Nr. 596 (C. R. – 3021)
Calvin, Jean - An Madame de Coligny in Gand.
Das Gerücht hatte ein Freilassung Colignys gemeldet, in Wirklichkeit hatte es sich nur um eine Übersiedelung des Gefangenen ins Schloss Gand gehandelt. Colignys war der Connetable Montmorency, ein leidenschaftlicher Hugenottenfeind (vgl. 364); Colignys Bruder Odet Chatillon, der schon seit seinem sechzehnten Jahre Kardinal war, schloss sich selbst später dem Protestantismus an; mit dem, der „so wohl begonnen hat“ usw. ist d´ Andelot gemeint.
Mahnung zur Geduld im Leiden.
Madame, das Gerücht von der Befreiung Monseigneurs hat uns für recht kurze Zeit Freude gemacht, und umso größer war dann unser Bedauern, hören zu müssen, dass unser Wunsch und unsere Meinung getäuscht worden waren. Aber wiewohl es nun anders gekommen ist, so müssen Sie doch in der Tat beweisen, was die Schrift uns lehrt, nämlich dass der Glaube lange warten kann, und dass uns nicht befohlen ist, geduldig zu sein etwa ein bis zwei Jahre, sondern unsere Leidenschaft im Zaume zu halten, bis die gelegene Zeit kommt [Jak. 1, 4. 5, 7, 8], und stets unsere Zuflucht zu nehmen zu dem, der ein Ende machen kann. Ihn sollen wir bitten, dass er uns erhöre, unsere Schwachheit trage und, solange wir nach seinem Willen leiden sollen, uns stärke zur Festigkeit. Das ist die Hauptsache in unserm Leben, dass wir dazu kommen, uns in aller Ergebenheit und Demut in seinen Willen zu finden; denn das bringt mit sich, dass er sich ruhig an uns freuen kann, dass wir gefangen sind unter seinem Gehorsam, ja dass wir willig sind, uns ihm zu opfern, zu sterben oder zu leben, wie er es mit uns machen will. Ihre jetzige Trübsal ist ja nicht einmal so hart, dass Sie nicht mancherlei hätten, Ihre Traurigkeit zu verringern, so dass Sie ruhig bleiben können, bis Ihr Leid sich wendet. Doch bitte ich Sie, Madame, auch fest zu bleiben gegen die Angriffe, die weiterhin noch auf Sie unternommen werden können. Denn welche Neigung Ihr Gemahl auch zeigt, sich ganz Gott zu widmen, so fürchte ich doch, er könne darin noch wankend gemacht werden durch das Murren und Drohen seines Onkels oder das Zureden seines Bruders. Denken Sie daran, dass es Ihre Pflicht ist, ihm durch Ihr Beispiel zu helfen, dass er Mut fasst. Wir wollen auch unsrerseits Gott bitten, dass er ihm größeren Mut gibt als dem, der so wohl begonnen hatte, aber nicht gleichermaßen fortfuhr. Jedenfalls kann uns, soviel Schwierigkeiten wir auch sehen, die Verheißung genügen, die uns gegeben ist, dass Gott es versehen und allem abhelfen wird, so dass wir keiner Versuchung unterliegen, sondern so sehr ans ewige Leben denken und uns daran halten, dass uns die Welt nichts mehr ist und wir zum mindesten durch sie wandeln wie Fremdlinge und stets den Spruch im Gedächtnis behalten: wir sollen unserm Herrn Jesu gleich werden im Leiden, auf dass wir auch mit ihm zur Herrlichkeit erhoben werden [Röm. 8, 7].
Und nun, Madame, will ich mich ergebenst Ihrer Gewogenheit empfehlen und den Vater der Barmherzigkeit bitten, er wolle Sie behüten, Ihnen immer mehr seiner Geistesgaben geben, Sie aufrecht erhalten mit seiner Kraft und Ihnen die Gnade schenken, dass Sie ihm dienen und ihn ehren bis ans Ende.
27. Februar 1559.