Baxter, Richard - Selbstverleugnung - Das XXIX. Capitel.
Wie Kinder / Verwandten und Freunde muessen verlaeugnet werden.
Es ist ferner ein Stueck der Selbheit / welches muß verlaeugnet werden / welches bestehet in Kindern / Freunden / Verwandten / oder die uns in andern Respecten moechten werth / lieb und angenehm seyn: Diß Stueck muß nun solcher gestalt verlaeugnet werden: Nicht daß man solte annehmen oder folgen der Lehr derjenigen unnatuerlichen Ketzer / die da wollen / daß Eltern / Brueder / Schwester / Maenner / Weiber / Obrigkeit / Unterthan nur eine fleischliche Relation zu uns haben / und muessen derowegen nicht weiter angesehen / geachtet / geliebet / oder geehret werden / als die Gerechtigkeit erfordert / daß man wieder erstatten soll demjenigen / der etwas auf einen gewandt hat. Nein / dieses ist aerger denn heydnische Gottlosigkeit / und ist nicht allein gegen das fuenffte Gebot / sondern viele Oerter H. Goettlicher Schrifft mehr. Denen Eltern ungehorsam / undanckbar / stoerrig seyn / ist zum theil mit ein Kennzeichen derer Gottlosen / von welchen der Apostel weissaget / 2. Tim. 3/ 2.3. Wenn Christliche Knechte heydnische Herren haben / die uessen deßwegen nicht das Joch von sich werffen / sondern halten sie aller Ehren werth / auf daß der Nahme GOttes / und seine Lehre nicht moegen gelaestert werden: Haben sie aber glaeubige Herren / so muessen sie dieselbe nicht deßwegen verachten / weil sie in Christo ihre Brueder sind / sondern ihnen desto lieber dienen / weil sie glaeubig sind. Dieses ist die Lehre des Evangelii / welche nicht auffloeset / sondern vielmehr bevestiget die Relationes der Eltern gegen die Kinder / Herren gegen die Knechte / etc. und so jemand anders lehret / der ist verduestert und weiß nichts / sondern ist seuchtig in Fragen und Wort kriegen / 1. Tim. 6/ 1.2.3.4. Glaeubige Weiber muessen bleiben auch bey ihren unglaeubigen Maennern / und gewinnen sie zu Christo durch ihren keuschen Wandel in der Furcht 1. Petr. 3/ 1.2.3.4.6. 1. Cor. 7/ 13.14. Eben dasselbe mag auch gesaget werden von andern Relationibus. Es begehret auch GOtt nicht von uns / was die Papisten thun und vertheidigen / daß wir uns leiblich absondern solten von unsern Freunden / oder denen die uns nahe angehen moechten / unter dem Vorgeben / als daß wir uns ihme verloben und zu eigen geben wollen. Der Worte / 2. Cor. 5/ 16. mißbrauchen sie nur: Es ist war / wir muessen niemand kennen nach dem Fleisch / auch Christum selber nicht / das ist / als wolten wir ihn vornehmlich hoch halten wegen eienr fleischlichen Vortrefflichkeit (als da sind die Ansehnlichkeit der Person / vornehmer Stamm und Herkommen / etc.) oder wegen einig fleischlich End und Absehen / oder daß wir die leibliche und aeusserliche Wuerde / der geistlichen und innerlichen Wuerdigkeit wolten vorziehen etc. Solcher gestalt muessen wir weder Eltern noch Kinder / weder Maenner noch Weiber kennen nach dem Fleisch / so solte auch ein Christ nicht kennen oder thun einig Ding nach dem Fleisch als ein fleischlicher Mensch; dennoch aber gleichwie unsere Relation zu CHristo stets bleibet / daß wir sind seine Juenger / Knechte / Glieder / Erloesete / ob wir ihn schon nicht kennen nach dem Fleisch; also muß auch bleiben die Relation, die wir haben zu andern / und muessen mit Treue und Fleiß verrichten die Pflicht die solche Relationes von uns erfordern / und das nach dem Geist / und fuer GOtt. Daraus denn erhellet / daß es sind die Relationes carnaliter confideratz, davon gesaget wird / daß wir sie nicht kennen / daß wir sie verlaeugnen sollen; das ist / als wir sie ansehen als ein Stueck der Selbheit / die ihr eigen End und ihr eigen Gott seyn wolte / und welche GOtt entgegen gesetzet / und nicht ihme