Calvin, Jean - An einen unbekannten Franzosen.

Nr. 232 (C. R. – 1030)

Calvin, Jean - An einen unbekannten Franzosen.

Messe und Abendmahl.

Die Liebe Gottes unseres Vaters und die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei und bleibe bei Ihnen durch die Gemeinschaft des heiligen Geistes.

Geliebter Bruder, ich preise unsern Herrn, dass er Sie zu reiner, schlichter Erkenntnis seiner Wahrheit zurückgeführt und Sie befreit hat von Irrtümern, in die er manchmal sogar die Seinen geraten lässt zu Ihrer Demütigung. Nun achten Sie darauf, zu wandeln in dieser Schlichtheit des Glaubens, damit Gott Sie immer mehr darin bestärke. Sind Sie so eins geworden in dieser Welt mit unserm Haupte Jesu Christo und ein Glied seines Leibes, weil er unser Fleisch angenommen hat, um ganz unser Bruder zu sein, und leben Sie im Gehorsam seines Evangeliums, das uns all unsere Seligkeit bei ihm suchen heißt, so werden auch Sie zu dem Leben kommen, das den Gläubigen verheißen ist, in der Erwartung, dass er uns alle miteinander auferwecke zu seiner Herrlichkeit; wie wir hoffen dürfen, dass während unser Leib in der Erde schläft, unsere Seele mit ihm lebt.

Was nun die Frage angeht, die Sie mir stellen, nämlich, ob es einem Christenmenschen erlaubt sei, teilzunehmen am Abendmahl, wie es an Ihrem Wohnort gefeiert wird, so wäre die Antwort leichthin ja, wenn es nämlich das Abendmahl Jesu Christi wäre. Aber wenn Sie alles recht betrachten, so ist zwischen dem Abendmahl und der päpstlichen Messe nicht mehr Übereinstimmung und Ähnlichkeit als zwischen Feuer und Wasser. Freilich ist es wahr, dass die Gebote Gottes durch keine menschliche Bosheit oder Dummheit zu etwas Schlechtem gemacht werden können, aber das leugne ich Ihnen gerade, dass die Messe von Jesus Christus gestiftet ist; vielmehr hat der Satan sie ihm zum Trotz zurecht geschmiedet, um das heilige Abendmahl zu zerstören. Denn sie ist das gerade Gegenteil davon, sofern man daraus ein Opfer gemacht und einer töricht ersonnenen Handlung die Kraft des Leidens und Sterbens Jesu Christi zugeschrieben hat. Es ist dazu noch andrer handgreiflicher Götzendienst dabei, nicht nur in der Anbetung des Brotes, sondern auch im Gebet für die Gestorbenen, in der Zuflucht, die man im Verdienst und der Fürbitte der Heiligen sucht und in manchem andern, was man dabei tut und das Gott verboten hat. Deshalb ist den Gläubigen ebenso wenig erlaubt, an einem solchen Aberglauben teilzunehmen, als es früher erlaubt war, in Bethel Opfer zu bringen. Denn es widerspricht direkt dem Glaubensbekenntnis, das Gott von uns fordert. Da aber diese Frage ausführlicher behandelt ist in Schriften, die ausdrücklich davon handeln, so bitte ich Sie, diese Schriften fleißig zu lesen, und anempfehle Sie dem Herrn, dass er Ihnen seinen Willen zeige und Ihnen die Augen öffne, dass Sie weiß von schwarz wohl unterscheiden lernen. Ich glaube auch, Sie werden dann zufriedener in Ihrem Geiste sein, wenn Sie sich nicht erlauben, dergleichen zu tun, als billigten Sie die Gottlosigkeiten der Bösen. So bitte ich denn den lieben Gott, er wolle seine Gnade mehr und mehr wachsen lassen an Ihnen, Sie erkennen lassen, was gut ist und Ihnen dann auch die Kraft und Treue geben, ihm zu folgen und anzuhangen.

Genf, 13. Juni.
Ihr treuer Bruder
Johann Calvin.

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