Calvin, Jean - Der zweite Brief des Apostels Petrus - Kapitel 3
1 Dies ist der zweite Brief, den ich euch schreibe, ihr Lieben, in welchem ich euch erinnere und erwecke euren lautern Sinn, 2 dass ihr gedenket an die Worte, die euch zuvor gesagt sind von den heiligen Propheten, und an unser Gebot, die wir sind Apostel des Herrn und Heilandes. 3 Und wisset das aufs erste, dass in den letzten Tagen kommen werden Spötter, die nach ihren eignen Lüsten wandeln, 4 und sagen: Wo ist die Verheißung seiner Zukunft? Denn nachdem die Väter entschlafen sind, bleibet es alles, wie es von Anfang der Kreatur gewesen ist.
Damit die Leser nicht des zweiten Briefes überdrüssig würden, da ja der erste schon genüge, sagt Petrus: beide seien nicht ohne Grund geschrieben; sie müssten öfter geweckt werden. Und um das noch einleuchtender zu machen, weist er darauf hin, dass sie auf einem gefährlichen Boden ständen, wenn sie nicht gefestigt seien. Sie hätten einen Kampf zu führen mit verderbten Menschen, die nicht allein die Reinheit des Glaubens durch falsche Lehrsätze vernichteten, sondern auch den ganzen Glaubensinhalt von Grund aus umstürzten.
Die Worte: „Ich erwecke euren lautern Sinn“ sagen soviel wie: Ich will euch zur Rechtschaffenheit des Sinnes ermuntern. Euer Sinn soll lauter und klar sein. Der Sinn der Gottseligen ist oft verdunkelt. Er setzt gleichsam Rost an, wenn die Mahnungen aufhören. Daraus können wir zugleich entnehmen, dass auch Menschen, welche in der Lehre unterwiesen sind, gewissermaßen einschlafen, wenn sie nicht immer wieder durch Mahnungen aufgerüttelt werden. Wie wichtig sind also Ermahnungen, wie Not tun sie uns! Die einmal empfangene Lehre wird von des Fleisches Trägheit erstickt und unwirksam, wenn nicht die Stacheln der Mahnungen sie unterstützen. Es genügt somit nicht, darüber im Klaren zu sein, dass man das Notwendige festhalten soll; gottselige Lehrer müssen vielmehr darauf Wert legen, die Lehre tief in die Erinnerung der Hörer einzuprägen. Und weil die Menschen von Natur sehr begierig nach neuen Dingen und darum anderseits sehr zum Überdruss geneigt sind, ist es von Nutzen, zu beherzigen, was hier Petrus sagt: wir sollen uns nicht allein gern von anderen mahnen lassen, sondern uns selbst üben, unserem Gedächtnis die Lehre einzuprägen, damit unser Sinn eine Stütze habe an der lauteren, klaren Erkenntnis.
V. 2. Dass ihr gedenket usw. Die Schriften der Propheten und das Evangelium reichen uns genug dar, um uns zu erwecken. Nur müssen wir ihre Betrachtung ernst nehmen, wie es sich gebührt. Wenn also unsere Sinne zuweilen Rost ansetzen oder mit Finsternis umhüllt werden, so liegt das an unserer Trägheit. Wenn Gott uns fortwährend erleuchten soll, so müssen wir uns eifrig mit der Schrift beschäftigen. Dabei mag unser Glaube auf diesen zuverlässigen, trefflichen Zeugnissen ausruhen. Denn sind wir im Einverständnis mit Propheten und Aposteln, ja, sind diese unseres Glaubens Diener, haben wir Gott zum Bürgen und die Engel zu Zeugen – so ist wahrlich kein Grund, vor dem einstimmigen Widerspruch der Gottlosen zurückzuschrecken.
Gebot der Apostel ist deren ganze Lehre, die sie den Gottseligen zuteil werden lassen.
V. 3. Und wisset aufs erste usw. Das musste den Gläubigen vorher gesagt werden, damit sie nicht irrewürden, wenn nun plötzlich die Gottlosen mit derartigen Spottreden gegen sie auftreten. Nur dann konnten sie sich zum Widerstand rüsten. Dieses Wort weist auf das zweite Kapitel zurück.