untergeordnet ist. Wenn einer seine Kinder ansiehet als die mehr sein sind als GOttes / das ist ein fleischlich selbstisch gedencken; dieselbe nun unordenlich zu lieben / und mehr weil sie euer / als weil sie GOttes sind / und zu lieben das Recht oder Theil / welches ihr an euren Kindern habet / mehr / als das Recht oder Theil welches GOtt daran hat / ist ein fleischlich Ansehen nach dem Fleisch. Gnade toedtet oder hebet nicht auf die Natur / und natuerliche Liebe / sondern sie heiliget dieselbe zu GOttes Ehren; oder hebet sie auf / wie das Anschauen GOttes in der Herrlichkeit auffhebet das Erkaentnis oder Wissen / welches Stueckwerck ist / nemlich daß es dasselbige vollenkommener machet. Ehe die Gnade GOttes uns heiliget / so kennen / ehren / lieben wir unsere Eltern / Kinder / Maenner / Weiber nur allein darum / weil sie eine solche Relation zu uns haben / das ist / weil sie unsere Eltern / Kinder / etc. sind / und also nach dem Fleisch / und gehen nicht hoeher; Und wenn wir waeren mit CHristo umgegangen im Fleisch / haetten vor ihme gegessen und getruncken / und ihn nach dem Fleisch geliebet / so waere solches nur gewesen ein selbstisch kennen / Ehre / und Liebe / die uns wenig oder nichtes wuerde helffen koennen zur Seligkeit: Nachdem wir aber geheiliget sind / gleichwie GOtt als denn in unserer Seelen ist erhoehet worden / und Selbst / so weit es gegen GOtt sich setzet / herunter gestossen aus seiner Herrschafft / also sind auch alle Dinge / die zu Selbst oder zur Selbheit gehoeren / auffgehoben und abgethan. Dannenhero wenn wir haetten zuvor unsere Eltern oder Christum selber mit solcher selbstischen Liebe geliebet / so lieben wir dieselbe jetzund mit einer hoehern Liebe / die uns und alles zu GOtt fuehret; dadurch zwar die fleischliche selbstische Liebe wird auffgehoben (so weit sie GOtt entgegen gesetzet ist) doch so / daß sie dadurch wird herrlicher gemacht / als die zum Dienst Gottes gerichtet ist. So ist auch die Liebe / damit wir unsere Freunde / Verwandten / oder Christum selber moechten geliebet haben (wie ihn etliche liebeten als ihren Bruder / oder Vettern / und doch nicht an ihn glaeubeten) auffgehoben / aber so / daß sie durch solche Auffhebung ist erhoehet und vollkommener geworden. So weit Selbst in uns getoedtet ist / so weit ist das Kennen nach dem Fleisch / und unser Theil / den wir an unsern Freunden haben / und die Liebe die aus solchem Kennen entstehet / getoedtet / und wir selbst und sie sind alle zu GOtt erhoben / und deme geheiliget. Solcher gestalt muß der oben angefuehrte Ort des Apostels verstanden werden / und so muß die Selbheit verlaeugnet werden in Ansehung derjenigen / die uns nahe angehen. Weil aber hieran viel gelegen / so wil ich etwas weitlaeufftiger reden von den unterschiedlichen Stuecken dieses Theils der Selbst-Verlaeugnung / vornemlich aber den Eltern Unterricht geben / weil dieselben insgemein in diesem Stuecke sich versehen.
1. Sehet / daß es mehr sey GOtt / denn ihr selbst / welchen ihr liebet an euren Kindern / oder andern die euch angehen. Zu dem Ende sehet was von GOtt in ihnen ist / so weit als sie seine Creaturen sind / als sie ihme geheiliget sind / als sie von ihme Gaben haben / Ihme zu dienen / etc. Derjenige / der einige Creatur liebet / ihr selbst wegen / und liebet nicht GOtt vornemlich in derselben / der liebet sie nur fleischlich.
2. Darum liebet die mehr / darinnen ihr das meiste findet von GOtt und seinen Gaben: Liebet ein krummes heßliches Kind / etc. welches gottselig ist / mehr / denn das schoeneste / geschickteste / verschmitzteste / das gottloß ist. Wenn Eltern / eine ungebuehrliche Liebe haben zu einem Kind ueber das ander / das ist nur eine fleischliche und selbstische Liebe.
