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Bacon, Francis - Vom Tode.

Bacon, Francis - Vom Tode.

Die Menschen fürchten den Tod gleichwie Kinder sich fürchten ins Dunkel zu gehen; und wie diese natürliche Furcht bei Kindern durch Spukgeschichten verstärkt wird, so auch jene. Wahrlich, die Betrachtung des Todes, als den Lohn der Sünde und den Übergang in eine andere Welt, ist erhaben und gottgefällig; doch die Furcht davor, als vor einem der Natur schuldigen Tribut, ist feig. Dessen ungeachtet besteht zuweilen in religiösen Betrachtungen eine Mischung von Täuschung und Aberglauben. Man wird in den Büchern der Mönche über Bußübungen lesen, dass man nur bedenken möge, welchen Schmerz es verursacht, wenn Einem nur eine Fingerspitze gequetscht oder gefoltert wird, und sich daraus vorstellen sollte, wie ungeheuer die Todesqualen sein müssten, wenn der ganze Leib zerfällt und aufgelöst wird; während doch oftmals der Übergang zum Tode mit weniger Schmerzen verbunden ist als das Foltern eines Gliedes; denn die edelsten Teile sind nicht eben die empfindlichsten. Und von ihm, der nur als Philosoph und als Mensch sprach, war es weislich gesagt: „Pompa mortis magis terret, quam mors ipsa“1). Stöhnen und Schluchzen, ein bleiches Antlitz, weinende Freunde, schwarzes Gehänge, Leichenbegängnisse und dergleichen zeigen den Tod in abschreckender Gestalt. Es ist der Beachtung wert, dass im menschlichen Herzen kein Trieb so schwach ist, dass er nicht die Todesfurcht bezwinge und ersticke; und daher ist der Tod kein so schrecklicher Feind, wo Jemand so viel Gefolge um sich hat, das den Kampf für ihn gewinnen kann. Rache triumphiert über den Tod; Liebe missachtet ihn; Ruhm erstrebt ihn; Kummer flieht ihm zu; Furcht beschleunigt ihn; ja, wir lesen, dass, nachdem Kaiser Otto sich getötet hatte, Mitleid (welches der zarteste aller Gemütszustände ist) Viele aus bloßem Mitgefühl für ihren Herrn, und als treuesten Stamm seiner Anhänger, zu sterben bewog. Ja, Seneka fügt noch Zartgefühl und Überdruss hinzu: „Cogita quamdiu eadem feceris, mori velle, non tantum fortis, aut miser, sed etiam fastidiosus potest.“2) Jemand möchte sterben, obwohl er weder tapfer noch elend ist, lediglich aus Überdruss, eine und dieselbe Beschäftigung immer und immer wieder zu verrichten. Nicht weniger beachtenswert ist es, wie wenig Eindruck die Annäherung des Todes auf edle Gemüter ausübt, denn sie scheinen bis zum letzten Augenblick dieselben Menschen zu sein. Augustus Cäsar starb mit einem Gruß: „Livia conjugii nostri memor, vive et vale“3); Tiberius mit Verstellung, da Tacitus über ihn sagt: „Jam Tiberium vires et corpus, non dissimulatio deserebant“4); Vespasian mit einem Scherz, indem er auf einem Stuhle saß: „Ut puto deus fio“5); Galba mit einem Denkspruch: „Feri, si ex re sit populi Romani“6) und indem er seinen Nacken hinbeugte; Septimius Severus mit Eile: „Adeste, si quid mihi restat agendum“7), und dergleichen mehr. Allerdings legten die Stoiker einen zu hohen Wert auf den Tod, und machten ihn in Folge ihrer großen Voranstalten noch schrecklicher. „Wohler ist Dem“, spricht Jener, „qui finem vitae extremum inter munera ponit naturae8). Es ist ebenso natürlich zu sterben wie geboren zu werden, und für einen Säugling ist das Eine vielleicht so schmerzhaft wie das Andere. Wer unter ernsthaften Unternehmungen stirbt, gleicht Demjenigen, der bei erhitztem Blut verwundet wird, so dass er im Augenblick kaum die Wunde fühlt; und deshalb wendet der auf etwas Gutes fest gerichtete Sinn die Schrecken des Todes ab. Doch vor Allem das süßeste Loblied, glaubt mir, ist „Nunc dimittis“9), wenn Jemand ein würdiges Ziel und Ende erreicht hat. Auch das ist dem Tode eigen, dass er edlem Nachruhm das Tor öffnet und die Missgunst vertilgt: „Extinctus amabitur idem“10).

1)
Senekas Brief an Lucilius: „Das Schaugepränge des Todes schreckt mehr als der Tod selbst“. Mehrere andere in diesem Essay enthaltene Ideen sind jenen Briefen Senekas entnommen. Vgl. 4. Buch, 24. und 82. Brief.
2)
Seneka, X. Brief, 1., §. 6: „Bedenke, wie oft du dasselbe Geschäft verrichtest; Jemand mag zu sterben wünschen, nicht nur weil er entweder tapfer, oder weil er elend, sondern auch weil er des Lebens überdrüssig ist.“
3)
Suetonius, Augustus, 99: „Bleibe, o Livia, unserer Vereinigung eingedenk, lebe, und lebe wohl.“
4)
Tacitus, Annalen, VI, 50: „Bereits ließen Kräfte und Leben den Tiberius im Stich, aber nicht seine Heuchelei.“
5)
Suetonius, Vespasian, 23: „Ich bin ein Gott geworden, glaube ich.“
6)
Suetonius, Galba, 20: „Schlagt zu, wenn es zum Wohl des römischen Volkes dient.“
7)
Dio Cassius, LXXVI, 17: „Beeilt euch, wenn mir noch Etwas zu tun übrig bleibt.“
8)
Juvenals Satiren, X, 357: „Wer das äußerste Lebensende als ein Geschenk der Natur anerkennt.“ Die betreffende Stelle heißt übrigens genauer: „Um festen, vor dem Tode nicht wankenden Mut bete, wer das äußerste Lebensende als ein Geschenk der Natur anerkennt.“
9)
„Nun entsendest du -“, mit diesen Worten beginnt die Stelle im Evangelium Lucä, II,29: „Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.“
10)
Horaz, II. Brief, I, 14: „Derselbe wird geliebt, sobald er gestorben ist.“
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