf einem reifen Saatfelde einernten darf. Jeder soll mit voller Freudigkeit sein Teil Arbeit ausführen.

V. 39 u. 40. Es glaubten aber viele usw. Hier berichtet der Evangelist, was die Verkündigung des Weibes bei ihren Mitbürgern ausgerichtet hat. Es zeigt sich dadurch, dass die Kraft der Hoffnung und Sehnsucht, es möchte sich die messianische Verheißung erfüllen, gar nicht unbedeutend gewesen ist. Das Wort „glauben“ wird hier anders als gewöhnlich gebraucht, nämlich nur dafür, dass das Wort des Weibes die Leute dazu anregte, in Christus eine Propheten zu sehen. Es ist das eine Art Glaubensanfang, wenn die Seelen vorbereitet sind, die Lehre aufzunehmen. Es geschieht solchem beginnenden Glaubensleben hier eine besondere Ehre, wenn es schon als Glaube bezeichnet wird. Wir sollen daran sehen, wie hoch Gott schon die bloße Ehrfurcht vor seinem Wort wertet. Schon der bloßen Lernbereitschaft, die zum Lernen selbst noch gar nicht gekommen war, gibt Gottes Wort den Ehrentitel des Glaubens! Der erste Beweis dieses Glaubens gibt sich darin kund, dass die Samariter wünschen, weiter zu kommen und deshalb Christum bitten, bei ihnen zu verweilen.

V. 41. Viel mehr glaubten um seines Wortes willen. Aus dem Erfolg wird es deutlich, dass Christus nicht übereilt ihnen seine Zusage gab. Sehen wir doch, wie viel Frucht die zwei Tage gezeitigt haben, die er auf ihre Bitte ihnen zugestanden hat. Dies Beispiel will uns lehren, dass man stets freudig zugreifen soll, wenn sich eine Gelegenheit zur Ausbreitung des Reiches Gottes bietet. Wenn wir uns sorgen, unsere Gefälligkeit möchte falsch ausgelegt werden oder in vielen Fällen ohne Nutzen sein, so wollen wir Christum um den Geist des Rates und der Weisheit bitten, der unseren Weg lenke. Das Wort „glauben“ hat hier seinen gewohnten Sinn wieder; es bezeichnet nicht, wie vorhin, dass die Samariter nur für den Glauben empfänglich waren, sondern sie ihn nun wirklich empfangen hatten.

V. 42 u. 43. Nicht mehr um deiner Rede willen. Die Samariter sind froh darüber, dass ihr Glaube jetzt eine so zuverlässige Stütze hat. Mit der Zuverlässigkeit einer Frauenzunge ist es ja manchmal nicht weit her.

Wir glauben. Ihr Glaube war nun aus dem Worte Gottes geschöpft. Sie können sich rühmen: wir haben Gottes Sohn zum Lehrer. Sicherlich ist er es allein, auf den man sich unbedingt verlassen kann. Ist er auch jetzt nicht mehr sichtbar zugegen, um mit uns von Mund zu Mund zu reden, so muss doch ganz allein auf ihm selbst unser Glaube ruhen, wer es auch sein mag, durch dessen Mund er zu uns redet. Zu einem Wissen und Erkennen, von dem ja die Samariter hier reden, kann es sonst nicht kommen. Die Rede eines sterblichen Menschen wird zwar unsere Ohren füllen und satt machen können, aber sie wird niemals unserer Seele die starke, stille Heilszuversicht verleihen, die sich einer vollen Gewissheit fröhlich rühmen kann. Willst du glauben, so wisse zuvörderst: Christus selbst ist es, der durch seine Diener redet. Dann aber gibt ihm auch die Ehre, die ihm zukommt, nämlich zweifle nicht, dass er treu und wahrhaftig ist, so dass du ihm als einem sicheren Gewährsmanne trauen und dich auf seine Lehre getrost stützen kannst. Wenn die Samariter übrigens aussprechen: dieser ist wahrlich Christus, also der Messias, der Welt Heiland, so ist das ohne Zweifel ein wörtlicher Nachklang der Predigt Jesu. Wir ziehen daraus den Schluss, dass Jesus in gedrängter Zusammenfassung ihnen binnen zwei Tagen das Evangelium verkündet hat, und zwar schlichter, vertraulicher, als vor kurzem in Jerusalem. Dabei hat er hervorgehoben, dass das Heil, welches er brachte, der ganzen Welt zugutekommen sollte; so konnten sie desto besser verstehen, dass es auch sie etwas anging. Er hat sie ja nicht als die zur Teilnahme an der Heilsgnade berechtigen Erben berufen, sondern hat gelehrt, dass er gekommen sei, auch die Draußenstehenden unter die Gotteskinder aufzunehmen, und den Frieden auch denen zu bringen, die ferne waren.

