Ahlfeld, Johann Friedrich - Wie stehest du zu Christo?

Ahlfeld, Johann Friedrich - Wie stehest du zu Christo?

(Oculi 1848.)

Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen.

Text: Lucas 11. V. 14 - 28.
Und er trieb einen Teufel aus, der war stumm. Und es geschah, da der Teufel ausfuhr, da redete der Stumme. Und das Volk verwunderte sich. Etliche aber unter ihnen sprachen: Er treibt die Teufel aus durch Beelzebub, den Obersten der Teufel. Die andern aber versuchten ihn und begehrten ein Zeichen von ihm vom Himmel, Er aber vernahm ihre Gedanken und sprach zu ihnen: Ein jegliches Reich, so es mit ihm selbst uneins wird, das wird wüste, und ein Haus fällt über das andere. Ist denn der Satanas auch mit ihm selbst uneins, wie will sein Reich bestehen? dieweil ihr saget, ich treibe die Teufel aus durch Beelzebub. So aber ich die Teufel durch Beelzebub austreibe, durch wen treiben sie eure Kinder aus? Darum werden sie eure Richter sein. So ich aber durch Gottes Finger die Teufel austreibe, so kommt je das Reich Gottes zu euch. Wenn ein starker Gewappneter seinen Palast bewahret, so bleibet das seine mit Frieden. Wenn aber ein Stärkerer über ihn kommt und überwindet ihn, so nimmt er ihm seinen Harnisch, darauf er sich verließ, und teilet den Raub aus. Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich: und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreuet. Wenn der unsaubere Geist von dem Menschen ausfährt, so durchwandelt er dürre Stätten, suchet Ruhe und findet sie nicht; so spricht er: Ich will wieder umkehren in mein Haus, daraus ich gegangen bin. Und wenn er kommt, so findet er es mit Besen gekehrt und geschmückt. Dann gehet er hin und nimmt sieben Geister zu sich, die ärger sind, denn er selbst: und wenn sie hinein kommen, wohnen sie da: und wird hernach mit dem selbigen Menschen ärger, denn vorhin. Und es begab sich, da er solches redete, erhob ein Weib im Volk die Stimme und sprach zu ihm: Selig ist der Leib, der dich getragen hat, und die Brüste, die du gesogen hast! Er aber sprach: Ja, selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren!

In dem Herrn geliebte Freunde. Wie gehöret dies Evangelium in die Fastenzeit? Wie gehöret dies Evangelium in die Tage, wo wir uns anschicken auf das Leiden und Sterben unseres Herrn Jesu Christi: So höre ich Manchen von euch fragen, der es in Andacht hat vorlesen hören. Es gehört doch hinein, es gehört recht hinein. Ein bitteres Leiden ist es, wenn die Freunde fliehen, wenn einer unter ihnen spricht: „Ich kenne den Menschen nicht, ich weiß nicht, was ihr redet.“ Noch bitterer ist es, wenn einer die dreijährige himmlische Liebe verkauft für dreißig Silberlinge. Scharf sind die Stacheln der Dornenkrone um das Haupt herum. Aber es gibt auch Dornenkronen, die auf das Herz und in das Herz gedrückt werden. Eine solche haben wir in unserm Evangelio. Es war ein armer Stummer zu Jesu gebracht. Wie uns Matthäus vollständiger erzählt, war er zugleich blind. Und er heilte ihn, also, dass der Blinde und Stumme beides sah und redete. Die Tat ließ sich nicht leugnen. Sie war vor Aller Augen geschehen. Aber es war ein Haufe da, der wollte einmal an diesem Christus nichts Gutes lassen. Matthäus erzählt uns, es seien dies Pharisäer gewesen. Die sprachen: „Er treibet die Teufel aus durch Beelzebub, den Obersten der Teufel.“ Es war ihnen leid, dass Christus den doppelt Kranken geheilt hatte. Sie hätten es lieber gesehen, wenn er es nicht vermocht hätte. Nun sie aber die Macht in ihm nicht leugnen konnten, wollten sie sie lieber zur Teufelsmacht stempeln, als dass sie Gott und seinem lieben Sohne die Ehre gegeben hätten. - Liebe Christen, hütet euch vor der Verhärtung Pharaos, hütet euch vor der Verhärtung dieser Pharisäer. Sie sehen die großen Taten Gottes. Ihre eigenen Augen und Ohren sind Zeugen seiner wunderbaren Hilfe. Aber sie wollen einmal den Glauben nicht in ihre Herzen lassen. Der Freund aller Seelen steht vor der Tür und klopft an und will das Abendmahl mit ihnen halten. Sie fühlen sein Anklopfen. Aber er soll nicht hinein. Sie wollen zuriegeln. Sie wollen bei sich selbst und bei dem Volke zuriegeln. Und da bei dem Vater kein Riegel zu holen ist gegen seinen Sohn, denn der Vater hat dem Sohne Alles übergeben, so gehen sie zum Teufel und holen ihn sich da. Sie wollen an diesen Christus nicht glauben, auch wenn sie der Geist ziehet. -

