Brenz, Johannes - Evangelienpredigten - 17. Sonntag nach Trinitatis.

Brenz, Johannes - Evangelienpredigten - 17. Sonntag nach Trinitatis.

Luk. 14,1-11.
Und es begab sich, dass er kam in ein Haus eines Obersten der Pharisäer, auf einen Sabbat, das Brot zu essen; und sie hielten auf ihn. Und siehe, da war ein Mensch vor ihm, der war wassersüchtig. Und Jesus antwortete, und sagte zu den Schriftgelehrten und Pharisäern, und sprach: Ist es auch recht, auf den Sabbat heilen? Sie aber schwiegen still. Und er griff ihn an, und heilte ihn, und ließ ihn gehen. Und antwortete, und sprach zu ihnen: Welcher ist unter euch, dem sein Ochse oder Esel in den Brunnen fällt, und er nicht alsobald ihn heraus zieht am Sabbattage? Und sie konnten ihm darauf nicht wieder Antwort geben. Er sagte aber ein Gleichnis zu den Gästen, da er merkte, wie sie erwählten oben an zu sitzen, und sprach zu ihnen: Wenn du von Jemand geladen wirst zur Hochzeit, so setze dich nicht oben an, dass nicht etwa ein Ehrlicherer, denn du, von ihm geladen sei; und so dann kommt, der dich und ihn geladen hat, spreche zu dir: „Weiche diesem“; und du müssest dann mit Scham unten an sitzen; sondern wenn du geladen wirst, so gehe hin, und sehe dich unten an, auf dass, wenn da kommt, der dich geladen hat, spreche zu dir: Freund, rücke hinauf.“ Dann wirst du Ehre haben vor denen, die mit dir zu Tische sitzen. Denn wer sich selbst erhöht, der soll erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der soll erhöht werden.

Obschon in diesem evangelischen Abschnitt ein herrliches Wunder an der Heilung des Wassersüchtigen enthalten ist, so wollen wir dennoch, weil wir oftmals von dem Wesen der Wunder Christi gehört haben, dass sie nämlich gleichsam die himmlischen Siegel für die Lehre seines Evangeliums sind, jetzt nicht weiter solches Wunder erklären, sondern

die Rede Christi bei Gelegenheit dieses Wunders.

Er lehrt aber vornehmlich zwei Stücke: das eine in Bezug auf den Sabbat, das andere in Bezug auf das Obenansitzen. Denn als Christo am Sabbat ein Wassersüchtiger vorkam, so heilt er, obgleich es den Pharisäern ungeziemend erschien, dass der Mensch am Sabbat geheilt würde, den Wassersüchtigen dennoch durch sein Wort, und seht das wahre Wesen des Sabbats auseinander, d. h. dass der Sabbat eingesetzt sei, nicht, damit wir vollkommen müßig sein und Nichts tun sollen, sondern damit wir an demselben unser ganzes Leben hindurch recht handeln lernen, d. i. Gottes Wort hören. Denn da wir in Sünden empfangen und geboren sind, und auf keine andere Weise das Heil erlangen können, als durch den Glauben an Christum und durch den Heiligen Geist, aber weder der Glaube noch der Heilige Geist uns in anderer Ordnung, als durch das Hören des Wortes Gottes gegeben wird: so erhellt offenbar, dass uns zu unserem Heile Nichts notwendiger ist, als die Lehre und das Hören des Wortes Gottes, auf dass wir daraus die wahre Religion, Glauben und Gehorsam lernen. Daher sagt Paulus: „Der Glaube kommt aus dem Hören1), das Hören aber durch das Wort Gottes“ (Röm. 10,7). Und wiederum: „das Evangelium ist eine Kraft Gottes, die da selig macht Alle, die daran glauben“ (Röm. 1,16). Und Christus spricht (Luk. 10,42) zu der vielgeschäftigen Martha: „Eins ist not.“

Damit nun dieses Eine, das not ist, desto bequemer und nützlicher bewahrt werde, sind in der Staatsverfassung des Mose viele Feste eingesetzt, insonderheit aber der Sabbat, und zwar ist derselbe zuerst durch das strengste Gebot eingesetzt und anbefohlen. Denn das Gesetz sagt: „Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligst. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Dinge beschicken; aber am siebenten Tage ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du kein Werk tun, noch dein Sohn, noch deine Tochter, noch dein Knecht, noch deine Magd, noch dein Vieh, noch dein Fremdling, der in deinen Toren ist. Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht, und das Meer, und Alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der Herr den Sabbattag, und heiligte ihn“ (2. Mose 20,8-11). Sodann ist der Sabbat durch die herrlichsten Wunder bestätigt worden (2. Mose 16,22): „denn des sechsten Tages sammelten sie des Brots [des Mannas] zwiefältig,“ und was auf morgen aufbehalten war, das ward nicht stinkend, wie an anderen Tagen. Endlich ist der Sabbat bestätigt worden durch die strengste Strafe an dem, der am Sabbattage Holz las (4. Mose 15,32-36).