V. 44 u. 45. Denn er selber, Jesus, zeugte usw. Der scheinbare Widerspruch, der darin liegt, dass Jesus (V. 43) nach Galiläa geht, weil der Prophet in seinem Vaterlande nichts gilt, hat die mannigfaltigsten Auslegungen hervorgerufen. Möglicherweise ist der Sinn, dass Jesus sich in seinem Vaterlande, wo er am ehesten unbeachtet blieb, verbergen wollte, so lange die Zeit seiner vollen Offenbarung noch nicht gekommen war. Wahrscheinlich wird aber der Bericht des Johannes besagen (vgl. Mt. 13, 57; Lk. 4, 24), dass Jesus sich nicht in seine Vaterstadt Nazareth, wo ihn nur Verachtung erwartete, sondern in andere Gegenden von Galiläa begab. Lesen wir doch sofort (V. 46), dass Jesus nach Kana ging. Und wenn wir hören (V. 45), dass die Galiläer ihn aufnahmen, so ist dies ein Zeichen von Verehrung, nicht Verachtung.

Dass ein Prophet daheim nichts gilt. Das ist sicherlich eine sprichwörtliche Wendung gewesen. In Sprichwörtern prägen sich häufig gemachte Wahrnehmungen aus; es wird in ihnen gesagt, wie es meist zu gehen pflegt. Deshalb darf man sie nicht so genau daraufhin ansehen, ob sie tatsächlich in jedem einzelnen Falle zutreffen. Der Ursprung des Sprichworts und damit sein Sinn kann ein doppelter sein. Man findet den Übelstand in der ganzen Welt, dass die Menschen einen anderen, den sie als zartes Kind in der Wiege haben schreien hören, dem sie dann, als er ein Knabe war, bei seinen kindischen Spielen zugesehen haben, ihr Leben lang tief unter sich sehen, als wäre es undenkbar, dass aus dem Knaben ein Mann sich entwickeln könne.

Und noch ein anderes Übel kommt in Betracht, das sich mehr unter solchen findet, die sich untereinander gut kennen: es will jeder gern der erste sein. Mir ist es indes wahrscheinlich, dass das Sprichwort daher stammt, dass die Propheten von ihrem Volke so übel aufgenommen worden sind. Es war vollauf Grund vorhanden, dass gute und fromme Menschen, wenn sie in Judäa so große Undankbarkeit gegen Gott, solche Verachtung des Wortes, solche Widerspenstigkeit beobachteten, diese Klage in Umlauf brachten: nirgends ehrt man die Propheten Gottes weniger als in ihrem Heimatlande. Wem der zuerst angegebene Sinn besser zusagt, der muss den Prophetennamen in allgemeinerer Bedeutung nehmen. Prophet heißt dann jeder Lehrer, - wie Paulus (Tit. 1, 12) Epimenides einen Propheten der Kreter nennt.

Die Galiläer nahmen ihn auf. Ob sie dem Herrn diese Ehre längere Zeit erwiesen haben, ist nicht recht klar. Gottes Gaben geraten ja so leicht in Vergessenheit. Die Absicht, in der Johannes dies erzählt, ist offenbar die, dass wir erfahren sollen: Christus hat seine Wunder vor den Augen vieler Zeugen verrichtet; so wurden sie weit und breit besprochen. Nicht zum ersten Male wird auf einen Nutzen, den die Wunder hatten, hingewiesen (vgl. 2, 11. 23; 3, 2): sie bereiteten der Lehre den Weg; sie bewirkten, dass man Christo mit Ehrerbietung begegnete.

V. 45 bis 48. Es war ein Königischer, d. h. ein königlicher Beamter, wahrscheinlich ein Höfling des Herodes. Diese hohe Stellung des Mannes vermerkt der Evangelist ausdrücklich, weil ein Wunder, das mit einer solchen Persönlichkeit zusammenhing, mehr Aufsehen erregte.