Der Ausdruck die letzten Tage wird oft von dem Reiche Christi gebraucht, wie auch Paulus schreibt: Das Ende der Welt ist auf uns gekommen (1. Kor. 10, 11). Je näher Gott der Welt durch sein Evangelium tritt und die Menschen zu seinem Reich einlädt, desto frecher werden auch gemeine Menschen das Gift ihrer Gottlosigkeit ausspeien.
Spötter nennt die Schrift Leute, die darnach streben, durch ihre Gottesverachtung und ihren lästerlichen Hochmut geistvoll zu erscheinen. Das ist die äußerste Bosheit, wenn Menschen sich erlauben, die Majestät Gottes, vor der man erzittern müsste, mit ihren Witzeleien zu verhöhnen. In diesem Sinne redet der erste Psalm von dem Stuhl, da die Spötter sitzen. Auch im 119. Psalm klagt David (V. 51), dass die Stolzen ihren Spott an ihm hätten, weil er nicht weiche von Gottes Gesetz. Ebenso mal Jesaja 28 deren lässige Sorglosigkeit und Verblendung. Nichts soll man mehr fürchten als diesen Kampf mit Spöttern. Der heilige Geist hat zuvor von ihrem Kommen geredet und hat uns zugleich einen Schild zur Abwehr in die Hand gegeben: darum gibt es für uns keine Entschuldigung, wenn wir nicht tapfer standhalten, was jene auch immer im Schilde führen mögen.
V. 4. Wo ist die Verheißung usw. Gefährlich ist es, wenn man Zweifel gegen die letzte Auferstehung hegt. Ist diese ein Wahn – dann hat das Evangelium keinen Wert mehr, dann ist die Kraft Christi erstorben, dann ist die ganze Frömmigkeit dahin! Der Teufel geht also geradeswegs auf den Lebenskeim der Gemeinde los, wenn er den Glauben an die Wiederkunft Christi untergräbt. Denn wozu ist Christus gestorben und auferstanden, wenn nicht dazu, uns einmal aus dem Todeszustand zu erlösen und in das ewige Leben zu bringen? So wird die Frömmigkeit also von Grund aus vernichtet, wenn man den Glauben an die Auferstehung fahren lässt. Gerade in diesem Stück setzt uns deshalb der Teufel so hart zu.
Man achte darauf, wie diese falschen Lehrer den unaufhaltsamen Naturlauf, wie er von Anfang an gewesen ist, zu der göttlichen Verheißung in Widerspruch setzen, als wenn sie in einem Gegensatz zueinander ständen oder nicht zueinander passten. Wenn auch die Väter denselben Glauben gehegt haben, so reden sie, so hat sich doch seit ihrem Tode nichts geändert. Und es sind doch bekanntlich inzwischen lange Zeiten verflossen. Daraus ziehen sie den Schluss, dass es Fabeln seien, was über den Untergang der Welt gesagt wird. Denn sie behaupten: weil es schon lange so gewesen sei, werde es immer so bleiben.
5 Aber mutwillens wollen sie nicht wissen, dass der Himmel vorzeiten auch war, dazu die Erde aus Wasser, und im Wasser bestanden durch Gottes Wort; 6 dennoch ward zu der Zeit die Welt durch dieselbigen mit der Sintflut verderbet. 7 Aber der Himmel, der jetzund ist, und die Welt werden durch sein Wort gesparet, dass sie zum Feuer behalten werden auf den Tag des Gerichts und Verdammnis der gottlosen Menschen. 8 Eines aber sei euch unverhalten, ihr Lieben, dass ein Tag vor dem Herrn ist wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag.
