Augustinus, Aurelius - Soliloquien - XX. Von der Herrschaft des Menschen über alle Dinge.
Alle Dinge hast Du den Füßen des Menschen unterworfen, auf dass sich allein der Mensch Dir ganz unterwürfe; und auf dass der ganze Mensch Dein wäre, hat er über alle Deine Werke bisher geherrscht. Alle sichtbaren Dinge hast Du um des Leibes willen erschaffen, den Leib aber um der Seele willen, und die Seele um Deinetwillen, dass sie Dir allein dienen und Dich allein lieben sollte. Sie soll Dich zum Trost haben und die andern Dinge, so hienieden sind, zu ihrem Dienst; denn Alles, was im Kreise des Himmels beschlossen liegt, ist geringer, als die menschliche Seele, welche erschaffen ist, dass sie das höchste Gut, so droben ist, besitzen und durch seinen Besitz selig werden soll, wofern sie ihm anhängt und die Gemeinschaft mit allen untersten vergänglichen Dingen verachtet. Sie wird klärlich sehen das Angesicht der ewigen Unsterblichkeit jener höchsten Majestät, der sie so fleißig nachgetrachtet hat. Dann wird sie der allerbesten Güter genießen im Haus des HErrn, gegen welche gehalten alle die Dinge, die wir hier sehen, für gar nichts zu achten sind. Das sind eben die Dinge, welche kein Auge gesehen, kein Ohr gehört hat, und die in keines Menschen Herz gekommen sind, welche Gott bereitet hat denen, die Ihn lieben. Und diese Güter wirst Du, o HErr, gewisslich der Seele geben. Mit diesen erfreust Du auch täglich die Seelen Deiner Knechte, Du Seelenfreund!
Was verwundere ich mich darüber, o HErr, mein GOtt? Du ehrst also Dein Bild und Gleichnis, danach sie erschaffen sind. Auch hast Du unserm Leib, der doch noch verweslich und in Unehren ist, verliehen, die Klarheit des Himmels zu sehen durch Deine dienstbare Geschöpfe Sonne und Mond, die nicht müde werden auf Dein Geheiß Tag und Nacht Deinen Kindern zu dienen. Du hast unserm Leib gnädiglich gegeben die reine Lust, auf dass er Odem schöpfen möchte; Du hast ihm erschaffen mancherlei Getöne, dass er hören sollte; viel liebliche Gerüche, dass er riechen; unterschiedliche wohlschmeckende Dinge, dass er sie kosten sollte. Allen leibhaftigen Dingen hast Du ihr gebührliches Maß gegeben, damit er sie mit der Hand fassen könnte. Die arbeitsamen Tiere hast Du ihm als Gehilfen seiner Notdurft geschenkt, dazu die Vögel der Lust und die Fische im Meer, und die Früchte der Erde hast Du ihm zur Erquickung gegeben. Die Arznei hast Du aus der Erde erschaffen um aller und jeder menschlichen Gebrechen und Mängel willen, Du hast für ein jedes Übel einen besonderen Trost verordnet, ihm damit zu begegnen; denn Du bist gnädig und barmherzig, und bist unser Werkmeister wie ein Töpfer, weißt wohl, was für ein Gemächte wir sind: wir alle sind wie Leimen in Deiner Hand!