Besser, Wilhelm Friedrich - Christi Hingang ins Gefängnis
Betrachtung über 1. Petri 3,19.20
Nach Bessers Bibelstunden
„In demselben (Geist) ist er auch hingegangen und hat gepredigt den Geistern im Gefängnis, die einstmals nicht glaubten, als Gottes Geduld harrete zu den Zeiten Noahs, da man die Arche zurüstete, in welcher wenige, das ist acht Seelen, hineingerettet wurden durchs Wasser.“
Als Christus getötet war nach dem Fleisch, freuete sich die Welt (Joh. 16,20), denn der Fürst dieser Welt schien gesiegt zu haben, und noch heute verblendet er die Sinne der Ungläubigen, daß sie das helle Licht des Evangeliums von dem Auferstandenen nicht sehen können. Aber es gibt Ungläubige in der Hölle, welche den geistlebendigen Christum schon haben sehen müssen, zum Exempel denen, die sein Anblick zum Verschmachten bringen wird am Tage seiner Zukunft. Während auf Erden die Gottlosen sich verstockten gegen das Gerücht von dem am Grabe Jesu Geschehenen (Mat. 28,12), geschah unter der Erde eine Offenbarung des aus dem Tode Lebendiggemachten, welcher die Gottlosen sich nicht erwehren konnten. Denn nachdem der getötete Heiland, dessen seliger, in des Vaters Hände befohlener Geist samt dem Schächer im Paradiese war (Luk. 23,24), seines Leibes Leben wiedergenommen, ist er in diesem seinem herrlichen Stande, da sein Leib zu Geistesleben verklärt worden war, hingegangen und hat gepredigt den Geistern im Gefängnis. Im Geist hat er mit Geistern gehandelt; das entspricht einander, doch ein erschütternder Gegensatz liegt zugleich darin. Er, der lebendig gemacht nach dem Geist, befreiet vom Tode (vergl. Apg. 2,24), sie, Geister im Gefängnis, mit Todesbanden gebunden.
Das Wort Gefängnis erklärt sich aus einer prophetischen Grundstelle: „Es geschieht an demselbigen Tage,“ heißt es Jesaja 24,21.22, „heimsuchen wird der Herr das Heer der Höhe in der Höhe und die Könige der Erde auf Erden, daß sie gesammelt werden zusammen gefangen zur Grube, und verschlossen werden im Kerker, und nach einer Menge von Tagen werden sie heimgesucht.“ Das Gefängnis der Grube (vergl. Jes. 14,15) worein der Herr die Gewaltigen, beide in der Höhe und auf Erden, die teuflischen und menschlichen Weltmächte, am Tage der letzten Heimsuchung verschließen wird, hat sein Vorbild an dem Gefängnis, worin die Geister der vor dem Flutgericht - nach einer Menge von Langmutstagen - Heimgesuchten verschossen sind samt den gefallenen Engeln, deren Haft im Abgrunde der Apostel 2. Pet. 2,4 mit dem Flutverderben der „vorigen Welt“ zusammenfaßt (vgl. Jud. 6 und auch Off. 18,2; 20,7).
Diesen Geistern im Gefängnis nun hat der auferstandene Christus gepredigt, indem er hinging. Sein Hingehen selber, wodurch er lebendig sich erwies, war die Predigt. Lebte er, so waren sie behalten zum Tode im ewigen Feuer. Weislich gebraucht hier der Apostel für „predigen“ ein Wort, welches den Tat-Inhalt der Predigt des zur Hölle Niedergefahrenen trefflich andeutet. Anders hat er in Kapitel 1,12 und 25, wo es um die evangelische Heilspredigt ihm zu tun ist, das Predigen der Apostel, anders an unserer Stelle das Predigen Jesu Christi in der Unterwelt benennen wollen, nämlich mit dem Ausdrucke, der im Neuen Testament die heroldsmäßige Verkündigung des Reiches Gottes bezeichnet (vergl. z.B. Mat. 3,2; 4,17.23; 9,25; 10,7; 24,14; Apg. 20,25; 28,31), also recht eigentlich hierher gehört, wo der Reichssieg gewonnen und der König Christus mit Preis und Ehre gekrönt ist. Desselben Wortes bedient sich Petrus in der Rede im Hause des Cornelius, wo er als Zeuge des auferstandenen Lebensfürsten dasteht; dem Volke, welches ihn ans Holz gehängt und getötet hat, soll nach göttlichem Auftrag gepredigt, d.h. im Triumphe zugerufen werden, daß er ist verordnet von Gott ein Richter der Lebendigen und der Toten (Apg, 10,42). Fröhliche Botschaft ist die Reichspredigt den Gläubigen, Schreckensbotschaft den Ungläubigen. Daß es jenen Geistern im Gefängnis eine Schreckens- und Gerichtspredigt war, was die Erscheinung des Getöteten und Auferstandenen mit macht ihnen dartat, das sagen die Worte unseres Textes: die einstmals nicht glaubten, als Gottes Geduld harrte in den Tagen Noahs, da man die Arche zurüstete. Einstmals, als die Geduld vor ihren Augen die Arche der Errettung zurüsten ließ, glaubten sie nicht und weigerten sich, dem Prediger der Gerechtigkeit (2. Pet. 2,5) zu gehorchen: jetzt waltet keine Zeit der Geduld mehr, sondern ein schreckliches Warten des Gerichtes haust in ihrem Gefängnisse (vergl. 2. Pet. 2,5.9) und der durch seine Auferstehung zum Richter der Lebendigen und der Toten erhöhte Christus ist hingegangen und hat ihnen gepredigt, daß er es sei, auf welchen der gerechte Noah gehofft und welchen sie verachtet haben, er der Herr, welcher einstmals das Gericht des Verderbens (2. Pet. 3,6) über sie geführt hat und jetzt bereit ist, samt ihnen alle Ungläubigen und Ungerechten zu richten im Feuer des Jüngsten Tages.
