Calvin, Jean - An Eduard Seymour, Herzog von Somerset.

Nr. 293 (C. R. – 1347)

Calvin, Jean - An Eduard Seymour, Herzog von Somerset.

Lord Seymour wurde Februar 1550 aus seiner Gefangenschaft befreit.

Glückwunsch zur Befreiung, Mahnung zu Friedfertigkeit und rechtem Reformationseifer.

Monseigneur, wenn ich Ihnen so lange nicht geschrieben habe, so wars nicht, weil mir der gute Wille dazu gefehlt hätte, sondern zu meinem großen Bedauern musste ich es lassen, aus Furcht, während der Wirrnisse, die herrschten, könnte ein Brief von mir Anlass zu neuen Schwierigkeiten werden. Nun aber danke ich meinem Gott, dass er mir wieder die Möglichkeit [Ihnen zu schreiben] gibt, auf die ich bis jetzt gewartet habe. Und ich bins nicht allein, der sich über den guten Ausgang freut, den Gott ihrer Trübsal gegeben hat, sondern [es freuen sich mit] alle wahren Gläubigen, die den Fortschritt des Reiches unseres Herrn Jesu Christi wünschen, da sie wissen, wie bemüht und besorgt Sie waren, das Evangelium in England wieder ganz zur Geltung zu bringen und allen Aberglauben zu zerstören. Ich zweifle auch nicht, dass Sie bereit sind, in Zukunft wieder ebenso vorzugehen, wenn Sie Gelegenheit dazu haben. Sie für Ihre Person, Monseigneur, haben nun nicht nur die Wohltat Gottes, der Ihnen die Hand zur Befreiung bot, zu erkennen, sondern auch sich Ihrer Heimsuchung zu erinnern, um Nutzen daraus zu ziehen. Ich weiß wohl, welche schmerzliche Erinnerung Ihnen davon bleiben wird, wie Sie versucht sein werden, denen, die Ihnen nach Ihrer Ansicht noch viel Schlimmeres zufügen wollten, als nun geschehen ist, mit Gleichem zu vergelten. Aber Sie wissen, was St. Paulus uns darüber vorhält, nämlich, dass wir nicht zu kämpfen haben mit Fleisch und Blut [Eph. 6, 12], sondern gegen die heimlichen Ränke unsers geistigen Feindes. Deshalb wollen wir uns doch nicht mit Menschen versäumen, sondern uns lieber gleich gegen den Satan wenden, um allem zu widerstehen, was er wider uns plant, wie er ja auch zweifellos der Urheber des gegen Sie gerichteten bösen Angriffs war, um dadurch den Lauf des Evangeliums aufzuhalten und alles in Verwirrung zu bringen. Also, Monseigneur, vergessen und vergeben Sie die Fehler der Menschen, die Sie für Ihre Feinde halten können und richten Sie Ihren Sinn darauf, die Bosheit dessen zu besiegen, der sich dieser Menschen bedient hat zu deren eigenem Verderben, als sie Ihr Verderben im Auge hatten. Solche Großmut wird nicht nur Gott gefallen, sondern Sie auch den Menschen umso liebenswerter machen, und ich zweifle nicht, dass Sie darauf Rücksicht nehmen, wie es sein soll. Erstreckt sich aber Ihre Freundlichkeit so weit, so darf ich mich umso mehr darauf verlassen, dass Sie auch gütig aufnehmen, was ich Ihnen darüber sage; denn sie wissen ja, dass nichts mich zu solchen Mahnreden an Sie treibt, als meine Liebe und die Sorge um Ihr Wohl und Ihre Ehre. Auch ist es eine so schwere Tugend, unsere Leidenschaften zu überwinden, und zwar so weit, dass wir Böses mit Gutem vergelten können, dass wir nie genug dazu ermahnt werden können. Ja weil der Herr die Sache besser hinausführte, als viele dachten, so erinnern Sie sich, Monseigneur, an Josephs Beispiel. In der ganzen Welt ließe sich heute kaum ein solcher Spiegel verfolgter Unschuld finden. Als er aber sah, dass Gott gut gemacht hatte, was man gedacht hatte, bös zu machen gegen ihn [1. Mose 50, 20], da gab auch er sich Mühe, sich als einen Diener der Güte Gottes zu erweisen an seinen Brüdern, die ihn verfolgt hatten. Solcher Sieg wird auch für Sie noch glänzender sein als der, den Gott Ihnen schon gegeben durch die Rettung und Bewahrung Ihres Lebens, Ihrer Güter und Ihrer Ehre. Und doch, Monseigneur, haben Sie auch daran zu denken, dass, wenn Gott Sie für eine kleine Weile demütigen wollte, das nicht ohne Grund geschah. Denn waren Sie auch ohne Schuld vor den Menschen, so wissen Sie doch, dass vor dem großen Richter im Himmel keiner ist, der nicht schuldig befunden würde. So haben alle Heiligen die Rute Gottes gelten lassen; sie beugten ihren Nacken und senkten ihr Haupt unter seine Zucht. David war auf rechtem Weg gewandelt und bekennt doch, dass es gut für ihn war, gedemütigt zu werden durch Gottes Hand [Psalm 118, 21.; 119, 67.71]. Deshalb, sobald wir irgendeine Züchtigung spüren, solls unser erstes sein, in uns zu gehen und unser Leben wohl zu prüfen, um die Fehler zu erkennen, die uns verborgen blieben. Denn manchmal blendet zu großes Glück unsere Augen, ja, merken wir nicht einmal, weshalb Gott uns züchtigt. Wir haben allen Grund, ihn wenigstens ebensoviel Ehre anzutun wie einem Arzt; der muss ja auch unsere innern Krankheiten, die uns unbekannt sind, sehen und zur Heilung schreiten, nicht wie wir es wünschen, sondern wie er es für passend hält. Ja noch mehr, oft muss er vorbeugende Mittel brauchen, um nicht zu warten, bis wir schon dem Übel verfallen sind, sondern um dem Angriff zuvorzukommen. Gott hat, da er Sie, ganz abgesehen von Ihrem gewöhnlichen Rang, auf einen sehr hohen Posten stellte, große Dinge durch Sie getan, die vielleicht nach Ihrem Tode noch mehr Lob finden werden, als sie jetzt während Ihres Lebens gepriesen werden. Vor allem hat er bewirkt, dass durch Sie sein Name gepriesen werde. Nun sind aber gerade die Tüchtigsten und Besten in größerer Gefahr als alle anderen, in der Versuchung sich zu vergessen. Sie wissen, Monseigneur, was geschrieben steht vom heiligen König Hiskia [Jes. 39]. Nachdem er so löbliche Taten getan, sowohl für Religion und Gottesdienst als für das gemeine Wohl des Landes, überhob sich sein Herz. Wenn Gott das bei Ihnen verhüten wollte, so ist das eine außerordentliche Wohltat, die er Ihnen erwiesen. Wenn er auch keinen anderen Grund gehabt hätte, als ob Ihrer Befreiung gerühmt und von Ihnen wie von den andern an Ihnen als der wahre Protektor der Seinen erkannt zu werden, so müsste auch das Ihnen schon genügen.