Vergesset es ja nicht, dass bei dieser Gelegenheit Christus das Wort ausgesprochen hat: „Wer Etwas redet wider den heiligen Geist, dem wird es nicht vergeben, weder in dieser noch in jener Welt.“ Die Rede der Pharisäer, die den Erlöser aller Welt zwang, jene Widerspenstigen als Solche zu bezeichnen, die ihren Teil an der Gnade verscherzt hätten, war ihm so bitter wie die Dornenkrone. Was gibt es für die erlösende Liebe Bittereres, als eine Herzensstellung, die das Erlösungswerk für Teufelswerk erklärt, damit sie für ihren Unglauben nur ein Bollwerk habe! Dass wir ja an dieser Pharisäerklippe nicht Schiffbruch leiden, wollen wir uns heute nach Anleitung unseres Evangeliums die Stellung unseres Herzens zu Christo recht klar machen. Wir wollen uns fragen:

Wie stehst du zu Christo?

  1. Bist du sein Feind?
  2. Bist du gleichgültig?
  3. Treibest du Halbwerk?
  4. Glaubest du an ihn?

Herr Jesu, der du dem Blinden und Stummen seine Augen aufgetan und seine Zunge gelöst hast, tue auch uns die Augen auf. Gib uns Gnade, dass wir erkennen, wie wir zu dir stehen. Herr, es ist ja die ewige Grundfrage für uns arme Pilger: „Was sagen die Leute, dass des Menschen Sohn sei?“ Gib uns die rechte Antwort aus deinem Worte, aus der wunderbaren Führung der Kirche und aus der eigenen Erfahrung. Haben wir dich aber erkannt in deiner Macht und Gottheit, so behüte uns vor Verstockung. Lass dann auch gleich die Zunge mit gelöst werden, dass wir nicht schweigen können, dass wir hervorbrechen müssen: „Wir können es ja nicht lassen, wir müssen bekennen, dass du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn.“ Amen.

