Blumhardt, Johann Christoph - Über die Lehre von den Engeln - 4. Der unsichtbare Engeldienst.
In der Regel setzt die Schrift voraus, dass die Annäherung Gottes durch die Engel eine unsichtbare sei. Dies ist schon bei Jakob der Fall, wenn er am Ende seines Lebens (1 Mos. 48,16) von dem Engel redet, der ihn erlöst habe von allem Übel. So war's auch wohl ein unsichtbarer Engel, der, als Daniel im Löwengraben saß, den Löwen den Rachen zuhielt, dass sie ihm kein Leid taten (Dan. 6,22). So ists ferner in den Psalmen gemeint, wenn es heißt (34, 8): „Der Engel des HErrn lagert sich um die her, so Ihn fürchten, und hilft ihnen aus“; oder (Psalm 91,11): „Er hat Seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen“. Auch das Wort JEsu (Joh. 1,51), dass man die Engel Gottes werde herauf- und herabfahren sehen auf des Menschen Sohn, ist, wie oben erklärt wurde, auf den unsichtbaren Verkehr der Engel mit JEsu zu beziehen, wie überhaupt „die dienstbaren Engel, ausgesandt zum Dienste derer, die ererben sollen die Seligkeit“ (Hebr. 1,14) in der Regel unsichtbar zu denken sind. Unter diesem unsichtbaren Engelschutz dürfen also auch wir uns fort und fort denken, wenn wir im Glauben uns unter den Schutz Gottes stellen, dass wir also das für die Kinder Gesagte auch auf uns übertragen dürfen, und um so mehr, je mehr wir Kinder werden, wie es der Heiland begehrt. Da ist es uns für den Glauben an die unmittelbare Hilfe Gottes von nicht geringer Wichtigkeit, uns in etwas die Art denken zu können, auf welche Gott Seine Hilfe uns erteilt, indem wir uns den Dienst der Engel, welche Gott mit Seiner Kraft ausrüstet, vergegenwärtigen.
Um doch noch einigen Begriff zu geben, wie wir den Dienst der Engel auch in gegenwärtiger Zeit uns durchaus nicht so ferne denken dürfen, und wie er oft versteckt in etwas liegen kann, da wir's ganz übersehen, so lasset mich, Geliebte, noch einiges Weitere sagen. Ich erinnere an das, dass dem Hauptmann Cornelius ein sichtbarer Engel erschien (Apostelg. 10), nur, um ihm zu sagen, wohin er zu schicken hätte, um den rechten Lebensweg zu finden. Was hier ein sichtbarer Engel tut, geschieht unzählige Male unsichtbar. Wie oft bekommt jemand einen unwiderstehlichen Drang, den er sich nicht erklären kann, oder wird er sonst durch Umstände gedrängt, da oder dorthin zu gehen; und tut er's, so wird es ihm klar, wie eine höhere Weisung in dem Drang lag, eine Anregung des Geistes, wie bei Simeon (Luk. 2,27), die nach Umständen auch wieder als durch den Dienst der Engel gedacht werden kann. Entweder dient's ihm selber zum Heil, indem er irgendwie tiefen Eindruck zu bekommen Gelegenheit findet, oder wird er Andern eine Rettung, denen er, weil er unerwartet erscheint, selbst wieder als ein Engel Gottes erscheint, oder liegt eine wunderbare Bewahrung zu Grunde. Auch Paulum nehmen die Galater als einen Engel Gottes auf. Wenn ferner dem Paulus in Troas ein Makedonier erscheint mit der Bitte: „Komm hernieder in Makedonien und hilf uns“ (Apostelg. 16,19), so war's ein Ruf vom HErrn (vgl. V. 10), vermittelt durch einen Engel, wieder mit dem eigentümlichen Zug vergleichbar, den je und je Diener des Evangeliums mit unwiderstehlicher Gewalt in sich fühlen, oder sonst irgendwie angeregt, bekommen, da ganz unvermerkt der Dienst der Engel mitwirken kann.
Weil eben von einem Traum Pauli die Rede war, so wollen wir einiges auch auf Träume Bezügliches sagen. So vorsichtig wir auch in unsrer Zeit bei Träumen sein müssen, so sind sie doch nicht immer Schäume. Wenn z. B., wie in Tuttlingen vorgekommen ist, ein Fischer des Morgens im Traum die Weisung erhält, er solle schnell ans Wasser gehen, da er einen großen Fisch fangen werde, und wenn er, dem unwiderstehlichen Drange folgend, sein Garn auswirft und augenblicklich einen sechsjährigen Knaben, der weiter oben ins Wasser gefallen war, noch eben zur rechten Zeit auffängt, - wer denkt nicht an die Engel Gottes, zum Dienste ausgesandt?
Wer nachdenkt, kann der Engel unsichtbare Hilfe auch in Anderem finden. So, wenn in Genf, wie vor Jahren geschehen ist, ein dreijähriges Kind vom Dachfenster herab sieben Stock hoch herunterstürzt und leicht auf den Rücken eines vorbeifahrenden Kutschers fällt, um von da sachte auf den Boden herunterzugleiten, und dann zwischen den Pferden hin völlig unversehrt, ja lächelnd wieder aufzustehen, wer denkt nicht an das verheißene Tragen der Engel auf ihren Händen, dass man den Fuß nicht an einen Stein stoße? Wie viele Bewahrungen ähnlicher Art kommen nicht täglich vor, die man nicht anders als durch der Engel Dienst erklären kann; aber wir sind zu stumpf, um darauf zu achten, und vergessen über dem Verwerfen der Engel auch Gott selber.