Beste, Wilhelm - Wegweiser zum inneren Frieden - 51. Hast du ein gutes Herz?

Beste, Wilhelm - Wegweiser zum inneren Frieden - 51. Hast du ein gutes Herz?

Viele Menschen glauben ein gutes Herz zu haben, weil sie einige Regungen der Barmherzigkeit in sich verspüren. Andere wollen das Wort „gutes Herz“ ganz aus dem Wörterbuche der Christenheit streichen, weil Niemand gut ist, denn der einige Gott. Die Schrift streicht es nicht; denn David spricht: „Herr, tue wohl dem guten und frommen Herzen!1) und der Heiland selbst deutet im Gleichnis vom Sämann das gute Land von dem feinen, guten Herzen.2) Dieses gute Land kann uns allein über das Wesen eines guten Herzens aufklären. Das gute Land nimmt zunächst den ausgestreuten Samen auf, im Gegensatz zu dem hartgetretenen Wege, in den es nicht eindringen kann. Ein gutes Herz muss demnach vor Allem das Wort Gottes in sich aufnehmen. Du musst offenen Sinn haben für das Wort. Das, wofür du Sinn hast, entscheidet vor Allem über deinen Wert. Hast du Sinn für das Edle, so bist du edel; hast du Sinn für das Gemeine, so bist du gemein. Was kann es Besseres geben, als das Wort Gottes! Wer keinen Sinn dafür hat, kann nicht gut sein. Ich will dir diese Wahrheit noch deutlicher zeigen. Würdest du Jemand ein gutes Herz zuschreiben, der keinen Sinn für Liebe hat? Das Wort Gottes ist aber das Wort der Liebe. Wie unendlich ist die Liebe, die es dir enthüllt! „Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie Desselbigen vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen. Siehe, in die Hände hab' ich dich gezeichnet!3) So spricht der Herr, der dich mit Namen kennt, der immer bei dir ist. „Du bist bei mir! welch trostreicher Gedanke an die schützende Liebe! Welche Anregung zur Erfüllung des Wortes: „Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen!“4) O friedenreicher Gedanke: „Der Herr ist nahe Allen, die ihn anrufen, die ihn mit Ernst anrufen!“5) „Das Verlangen der Elenden hörst du, Herr; ihr Herz ist gewiss, dass dein Ohr darauf merke!“6) Da spüre ich eine Liebe des Allmächtigen, die meiner Seele Ruhe gibt, volle Ruhe und den Gedanken: „Herr, dein Wille geschehe!“ Und ob ich auch versunken bin in das tiefste Unglück, die Sünde: das Wort Gottes wird mir zum Spiegel, in welchen ich den heiligen Himmel sehe, wo Freude ist über einen Sünder, der Buße tut; es wird mir zum Wegweiser zu Dem, der vom Himmel herab kam, damit ich zum Himmel hinauf komme; zum Wegweiser an den roten Quell, in dem meine Seele gesund sich badet! Und so ist es nicht bloß das Wort der Liebe, die wir empfangen, sondern auch der Liebe, die wir üben. Nicht bloß die Liebe Gottes, sondern auch die Liebe der Kinder Gottes flammt in diesem Worte und aus diesem Worte..

Vater unser! flammt's in diesem Worte. Alle, die es aufnehmen, ersehnen und erflehen nicht sich allein das Gute. Sie wollen nicht allein glücklich sein. O Vater unser, o meines Feindes Vater, gib Allen, Allen, gib auch meinem Feinde alles Gute, das Du geben kannst. Sättige, labe meinen Feind mit den reichen Gütern Deines Hauses, und kann ich seine Seele erfreuen, ich will's tun durch Deine Gnade für Dein Kind als Dein Kind! Solche Gedanken gib mir! Es sind Gedanken nach Deinem Herzen, nach Deinem Worte, dem Worte der Liebe. Bin ich aber nicht empfänglich für solche Gedanken, hab' ich keinen Sinn für das Wort der Liebe: dann muss ich überhaupt keinen Sinn für Liebe haben, und dann hab' ich kein gutes Herz. Ich gleiche dem hartgetretenen Boden, in den das Korn nicht eindringen kann.

Aber das Wort Gottes will nicht bloß aufgenommen, sondern auch behalten, bewahrt sein. Es gibt Herzen, die, von seinem göttlichen Strahl berührt, in eine fliegende Hitze geraten. Wie begeistert wallen sie auf über seine Herrlichkeit! Das ist, rufen sie, ein heiliges, köstliches, beseligendes Buch! Dennoch müssen wir noch warten, ob wir in ihnen die feinen, guten Herzen erkennen dürfen. Denn viele nehmen, wie sie, das Wort mit Freuden auf; aber zur Zeit der Anfechtung fallen sie ab. Viele Herzen gleichen dem dünnen Erdreich auf dem Felsen. Drinnen kann das Saatkorn nicht wurzeln und saften. Derselbe Sonnenstrahl wird ihm verderblich, durch den die Saat im tiefen Erdreich gedeihet. So verdorret das Wort Gottes in dem flachen Herzen durch dieselbe Trübsalshitze, durch welche es im tieferen Gemüte zur Reife kommt. Bei Manchen wurzelt das Wort Gottes tiefer; aber andere Dinge wurzeln eben so tief. Das sind die Dornen. Sie entziehen dem Korne je länger, je mehr den Saft und, wenn es aufgeht, die Sonne Gottes. Hier gilt Eins von Beiden: Tod den Dornen oder Tod dem Korne! Tod entweder den Sorgen, dem Geize und der Wollust, oder Tod dem Worte im Herzen! Das Wort gebraucht den ganzen Boden deines Herzens. Eine einzige immer genährte Sorge kann zum Dorne werden, an dem dein Herz verblutet. Eine einzige Leidenschaft kann dich um das Wort Gottes, um das Christentum, um das gute Herz bringen. Denk an Judas, Ananias7) und Demas8)!