3. Liebet keines unmaeßig; sondern mit einer maeßigen gebuehrlichen Liebe / in welcher GOtt und die Heiligkeit den Vorzug hat / also / daß wenn ihr schon sehr die Eurigen liebet / GOtt den HErrn doch noch mehr liebet / zum wenigsten mehr von Ihme haltet / mehr vor Ihme thun koennet / und eure Seelen mehr an Ihme hangen.
4. Sehet zu / daß ihr sie bringet und fuehret unter das Reich Christi / und zu seinen Reichs-Genossen machet: Bemuehet euch alle / die euch angehen / Ihme zuzufuehren / absonderlich aber widmet eure Kinder Ihme bey Zeit / daß sie moegen so bald sein seyn als euer. So lange sie ihren eigenen Willen nicht gebrauchen koennen / ihnen etwas zu erwehlen / so muessen sie mit eurem Willen wehlen / das ist / ihr muesset vor sie zusehen / und vor ihnen wehlen. Derowegen wo ihr von Hertzen sie GOtt den HErrn ergebet und auffopffert / so duerfftet ihr nicht zweiffeln / daß Er sie werde annehmen. Dieses thun virtualiter alle Eltern die gottselig sind; denn wer GOTT dem HErrn in der Heiligung sich ergeben hat / der ergiebt auch mit ihme selber alles dasjenige was er hat / und was er noch kuenfftig haben mag; und wo er sich recht besinnet / so thut ers auch actualiter in der That selber. Dannenhero wird der Saame des Glaeubigen (a) heilig genannt / nicht allein vornemlich darum / weil er geboren ist von dem Leibe des Glaeubigen / auch nicht wegen der Verheissung GOttes / sondern weil sie Kinder sind eines solchen / der sich selbst / und was er hat / GOtt ergeben / und zu denen Sacramenten der Kirchen freyen Zutritt hat / der auch wuercklich sein Kind GOtt dem HErrn aufopffert in der Tauffe / darinnen es in GOttes Bund auffgenommen wird. GOtt der HErr aber wil gewiß annehmen alles dasjenige / welches auf sein eigen Begehren Ihme ist geheiliget und aufgeopffert worden.
5. Sehet zu / daß ihr von Grund des Hertzens sie der Disposition GOttes untergebet; so daß / was er mit ihnen thun oder schaffen wil / es sey in Kranckheit oder Gesundheit / in Armuth oder Reichthum / in Ehre oder Unehre / Leben oder Todt / daß ihr solches gedultig ertragen und leiden koennet / und sagen mit Eli: Er ist der HErr / lasset Ihn thun / was Ihm wol gefaellt / 1 Sam. 3/ 18. Murret nicht wenn GOtt sie betruebet / oder hinweg nimmt / ja wenn er sie auch alle auf einmal wegnehme / wie dorten die Kinder Hiobs / oder wenn Er euch in und durch dieselben betrueben und plagen solte / wie Er dem David that / in und durch Ammon und Absolom. Gedencket / daß gleichwie die Auffgebung des Lebens selbst ist das Stueck / dabey Christus im Evangelio pruefet den Glauben des Menschen / also wolte Er den Abraham pruefen und versuchen in Auffopfferung seines einigen Sohnes / der ihme so lieb war als sein Leben: Wollet ihr demnach Kinder Abrahams seyn / so muesset ihr wandeln in den Fußstapffen des glaeubigen Abrahams / und gedencken / daß eure Kinder nicht sind euer eigen / und zu frieden seyn / daß GOtt mit deme was sein ist / moege machen was Ihme gefaellet.
6. So viel an euch ist / sehet zu / daß GOtt ihr Erbe sey / und bemuehet euch nicht / wie ihr sie geistlich als leiblich glueckselig machen wollet. Last sie ihren Schoepffer und Erloeser lernen erkennen in ihrer Jugend; und lasset sie von Kindauf lernen / daß die die allerglueckseligsten sind / die am heiligsten sind.
7. Setzet eure Kinder in solchen Beruff und Handthierung / darinnen sie GOtt den besten Dienst leisten koennen. Sehet zu / wozu sie geneiget sind / und wozu sie sich am besten schicken / und alsdenn fraget nicht lange / welche Art zum Leben ihnen am ruehmlichsten sey / oder welche ihnen am meisten eintrage / sondern in welchem Beruff / und in welcher Art zu leben sie GOtt am besten dienen moegen / und seiner Kirchen nuetzlich seyn / und zu demselben lasset sie sich begeben.