V. 5. Aber mutwillens wollen sie nicht wissen usw. Nur mit einem Wort weist Petrus das Gerede jener Gottlosen zurück: einmal ist die Welt durch die Sintflut zu Grunde gegangen, obwohl sie aus Wasser zustande gekommen war. Da aber jene Geschichte zur Genüge bekannt war, sagt er, sie irrten aus Mutwillen. Wer aus dem langen Bestand der Erde deren Fortdauer folgert, der schließt böswillig seine Augen, um nicht das so klare Gericht Gottes zu sehen. Jedenfalls hat die Welt ihren Ursprung im Wasser. Denn das Chaos, aus dem die Erde entstanden ist, nennt Mose Wasser (1. Mos. 1, 2). Hernach wurde sie von den Wassern emporgehoben (1. Mos. 1, 6-10). Und doch gebrauchte der Herr das Wasser, um die Welt zu vernichten. Daraus folgt, dass die Naturgewalt keineswegs zur Erhaltung und Bewahrung der Welt genügt. Im Gegenteil. Der Stoff, der ihren Untergang herbeiführen soll, ist nach Gottes Wohlgefallen schon in ihr verborgen. Das darf man nicht außer achtlassen: die Welt kann eigentlich durch keine andere Kraft erhalten werden als durch Gottes Wort. Und darum holen sich die untergeordneten Ursachen dort ihre Kraft. Und je nachdem sie Verwendung finden, erregen sie verschiedene Wirkungen. So war die Welt durch das Wasser zustande gekommen. Aber das Wasser vermochte an und für sich nichts, sondern war als ein niedrigeres Werkzeug dem Worte Gottes unterworfen. Sobald es nun dem Herrn wohl gefiel, die Erde zu verderben, zeigte dasselbige Wasser seinen Gehorsam darin, dass es die todbringende Flut erzeugte. Da sehen wir, wie furchtbar die irren, welche darauf beharren: die Fortdauer der Welt beruhe auf bloßen Naturkräften, gleichsam auf sich selbst, und die nicht glauben, dass die Natur den Winken Gottes gehorche. Damit ist die Anmaßung derer zur Genüge zurückgewiesen, die sich mit naturwissenschaftlichen Gründen zum Streite wider Gott wappnen. Denn die Sintflutgeschichte ist ein schwerwiegender Zeuge dafür, dass die ganze Naturordnung allein dem Willen Gottes dient.
Immerhin mag es auffallen, dass Petrus sagt, die Welt sei durch die Sintflut verderbt worden, während er doch zuvor Himmel und Erde erwähnt hatte. Ich antworte: damals ist auch der Himmel untergegangen, d. h. das leere Luftgebiet zwischen den doppelten Wassern. Denn jene Scheidung, von der Mose in der Schöpfungsgeschichte spricht, wurde gleichsam verwischt, und „Himmel“ wird oft in dieser Weise gebraucht.
V. 7. Petrus will eine Schlag führen gegen die Spitzfindigkeiten der Spottsüchtigen, die von einem stets gleich bleibenden Naturzustand faseln. Darum fährt er fort: aber der Himmel, der jetztund ist usw. – soll durch Feuer zerstört werden. Da es grundsätzlich gleichgültig ist, ob dies durch Feuer oder Wasser geschieht, so ergibt sich aus dem vorigen, dass dies durchaus nicht als unvernünftig gelten muss. Auch bei den Alten findet man oft die Ansicht, dass alles aus diesen beiden obersten Grundkräften geworden sei. Da aber der Apostel hier mit Ungläubigen zu tun hatte, so redet er noch ausdrücklich von dem Untergang der gottlosen Menschen.
V. 8. Eines aber sei euch unverhalten usw. Jetzt wendet sich Petrus an die Gottseligen und mahnt sie, die Augen emporzuheben, wo es sich um Christi Kommen handelt. So werden sie es vermeiden, den von Gott bestimmten Zeitpunkt ihren verkehrten Ansprüchen zu unterstellen. Das Warten erscheint darum so lang, weil man auf die kurze Gegenwart sieht. Und dann steigert man die Unlust durch Berechnung von Tagen, Stunden und Minuten. Wo uns aber die Ewigkeit des Reiches Gottes entgegentritt, da eilen viele Jahrhunderte wie ein Augenblick vorüber. Hier ruft uns also der Apostel in Erinnerung, dass der Tag der Auferstehung nicht von dem gegenwärtigen Wandel der Zeiten, sondern von dem ewigen Ratschluss Gottes abhänge. Die Menschen wünschen freilich Gott zuvorzukommen, weil sie in ihrem fleischlichen Sinn die Zeit bemessen. Und weil sie von Natur zur Ungeduld geneigt sind, so ist für sie Schnelligkeit auch noch Langsamkeit. Ihr aber – so mahnt der Apostel – erhebt euch im Geiste in die Himmel, so gibt es für euch weder lang noch kurz!
