Brenz, Johannes - Katechismus oder Kinderpredigten - Die dritte Predigt. Auslegung des dritten Bitte.

Brenz, Johannes - Katechismus oder Kinderpredigten - Die dritte Predigt. Auslegung des dritten Bitte.

Nun habt ihr bisher gehört, wie wir in den ersten zweien Bitten von Gott, dem Herrn, begehren, daß er uns geben wolle alles, was da gehört zu der Ehre Gottes, und zum Reich der Himmel, davon er uns in den ersten dreien Geboten befohlen hat. Darum folgt darauf die dritte Bitte; darin wir bitten, daß uns Gott geben wolle, daß wir auch die andern sieben Gebote halten können, darin uns geboten wird alles, was da gehört zu dem weltlichen Reich in dieses vergängliche Leben, nämlich daß wir Vater und Mutter und alle Obrigkeit ehren, nicht tödten, ehebrechen, stehlen, lügen, noch Jemanden nach dem Seinen stellen, sondern gehorsam, friedlich, züchtig und getreu unter einander seyen, und lautet also:

Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden.

Auf daß ihr aber diese Bitte recht versteht, meine lieben Kinder, so merkt mit Fleiß, daß zwei Reiche sind: Eins ist Gottes Reich, oder das Himmelreich, davon ihr in der zunächst vorhergehenden Bitte gehört habt; das andere ist das irdische oder weltliche Reich, davon ihr jetzt hören werdet. Nun ist Gott, der Herr, in diesen beiden Reichen der oberste Herr: im Himmelreich regiert er also, daß wir ewig selig werden; im irdischen Reich regiert er also, daß wir hier zeitlich Frieden und Ruhe haben, auf daß wir Gottes Wort hören und lernen, und also das Himmelreich erlangen können. Die weltliche Obrigkeit aber, die in der Welt regiert, ist von Gott eingesetzt, daß sie seinetwegen regieren, und fleißig darauf sehen soll, daß Friede, Ruhe und Einigkeit bleibe, und Niemand seine Obrigkeit verachte, Niemand morde, Niemand ehebreche, Niemand stehle, Niemand lüge, noch seinem Nächsten böslich nach seinem Gut stelle. Dazu hat er ihnen Macht gegeben, die Bösen, die nicht gehorsam seyn wollen, zu strafen, wie Paulus bezeugt Röm. 13., und spricht: Jedermann sey Unterthan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat; denn es ist keine Gewalt ohne von Gott, wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet: wer sich nun wider die Obrigkeit setzt, der widerstrebt Gottes Ordnung; die aber widerstreben, werden über sich ein Urtheil empfangen. Denn die Gewaltigen sind nicht für gute Werke zu fürchten, sondern nur für die bösen. Thust du nun Böses, so fürchte dich; denn die Obrigkeit trägt das Schwerdt nicht umsonst, sie ist Gottes Dienerin, eine Rächerin zur Strafe über den, der Böses thut. So seyd nun aus Noth unterthan, nicht allein um der Strafe willen, sondern auch um des Gewissens willen.

Aus diesen Worten könnt ihr nun wohl verstehen, meine lieben Kinder, daß Gott, der Herr, ein feines, friedliches und gutes Regiment auf Erden haben will, und diese Gebote dazu gegeben hat: Du sollst Vater und Mutter ehren; du sollst nicht tödten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsches Zeugniß geben; du sollst dich nicht lassen gelüsten.

Er hat auch der Obrigkeit befohlen, daß sie die strafen soll, die solche Gebote nicht halten; und wenn sie es thun, so thun sie ihm einen Dienst daran, wiewohl er selbst auch strafet: darum, wer ungehorsam ist, muß nicht allein die Strafe vor der Welt fürchten, sondern auch vor Gott ein böses Gewissen haben.

Das weltliche Regiment aber, oder den zeitlichen Frieden hat Gott darum verordnet, daß man desto leichter die Wahrheit des Evangeliums erlernen und erkennen, und also selig werden könne; denn wo kein Friede noch Ruhe ist, da kann man auch Gottes Wort nicht predigen mit Nutzen und Besserung.

Darum spricht der heilige Paulus: Man soll vor allen Dingen Bitte, Gebet, Fürbitten und Danksagung thun für alle Menschen, für die Könige und alle Obrigkeit, auf daß wir ein geruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit; denn solches ist gut, dazu auch angenehm vor Gott, unserem Heiland, welcher will, daß allen Menschen geholfen werde, und zur Erkenntniß der Wahrheit kommen.

Dieweil wir denn diesen Willen Gottes aus seinen heiligen Geboten wissen, so sollen wir allen Fleiß anwenden, daß wir's thun, und Gott mit Fleiß und Ernst darum bitten, daß er uns die Gnade und Hülfe gebe, daß wir es zu thun vermögen. Darum hat uns Christus, unser lieber Herr, also bitten lehren: Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden.