Dieser hörte, dass Jesus usw. Dass er Christum zu helfen bittet, ist ja eine Art Zeichen von Glauben. Wie unbeholfen dieser Glaube aber noch war, ist daran zu sehen, dass er Christo vorschreibt, wie er helfen solle. Unzertrennlich bindet er seine Kraft, zu helfen, an seine leibliche Anwesenheit. Das Bild, das er sich von Christo gemacht hatte, bestand also darin: er ist ein von Gott gesandter Prophet, beauftragt und bevollmächtigt, durch Wundertaten sich als Diener Gottes zu erweisen. Diese falsche Auffassung, so sehr sie auch den Tadel herausfordert, berichtet Christus mit keinem Worte. Dagegen weist er den Mann einer anderen Sache wegen mit strengen Worten zurecht, und zwar nicht nur ihn, sondern überhaupt alle Juden: sie sind über die Maßen wundersüchtig. Aber hat denn nicht Christus andere Leute, die von ihm Wunder begehrten, in der Regel freundlich aufgenommen? Allerdings. Wozu dann hier solche Strenge? Er hat sicherlich einen ganz bestimmten, uns jedoch verborgenen Grund dazu gehabt, warum er gerade diesen Menschen mit einer Härte behandelte, die wir sonst nicht an ihm gewohnt sind. Vielleicht hat er auch nicht sowohl um dieses Einen willen, als vielmehr um des ganzen Volkes willen so geredet. Er sah, wie geringe Beachtung seine Lehre fand; nicht genug damit, dass man sich nicht darum kümmerte, sie wurde geradezu verachtet. Und dabei waren doch alle wie versessen auf seine Wunder. Aber auch diese vermochten sie nicht mit ehrfurchtsvoller Bewunderung zu erfüllen, sondern nur mit stumpfem Staunen.

Die aller Frömmigkeit zuwiderlaufende Verachtung seines Wortes, die das Volk damals im Banne hielt, hat dem Herrn diese Klage ausgepresst. Es ist ja wahr, dass bisweilen auch einmal wirklich heilige Menschen, um aus aller Unsicherheit inbetreff der göttlichen Verheißungen herauszukommen, sich eine Bestätigung ihres Glaubens durch Zeichen gewünscht haben. Wir sehen auch, dass Gott das nicht entfernt als eine Beleidigung angesehen hat. Er hat ja solche Gebete in seiner Herablassung erhört.

Christus hat es hier jedoch mit ganz anderen Leuten zu tun: es ist wirkliche Schlechtigkeit, gegen die er ankämpfen muss. Wunder! Wunder! Das steckte den Juden ganz allein im Kopfe. Jesu Predigt war ihnen daneben gänzlich gleichgültig. Ohne Wunder wäre es überhaupt unmöglich gewesen, bei diesen stumpfen, ganz fleischlichen Menschen der Lehre irgendwelche Anerkennung zu verschaffen. Deshalb hat Jesu Wunder getan.

Eigentlich hätte ja das Wort Gottes, in dem sie von frühester Kindheit auf erzogen worden waren, ihnen nicht nur etwas Gewohntes, sondern sogar Liebes sein sollen. Und als nun vor den Augen derer, die Gottes Wort kannten, ein Wunder dem anderen folgte, war trotzdem keine Wirkung zu verspüren.

Ihre ganze Religion samt ihrer Gotteserkenntnis war gleich Null. Ihre Frömmigkeit schrumpfte auf pure Wundersucht zusammen. Der Vorwurf des Paulus (1. Kor. 1, 22): „die Juden fordern Zeichen“, besagt das Nämliche. Den Zeichen sind sie danach ohne Vernunft und ohne Maß zugetan; nicht die Gnade Christi, nicht die Verheißungen des ewigen Lebens, noch die verborgenen Wirkungen des Geistes Gottes sind imstande, sie zu rühren. An nichts haben sie Geschmack als an Zeichen.