I. Bist du Christi Feind?

Vier ist die alte Weltzahl. Aus vier Himmelsgegenden wehen die Winde. Nach vier Himmelsgegenden gehen die Boten Christi hinaus. Von den vier Enden der Erde sollen einst die Erretteten kommen. Nach vier Richtungen kannst du deinen Weg nehmen, wenn du ausgehest. Vierfach ist deine Stellung gegen den Herrn. Du kannst gegen ihn stehen in Feindschaft, Gleichgültigkeit, Halbheit oder ganzem Glauben. Wie man sich nun gegen den eisigen Nordwind, der den Saft in den Bäumen und das Blut in den Adern erstarren lässt, am ersten schützt, so wollen wir uns auch am ersten wahren vor der Feindschaft gegen den Herrn. - Christus trieb einen Teufel aus, der war stumm. Der Teufel tut Nichts lieber, denn dass er die Kreaturen Gottes verderbe. Da wendet er sich vornehmlich an die edelste dieser Kreaturen, an den Menschen. Freilich kann er nur dessen Herr werden, der ihm den Schild des Glaubens nicht entgegenhält. So weit wir in Christo sind, hat er keine Macht an uns. Christus hat dem Teufel für sein Reich die Macht genommen. Menschen aber, in denen Christus nicht Herr ist, erwählt er zu seinen Wohnstätten. Ihnen verdirbt er dann die Werkzeuge, durch die sie zuerst Gottes Herrlichkeit erkennen, durch die sie zuerst glauben lernen. Er macht sie taub, dass sie den Namen und die Erbarmung Gottes nicht rühmen hören. Er macht sie blind, dass sie seine Wunder und seine Werke nicht sehen. Er macht sie stumm, dass sie nicht mit loben und preisen können in der gläubigen Gemeinde. - Es geschah, da der Teufel ausfuhr, da redete der Stumme. Etliche nun unter den Umstehenden sprachen: „Er treibet die Teufel aus durch Beelzebub, den Obersten der Teufel.“ Sie hatten es leise unter sich geredet, denn die Sache war doch zu töricht, zu wüst und ruchlos. Ein Restchen von Scham war auch bei diesen Pharisäern noch übrig. Darum heißt es: „Er aber vernahm ihre Gedanken.“ Und als er sie vernahm, ging er auch stracks an eine scharfe Widerlegung derselben. Diese Widerlegung führt er in dreierlei Weise. Zuerst sagt er ihnen: „Ein jegliches Reich, so es mit ihm selbst uneins wird, das wird wüste, und ein Haus fällt über das andere. Ist denn der Satanas auch mit ihm selbst uneins, wie will sein Reich bestehen?“ Der Teufel, der Fürst und Oberste der gefallenen Geister, sendet seine Diener aus, dass sie das Ebenbild Gottes in den Menschen zerstören, dass sie das alte Gnadensiegel aus den Herzen herausreißen, dass sie sein Siegel in dieselben hineinprägen. Und nun soll dieser Oberste der Teufel Christo die Kraft geben, seine Diener aus ihren Wohnstätten, aus ihrem Arbeitsfelde zu vertreiben? Die Hölle soll sich mit dem Himmel paaren, Belial soll mit Christo eins werden, soll ihm Handreichung tun zu seinem lauteren Liebeswerke; denn ein solches war doch die Heilung des Stummen. Der Teufel soll helfen, die Werke des Teufels zu zerstören! - In solchen Widerspruch und Unsinn bringt Verstockung und Verhärtung den Menschen. Die Sünde ist und bleibt ein finsterer Nebel, der sich vor den Verstand, das Auge des Geistes, legt, also, dass man am hellen Tage im Finstern tappelt. - Zum Andern widerlegt Christus seine Widersacher aus ihrem eigenen Leben, aus ihrem eigenen Volke: „So ich die Teufel durch Beelzebub austreibe, durch wen treiben sie eure Kinder aus? Also werden sie eure Richter sein.“ Auch jüdische Priester hatten Besessene geheilt und heilten sie noch. Das war offenkundig, das konnten und wollten die Pharisäer nicht leugnen. Wenn er nun die Teufel austrieb durch Beelzebub, den Obersten der Teufel, durch wen taten Jene ihre Werke? Da wagten die Widersacher nicht mehr zu sagen: „Dein Helfer ist der Teufel, und ihr Helfer ist Gott.