9 Der Herr verzieht nicht die Verheißung, wie es etliche für einen Verzug achten, sondern er hat Geduld mit uns und will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass sich jedermann zur Buße kehre. 10 Es wird aber des Herrn Tag kommen als ein Dieb in der Nacht, in welchem die Himmel zergehen werden mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden verbrennen. 11 So nun das alles soll zergehen, wie sollt ihr denn geschickt sein mit heiligem Wandel und gottseligem Wesen, 12 dass ihr wartet und eilet zu der Zukunft des Tages des Herrn, in welchem die Himmel vom Feuer zergehen und die Element vor Hitze zerschmelzen werden? 13 Wir warten aber eines neuen Himmels und einer neuen Erde nach seiner Verheißung, in welchen Gerechtigkeit wohnet.
V. 9. Der Herr verzieht nicht usw. Auf andere Weise hält Petrus die allzu große, verkehrte Eile im Zaum: der Herr verschiebt sein Kommen deshalb, um das ganze Menschengeschlecht zur Buße zu rufen. Wir sind immer lüstern, und dann regt sich der Zweifel, warum er denn nicht rascher komme? Aber wenn wir hören, dass der Herr für unser Heil besorgt ist, wenn er verzieht, und darum verzieht, weil er um uns sorgt, so haben wir keinen Grund mehr, über sein Zögern zu klagen. Zauderer nennen wir den, der aus Trägheit eine Gelegenheit vorübergehen lässt. Bei Gott ist es nicht so: er verwendet die Zeit aufs Beste zu unserm Heil. Und über die Dauer der ganzen Welt muss man ebenso denken wie über das Leben eines beliebigen Menschen. Denn Gott verlängert die Frist für den Einzelnen und trägt ihn so lange, bis er zu Verstand kommt. Ähnlich beschleunigt er auch nicht das Ende der Welt, weil er allen Frist geben möchte, zu Verstand zu kommen. Das legt uns sehr nahe, die Zeit recht auszukaufen, da wir sonst für die Trägheit eine gerechte Strafe erleiden müssen.
Und will nicht, dass jemand verloren werde. Seht die wunderbare Liebe Gottes gegen das Menschengeschlecht: Er will, dass alle gerettet werden, und ist bereit, die zum Heil zu führen, die sonst zu Grunde gehen würden! Achte auf den Weg, den Gott einschlägt: zur Buße will er alle leiten, damit keiner umkomme. Da ist deutlich der Heilsweg gewiesen. Wer von uns daher dem Heil nachjagt, der muss diesen Weg gehen lernen. Hier liegt die Frage nahe: Wenn Gott nicht will, dass jemand verloren werde, warum gehen dann doch so viele verloren? Ich sage: hier handelt es sich nicht um den verborgenen Willen Gottes, nach dem die Verworfenen zum Untergang bestimmt sind, sondern nur um seinen Willen, wie er im Evangelium offen vor uns liegt. Gott streckt da allen ohne Unterschied seine Hand entgegen. Aber nur die ergreift er, um sie zu sich zu führen, welche er vor Grundlegung der Welt erwählt hat.