Sein Wille aber, der hier auf Erden im irdischen Regiment geschehen soll, ist fein angezeigt in den sieben festen Geboten, die ihr vorhin gehört habt. Darum, meine lieben Kinder, sollt ihr dieselben Gebote mit ihrer Auslegung fleißig bedenken, wenn ihr diese Worte betet: Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch) auf Erden. Denn es ist eben so viel gesagt, als sprächen wir: lieber Vater im Himmel, gib uns deine göttliche Gnade, und hilf, daß wir Vater und Mutter, und aller Obrigkeit gehorsam seyen, und sie von Herzen ehren; gib uns, daß mir Niemandem feind werden, mit Niemanden zürnen, Niemand schmähen, Niemand schlagen, Niemand tödten, sondern Jedermann Gutes gönnen von Herzen, und erzeigen in Worten und Werken; gib uns, daß wir züchtig und keusch leben, Niemand ärgern, oder zur Unzucht reizen, sondern Jedermann seine Zucht und Ehre bewahren helfen; gib uns, daß wir Niemandem sein Gut weder mit List noch Lüge, weder mit Stehlen noch Rauben entfremden, sondern Jedermann das Seinige bewahren, bessern und mehren helfen, und von dem Unsrigen gern Almosen geben; gib uns, daß wir Niemand mit Lügen oder falschem Zeugniß beschweren, sondern zu allen Dingen das Beste reden. Erlöse uns von aller bösen Begierde, daß wir Niemandem nach seinem Stand oder nach seinem Gut trachten; denn das alles ist dein guter göttlicher Wille, den wir hier auf Erden fleißig thun sollen.

Besonders sollt ihr das mit allem Fleiß wohl bedenken, daß wir sprechen: „Dein Wille geschehe wie im Himmel.“ Denn die lieben Engel thun den Willen Gottes im Himmel aufs Allerfleissigste mit grosser Liebe und Gehorsam, und kommt ihrer keinem nimmermehr in den Sinn, daß er etwas Anderes thun sollte, denn was der Wille Gottes ist: also sollten wir auch hier auf Erden thun; wir sind aber viel zu böse und zu schwach dazu; denn wir thun es entweder gar nicht, oder wir thun es unfleissig und ungern: das ist denn alles ein grosses Gebrechen und Sünde, und kann Niemand hier auf Erden so fromm werden, daß er nicht noch frömmer zu werden bedürfte. Darum sollen wir Gott immerdar bitten, daß er uns die Gnade gebe, daß wir seinen Willen thun, bis daß wir so fromm, gehorsam und freiwillig werden, als die Engel im Himmel sind.

Weiter sollt ihr auch das aufs Allerfleissigste merken, meine lieben Kinder, daß wir nicht allein bitten für uns, sondern auch für andere Leute, wenn wir sprechen: Dein Wille geschehe; denn wir bitten, daß andere Leute auch Gottes Willen thun sollen sowohl wie wir, und wenn ein Mensch Etwas wider den Willen Gottes thun will, so bitten wir, daß ihm sein Wille nicht vor sich gehe, sondern daß allein der Wille Gottes geschehe. Daraus folgt dann, daß wir auch wider den Satan und wider die böse Welt bitten, daß auch ihr Wille nicht vor sich gehen soll. Denn wenn wir Gottes Wort hören und glauben, und gern danach leben wollten, so thut es dem Satan Zorn, und wollte es gern hindern, richtet an falsche Lehre und Schwärmerei, Krieg und Aufruhr, Lästerung und Verfolgung; dazu hilft ihm dann die böse Welt, und unser eigenes Fleisch ficht uns auch an. Wenn wir nun bitten, und sprechen: „Dein Wille geschehe“, so bitten wir nicht allein, daß wir und andere Leute seine Gebote Halten mögen, sondern wir bitten auch, daß dem Satan und der bösen Welt, und unserem eigenen Fleisch sein Wille nicht vor sich gehen soll, sondern Gottes Wille soll allein vor sich gehen, auf daß Friede und Ruhe in der Welt bleibe, und das Wort Gottes gepredigt werde, und wir christlich und selig in aller Ehrbarkeit danach leben.

Dieweil uns denn Christus, unser lieber Herr, also zu beten geboten, und uns zugesagt hat, was wir den Vater in seinem Namen bitten, daß wolle er uns geben: so sollen wir fest glauben, und nicht zweifeln, er werde auch dieß unser Gebet erhören und dem Satan und der bösen Welt ihre bösen, untreuen, giftigen Anschläge nicht vor sich geben lassen, sondern uns vor ihrem Lästern und Verfolgen bewahren, daß wir bei seinem heiligen Worte bleiben, und Frieden haben sollen. Darum sollen wir getrost und großmüthig seyn, und sein göttliches Wort fleißig hören, und fröhlich bekennen; denn er spricht Matth. 10,32.: Wer mich bekennet vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem Himmlischen Vater; wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater.