“ Sie hatten ihre Torheit schon bei seiner ersten Antwort gefühlt. Dazu zeugte Christi Leben zu laut für ein Leben in Gott, für eine Hilfe aus Gott, als dass sie diese ihm hätten absprechen und ihren Kindern zusprechen können. Wenn er die Teufel austrieb durch Beelzebub, so mussten ihre Kinder, ihre Priester, diese Sündenknechte, sie noch vielmehr durch Beelzebub austreiben. Die Pharisäer glichen hier der Schlange, die in der Sonne spielt und sich in ihren eigenen Schwanz beißt. Sie fühlten ihren Stich und ihr Gift. - Christus fährt fort und zeiget seinen Widersachern zum Dritten seine wahre Stellung gegen den Teufel. Er empfängt vom Teufel keine Macht, er bricht des Teufels Macht. Der Teufel ist der starke Gewappnete, der seinen Palast bewahrt. So lange kein Stärkerer kommt, bleibet das Seine in Frieden, Wenn aber ein Stärkerer über ihn kommt und überwindet ihn, so nimmt er ihm seinen Harnisch, darauf er sich verließ, und teilet den Raub aus. Der Stärkere ist gekommen, der Harnisch ist dem Feinde genommen. Der Stärkere ist Christus. Wie er den Raub austeilet, hatte man eben gesehen. Er hatte dem Stummen sein geraubtes Out wieder gegeben. Er hatte anderwärts des Raubes genug ausgeteilt. - Also Christus steht nicht in des Teufels Macht. Er hat ihm vielmehr seine Macht genommen, er hat der Schlange den Kopf zertreten. Satanas war vom Himmel gefallen wie ein Blitz. - Die Widersacher schwiegen. - Geliebte Gemeinde, konnte man nun damals die Taten Christi nicht leugnen, so kann man es jetzt viel weniger. Damals waren es noch Einzelne, die er durch seine Macht am inwendigen und auswendigen Menschen heilte. Jetzt sind es Ungezählte. Viele Völker hat er herausgerissen aus ihrem Heidentum. Die Götzen, diese Kreaturen des Teufels, fallen immer mehr. Bei Allen, die getauft sind und im lebendigen Glauben stehen, hat er dem Teufel die Macht genommen. Und ob sich auch eine Weile eine finstere Wolke übe r sein Reich zu legen scheint, er geht dennoch unaufhaltsam seinen Siegesgang fort. Dennoch wird er herrschen unter seinen Feinden. Dennoch sitzet er zur Rechten des Vaters, bis dass dieser leget seine Feinde zum Schemel seiner Füße, - Alles, was wir christliche Völker vor den Heiden voraus haben, verdanken wir ihm. Auch die, welche ihn jetzt durch Verleugnung und Spott mit Füßen treten, essen sein Brot. Alle rechte Wissenschaft und, Kunst, alle rechte Staatsordnung, Sitte, Zucht, so weit sie noch vorhanden ist, verdanken wir ihm. Den Frieden Gottes, die Vergebung der Sünden, die gewisse Hoffnung des ewigen Lebens haben wir nur m ihm. - Gibt es nun, geliebte Gemeinde, heute auch noch Pharisäer, die ihm diese Ehre nicht lassen wollen, die grollen über seinen Ruhm? Genug. „Denn Viele wandeln als die Feinde des Kreuzes Christi; welcher Ende ist die Verdammnis, welchen der Bauch ihr Gott ist, und ihre Ehre zu Schanden wird.“ Was er in der Geschichte getan hat, das schreiben sie dem menschlichen Geiste, das schreiben sie den Anlagen dieses oder jenes Volkes zu. Wo er einen Menschen rettet aus groben offenkundigen Sünden, da schreiben sie es seiner eigenen Kraft zu, damit ja der kleine Gewinn durch Hochmut gleich wieder verloren gehe. Wo er eine Seele wirklich rettet aus den Abgründen des Todes und der Hölle, also, dass sie erweckt und bekehrt vor ihm wandelt, da haben sie für dieselbe nicht Schimpf- und Spottnamen genug. Sie wollen Christi Werk um alles in der Welt zum Teufelswerke machen. Sie selbst nennen ihr Wandeln und Wälzen im Schmutz des Unglaubens und der Sünde „das rechte Christentum.“ - Es hat alte Feinde der Kirche gegeben. Ein Nero, Diocletian rc. haben sie mit Feuer und Schwert verfolgt. Die aber kannten Christum nicht. Wir wollen auch glauben, dass viele von seinen jetzigen Feinden ihn nicht kennen. Denn wenn sie ihn kennten, würden sie den Herrn der Herrlichkeit nicht kreuzigen. Aber Viele sind auch da, die seine Gnade verspüret haben, an die ein Hauch von seiner überschwänglichen Erbarmung gekommen ist. Sie wollen jedoch von dem Nichts wissen, der die Welt erst zur Sünderin macht, ehe sie gerecht werden kann. Sie wollen ihrer großen Sünde zu Gefallen nicht Sünder werden. Ihre Sünde soll nicht Sünde werden. Darum krönen sie Christum aufs Neue mit Dornen, darum kreuzigen sie ihn aufs Neue. Der Geist wollte sie ziehen, aber sie wollten sich nicht ziehen lassen. Sie sind Kinder, die ihren Vater ins Angesicht schlagen. - Gehörst Du zu ihnen, so eile, dass du los kommst. Das Wort von der Lästerung wider den heiligen Geist, die weder in diesem noch in jenem Leben vergeben wird, hängt hinter dir wie ein Schwert am Seidenfaden. Die Gnade kann dir abgeschnitten sein über Nacht. Dann suchest du die Buße und findest sie nicht. Du möchtest den Frieden deiner Seele mit den Nägeln aus der Erde graben. Du findest ihn nicht. Das Wort, das vor Kurzem von einer Königskrone galt, könnte auch von deiner ewigen Krone gelten: „Es ist zu spät!“