V. 10. Es wird aber des Herrn Tag kommen usw. Die Gläubigen sollen immer auf der Warte stehen und sich nicht mit „morgen“ vertrösten. Wir leiden fast alle an zwei ganz entgegen gesetzten Fehlern: an allzu großer Eile und allzu großer Trägheit. Die Ungeduld packt uns, wenn wir an den Tag Christi denken, und wir verlangen, er müsse schon jetzt anbrechen. Zugleich schieben wir ihn aber in unserer Sicherheit weit von uns. Wie darum der Apostel früher den ungeduldigen Feuereifer gedämpft hat, so rüttelt er uns jetzt aus unserer Schläfrigkeit auf, damit wir jederzeit des Kommens Christi gewärtig seien. Denn woher kommt es, dass das Fleisch sich selbst zu willen ist, außer daher, dass es sich keine Gedanken über die Nähe der Kommens Christi macht?
Was von dem Brand des Himmels und der Erde gesagt ist, bedarf keiner langen Erklärung, sofern es uns ja nur um die Meinung des Apostels zu tun ist. Er will hier nämlich keine gründliche Erörterung über Feuer, Sturm und andere Erscheinungen geben, sondern nur die Mahnung daran schließen: Unterlasst nicht, nach Erneuerung des Lebens zu streben! Himmel und Erde sollen durch den Brand gereinigt werden, damit sie eine geeignete Stätte für Christi Reich würden. Darum ist für die Menschen eine Erneuerung eine weit größere Notwendigkeit. Das sind schlimme Erklärungen, die viel Mühe auf geistreiche Spitzfindigkeiten verwenden. Für den Apostel gibt all das ja nur den Ausgangspunkt für Mahnungen zur Gottseligkeit. Himmel und Erde, sagt er, werden unsertwegen vergehen. Wollen wir nun mit der Erde untergehen, oder ziehen wir es nicht weit vor, auf heiligen Wandel und gottseliges Wesen bedacht zu sein? Die Verderbnis von Himmel und Erde wird durch Feuer beseitigt, und doch sind die Schöpfungen Gottes rein. Was muss da mit uns geschehen, die so tief im Schmutz stecken?
Die Elemente, die Grundstoffe der Welt, werden nun vergehen, um gleichsam eine neue Beschaffenheit zu gewinnen; ihr Kern aber bleibt (vgl. Röm. 8, 21).
V. 12. Dass ihr wartet und eilet. Was seither getrennt war, wird nun zusammengefügt: wir sollen warten, eilig und doch ruhig, wie das Sprichwort sagt: „Eile mit Weile.“ „Dass ihr wartet“ bezieht sich auf die Geduld der Hoffnung. Denn wie der Hoffnung Schweigen und Ruhe eigen ist, so muss man sich hüten, dass nicht die Sicherheit des Fleisches die Oberhand gewinne. Man muss darum eifrig gute Werke tun und eilig in der Bahn seiner Berufung laufen.
Am Tage des Herrn wird sich Christus erheben, um das Reich dem Vater zu übergeben, damit Gott sei alles in allen.
14 Darum, meine Lieben, dieweil ihr darauf warten sollt, so tut Fleiß, dass ihr von ihm unbefleckt und unsträflich im Frieden erfunden werdet; 15 und die Geduld unsers Herrn achtet für eure Seligkeit; als auch unser lieber Bruder Paulus nach der Weisheit, die ihm gegeben ist, euch geschrieben hat, 16 wie er auch in allen Briefen davon redet, in welchen sind etliche Dinge schwer zu verstehen, welche die Ungelehrigen und Leichtfertigen verdrehen, wie auch die andern Schriften, zu ihrer eignen Verdammnis. 17 Ihr aber, meine Lieben, weil ihr das zuvor wisset, so verwahret euch, dass ihr nicht durch den Irrtum der ruchlosen Leute samt ihnen verführet werdet, und entfallet aus eurer eignen Festung. 18 Wachset aber in der Gnade und Erkenntnis unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi. Demselbigen sei Ehre nun und zu ewigen Zeiten! Amen.