Heute ist es wieder genau ebenso. Die Rede wird laut, wo man nur hin hinhört: Erst Wunder, dann wollen wir eurer Lehre das Ohr leihen! Als müsste die Wahrheit Christi uns ohne solche Stützen so wertlos sein wie der Straßenschmutz. Und wie würde es gehen, wenn Gott mit den Wundern nur so hageln wollte? Sie würden doch nicht glauben. Sagen sie jetzt das Gegenteil, so ist es gelogen. Das Einzige, was dabei herauskäme, wäre Staunen; die Aufmerksamkeit auf die Lehre würde nicht größer sein.

V. 49. Herr, komm hinab. Wenn der Königische weiter bittet und endlich bekommt, was er wünschte, so ist daraus ersichtlich, dass Christus nicht deswegen ihn tadelte, weil er ihn abschütteln und seine Bitten nicht erfüllen wollte. Mit seinem Tadel wollte er nur das Hindernis beseitigen, das ihn nicht zum wahren Glauben kommen ließ, abgesehen davon, dass er, wie oben gesagt, mehr dem ganzen Volke, als nur ihm allein diesen Tadel zugedacht hatte. So muss auch an unseren Gebeten alles Verkehrte, Gekünstelte, Überflüssige richtig gestellt oder ganz weggeschnitten werden, damit die Hemmungen unseres Glaubenslebens in Wegfall kommen. Gewöhnlich sind Hofleute vornehme, stolze Leute, die zart angefasst werden wollen. Da fällt es uns auf, wie der Königische weder heftig wird, noch aufbraust; schweigend nimmt er die Zurechtweisung hin in aller Bescheidenheit, - gewiss in Gedanken an seine Notlage und in der Furcht, sein liebes Kind zu verlieren. Das macht ihn so niedrig und klein. Genauso pflegt es bei uns zu gehen. Es ist unglaublich, wie wir unseren Launen nachgeben, wie leicht wir ungeduldig und gereizt sind, bis einmal Gott uns durch Unglück zwingt, unser hochfahrendes Wesen abzulegen.

V. 50. Dein Sohn lebt, d. h. er ist außer Todesgefahr. Hier sendet die Menschenfreundlichkeit und Nachsicht Christi ihren ersten Strahl hervor, indem er dem Manne sein ungeschicktes Benehmen verzeiht und seine Wunderkraft über Erwarten ihm zugutekommen lässt. Die Bitte lautete, Christus solle kommen und den Sohn heilen. Der Königische dachte: einen Kranken kann er gesund machen, nicht aber einen Toten auferwecken. Deshalb drängt er zur Eile, damit der Kranke nicht inzwischen stirbt. Christus lässt gegenüber diesen Verstößen Nachsicht walten, woraus zu entnehmen ist, wie hoch bei ihm der Glaube im Werte steht, wenn nur eben etwas davon da ist. Auch das ist sehr merkwürdig, dass Christus zwar nicht buchstäblich seinen Wunsch erfüllt, aber doch weit mehr gibt, als der besorgte Vater erbeten hatte. Er hört auf Jesu Munde, dass jetzt, gegenwärtig, sein Kind gesund ist. Wie oft macht es der himmlische Vater gerade so! Den Wortlaut unseres Gebetes erhört er nicht, aber er hilft uns in seiner Weise, wie wir es nicht vermutet hatten. Wir sollen also lernen, ihm keine Vorschriften zu machen.

Der Mensch glaubte dem Wort. Er kam zu Christo, fest davon überzeugt, in ihm einem Propheten Gottes zu begegnen. Deshalb fiel es ihm so leicht, zu glauben, sich an dies eine Wort anzuklammern und es fest ins Herz zu schließen. Hatte er bezüglich der Macht Christi im Nu eine ganz neue Zuversicht auf ihn in seiner Seele Wurzeln schlagen lassen. Es ist ihm gewiss, dass das eine Wort Christi das Leben seines Kindes in sich schließt. Mit ebensolcher Willigkeit müssen auch wir das Wort Gottes hinnehmen. Leider fehlt viel daran, dass es augenblicklich bei den Hörern immer solchen Erfolg hätte. Es gibt verschwindend wenig Leute, die von vielen Predigten solchen Nutzen haben, wie ihn dieser von dem Heiligen bis dahin wenig berührte Mensch von einem einzigen Worte hatte. Umso mehr sollen wir uns befleißigen, uns aus unserer Trägheit aufzuraffen. Vor allen Dingen müssen wir Gott bitten, unsere Herzen so zu lenken, dass wir rasch bei der Hand sind mit unserem Glauben, wenn er so freundlich uns Gutes verheißt, und nicht lahm hinter seinen Verheißungen herhinken.