Auch sollt ihr das mit besonderem Fleiß merken und in das Herz bilden, meine lieben Kinder, daß wir in diesem Gebet in allerlei Leiden einwilligen, das uns in dieser Welt begegnen kann; denn, indem wir bitten, daß sein göttlicher Wille geschehen soll, verzichten wir darauf, daß unser eigner Wille geschehn soll. Es ist aber gemeiniglich unser Wille, daß wir gern gesund, reich, ehrlich und friedlich leben wollten; dagegen aber ist es der Wille Gottes daß wir das Kreuz tragen und leiden sollen, wie Christus gelitten hat. Darum spricht Paulus Röm. 8,29.: Welche Gott zuvor versehen, das ist, zum ewigen Leben geordnet hat, die hat er auch verordnet, daß sie gleich seyn sollten dem Ebenbilde seines Sohnes; darum spricht auch Christus Luc. 9,23.: Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt täglich, und folgt mir nach, der kann nicht mein Jünger seyn.

Es ist aber kein böses Zeichen, wenn uns Gott Leiden zuschickt; denn er züchtigt ein jedes Kind, das er aufnimmt, und wer der Zucht oder des Leidens nicht theilhaftig ist, der ist kein rechtes Gotteskind, sondern ein Bastard, wie der Apostel bezeuget Hebr. 12,8. So spricht auch Salomon Sprüchw. 3,12: Wen Gott lieb hat, den züchtigt er. Darum sollt ihr, meine lieben Kinder, geduldig seyn, und gerne leiden, wenn euch Gott Krankheit oder Armuth, oder unverdiente Schande oder unverdientes Leiden und Verfolgung zuschickt; denn es ist ein Zeichen, daß er euch lieb hat, und euch dadurch vor Sünden behüten und euren eigenen Willen brechen will, daß ihr ein Wohlgefallen gewinnet an dem Willen Gottes: das ist dann eine rechte himmlische und englische Jugend.

Ihr seyd es auch zu thun schuldig; denn in der Taufe hat Gott einen solchen Bund mit uns gemacht, daß wir mit Christo zu gleichem Tod begraben seyn, das ist, leiden und sterben sollen, wie er; so will uns Gott wiederum lebendig machen und in den Himmel versetzen, wie der Herr Christus wieder lebendig geworden und gen Himmel gefahren ist.

Darum, meine lieben Kinder, merkt es mit Fleiß, und seyd geduldig in allerlei Leiden, es sey Krankheit oder Armuth oder Schande oder Verfolgung; denn es ist der Wille Gottes, daß wir leiden sollen. Darum spricht auch Christus Luc. 21,18.: Es wird euch nicht ein Haar von eurem Haupt fallen ohne den Willen eures Vaters im Himmel. Wenn euch aber die Ungeduld anficht im Leiden, so ruft Gott ernstlich an, daß er euch Geduld verleihe, und sprecht: „dein Wille geschehe, und nicht der meine“; wie uns der Herr Christus in diesem Gebet gelehrt und selbst auch gethan hat.

Das ist nun die Meinung und der einfältige rechte Verstand dieser dritten Bitte, nämlich Gottes guter, gnädiger Wille geschieht wohl auch ohne unser Gebet, aber wir bitten in diesem Gebet, daß er auch bei uns geschehe. Das geschieht dann, wenn Gott allen bösen Rath und Willen bricht, und hindert so uns den Namen Gottes nicht heiligen und sein Reich nicht zu uns kommen lassen wollen, als da ist des Teufels, der Welt und unsers eignen Fleisches böser Wille, sondern behält uns fest in seinem Wort und Glauben, und im Gehorsam seiner Gebote bis an unser Ende; das ist sein gnädiger, guter Wille.

Darum, meine lieben Kinder, merkt es mit Fleiß, und wenn man euch fragt: Wie verstehst du die dritte Bitte? so sollt ihr also antworten:

Gottes guter, gnädiger Wille geschieht wohl auch ohne unser Gebet, aber wir bitten in diesem Gebet, daß er auch bei uns geschehe. Das geschieht dann, wenn Gott allen bösen Rath und Willen bricht und hindert, so uns den Namen Gottes nicht. Heiligen und sein Reich nicht zu uns kommen lassen wollen, als da ist des Teufels der Welt und unsers eignen Fleisches böser Wille, sondern behält uns fest in seinem Wort und Glauben, und im Gehorsam seiner Gebote bis an unser Ende; das ist sein gnädiger, guter Wille.

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