V. 14. Darum usw. Petrus leitet von der Hoffnung über zu ihrer Frucht, das ist zum Eifer in gottseligem Wandel. Die Hoffnung ist ja lebendig und wirksam. Sie muss uns notgedrungen mit fortreißen. Wer also auf den neuen Himmel wartet, der muss bei sich selbst mit der Erneuerung beginnen und mit allem Fleiß ihr nachjagen. Wer aber im Schmutze liegen bleibt, der hat sicherlich keine Gedanken für das Reich Gottes und hat nur Geschmack für die vergängliche Welt. Bemerkenswert ist, dass wir von Christus unsträflich erfunden werden sollen. Die anderen haben nur Augen und Ohren für die Welt. Wir aber sollen auf den Herrn schauen. Zugleich zeigt Petrus, worin die wahre Beschaffenheit besteht: nämlich nicht in dem, was der Welt Lob auf sich zieht, sondern in dem, was Gottes Wohlgefallen erregt.
Mit „Friede“ bezeichnet der Apostel die Gewissensruhe, die sich auf der Hoffnung und Geduld aufbaut. Wenn so wenige nach dem Wohlgefallen Gottes fragen, so kommt das daher, dass sie, wenn sie sich von ihren heißen Leidenschaften fortreißen lassen, auch zugleich voll Unruhe sind. Dieser Friede besteht also in der Stille der zum Frieden gekommenen Seele, die in Gottes Wort ruht. Es fragt sich: wie kann einer von Christus unsträflich erfunden werden, da wir doch alle an so unzähligen Lastern kranken? Aber Petrus weist hier nur auf das Endziel, nach dem die Gläubigen trachten sollen. Sie können es aber erst erlangen, wenn sie, ganz frei von ihrem Fleische, völlig Christus einverleibt sind.
V. 15. Die Geduld unsers Herrn usw. Petrus hegt keinen Zweifel daran, dass Christus den Tag seines Kommens darum verzögert, weil er unser Heil im Auge hat. Dadurch ermutigt er die Gläubigen, in seinem längeren Verziehen ein Pfand ihres Heils zu erblicken.
Als auch unser lieber Bruder Paulus usw. Mit Leichtigkeit kann man aus vielen Stellen, besonders im Galaterbrief, ersehen, dass leichtfertige Menschen, die da und dort auftauchten und die Gemeinden zu verwirren trachteten, in dem Verlangen, sie dem Paulus zu entfremden, das zum Vorwand benutzten, dass er sich mit den andern Aposteln nicht gut zu stellen wisse. Sehr wahrscheinlich hat darum Petrus den Paulus erwähnt, um zu bezeugen, dass sie beide eines Sinnes seien. Denn es war äußerst nötig, jedem Anhaltspunkt zu solchen Verleumdungen seine Bedeutung zu entziehen. Wenn ich jedoch alles genauer erwäge, wird es mir wahrscheinlicher, dass dieser Brief im Sinne des Petrus von einem andern verfasst wurde, als dass er von ihm selbst geschrieben wäre. Petrus hätte nie so gesprochen. Aber es genügt mir, für seine Lehre wie für seine Willensmeinung ein Zeugnis zu besitzen, das in nichts von dem abweicht, was er selbst geredet haben würde.