8. Staercket und uebersehet sie nicht im Boesen: Lasset sie nicht verunehren GOtt / deme sie gewidmet und auffgeopffert sind: Gedencket an Eli sein Exempel; Eine gelinde und zarte Erinnerung an statt einer ernstlichen Zuechtigung und Straffe / nennet GOtt ihn verachten / und den Sohn mehr ehren als ihn / 1. Sam. 2/ 29.30. Eben darum / weil Eli wuste / wie seine Kinder sich schaendlich hielten / und hatte nicht einmahl sauer dazu gesehen / wollte der HErr Richter seyn ueber sein Haus ewiglich / 1. Sam. 3/ 13. Huetet euch / wo ihr euch selbst und sie liebet / daß ihr ihnen nicht beystehet gegen GOtt / und unterlasset die Straffe / und entschuldiget die Suende / mit welcher sie ihn verunehren.
9. Gebet ihnen nicht / damit es ihnen fleischlich wohl ergehe in der Welt / das Theil eurer Gueter / welches ihr GOtt schuldig seyd. Ihme seyd ihr alles schuldig / denn alles ist sein / und ihr nur Haußhalter darueber: In dieser Haußhaltung und Verwaltung seiner Gueter hat er euch geboten / ihr sollet von euch selber und dem Eurigen anfangen / und sorgen / daß eure Kinder moegen ihr taeglich Brodt haben / und neben deme so viel / als sie / wie getreue Haußhalter / moechten noethig haben vor GOtt und dessen Ehre zu gebrauchen. Allein wenn ihr sehet / daß das gemeine Beste / der Kirchen oder des Regiments euers Beystandes beduerfftig ist / und ihr wollet alsdenn fast alles euern Kindern geben / damit sie groß und reich seyn sollen in der Welt / und die Kirche oder gemeine Noth abspeisen / mmit einem schlechten Allmosen / oder indeme ihr eine unansehnliche Summa vermachen moechtet / das ist Selbst dem HErrn vorziehen / denn ihr gedencket der Gueter noch zu gebrauchen in euren Nachkommen euch Ruhm dadurch zu wege zu bringen / wenn ihr eurem natuerlichen Leben nach davon muesset. Es ist Wunder / wie so viele Menschen / die heilig und GOtt ergeben scheinen / sich befriedigen / und ihre Gewissen besaenfftigen koennen / in einer so greifflichen Suende / als diese ist. Wenn einer / der jaehrlich ein ansehnlich Einkommen hat / den dritten oder vierdten Theil davon solte anwenden / zu heiligem und gottseligen Gebrauch / das waere ein Wunder / sondern wenn er eine schlechte Summam des Jahrs giebt den Armen / oder stifftet eine schlechte Praebendam vor arme Leute / meynet er / er habe genug gethan / das uebrige muß den Kindenr gelassen werden / daß die ja eben so groß und herrlich bleiben in der Welt.
10. Endlich / sehet wohl zu / daß ihr Selbst stets verdaechtig haltet / wenn ihr etwas vorhabt / das eure Kinder / Freunde oder Anverwandten angehet. Dann Selbst ist euch nahe / und will sich nicht leicht abweisen lassen / aus euren Anschlaegen / sondern wil allezeit mitrathen. Derowegen / wenn etwas ist / das euch selber / eure Kinder / Freunde / Verwandten / etc. angehet / da gibt es Muehe / eher ihr die Versuchung ueberwinden koennet / daß ihr nicht partheyish seyd / wenn ihr auch der Heiligste auf Erden waeret. (wiewol ihr solche Versuchungen meistentheils ueberwinden koennet und muesset / wo ihr anders rechte Gnaden bey euch habet /) Seyd ihr aber nur Mund-Christen / so werden solche Versuchungen meistentheils euch ueberwinden / und alle Welt wird sehen koennen / daß ihr selbstische / fleischliche Heuchler seyd / die mehr sehen auf ihre Kinder und Freunde / als auf GOTT. Zum Exempel / 1. wie offt haben wir gesehen / daß Leute / die den Schein der Gottseligkeit haben / und gerne sehen / daß Laster und Untugend gestraffet werden / und die Kirchen-Zucht geuebet weden moege / wenn ihre Kinder oder die ihnen nahe angehen / gestraffet und getroffen werden / nicht allein sich setzen gegen