So hat Christus triumphiert in der Hölle (Kol. 2,15): die Fürstentümer und Gewalten, deren Tyrannei über die vorige Welt im Gefängnis endigte, haben den Lebenssieg des Königs schauen müssen, dem das Reich ist in Ewigkeit und der dem Reich des Fürsten dieser Welt ein Ende machen wird im feurigen Pfuhl.
Sehet, ihr betrübten Christen, das ist euer Herr. Euch ist seine schreckliche Predigt in der Hölle eine tröstliche Predigt. Fürchtet euch vor der Gottlosen Trotzen nicht und erschrecket nicht. Wie es geschah in den Tagen Noahs, so muß es auch geschehen in den Tagen des Menschensohnes (Luk. 17,26). Damals war eine Geduldszeit vor dem Gericht, jetzt ist wieder eine Geduldszeit vor dem Gericht. Damals predigte Noah Buße und rüstete die rettende Arche zu, jetzt erschallt die gleiche Bußpredigt aus dem Munde der apostolischen Prediger der Gerechtigkeit, die vor dem Kommen des großen und offenbarlichen Tages des Herrn alle hinrufen zu dem Rettungsorte in Zion (Apg. 2,20.21). Und wie die Weltmenschen damals der Predigt Noahs nicht glaubten und der Rettungsarche nicht achteten (Mat. 24,39), so glauben sie jetzt auch nicht und wüten gegen die Gemeinde Christi, statt in sie sich zu flüchten. Aber wie jene Verächter der göttlichen Geduld von der Erde hinweggerafft worden sind, um unter der Erde Christum zu ehren mit Kniebeugung der Verdammten und die Predigt seiner Niederfahrt mit Heulen zu beantworten, so wird es auch den Verächtern der gegenwärtigen Geduld Gottes ergehen: auf die Gnadenpredigt, der sie nicht folgen wollen, wird eine Zornpredigt folgen, der sie nicht mögen entrinnen. Mag denn die Zahl der Gläubigen noch so gering und ihr Stand in der Welt noch so elend sein, was schadets ihnen, da sie wissen, daß Jesus Christus lebet und herrschet, und zwar für sie. Wenige, nämlich nur acht Seelen ließen sich hineinretten in die Arche. Dem alten Noah ging's gewiß durch Mark und Bein, daß die ganze Gemeinde er Erretteten nur aus acht Seelen bestand und er die ganze Welt gegen sich hatte; dennoch zählte er nicht den großen Haufen der Gottlosen, ärgerte sich nicht an seinem Archenbau, wurde auch nicht weich beim Gedanken an manche Freunde und Verwandte nach dem Fleisch, sondern fragte danach allein, auf welcher Seite Gottes Wort stand, und tat alles, was ihm Gott gebot (vergl. Die Anwendung hiervon auf die kleine Christenherde in Kap. 4,4).
Nun kam die Flut und nahm die Gottlosen alle dahin, übermachte ihre Seelen dem Gefängnis; die acht gläubigen Seelen in der Arche aber trug das Wasser, welches allem Fleisch auf Erden den Tod brachte, in die Höhe zum Leben. Solch ein Wasser, welches tötet und lebendig macht, begräbt und zur Auferstehung hebt, haben auch wir. In den Tod Jesu Christi getauft, sind wir teilhaftig seines Lebens, und durch alle Leidensfluten hindurch, die den alten Menschen töten helfen (Kap. 4,1), kommen wir in lebendiger Hoffnung entgegen unserm himmlischen Erbe. Den Ungläubigen wird kein anderes Zeichen gegeben als das Zeichen des Gerichts, welches geschehen ist in der Tiefe der Erde an den Ungläubigen der vorigen Welt; die aber glauben an den Auferstandenen, besitzen das Pfand seines Geistes und Lebens, ihnen gegeben in der heiligen Taufe, und warten mitten unter vielen Trübsalen ihres Herrn vom Himmel, der ihre Sache, das ist seine Reichssache, offenbarlich führen und ihnen Recht schaffen wird, wie einstmals dem gerechten Noah.
Quelle: Gärtner - Eine Wochenschrift für Gemeinde und Haus 1909