II. Bist du ein Gleichgültiger?

Die Andern aber versuchten ihn und begehrten ein Zeichen von ihm vom Himmel. Aus der Erde hatte Christus Zeichen genug getan. Eben hatte er einen Stummen redend, einen Blinden sehend gemacht. Diese Zeichen genügten einem Teile des umstehenden Haufens nicht. Dass er auf der Erde, wo er wandelte, Zeichen tun konnte, das wussten sie ja schon. Leute, die sehen, hören und reden konnten, sahen sie alle Tage. Solche Zeichen waren ihnen nicht Schauspiel genug. Am Himmel sollte er eine Tat tun. Mohammeds Anhänger erzählen, ihr Prophet habe einmal, um ihren Glauben zu stärken, den Mond in zwei Hälften gespalten. Ja, wenn der Herr solch Ding getan hätte, dann hätten sie - auch noch nicht geglaubt. Wer nicht glaubet bei den Wundern, die die Liebe an den Brüdern tut, der glaubet auch nicht bei den Wundern an Sonne, Mond und Sternen. Diese Andern sind tote Weltmenschen. Sie laufen umher auf dem Markt des Lebens und wollen alle Tage etwas Neues sehen, wie die Athener. Es ist ihnen einerlei, von wem es ausgehe. Heute ein Schauspiel von Christo, morgen eins von Belial. Nur in die Augen muss es tüchtig fallen, wenn sie zufrieden sein sollen. - Auch unsere Zeit, liebe Christen, hat solcher Gleichgültigen genug. Sie haben Nichts erfahren von dem Schmerz der Sünde. Sie haben Nichts erfahren von der Sehnsucht nach dem Erlöser. Sie haben Nichts erfahren von der Kindschaft Gottes. Dass sie getauft sind, da können sie nicht dafür. Es ist ihnen nicht gerade leid, dass es geschehen ist; aber sie haben auch kein Fünkchen Freude darüber im Herzen. Es ist nun einmal so geschehen. Sie sind keine Feinde Christi in dem Sinne, dass sie seine Kirche zerstören wollten. Sie sind aber auch seine Freunde nicht. Um kein Harlem schlägt ihr Herz wärmer und freudiger, wenn es sich redet um das große Opfer, das er für uns gebracht hat, um die große Liebe, mit der der einige Sohn Gottes uns gedient hat. - Wenn man mit ihnen redet von den Taten, die Christus getan hat, so sind ihnen allerdings seine Wunder groß genug. Sie wollen keine größeren. Aber ein anderes Bedenken steigt ihnen auf: „Es ist so lange her, dass er sie getan hat. Sie sind in einem fremden, fernen Lande geschehen. Ich bin nicht dabei gewesen und habe sie nicht mit eigenen Augen gesehen. Es ist auch kein Protokoll vor Notar und Zeugen darüber aufgenommen. Ja, wenn ich nur von einem einzigen hätte Zeuge sein können. Wenn ich nur einmal dabei gestanden hätte, als er einen Toten erweckte, einem Blinden die Augen auftat und hungernde Scharen speiste!“ Wisse: und wenn du dabei gestanden hättest, dann glaubtest du auch nicht. Wenn du vier Evangelisten nicht glaubst, dann wirst du auch deinen zwei Augen nicht glauben. Wenn der Zweifel vier göttliche Gewährsleute entkräftet, dann findet er acht Einwände gegen zwei Augen. Wenn du der ganzen Kirche nicht glaubest, die gebaut ist auf das Leben und den Tod, auf das Wort und die Wunder Christi, dann glaubest du auch deinen eigenen Augen nicht. Dein inwendiges Auge ist ja ein Schalk, darum kann auch das äußere nicht recht sehen. - Dem reichen Manne in der Hölle, als er für seine Brüder bittet, sagt Abraham: „Sie haben Mosen und die Propheten, lass sie dieselbigen hören. Glauben sie Mosis und den Propheten nicht, so würden sie auch nicht glauben, ob Jemand von den Toten auferstünde.“ Jenen, die ein Wunder vom Himmel verlangten, konnte man antworten: „Das sind ja eben Wunder am rechten Himmel. Der Herr tut seine Taten nicht allein an Aug und Ohr, Fuß und Hand, er tut sie auch an dem Herzen. Jedes Wunder aber am Herzen des Sünders ist ein Wunder am Himmel. In jeder dem Fürsten dieser Welt abgewonnenen Seele setzt sich Jesus einen neuen Stern an seinen Himmel. Das sind die größten Wunder. - Du aber, der du die Wunder in der jetzigen Zeit der Kirche vermissest, du vermissest sie nur, weil du blind bist. Wohl ist es wahr, es hat arme, dürre Zeiten in der evangelischen Kirche gegeben. Wie arme Einsiedler haben die lebendigen Christen in dem wilden Walde der Welt gewohnt. Aber auch in diesen traurigsten Zeiten hat es nicht an großen Gnadenwundern Gottes gefehlt. Auch da sind taube Ohren geöffnet, auch da sind blinde Augen sehend gemacht. Aber dieweil du selbst verkommen bist im Dienst des Fleisches, gelten dir auch nur Taten am Fleisch für Wunder. Wenn der Geist des Herrn eine in Finsternis und Sünde verkommene und verkrüppelte Seele zurecht gereckt und gestreckt hat, ist dir solch Wunder keins? Es ist dir keins, weil du selbst noch nicht fühlest, wie deine eigene Seele verkommen und verkrüppelt ist. Mache dich nur auf den Weg, fühle nur erst deine Krankheit, dann wirst du die Größe eines solchen Wunders erkennen. Je ärmer die Erkenntnis der Sünde, um so gröber will man die Wunder haben. - Was sagt nun Christus von diesen Gleichgültigen? „Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich; wer nicht mit mir sammelt, der zerstreuet.“ In der Mitte zwischen Glauben und Unglauben, zwischen Christus-Liebe und zwischen Christus-Hass, zwischen Himmel und Erde kann Niemand schweben. Er müsste sonst nicht leben, nicht essen und nicht trinken, nicht denken und reden. Alles, was wir tun und lassen, ist entweder gefärbt mit dem Lichte Christi oder mit der Finsternis des Antichrists. Wer sich im Glauben nicht senket in die Liebe Gottes, den reißt die Welt durch den Unglauben in die Lieblosigkeit. Wer sich durch die Gnade nicht hinaufziehen lässt, den zieht die Sünde hinunter. Wer die Gerechtigkeit nicht suchet, die vor Gott gilt, den suchet die Sünde, die vor der Welt gilt. Ein Schaf hält sich entweder zur Herde seines Herrn, Dann hat es einen Herrn. Oder es läuft eine kleine Weile in der Irre herum. Dann bekommt es auch bald einen Herrn, den Gott. - Für deine eigene Seele bist du in dieser Gleichgültigkeit wider Christum, und für die Seelen Anderer auch. Niemand kann sich an dir erwärmen. Deine Kälte kältet in die Herzen hinein. Die neben dir stehen, sind an einen Gletscher gepflanzt, aus dem das Eiswasser rieselt. Sie wachsen nicht. Es ist schon genug, wenn sie nicht ganz und gar verkommen. Du tust Nichts, irgend eine Seele zu Christo zu bitten. Dein Wesen, Wort und Wandel lockt sie vielmehr von ihm weg. Du sammelst nicht, du zerstreuest; wirst aber dafür auch selbst nicht eingesammelt, wenn der Herr seinen Weizen in die Scheuern sammelt. - Habt ihr euch, teure Brüder und Schwestern, bei jenen Feinden und diesen Gleichgültigen damit getröstet, dass es so nicht um euch stehe, so nehmt nun die dritte Frage zu Herzen:

III. Treibest du Halbwerk?

Das Volk aber verwunderte sich, hieß es in unserm Evangelio. Die große Menge hatte dagestanden und Christi Tat gesehen. Sie sprach etwa: „Es ist doch etwas Gewaltiges, was er für Dinge tun kann.“ Es ging eine Regung durch die Herzen. Sie waren für eine Weile seine Freunde geworden und hielten hoch von ihm. Aber nur auf eine Weile. Sie hatten ihm nicht die ganze Seele gegeben. Sie wunderten sich und glaubten doch nicht. Sie waren wie ein Schläfer, den der helle Sonnenschein einen Augenblick weckt. Er hebt sich empor, er reibt sich die Augen, und dann sinkt er wieder nieder. Nun kann die Sonne lange scheinen, ehe er wieder wach wird. Sie waren wie ein gefrorenes Feld, über das die Märzsonne, aber kein rechtes Tauwetter kommt. Die Oberfläche tauet auf, aber im Grunde bleibet der Frost. In der Nacht steigt dieser Frost wieder herauf, und am Morgen ist das Feld wieder so kalt und hart wie zuvor. - Geliebte Gemeinde, solcher Halbchristen gibt es gar viele, ja zu ihnen gehört die große Hälfte der Getauften. Wenn euch die Liebe Christi einmal recht lebendig vor die Seele gestellt wird, wenn das Weihnachtsfest in seiner Lieblichkeit, wenn der Karfreitag mit seinem Versöhnungstode an euch vorüber geht, dann wird die Oberfläche des Herzens weich. Wenn der Herr am Konfirmationstag, am Abendmahlstag, am Trautag euch seine Erbarmung so recht einzeln an das Herz bringt, dann richtet sich der Schläfer in die Höhe. Wenn er an euch seine Wunder tut, wenn ihr in eurem Leben seine gnädige Führung und seine rettende Hand spüret, dann ergreift ihr diese Hand. Ihr haltet sie auch eine Zeitlang fest. Es war ja gar nicht zu verkennen, dass er euer Hort und Tröster war. Aber wie lange haltet ihr die Hand? Es kommt die tote Alltäglichkeit wieder, es schleicht sich Schlaf und Frost wieder ein. Die selige Zeit kommt euch vor wie eine Begeisterung, in der ihr des Guten zu viel getan hättet. Eure Liebe zu Christo war Märzsonne. Nun ist es wieder Winter geworden. Wisst ihr auch, dass durch solchen Frost, der nach der Märzsonne folgt, die Saaten den meisten Schaden leiden? Der junge Trieb war vorgerückt, nun ist er ertötet und geknickt. Wenn ein zweiter kommt, hat er nicht die alte Kraft. Es wird eine arme Ernte, wenn das Feld nicht ganz und gar auswintert. „Wenn der unsaubere Geist von dem Menschen ausfährt, so durchwandelt er dürre Stätten, suchet Ruhe und findet ihrer nicht; so spricht er: Ich will wieder umkehren in mein Haus, daraus ich gegangen bin. Und wenn er kommt, so findet er es mit Besen gekehrt und geschmückt. Und er gehet hin und nimmt sieben andere Geister zu sich, die ärger sind, denn er selbst. Und wenn sie kommen, wohnen sie da, und wird hernach mit demselbigen Menschen ärger denn vorhin.“ Bist du bloß mit natürlicher Begeisterung an das Glaubenswerk gegangen, ohne von dem Herrn fleißig und täglich ein neue? Herz zu erbitten, hast du mit eigener Kraft das Heiligungswerk begonnen, ohne den heiligen Geist in sein Amt bei dir zu rufen: so wird dir der Glaube samt der Heiligung bald zur Last werden. Die alten Stimmen für Unglauben und Sünde reden in dir immer leise fort, wenn sie auch noch eine Weile niedergehalten werden. Sobald aber der unsaubere Geist einen ernsten Versuch gegen dich macht, so findet er offene Tür, so findet er das Haus bereitet zu seinem Empfange, mit Besen gekehrt und geschmückt. Er zieht ein mit sieben Genossen. Es wird mit dir ärger, denn vorhin. Hast du eine Weile den Glauben bekannt, und du fällst ab, so wirst du ein viel ärgerer Ungläubiger, denn der nie etwas Anderes gewesen ist. Du wirst ein Eiferer für den Unglauben. Und ein Hurer oder Trunkenbold oder Lügner, der eine Weile seiner Sünde Valet gesagt hatte, wird siebenmal ärger, denn er vorhin war. Er wird nun völlig ansässig in seiner Sünde. Sein Glaube und sein Mut ist durch den Abfall schwächer, der Feind ist stärker geworden. Der Feind schreitet im Siegerschritt einher gegen ein schon einmal geschlagenes Heer, und dieses kann die alte Niederlage und Flucht nicht vergessen. - Darum ist mit dem Bewundern der Taten Christi Nichts getan, ein flüchtig Aufflammen der Liebe und Begeisterung für ihn hilft Nichts. In dir musst du seine Tat fühlen, du Toter musst lebendig, du Blinder musst sehend werden, du Stummer musst reden lernen, d u musst in seiner Liebe brennen. Das ist Glaube und Frucht des Glaubens.

IV. Glaubest du?

Haben wir unter der ganzen Menge derer, die um Christum herumstehen, Keinen, der uns ein Vorbild im einfältigen, festen Glauben sein könnte? Um den Lebensbaum Christum standen vielerlei Bäume. Zuerst Dornen mit langen, spitzen Stacheln und sauren, giftigen Früchten. Dann folgen arme kahle Bäume ohne Trieb und Blatt. Dann kamen solche, durch die der Frühlingswind rauschte. Die Knospen schwollen, die Triebe brachen hervor, man sah auch etliche Blüten. Aber keine ist zur Frucht gekommen, der Nachtfrost hat alle ertönet. Sie sind nun wohl auf immer tot. Wo aber ist die ächte und rechte Frucht? - „Und es begab sich, da er solches redete, erhob ein Weib im Volk die Stimme und sprach zu ihm: „„Selig ist der Leib, der dich getragen hat, und die Brüste, die du gesogen hast.“„ Diese Sprecherin hatte sich nicht vorgedrängt. Aus der Mitte der großen Menge kam ihr Ruf heraus. Selig pries sie die Mutter, die Christum geboren hatte. Und wenn sie die Mutter selig preiset um ihres Sohnes willen, was hält sie dann vom Sohne? Sie muss ihn für den halten, der die Seligkeit geben kann, für den, der Leben und volle Genüge gibt. Sie hat Recht. Was der Verstand der Feinde Christi erkennt, aber nicht erkennen will, was die Gleichgültigen, verfallen an diese Welt, nicht sehen, was den Halbchristen einmal aufdämmert, aber schnell wieder untergeht, das sieht sie im einfältigen Glauben. Aber sie hat den Mut noch nicht, sich selbst also zu Christo zu stellen. Sie legt diese Seligkeit nur der bei, die ihm am nächsten stehet. Sie sieht sie als einen Segen an, den Maria habe, weil sie ihn geboren hat. - Christus erkennet ihren Glauben an. Er lässt auch seiner Mutter die Krone, die ihr beigelegt ist. Mit Ja hebt er an. Aber dann bessert er an dem Wort, dann spricht er: „Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren.“ Jede Seele kann der Gnade teilhaftig werden, die seine Mutter nicht durch seine Geburt, sondern durch ihren Glauben ererbet. Jede Seele kann eine Mutter Christi werden. Wenn der Glaube Christum Empfangen hat, gebiert er die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt; die Gerechtigkeit aber gebiert das Leben. Der Glaube aber kommt aus dem Wort, aus der Predigt. Wo das Wort gehört wird mit sehnendem, suchendem Herzen, wie es dies Weib gehöret hatte, da weckt es Glauben. Aber als Gottes Wort muss es gehöret werden, nicht als Teufelswort; nicht als Wort, um die Ohren zu kitzeln, nicht als Wort, um ein Strohfeuer in der Seele anzuzünden. Doch das Hören ist nicht genug. Das Wort muss bewahret werden. Dein Herz soll nicht sein wie ein löchriger Krug, aus dem das Wasser des Lebens gleich wieder heraus rinnt. Mit fleißigem Denken sollst du das Wort bewegen. Es soll dein tägliches Gebet sein, dass es in dir lebendig werde. Und so wird auch das Wort, das Fleisch ward, in dir immer lebendiger werden, Christus wird in dir täglich fester gepflanzt und gewurzelt. Solche Hörerin und Bewahrerin des Wortes war Maria. „Sie behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.“ heißt es von ihr. Darauf spricht ihr Christus die Seligkeit zu, darauf spricht er sie Allen zu, die ihn im Glauben Empfangen, die ihn ins Leben geboren haben, die nimmer von ihm lassen, die ihm nachfolgen durch Dornen und Hecken, denen auch unter dem Kreuze der Glaube nicht mit gekreuzigt wird. - Das ist die rechte Stellung zu Christo. - Geliebte Gemeinde, unter dem ganzen Haufen, der in Jerusalem um Christum herum stand, fand sich nur ein Weib, dessen Herz richtig vor ihm wandelte, das da wusste, was man von ihm holen soll. Unter allen den Stimmen, die um ihn erklangen, war nur eine, welche den rechten Ton traf. Wie ist es bei uns? Wenn in uns Allen, die wir hier versammelt sind, der Herr den Trug wegwischte, den Trug, mit dem wir uns und Andere blenden, also dass wir den wahrhaftigen Stand unserer Herzen offenbarten: wäre es dann vielleicht auch nur eine und die andere Seele in einem verborgenen Winkelchen der Kirche, die das Rechte, das Eine, das not tut, Leben und Seligkeit von Christo wollte, und richtig liefe nach diesem einzigen Kleinode! Wäre es auch nur eine und die andere, die in dem Wirrwarr der Stimmen den rechten Ton träfe! Der Herr behüte uns in Gnaden, dass das neue Israel, das wenigstens neu sein will, nicht verstockt, nicht kalt, nicht leichtsinnig sei wie das alte. Amen.

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