das / was sie an andern gebilliget / sondern fahren wol offt aus mit Schmaeh- und Schelt-Worten gegen Obrigkeit / Prediger / oder andere / die diese Bestraffungen des Boesen haben befoerdern helffen. Wie der ein Heuchler gepruefet wird / wenn er sich wegert vor Christo selbst zu leiden / also erweisen sich andere Heuchler / indeme sie ihre Kinder / ja suendliche und boese Kinder / ja das gegenwaertige Gemach / Ehre / oder Nutzen ihrer Kinder / GOtt / seiner Ehre und ihrer Pflicht vorziehen / und wollen lieber / daß Gott zum Zorn gereitzet / die Suende nicht gestraffet / und ihrer Kinder eigene Seligkeit in Gefahr gesetzet werde / denn daß sie solten zugeben / daß sie rechtmaessig moechten gezuechtiget werden; Ja etliche setzen sich auf als die aergesten Verlaeumbder und Feinde gegen die / die es thun. 2. Weiter / wenn GOtt der HErr dem Menschen etwas befohlen / wo nur ein fleischlicher Freund / oder Mann / oder Weib / oder Eltern es widersprechen / und mahnen oder rathen davon ab / was doch Gottes Wort befiehlet / wie gemeiniglich pflegen die Menschen da zu gehorchen / und warum? Ey es sind ihre Freunde / die es von ihnen begehren. 3. Ferner / wenn es so kommt / daß ein Mensch nicht kan Gott dienen / und seine Schuldigkeit in acht nehmen / seiner Seelen getreu zu seyn / es sey / er muß ihme Unfreunde machen / wie gemein ist es / daß alsdann GOtt verlaeugnet und beyseit gesetzt wird / damit nur die Freunde nicht verlohren werden? Wie offt wird das Gewissen verletzet / die Christliche Gebuehr beyseit gesetzet / nur damit des Freundes Gunst nicht moege verlohren werden. O saget mancher / das sind die Freunde / von welchen ich leben muß / denen ich so und so viel zu dancken habe; Wo soll ich hin / wenn ich sie mir zu Feinde gemacht! Wolan / so nimm sie denn hin / gebrauche sie / so lange und aufs beste als du immer kanst: Wo du kanst besser ohne GOtt leben / als ohne sie / wo sie dir getreuere und bessere Freunde sind / als Christus ist / und wo sie dir hinfuehro getreuer und besser seyn werden / so laß dirs wol bekommen; Zu letzt aber wird sichs finden / ob der Freund / den du erwehlest / oder welchen du verachtet / dein bester Freund gewesen und in der meisten und hoechsten Noth dir beystehen koennen. Christus hat eins vor allen den Schluß gemacht / daß wer Vater oder Mutter mehr liebet als ihn / der ist sein nicht werth / und kan auch nicht sein Juenger seyn: Ja wo er nicht hasset Vater und Mutter und alles / das ist / wo er nicht alles kan oder will wegwerffen / und verlaeugnen es / wie einer thut einem Ding / welches er hasset / eher er wolte verlassen Christum / und die Herrlichkeit / welche er ihme hat verheissen / Luc. 14/ 26.33. Derowegen weil ihr sehet / daß Christus als eine Probe sein Juenger zu seyn gesetzet hat die Verlaeugnung eines fleischlichen Freundes / so erhellet daraus / daß auch dieses ist ein vornehm Stueck der Selbst-Verlaeugnung. Und zweiffels frey ist dieses ein Stueck / dadurch Christen gemeiniglich pflegen versuchet und geprueffet zu werden / denn sonsten wuerde Chrisuts dieses nicht als ein Exempel vorgestellet haben. Wenig sind / die sich recht zu CHristo bekehren / von welchen ihre fleischliche Freunde sich nicht abwenden solten: Es kan dem Menschen im Wege seiner Seligkeit fast kein groesser Feind stehen / als ein fleischlicher Freund / und derowegen muß entweder GOtt oder derselbe verlaeugnet werden. Denn wenn GOtt Heiligkeit erfordert / diese aber Heiligkeit nicht leiden koennen / sondern vielmehr wollen / daß ihr Freund seiner suendlichen Lust / Ergoetzung / Gewinn mit ihnen nachhaenge / da ist es unmueglich beyden zu gefallen.