Woher hat dieser Tag so große Heiligkeit? Gewiss nicht durch sein eigenes Wesen, weil alle Tage gleich heilig sind vor Gott, und Christus spricht: „Mein Vater wirkt bisher, und ich wirke auch“; sondern er hat diese Heiligkeit durch Gottes Wort, d. h. der Sabbat ist eingesetzt, dass an ihm die wahre Religion und der wahre Gottesdienst gelehrt werde, dass wir durch die Lehre der Gottseligkeit den Glauben und das Heil erlangen. Das aber, wird man sagen, geht uns Christen nichts an, sondern nur die Juden; für uns Christen aber ist der Sabbat abgeschafft, denn Paulus sagt Kol. 2,16.17: „So lasst nun Niemand euch Gewissen machen über Speise oder über Trank, oder über bestimmte Feiertage oder Neumonde oder Sabbate, welches ist der Schatten von dem, das zukünftig war; aber der Körper selbst ist in Christo.“ Ich antworte: Du sagst recht, der Sabbat, so viel es zwar auf den heiligen Brauch ankommt, gehe die Christen nichts an. Und zwar was jüdisch ist an dem Sabbat und anderen Festen, das ist abgeschafft, also die Zahl der Zeit des siebenten Tages und andere jüdische Bräuche; aber nicht abgeschafft ist das Gesetz der Natur, welches der menschlichen Vernunft göttlich eingeprägt ist. Es sind auch die Ordnungen eines jeden Staates zu beachten. Denn da wir das Heil nicht erlangen können, es sei denn durch den Glauben, und der Glaube aus dem Hören kommt, so urteilt die Natur selbst, es sei notwendig, dass man gewisse Tage halte, an denen das Volk zusammenkommen und Gottes Wort hören und über die wahre Religion belehrt werden soll. Daher sind im christlichen Staate statt des Sabbats und anderer jüdischer Feste der Tag des Herrn und etliche andere Feste eingesetzt worden. Unsere Altvordern hätten irgend einen anderen Tag, weil alle Tage heilig sind, in der Woche auswählen können; allein dieser Tag gefiel ihnen vornehmlich. Darum hat auch Christus selbst diesen Tag durch seine Auferstehung ausgezeichnet, und Christus ist die allergrößte Majestät im Himmel und auf Erden. Diesen Tag hat ferner die Obrigkeit des römischen Reiches ausgezeichnet, welche die höchste Majestät auf Erden ist. Alle Richter, sagt sie, und die städtischen Bevölkerungen und die Arbeiten aller Künste sollen an dem verehrungswürdigen Sonntage ruhen.“ Ferner: „Keine Mahnung [an eine Schuld] bedränge Jemanden, keine Eintreibung einer Bürgschaft werde gefordert, es ruhe der Dienst“ rc. Und weil die Obrigkeit Gottes Ordnung ist, darum sind auch diese Gebote göttliche Ordnung.

Woher kommt die Heiligkeit dieses Tages? Nicht von ihm selber, sondern vom Worte Gottes. Du siehst also, wie sehr die höchste Majestät diesen Tag ehrt, weil sie demselbigen mit ihren öffentlichen Gerichten nachsteht2), nur damit er frei werde für das Anhören des Wortes Gottes. Sintemal ihm denn so große Majestät nachsteht, warum sollte ich ihm nicht nachstehen mit dem Pfluge oder mit anderen Werkzeugen meines Handwerks? Nun auch unsere Altvordern haben diesen Tag ausgezeichnet durch öffentliche Enthaltsamkeit an den zwei Tagen, die vorhergehen. Es war üblich, am sechsten Tage und am Sabbat enthaltsam zu leben. Wir billigen den Aberglauben derer nicht, welche sich bei Auswahl der Speisen und Verdienst durch ihr Fasten auf den Himmel und die Seligkeit Hoffnung machten; aber wir empfehlen die Zucht und die Ehrbarkeit gefälliger Sitten. In Bezug auf die Unterscheidung der Speisen lehrt Christus, der Mensch werde durch Speise nicht verunreinigt; unsere Altvordern aber wollten an den zwei Tagen vor dem Sonntage keine öffentliche Gastmähler, Hochzeiten und andere öffentliche Gelage dulden, damit das Volk nüchtern zum Anhören des Wortes Gottes zusammenkäme. Man findet geschrieben, Romulus habe sich zwei Tage des Weines enthalten, bevor er an öffentlichen Beratungen teilnahm. Um wie viel mehr ist Nüchternheit erforderlich beim Anhören des Wortes Gottes! Unsere Altvordern haben nicht abergläubisch über die zwei Tage, über den sechsten Tag und den Sabbat gedacht, sondern heilig über das Eine, das not ist, geurteilt, welches ist das Hören des Wortes Gottes. So heilig übrigens Jene über den Tag des Herrn und andere Feste geurteilt haben, so unheilig urteilen wir von denselbigen. Da nämlich irgendwo die Unterscheidung der Speisen aufgehoben ist, pflegt es jetzt in der Regel zu geschehen, dass man öffentliche Gastmähler auf den Abend des Sabbat [Sonnabend] verletzt, und so schwelgt man die Nacht hindurch bis zum Morgen. Was ist unheiliger als diese sittliche Verkehrtheit? Denn wie könnte Jemand eine Frucht vom Worte Gottes haben, indem er noch vom Weine erhitzt ist? Jes. 5,11.12: „Wehe denen, die des Morgens frühe auf sind, des Saufens sich zu befleißigen, und sitzen bis in die Nacht, dass sie der Wein erhitzt, und haben Harfen, Psalter, Pauken, Pfeifen und Wein in ihrem Wohlleben. Luk. 21,34-36: „Hütet euch, dass eure Herzen nicht beschwert werden mit Fressen und Saufen und mit Sorgen der Nahrung, und komme dieser Tag schnell über euch; denn wie ein Fallstrick wird er kommen über alle, die auf Erden wohnen. So seid nun wacker allezeit!“ Da nun jene öffentliche Sitte der Enthaltsamkeit an diesen zwei Tagen, d. i. am sechsten Tagen und am Sabbat, aufgehoben ist, so halte ein jeder Familienvater insonderheit in seinem Hause auf Zucht und Ehrbarkeit, und bewahre seine Familie in der Nüchternheit, dass sie zu bestimmten Zeiten zum Anhören des Wortes Gottes zusammenkommen kann.

So viel über den Sabbat, was Christus in diesem Evangelio erklärt hat, d. i.: der Sabbat sei dazu eingesetzt, dass wir an demselben lernen recht handeln, und nicht, dass wir nichts Gutes tun.

Danach predigt Christus von dem Obenansitzen, und verbietet, dass Jemand sich nach seiner eigenen Willkür den ersten Platz anmaße, und fügt die Strafe hinzu, so Jemand Solches getan hat, nämlich öffentliche Beschämung und Schande. Und er macht den Beschluss mit dem schönsten Ausruf: „Wer sich selbst erhöht, der soll erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, der soll erhöht werden.“ Mit dieser Predigt hebt Christus die bürgerlichen, öffentlichen Ordnungen weder auf, noch tadelt er sie; denn es muss Ordnungen unter den Menschen geben. In Christo zwar ist weder Mann noch Weib (Gal. 3, 28); aber in dieser Welt gibt es einen Unterschied der Personen und der Geschäfte, und dieser Unterschied ist eine gute Schöpfung Gottes. Paulus gebietet, der Obrigkeit Ehre zu erweisen. Nimmt also die Obrigkeit den ersten Platz ein, so ist das an und für sich keine Anmaßung, sondern eine öffentliche Ordnung. Das Gesetz gebietet vor einem grauen Haupte aufzustehen; nimmt also ein Ergrauter den Platz vor einem Jüngeren ein, so ist das an und für sich keine Anmaßung, sondern in der Ordnung. Oder so ein Sittenlehrer seine Knaben unterweist, ihm Ehre zu erzeigen, ist das kein Ehrgeiz, sondern seine Pflicht. Ebenso steht es mit einem Vater: indem er seine Familie unterweist, kann er bei der höchsten Ehre der Niedrigste sein.

Christus hebt also die äußerlichen, bürgerlichen Ordnungen nicht auf, sondern verdammt die Anmaßung und den Herzensdünkel, wonach Jemand entweder gegen die öffentliche Ordnung sich einen höheren Platz anmaßt, oder sich innerhalb der öffentlichen Ordnung vor Gott für würdig erachtet, dass man ihm solche Ehre erzeige. Denn eine solche Anmaßung ist eine große Versündigung und Lüge: erstlich vor Gott, weil vor Gottes Augen kein Lebendiger gerecht ist, und wir unwert sind, dass uns der Glanz der Sonne bescheint. Sodann ist es eine Sünde gegen den Nächsten, von dem ich urteile, er sei Gott nicht so angenehm. Darum wird diese Versündigung mit Beschämung und Schande gestraft. Ein Beispiel hast du an den Erbauern des babylonischen Turmes, an Nebukadnezar, an Herodes usw. So brauche denn zwar ein Jeglicher der öffentlichen Ordnung, erkenne aber seine wahrhaftige Niedrigkeit, auf dass er vom Herrn erhöht werde in das himmlische Reich, durch Christum, unseren Herrn, der da Gott ist, hochgelobet in alle Ewigkeit. Amen.

1)
So die Vulgata dem Griechischen gemäß; Luther: Predigt.
2)
Wäre es doch überall noch ebenso bestellt! Der Übers.
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