V. 51. Indem er hinabging usw. Hier wird gleichzeitig die Wirkung des Glaubens geschildert und die Wirksamkeit des Wortes Christi. Gleichwie Christus den im Sterben liegenden Knaben durch sein Wort ins Leben zurückrief, so hat der Vater durch seinen Glauben im nämlichen Augenblick seinen Sohn gesund wieder. Wir sollen davon abnehmen, dass, so oft der Herr uns seine Wohltaten anbietet, seine Macht auch allezeit imstande ist, auszuführen, was er verspricht, - es sei denn, dass ihm unser Unglaube die Tür zuschlösse. Ich gebe freilich zu: es ist nicht immer, ja nicht einmal häufig oder in der Regel der Fall, dass der Herr sofort seine Hand ausreckt, um uns Hilfe zu bringen. Wenn er mit seiner Hilfe verzieht, so hat er seine Gründe dazu, und es ist gut so für uns. Ohne Zweifel könnte der Herr sofort alle unsere Widrigkeiten aus dem Wege räumen. Wenn also sich seine Hilfe nicht alsbald sehen lässt, lasst uns erwägen, wie viel Misstrauen sich in uns noch verbirgt, oder doch wie gering und schwach noch unser Glaube ist. So ist es denn nicht zu verwundern, wenn Gott keine Lust hat, seine Wohltaten zu verschwenden. Er wendet sie nur denen gern zu, die sie gläubigen Herzens aufnehmen. Gott hilft den Seinigen nicht immer in derselben Weise. Aber niemals wird der Glaube eines Menschen vergeblich sein. Es ist wahr, was der Prophet sagt (Hes. 12, 22 f.), dass die Verheißungen Gottes, wenn sie auch zu verziehen scheinen, dennoch in Bälde erfüllt werden.

V. 52. Da forschte er usw. Wenn der Beamte seine Knechte ausfragt, wann die Besserung im Befinden seines Sohnes eingetreten sei, so tut er das auf geheimen Antrieb Gottes hin. Es soll dadurch die Wahrheit des Wunders umso leuchtender hervortreten. Unsere Bosheit ist bekanntlich groß, wenn es sich darum handelt, einen Machterweis Gottes als nicht vorhanden hinzustellen; auch Satan bietet bei einer solchen Gelegenheit mancherlei Künste auf, um den Menschen den Anblick göttlicher Werke zu verdunkeln. Damit wir Gott für seine Werke preisen, müssen sie für uns so handgreiflich gemacht werden, dass der Zweifel keine Stelle zu finden vermag. So undankbar auch die Menschen sind, Gott hat die Umstände so gefügt, dass es unmöglich war, dies auffallende Wunder Christi auf Rechnung des Zufalls zu setzen.

V. 53 und 54. Er glaubte mit seinem ganzen Hause. Es scheint ein Widerspruch darin zu liegen, wenn der Evangelist von demselben Mann, dessen Glaube er schon vorher rühmte (V. 50) jetzt berichtet, dass er zum Glauben kam. Diesen Widerspruch kann man nicht so auflösen, dass man bei der gegenwärtigen Aussage einfach an einen Fortschritt des Glaubens denkt. Freilich besaß der im jüdischen Gesetz auferzogene Mann schon einen Schimmer von Glauben, als er zu Christo kam. Aber der Glaube, mit welchem er dem Worte Christi traute, bezog sich nur auf den ganz speziellen Fall und befasste nur den Gedanken in sich, dass das Leben seines Sohnes gerettet sei. Jetzt aber gewinnt er Glauben in einem viel umfassenderen Sinne: er nimmt Christi Lehre an und bekennt sich als seinen Jünger. So erhofft er von Christo nicht mehr bloß eine einzelne Wohltat, sondern erkennt ihn als Gottes Sohn an und bekennt sich zu seinem Evangelium. Seine ganze Familie, die ja das Wunder gemeinsam erlebt hatte, schloss sich ihm an. Gewiss hat er sich auch darum bemüht, dass alle seine Angehörigen an Christum gläubig wurden.

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