V. 16. In welchen sind etliche Dinge usw. Wenn die Anführungen des Paulus über die Dinge, von denen die Rede ist, zuweilen schwer zu verstehen sind, so dient uns dies zur Mahnung, mit nüchternem Sinn über jene ebenso hohen wie verborgenen Dinge nachzudenken, und stärkt uns zugleich im Kampf gegen dieses Ärgernis, auf dass uns keine törichten, verwerflichen Grübeleien irgendwelcher Art in Bestürzung versetzen. Denn so machen gewisse Leute die einfache Lehre, die der Erbauung dienen sollte, verwickelt und verdreht. Darum wollen wir uns aber nicht abhalten lassen, die Briefe des Paulus zu lesen, weil sie etwa manche hohe und schwer verständliche Stücke enthalten. Aber wir müssen einen ruhigen, gelehrigen Sinn mitbringen, wenn wir sie lesen wollen. Petrus verdammt die oberflächlichen, flüchtigen Menschen, die das, was ihnen nützlich ist, zu ihrem Verderben verkehren und verdrehen. Ja, er sagt, dieser Missbrauch werde überhaupt mit der ganzen Schrift getrieben. Doch folgert er nicht daraus, dass man sie beiseite legen solle, sondern lehrt nur, die Übelstände abzustellen, die uns des gesegneten Gebrauchs berauben. Und nicht allein das tun sie: sie machen uns geradezu ein tödliches Gift aus dem, was Gott uns zum Heile geordnet hat. Man könnte fragen: woher kommt diese Dunkelheit? Die Schrift leuchtet uns doch wie eine Fackel und lässt uns sichere Schritte tun. Ich antworte: Es ist kein Wunder, wenn Petrus den Geheimnissen des Reiches Christi eine gewisse Dunkelheit zuschreibt, zumal wenn man bedenkt, wie verborgen diese dem fleischlichen Sinn sind. Doch lässt Gott diejenigen in der Schrift ein klares Licht finden, die gern dem heiligen Geist als Führer auf dem Lebensweg folgen. Viele sind indessen so blind, dass sie sich am hellen Tage daran stoßen. Andere sind stolz und streifen bald da bald dort auf unwegsamen Pfaden, und mitten im höchsten Fluge stürzen sie in den jähen Abgrund.
V. 17. Ihr aber, meine Lieben usw. Bisher hat Petrus den Gläubigen die Gefahren vor Augen geführt, vor denen sie sich hüten sollen. Jetzt fordert er sie auf, seiner Mahnung zu gehorchen und weise zu sein. Wachsamkeit tut Not, wenn man keine Niederlagen erleiden soll. Und die Verschmitztheit unseres Feindes, die vielseitigen, mannigfaltigen Nachstellungen, mit denen er uns verfolgt, und die Fangkünste gottloser Menschen lassen ja keinen Raum für Sorglosigkeit. Also muss man auf der Warte stehen, damit nicht des Teufels und der Gottlosen Trügerei uns umgarne und überwältige.
Die Gewissheit unseres Heils scheint auf schlüpfrigem Boden zu stehen und gleichsam nur an einem Faden zu hängen, wenn der Apostel den Gläubigen anbefiehlt: verwahret euch, dass ihr nicht entfallet aus eurer eignen Festung. Was geschieht aber mit uns, wenn wir der Gefahr unterliegen und zu Falle kommen? Ich antworte: Diese und ähnliche Mahnungen haben durchaus nicht den Zweck, unsere Glaubenssicherheit, die auf Gott ruht, ins Wanken zu bringen, sondern den: unsrer Fleischesträgheit Abbruch zu tun (vgl. 1. Kor. 10). Solange wir im Fleische sind, muss unsere Trägheit aufgerüttelt werden. Und das geschieht so recht eigentlich, wenn uns unsere Schwachheit und die verschiedenartigen Gefahren, in denen wir stehen, vor Augen gestellt werden. Übrigens erschüttert dies keineswegs das Vertrauen auf Gottes Verheißungen.
V. 18. Wachset aber in der Gnade. Petrus mahnt zum Wachstum. Immer vorwärts schreiten, nicht mitten auf dem Wege liegen bleiben, - nur so kann man beharren. Sicher ist allein, wer täglich vorwärts zu kommen sich bemüht. „Gnade“ befasst im Allgemeinen die geistlichen Gaben, die man durch Christus empfängt. Da wir aber nach dem Maß unsres Glaubens der Güter Christi teilhaftig werden, steht neben der Gnade die Erkenntnis. Mit dem Glauben wächst die Gnade.
Demselbigen sei Ehre usw. Das ist ein herrlicher Lobpreis auf Christus, der seine Gottheit bezeugen soll. Denn ein solcher gebührt allein Gott. „Nun“ sagt der Apostel, damit wir Christus nicht um seine Ehre bringen, solange wir noch im Streit mit dieser Welt liegen. Das folgende Wort „zu ewigen Zeiten“ lässt uns schon jetzt sein ewiges Reich ins Auge fassen, das uns dereinst den Vollglanz seiner Ehre offenbaren wird.