Nun bleibt Ihnen noch, Monseigneur, da er Sie wieder obenauf gebracht hat, dass Sie ihm Dank erweisen für seine Wohltat, wie es sich ziemt. Sind wir von gefährlicher Krankheit genesen, so müssen wir doppelt sorgsam sein, dem lieben Gott zu dienen und ihn zu ehren, wie wenn er uns ein zweites Leben geschenkt hätte. An Ihrer Stelle dürfen Sie nicht weniger tun. Ihr Eifer, den Namen Gottes zu erhöhen, und das reine Evangelium wiederherzustellen, ist groß gewesen. Aber Sie wissen, Monseigneur, in einer so wichtigen Sache können wir nie ganz genug tun, auch wenn wir alle unsere Kraft aufwenden. Immerhin, wenn Gott Sie sich aufs Neue verbunden hat und Sie dadurch antreiben wollte, mehr denn je zu tun, so ist es Ihre Pflicht, sich zu ermannen und allen Eifer zu zeigen, dass das heilige Werk, das er durch Sie begonnen hat, gefördert werde. Ich zweifle nicht daran, dass Sie das tun werden, aber ich traue auch darauf, dass Sie verstehen, welche Liebe mich dazu treibt, Sie zu ermahnen, und dass Sie alles gütig aufnehmen, wie Sie es bisher getan haben. Wenn Ihnen so Gottes Ehre vor allem am Herzen liegt, so wird er gewiss über Sie wachen und über Ihr ganzes Haus, und seine Gnade reichlich ausgießen darüber und Sie spüren lassen, was sein Segen wert ist. Denn die Verheißung kann Sie nicht täuschen: Wer mich ehrt, den will ich auch ehren [1. Sam. 2, 30]. Wohl ists wahr, dass die, die am besten ihre Pflicht tun, oft am meisten belästigt werden durch manchen Angriff. Aber ihnen ists dann genug, dass Gott ihre Hilfe ist, sie wieder aufzurichten. Wiewohl es sich nun ziemt, dass Sie auf Gott sehen und damit ganz zufrieden sind, wenn ihm Ihr Dienst gefällt, so ist es doch, Monseigneur, ein großer Trost für Sie, den König so wohl geneigt zu sehen, dass er die Wiederherstellung der Kirche und der reinen Lehre allem übrigen vorzieht. Es ist ja eine bewundernswerte Tugend an ihm, dass bei seiner Jugend die Eitelkeiten der Welt es nicht zu hindern vermögen, dass Gottesfurcht und wahre Frömmigkeit sein Herz beherrschen, und das ist eine außerordentliche Gabe Gottes für das Königreich. So muss es Ihnen auch eine Hilfe und große Stärkung sein, dass Sie ihm den Hauptdienst, den er wünscht und fordert, tun, wenn Sie dem himmlischen König, dem Sohn Gottes, dienen.

Damit Monseigneur, empfehle ich mich ergebenst Ihrer Gnade, und bitte unsern lieben Gott, er wolle Sie in seiner heiligen Hut halten und Ihnen mehr und mehr die Gaben seines heiligen Geistes verleihen, und Sie sie brauchen lassen zu seinem Ruhm, dass wir alle uns daran freuen mögen.

[Februar 1550.]

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