So ist denn dein Herz nur gut, wenn es Gottes Wort aufnimmt und bewahrt. Aber irre dich nicht. Mancher meint, das göttliche Wort im Herzen zu haben, und hat es doch nur im Begriffe oder in der Einbildung. Willst du wissen, ob du nicht bloß Christi Lehre, sondern Christi Geist; ob du Christi Wort nicht bloß im Kopfe, sondern auch im Herzen hast: so frage dich, ob du Frucht bringst. Gott braucht bloß deinen Glauben zu sehen, um dich zu zu erkennen; du aber musst dich an deinen Früchten erkennen. An ihnen kannst du merken, dass dein Glaube kein Selbstbetrug ist. Darum sagt die Schrift: „Seid Täter des Worts und nicht Hörer allein, damit ihr euch selbst betrügt.“9) Wer nicht des Wortes Täter ist, der kann es gehört haben, aber nicht mit dem Herzen; der kann es bewahrt haben, aber nicht im Herzen. Seine Gedanken vom Worte sind eitel Verstandes- und Phantasiewerk, und er betrügt sich, wenn er sein Herz für gut hält.

Wir sollen aber Frucht bringen „in Geduld.“ Ausharrend soll unsere Arbeit sein. Wie Viel wird hierin gefehlt, auch von Menschen, die ein gutes Herz zu haben meinen! Wenn du arbeitest, so kannst du kaum das Ende deiner Arbeit erwarten. Du sehnst dich danach, fertig zu sein. Du eilst von Tätigkeit zu Tätigkeit, aber in keine legst du deine volle Kraft. Du arbeitest nicht gründlich, weil nicht geduldig. Ausgereifte Früchte, Werke, die so gut sind, als du sie mit der von Gott empfangenen Kraft schaffen kannst, sollst du deinen Mitmenschen bieten. Wo nicht, so betrügst du sie und hast kein gutes Herz. Der geringste Knecht, wie der Mann mit dem höchsten, geistigsten Beruf bedenke Das. Ach, wie Vieles wird nur abgetan, statt erwirkt und ausgearbeitet zu werden in Geduld! Eure Arbeit für die Menschen verklagt euch, ihr Ungeduldigen! Nicht minder eure Arbeit an den Menschen. Wollt nicht zu gleicher Zeit säen und ernten, ihr Prediger, Lehrer und Eltern! „Siehe, ein Ackermann wartet auf die köstliche Frucht der Erde, und ist geduldig darüber, bis er empfahe den Morgenregen und den Abendregen. Seid ihr auch geduldig und stärkt eure Herzen.“10) Vergesst auch nicht, dass von der Saat, die Er Selbst, der Herr gestreut hat, nur ein Teil hundertfältige Frucht gebracht hat. Muss Gott selbst vergeblich säen, so ertrage es, wenn nicht jedes Saatkorn dir Frucht trägt. Ertrage es in der Gewissheit, dass doch ein Teil fruchtet, und diesen sicheren Ertrag deiner Arbeit erwarte in Geduld. Darin gleiche dein Herz dem Herzen des ewigen Vaters. Dann nur ist es ein gutes Herz. Dann aber wirst du endlich auch Geduld haben mit dir selbst. Ach, es ist nicht gut, wenn man zu seiner eigenen Verklärung dem Reiche Gottes Gewalt tun will; wenn man an sich verzweifelt, weil man nicht gleich vollkommen ist; wenn man an der Gnade Gottes verzagt, weil man nicht hundertfältige, sondern nur dreißigfältige Frucht bringt. Habe Geduld mit dir selbst! Lass nur Christum anfangen in dir. Arbeite, ringe, aber harre in Geduld, und verzweifle nicht. Jenseits des Grabes ist auch noch eine Welt; auch noch eine Sonne, die Frucht hervortreibt aus dem Boden des Christenherzens.

1)
Ps. 125, 4.
2)
Luk. 8, 15.
3)
Jes. 49, 15. 16.
4)
Ps. 50, 15.
5)
Ps. 145, 18.
6)
Ps. 10, 17.
7)
Apg. 5
8)
2 Tim. 4, 10.
9)
Jak. 1, 22.
10)
Jak. 5, 7. 8.
Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/b/beste/beste-wegweiser/beste-wegweiser-51.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain