Arnold, Gottfried - Geistliche Erfahrungs-Lehre - Das 2. Capitel.

Arnold, Gottfried - Geistliche Erfahrungs-Lehre - Das 2. Capitel.

Vom Fall Adams und der Erbsünde.

Durch einen Menschen ist die Sünde in die Welt kommen, und der Tod durch die Sünde. Röm. 5,12.

Es ist allezeit ein Stück der wahren Klugheit, daß man, wo man ein gewisses Uebel vor sich hat, nach dessen Ursprung und Anfang zuförderst auf's Genaueste forsche, dieweil mit demselben zugleich das Uebel selbst kann und muß gedämpft und abgeschafft werden. Gleichwie ein Arzt am allerersten bei einem Kranken fragt, wie sich die Unordnung der Natur angesponnen, und wo der Grund verborgen sey, worauf die ganze Kur viel sicherer erfolgen mag. Und so wird bei allem andern äußerlichen Uebel und Schaden von Verständigen verfahren.

2. Nicht weniger, sondern ungleich mehr ist diese Klugheit der Gerechten bei dem Hauptübel aller Uebel, ohne welches kein Unglück in der Welt wäre, nemlich der Sünde zu beobachten, daß wir nach dem eigentlichen Anfang dieses unbeschreiblichen Elendes und nach der Wurzel aller Sünden, welche der Eigenwille ist, sorgfältig fragen, und auf den Grund kommen: Ach wo kommt doch das böse Ding her, daß alle Welt so voller Falschheit ist! Sir. 37, 3. Am allermeisten bedarf dieses ein jeder Sünder, der sich von Herzen zu Gott bekehren lassen will.

3. Wenn der gefallene David in seiner ersten Bußübung stand, so kam er in seinem Flehen und Bitten vornehmlich auf diesen bösen Quell, nemlich die Erbsünde, als die Mutter aller Sünden, und bekannte Ps. 51, 7.: Er sey aus sündlichem Saamen gezeuget, und in Sünden empfangen. Gieng damit zurück auf seine Herkunft, wie vergiftet diese sey durch die Fortpflanzung der einmal in Adam verdorbenen Natur.

4. Nicht sucht er sich damit vor Gottes Gerichte, vor welchem er im Geist stand, weiß zu brennen, wie manchmal freche Gemüther sagen, oder doch denken: Was kann ich dafür, daß ich böse bin, bin ich doch nicht anders von Natur, es ist mir angeerbt, ich bin so und so geschaffen; sondern er sucht theils seine stolze Natur durch das Andenken seines Falles zu demüthigen, theils auch dem Richter sein Elend vorzulegen, um desto eher Gnade zu finden, weil er so tief verdorben sey.

5. Und eben das ist auch die rechte Art bußfertiger Seelen, daß sie nicht etwa nur ausgebrochene Sünden gestehen und beklagen, sondern vornehmlich den Erbschaden und die Wurzel alles Uebels beseufzen. Denn diesen Weg lehret uns der heilige Geist in der Bekehrung selbst, daß wir dem göttlichen Gerichte sollen zuvorkommen, und sowohl die Erb- als wirkliche Sünden selbst angeben und verdammen. Alsdann wird auch erfüllet, was 1 Cor. 11, 31. geschrieben steht: So wir uns selbst richten, so werden wir nicht gerichtet.

6. An dieses uranfängliche Elend sollen wir denn auch bei täglicher Reue und Buße zu unserer Beschämung vor Gott gedenken, und bei jedem auch gering scheinenden Ausbruch der natürlichen Unart vor Gott beklagen, wie uns gleichwohl solcher Jammer angeerbt ist. Am allermeisten aber ist es nöthig, wenn man etwa in einiges Unrecht gerathen wäre. Da soll nebst der geschehenen Sünde auch die Erbsünde mit aufwachen, und vor Gott verklagt werden. Gedenke, soll es heißen, wovon du gefallen bist, und thue Buße. Offenb. 2, 5.

7. Diese Uebung kann uns nicht nur zu beharrlicher Niedrigkeit vor Gott anhalten, sondern auch zu ernstlicher Uebung des kindlichen Scheues und Vertrauens zu Gott, daß wir schauen die Güte und den Ernst Gottes, den Ernst an allen, die gefallen sind, und die Güte an denen, die wieder aufgerichtet werden. Röm. 11, 32. Ja es kann uns das Andenken des ganzen Abfalles in unserm ganzen Leben großen Segen geben, wenn wir's recht brauchen wollen.

8. Ein Christ kann insgemein sich täglich in seinem Wandel weislich, bescheidentlich, liebreich, gerecht und wahrhaftig lernen halten, wenn er erkennt, wie wir aus dem Fall wieder aufstehen und ganz neu leben müssen. Ein Hausvater oder auch Lehrmeister kann bei seinen Untergebenen sowohl den tiefen Schaden der Unart anmerken, als auch wie ihnen durch Gnade mit Erbarmen zurecht zu helfen sey.

9. Prediger dürfen fast kein Auge von der Erbsünde verwenden, sofern sie immer des tiefen Elendes erinnert, zu Mitleiden und Geduld bewegt, und zum Ernst wider das Böse, wie auch zur Heilung solches Schadens in Christo getrieben werden. Obrigkeit hat nicht weniger großen Nutzen davon, wenn sie in Ansehung des Falles die Verbrecher zwar zur Besserung züchtigt, aber auch eben deßwegen sich der Grausamkeit und Unbarmherzigkeit enthält, weil es die armen Menschen meist nach der Natur nicht besser wissen oder vermögen.

10. Diese und viele andere Vortheile, die wir aus Erkenntniß der Erbsünde haben mögen, sind kräftig uns anzutreiben, nach diesem argen Quell tief zu graben, und ihn recht in uns selbst zu entdecken. Sintemal er der Natur, leider, ganz unbekannt, ja fabelhaft vorkommt, und was die Heiden davon zu schwatzen scheinen, ist alles ungewiß. Daher gewißlich Gottes eigenes Licht zu erbitten ist, wo man den Abgrund unsers Verderbens finden soll, dessen Einsicht wir nicht errathen können. Denn wer den Fall nicht kennet, der kennet auch Christi Liebe nicht, wie er sich ganz in den Zorn geworfen, um uns aus dem Feuer heraus zu reißen.

Mehr als zu wahr ist, was Luther klagt: Die große Finsterniß und Blindheit, so uns angeboren sey, lasse uns nicht erkennen weder unsern eigenen Jammer, noch die große Gnade und Barmherzigkeit Gottes, sondern es sey eine solche Entsetzung und Tollheit, so unsern Leib und Seele gar überfallen und eingenommen habe.

Ein Anderer setzet die Selbstliebe und Hoffart zu dieser Ursache, da der Mensch sich von Natur selbst liebet, von sich hält, sein Elend entschuldigt, klein macht, zudeckt u.s.w., daß er solches nicht wissen noch verstehen will.

Nichte destoweniger ist es schlechterdings nöthig, einem, der da will selig und also von der Sünde errettet seyn, daß er es erkenne und zwar aus der Ursache, die in der Apologie der Confessio Augustana steht: Dieß Stück eigentlich und richtig zu lehren, was die Erbsünde sey, oder nicht sey, ist gar hoch vonnöthen und kann Niemand sich nach Christo, nach dem unaussprechlichen Schatz göttlicher Huld und Gnade herzlich sehnen, der nicht seinen Jammer und Seuche erkennt. Matth. 9,12. Marc. 2,17. Alles heilige ehrbare Leben, alle gute Werke, so viel immer ein Mensch auf Erden thun mag, sind vor Gott eitel Heuchelei und Greuel, wir erkennen denn erst, daß wir von Art elende Sünder sind, welche in der Ungnade Gottes sind, Gott weder erkennen noch lieben. Jerem. 31, 9. Ps. 116,11.

Und Joh. Arndt erfordert eine stete Uebung dazu, und zwar unser Lebetag, daß wir unsern angeborenen Erbschaden und Sünde recht verstehen lernen. Daher merket auch Joh. Gerhardus an: Dieses allen Menschen angeborene Uebel muß und soll man bei wahrer Buße vor allen Dingen und besonders betrachten, ansehen und beweinen. Denn hierinnen ist unter andern die wahre und heilsame Buße der Frommen von der Heuchel-Buße der Gottlosen unterschieden, daß die wahren Frommen nicht allein die äußerlichen und wirklichen Sünden, Fehler und Gebrechen, sondern auch besonders den Grund und Brunnquell aller wirklichen Sünde ansehen, bedenken und bereuen, nemlich die Erbsünde und innere Verderbniß der menschlichen Natur. Da hingegen die Heuchler nur in schlechter laulicher Erkenntniß der äußerlichen und groben Sündenwerke bleiben. Den Schaden solcher Unwissenheit zeigt Luther in folgenden Worten: Je mehr du die Sünde wirst gering machen, je geringer wird dir auch die Gnade werden, nemlich weil ohne Erkenntniß der Krankheit die Arznei nicht erkannt noch gesucht wird.

11. Lasset uns also dießmal in Niedrigkeit des Herzens erwägen den ganzen Fall der Menschen mit seinen Früchten, jedoch so, daß wir erstens den Ursprung desselben erkennen lernen.

12. Da ist nun zwar leicht und bald gesagt, daß die Sünde vom Teufel herkomme, welches auch an sich selbst, leider, gewiß genug ist. Denn wie er ein Mörder vom Anfang ist, Joh. 8, 44., also hat er freilich auch unser göttliches Leben in den ersten Menschen unterdrücken helfen. Durch seinen Neid ist der Tod in die Welt kommen, das ist, alle Arten des geistlichen und leiblichen Jammers. B. Weish. 2, 14.

13. So ist auch eben so gewiß, daß die, so seines Theils sind, auch dazu helfen, und daß daher die ganze Welt im Argen liegt, oder von diesem verführerischen Geist durch den Fall besessen, regiert und verführt wird. 1 Joh. 5, 19. Und wer dieses läugnen wollte, der würde den Grund umreißen, sintemal freilich der menschliche Fall von dem Fall Lucifers, Des Thronengels und seiner Anhänger mit herrührt, und gleichsam eine Folge dessen ist.

14. Indessen aber thäten wir Unrecht, würde uns auch vor Gott nichts helfen, wo wir die Ursache des Falles ganz wollten auf den Satan schieben und läugnen, als ob die ersten Menschen und wir in ihnen nicht selbst Schuld daran hätten. Denn nicht allein die Schrift, sondern auch die Erfahrung lehrt es noch, daß der Teufel dem Menschen nicht schaden oder beikommen kann, es gebe denn dieser erst seinen Willen darein, kehre ihn von Gott auf sich selbst und die Creatur, und schade sich also selbst am allermeisten und ersten.

Der Hauptgrund und Anfang des Falles war die erweckte Lust in dem eigenen Willen Adams durch die Einbildung oder Eindruck von der Creatur, womit sich der Hochmuth und die Begierde Gott gleich zu seyn vereinigte.

Von Außen war der Anlaß das böse Wort der Schlange, welches Adam ins Herz einließ und sein ganzes Wesen davon ließe einnehmen.

15. Dieses aber in dem Lichte Gottes ordentlich zu erkennen, so müssen wir aus der Beschreibung von der Schöpfung des ersten Menschen wissen, daß dieser als eine edle, freie und gute Creatur von Gott in's Paradies gesetzt sey, um darin mit Gott seinen Umgang zu haben und in ihm selig zu seyn; wie anderswo gezeigt wird.

16. Es hat der treue Schöpfer für nöthig und gut erkannt, diese seine freie Creatur in seinem Gehorsam zu prüfen, und also an seiner Liebe und Gemeinschaft zu halten, da er zur Prüfung den Baum des Erkenntnisses Gutes und Böses setzte, damit Adam durch den Gegensatz desto begieriger nach der Einstimmung mit Gott lernete ringen, und als ein Kind in der Einfalt und Lauterkeit möchte stehen bleiben.

Daß der Mensch zur Prüfung in's Paradies gesetzt worden, ist schon in der Abbildung des inwendigen Christenthums im 1 B. 4. Cap. §. 5. aus den Alten dargelegt: woselbst auch §. 7. erwiesen steht, wie Gott dennoch an dem Fall unschuldig sey, weil er den Menschen frei erschaffen hat.

Gewiß ist auch, und bereits von Tertulliano erkannt worden, daß das Gebot vom Baum der Erkenntniß zu einer seligen Uebung des Gehorsams dem Menschen gegeben sey, als eine Summa aller Gebote. Wie er aber dieses nach und nach verlassen habe, ist im Wahren Christentum A. Testaments p. 24 u. f. ausführlich erklärt. 17. Kurz allhier auszudrücken, jedoch in der Schwachheit, so ließ sich Adam durch der Schlange oder des in ihr verstellten Lucifers äußerliche Ueberredung in. seinem Willen beweglich machen, daß er diesen von Gott dem Einen Gut allmählig abwendete, und anstatt, daß er zuvor nur das Gute erkannte, nunmehr auch das Böse zu wissen lüstern ward. Damit wollte er allerlei probieren, und das Böse nicht mehr mit seiner Einbildungskraft unberührt lassen, wie zuvor, da er noch in kindlichem einfachen Sinn vor Gott stand. 18. Dazu kam die vom Feind vorgestellte Hoffnung Gott gleich zu werden, und offene Augen zu kriegen, auch also Gott nicht mehr so unterworfen zu bleiben. Diese Begierde ward denn auch hernach durch des Weibes Reizung so stark, daß sie den ganzen Menschen einnahm, und wie ein Gift durchdrang, auch so fort in die Eitelkeit hinein zog, weil sich einmal sein freier Wille darein gewendet, und von des Schöpfers Willen entrissen hatte, dem er allein hätte anhangen sollen, als die guten Engel noch diese Stunde thun. 19. Elend ist es, wenn die Natur ihr eigen Verderben so gar gering zu machen sucht, und es für einen Mangel der ersten Gerechtigkeit ausgibt, nicht aber in der allertiefsten angebornen Bosheit und Unart sucht. Noch elender lautet es, wenn die Sünde Adams nur in einem Apfelbiß gesetzt wird, dergleichen man auch wohl zuweilen unter uns von Unerfahrnen hört, daß der Fall bloß so äußerlich sinniglich und gering beschrieben wird. Wider diesen Irrthum zeugete schon Augustinus ernstlich, wie es nicht um einen Apfelbiß, sondern ein alle Gebote Gottes zu thun gewesen. - Adam ward durch den gefallenen Geist zur Lust gebracht, Gutes und Böses zu versuchen, worauf Gott das Verbot vom Baum der Erkenntniß gab: Darein aber setzte Adam seine Gedanken und Einbildung, und ward also von der Begierde überwogen, worauf er in Sehwachheit einschlief. Etwas erinnert davon Luther: Adam setzte wohl seine Zähne an den Apfel, aber in der Wahrheit legte er seine Zähne an einen Stachel, welcher war Gottes Verbot und Ungehorsam gegen Gott. Das ist die rechte eigentliche Ursache dieses Jammers, nemlich daß er sündiget wider Gott, verachtet sein Gebot und folget dem Teufel. 20. Also geschah der Abfall durch die Abkehrung des Herzens von Gott, auf die Liebe seyn selbst und der Creaturen, wie 1 B Mos. 3, 6. klar zu sehen, da es heißt: Das Weib schauet an, daß von dem Baume gut zu essen wäre und lieblich anzusehen. Adam und Eva wollten in's Teufels Namen klug seyn, und das ist noch immer die Plage, daß wir in's Teufels Namen wollen klug seyn, sagt Luther. 21. Wir sehen auch hiebei, daß es eine nöthige Anmerkung ist, wenn Paulus sagt, 1 Tim. 2, 14.: Adam ist nicht verführt, das Weib aber ist verführt, und in der Uebertretung geworden oder gekommen. 22. Aus diesem allen ist offenbar, daß der Mensch selbst sich freiwillig in dieses äußerste Unglück gebracht, und Niemand als sich selbst solches Schuld geben könne: Wie hernach auch sein böses Gewissen auswiese, da er sich vor Furcht versteckte. Denn ob schon eines auf das andere die Schuld warf, und Eva der Schlange Betrug vorschützte, ja Adam Gott selbst gleichsam mit anklagen wollte, daß er ihm das Weib zugesellet hätte 1 B. Mose 3, 12. So benahm ihnen doch der Schöpfer ihre Feigenblätter gar bald, und zeigte ihnen ihren Ungehorsam, und wie sie ihren Willen also selbst von ihm abgekehrt hätten. 23. Es läßt sich auch dieses aus der Erfahrung noch immer sehen und abmerken. Wenn jetzt ein Mensch wahrhaftig wiederum in Gottes Gnade und in Vereinigung mit seiner Liebe steht, erleuchtet, gerecht gemacht, geheiligt und geändert, und er gleichwohl etwa abfällt, nachdem er schon geschmecket hat die himmlischen Gaben und das gütige Wort Gottes, ja die Kräfte der zukünftigen Welt, Ebr. 6. Lieber, wie gehet das zu, oder woher kommt das? 24. Antwort: Es kann freilich wohl von Außen des Satans List und Betrug, der Welt Verführung und dergleichen mit Schuld haben. Aber hauptsächlich kommt es her aus dem Willen, der sich frei vom Guten zum Bösen kehrt, und nicht mehr in Gottes Harmonie und Liebe stehen bleibt. Das geschieht aber nach einander, wenn erstlich dem Gemüth etwas Verführerisches vorfällt, davon er seine Begierden läßt rege und unruhig machen, stellt eine Vergleichung an zwischen dem Gut, das er schon hat, und zwischen diesem neuen scheinbaren, verwirft sodann jenes und erwählt dieses, als wäre es besser; siehe, da ist der Fall geschehen. Eben also müssen wir uns den Fall Adams einbilden, wie er nach einander mit dieser vortrefflichen Creatur ergangen ist, davon aber jetzt nicht weiter kann gesagt werden. 25. Nun wirft aber die Vernunft weiter die Frage auf, wie doch die Erbsünde habe können auf uns kommen, da wir ja nicht dabei gewesen, noch mit gefallen sind? Hier aber sollten nun eben solche thörichte Fragen ihre Urheber überzeugen und beschämen, wie nahe sie dem Fall Adams seyn, indem sie ihre Blindheit damit deutlich verrathen. Denn siehe armer Mensch, stündest du noch in dem vollen Lichte Gottes, so würdest du ja nicht so albern fragen: Woher kommt es aber, daß du deinen Fall nicht erkennen willst? Eben daher, daß du wirklich mit Adam gefallen bist. Denn der Stolz Lucifers macht, daß du nicht willst ein gefallener Mensch heißen. Und dahin gehören alle die Wortkriege und Einwürfe, die wider die Zurechnung und Fortpflanzung der Erbsünde sonderlich heutigen Tages so häufig von Atheisten, Epicurern und andern Ungläubigen gemacht werden. 26. Einmal versichert der heilige Geist denen, die noch seinem Zeugniß glauben, daß alle Nachkommen Adams allerdings in ihm gewesen, und wir also in ihm das ganze menschliche Geschlecht anzusehen haben. Es konnte auch göttliche Gerechtigkeit nicht anders, als daß sie den Ungehorsam, den der Stammvater beging, allen in ihm nach der Kraft verborgenen Nachkommen zurechnete, dieweil auch neben der Schuld die Kraft der Sünde auf sie alle sich mit fortgepflanzt hat. 27. Um deßwillen heißt es überaus nachdenklich Röm. 5, 12. Durch einen Menschen sey die Sünde in die Welt eingegangen, und der Tod sey in alle Menschen übergegangen, in welchem (oder durch und über welchem) sie alle gesündiget haben. Und im 4 B. Esra 7, 48.: Ach Adam, was hast du gethan! denn daß du gesündiget hast, ist nicht dein Fall über dich allein gerathen, sondern auch über uns, die wir von dir herkommen sind. Die Vernunft kann sich freilich nicht darein finden, wie dieß zugehe, es nennt es daher Bernhardus billig ein geheim Gerichte Gottes. Die Schuld Adams ist unser, weil wir doch selbst, obschon in einem andern, gesündiget haben, und uns also durch ein gerechtes, obwohl geheimes Gerichte Gottes, solches zugerechnet wird.
Den Grund zeigt Augustinus sehr sein: Man kann nicht so frei sagen, daß Adams Sünde auch denen, die nicht sündigen, geschadet habe, weil die Schrift sagt, sie haben alle in ihm gesündigt. Es werden auch die Sünden nicht also fremd genannt, als ob sie die Kinder gar nicht angingen. Sintemal sie dazumal in Adam alle gesündiget haben, da sie in seiner Natur, worinnen er sie zeugen konnte, alle als einer gewesen sind; sie heißen aber fremd, weil sie noch nicht ihr eigen Leben hatten, indem alles, was in der künftigen Nachkommenschaft war, in eines einzigen Menschen Leben enthalten wurde. 28. Und freilich ist durch den Fall dem Menschen die Erbsünde so natürlich worden, als etwa ein Zweig mit seinem Stamm einerlei Natur hat, und wie im Saamen die Natur der Frucht eingeschlossen ist. Noch mehr aber ist diese Fortpflanzung klar, weil ja die Strafen und Früchte der Sünden alle Menschen mit treffen, daher sie auch alle derselben schuldig seyn müssen, wo man nicht Gott für ungerecht schelten wollte. Daher die, so solches läugnen, eben ihre Erbsünde der Hoffart und Blindheit damit verrathen, dergleichen viele neue Schriftsteller hin und wieder thun. 29. Wir sehen dieses ferner noch klarer bestätigt aus der Fortpflanzung der Sünde. Denn so gewiß als Adam würde Kinder gezeuget haben in seiner Unschuld auf eine reine und gleichsam geistliche Art, die alle Gottes Bild und Gleichniß würden haben an sich getragen: So gewiß versichert nun die Schrift und Erfahrung, wie Adam gezeuget hat einen Sohn, nicht nach Gottes, sondern nach seinem eigenen verkehrten Bilde 1 B. Mose 5, 3. Daher es nun leider, von allen Adamskindern wahr ist: Ich bin aus sündlichem Saamen gezeuget, der von der Sünde vergiftet ist, als von einer Pest. Ps. 51, 7. Denn nach der Regel ist dasjenige Fleisch, was vom Fleisch geboren ist. Joh. 3, 6. 30. Wer kann sich demnach von diesem allgemeinen Urtheil ausnehmen, als der allein, der ohne Sünde geboren ist, welcher ist Christus. Alles Fleisch hat ja seinen Weg verderbt vor Gottes Augen; Da ist nicht, wie die erbärmliche Beschreibung aller verdorbenen Menschen lautet Röm. 3, 10. f. 23. der gerecht sey, auch nicht einer, da ist nicht, der verständig sey, da ist nicht, der nach Gott frage. Sie sind alle abgewichen, und allesammt untüchtig geworden, da ist keiner, der Gutes (oder Gutthätigkeit) bewiese, auch nicht bis auf einen einzigen u. s. w. Sie haben allzumal gesündiget, und mangeln der Herrlichkeit Gottes. 31. Nach Betrachtung des Ursprungs der Erbsünde, vernehmet nun weiter die Bewandtniß und Art derselben, worin sie bestehe; welche zwar in sich selbst ein Geheimniß der Bosheit und also unergründlich ist, aber doch von Gott nach Nothdurft offenbaret worden, und jedem Begierigen noch entdeckt wird. 32. Es gehört aber dahin erstlich der ganze Verlust des göttlichen Bildes, welches mit abgebildet wird durch die Nacktheit oder Blöße Adams, da er aller göttlichen Herrlichkeit sich entblößt sahe, hingegen in der Schlange Betrug und Feigenblätter sich kleidete. 1 B. Mose 3, 10. 21. Dabei wir billig mit Schmerzen gedenken an denjenigen ungerechten Haushalter, der dem Herrn seine Güter umgebracht hat. Luc. 16, 1. f. Angleichen an den Sohn, welcher seines Vaters Gut mit Prassen verzehrte. Luc. 15, 13. 33. Ach! wem wollte auch nicht zu Herzen gehen der unaussprechliche Schaden, den Niemand empfindet, als wer wiederum nach der Wiederbringung verlangt und ringt? Ein solcher wird nach u. nach in der That gewahr, woran es uns vor Gott fehle, nemlich an allem Guten miteinander. Fehlt es doch überall an der höchsten Herrlichkeit, und mithin an der höchsten vollkommenen Glückseligkeit, davon wir vor der Wiedergeburt so gar kein Tröpflein genießen, welches Gott geklagt sey. 34. Wie wir nun im 41. Capitel vernehmen werden, daß Gottes Bild in göttlicher Weisheit und wahrhafter Gerechtigkeit bestanden habe, mit all' dem daran hangenden Guten. Also müssen wir nun mit Aengsten beseufzen, und sollten billig unter einander diesen Schaden allein beklagen, daß alle natürlichen Menschen mangeln der Herrlichkeit Gottes. Röm. 3, 23. Sie bleiben daran zurück, oder kommen damit zu kurz, sie haben sie hinter sich gelassen und so liederlich verscherzt. Der klägliche Verlust des Bildes Gottes wird von den Vätern bisweilen so beschrieben, als ob es zwar nicht gänzlich in Adam sey zu nichts gemacht worden, doch aber ausgelöscht und verblichen. Daher auch Arndt sagt: Es sey verblichen und erstorben im 1 B. 13. Cap. Wie denn auch Taulerus u. A. anmerkt: Es sey der Seele so tief eingedruckt, daß es auf keinerlei Weise jemals ausgelöscht werden könne. 35. Daher kommt es auch ohne Zweifel, daß man so viel Vermahnungen findet zur Bekehrung und Erneuerung, aus dem Grunde, weil ja der Mensch nach Gottes Bild sey in dem, weil nemlich noch einige Kennzeichen davon übrig wären, als Funken von dem großen Licht Gottes, wie Arndt von dem Fünklein der Erkenntniß Gottes redet im 7 Cap. des 1 B. vom Wahren Christenthum. Nur ist alles recht zu verstehen. 36. Denn die Verderbniß ist allzu offenbar, wie wir weiter hören werden, daß Niemand sich auf seine eigene Naturkräfte verlassen, oder dadurch fromm und selig zu werden vermessen darf. Der Ruhm ist leider, mehr als zu gewiß aus Röm. 3, 27. obschon einige geringe Ueberbleibsel der natürlichen Erkenntniß Gottes übrig sind, wie etwa von einem zerfallenen schönen Gebäu. 37. Gott hat den Menschen aufrecht und rechtschaffen gemacht, aber so ist er gar nicht geblieben, sondern er sucht nun viel Künste, zertheilt sich in Vielheit, und ist also nicht mehr in dem Einen nothwendigen, bis er durch Buße wieder zurückkehrt. Pred. 7, 30. 38. Solch' Elend kennst du Herr allein; aber damit wir es auch mehr kennen lernen, so gieb uns doch einzusehen durch deinen Geist, wie wir mit deinem Bilde verloren haben im Verstande deine göttliche Weisheit, mit allem ihrem himmlischen Licht und Glanz, der in Adam so helle leuchtete, daß er in einem steten Tag der Freuden und lautern Erkenntniß Gottes wohnte. 39. Zwar scheint ja noch wohl ein kleiner Funke des Lichts übrig zu seyn, und zwar in natürlichen Dingen, da sogar die Kinder dieser Welt, die noch ganz unterm Fall stehen, klüger sind denn die Kinder des Lichts, oder die Wiedergebornen, wiewohl nur in ihrem Geschlecht oder Geburt. Luc. 16, 8. Es kanns auch ein Mensch in der äußerlichen Gelehrsamkeit, in Künsten, Sprachen, allerhand Erfindungen u. s. w. aus natürlichen Kräften fast auf's Höchste bringen. Es gibt freilich eine Weisheit der Weisen und einen Verstand der Verständigen. Es gibt Weise, Schriftgelehrte, Disputierer dieser Welt und ihres Laufes, Weise nach dem Fleisch und so weiter. I Cor. I, 19. f. 2, 4. 6. 40. Aber so klug und scheinbar dieselbe seyn mag, so ist doch alles Thorheit bei Gott, der sie zunichte macht, und die Weisen erhaschet in ihrer Listigkeit, c. 3, 19. Denn solche Welt- und Natur-Listigkeit ist nicht die Weisheit von oben, sondern irdisch, seelisch und gar teuflisch, oder unreiner Geister Brut und Frucht. Jac. 3,15. 41. Denn wie die Schlange listiger war denn alle Thiere, und also vom Satan zum Werkzeuge gebraucht ward, Eva zu verführen durch ihre Arglistigkeit: also verderbt und verrückt er noch die Seelen von der Einfalt auf oder gegen Christum, und lasset sie nicht zur wahren Klugheit kommen, wo sie sich nicht mit Macht davon erlösen lassen. 1 B. Mose 3, 4. 2 Cor. 11, 3. 42. So ist auch alle natürliche Klugheit mit so viel Irrthum, Thorheit und Bosheit vermischt, daß sie nimmermehr für wahre Weisheit passieren kann. Denn so klug z. Ex. der ungerechte Haushalter zu handeln schien, daß er sich Freunde machte mit dem ungerechten Mammon; so boshaftig that er doch, daß er falsche Obligationen machte, und seinem Herrn noch so vieles stahl, ja er handelte auch thöricht, indem er sich durch sein Verbringen und Verschwenden um seines Herrn Dienst und Gnade brachte. Luc. 16, 3. Womit der Heiland die boshafte thörichte Klugheit aller natürlichen Menschen abmalt, die sich nur damit selbst schaden. 43. Eben so elend steht es auch mit der natürlichen Erkenntniß Gottes, so viel deren noch übrig ist. Denn die unbekehrte Menschen halten alle solche Wahrheit in Ungerechtigkeit auf, und ob sie schon Gott erkennen, so preisen sie ihn doch nicht als einen Gott, oder danken ihm nicht, sondern sie werden in ihrem Dichten eitel, und indem sie sagen, daß sie weise seyn, werden sie gar zu Narren, Röm. 1, 18. f. wie man an allen falschen Führern sieht. 44. Obschon sie auch das Gesetz in's Herz noch geschrieben haben, so thun sie doch wenig oder nicht darnach, und müssen daher meistens nur die anklagenden Gedanken fühlen, dadurch sie denn nur widriger gegen Gott und sein Gesetz werden, c. 2, 14. u. f. Ja wenn es auch der natürliche Mensch noch so hoch schiene in der Theologie oder Lehre zu bringen, so bleibt es ihm doch nur eine buchstäbliche Erkenntniß, und macht weder ihn noch Andere, die ihn hören, selig, so lange er den Geist dämpft, und nicht aus dem Glauben lernet u. lehret. Ein anders ist die Erkenntniß des Geistes, ein anders des Buchstabens. Die Heuchler verstehen die Artikel, aber ihr Wissen ist so bewandt, daß es aus Buchstaben viel mehr besteht, als aus dem Geist; schreibt Gerhardus. 45. Daher bleibt es allzu wahr, daß aller natürlichen Menschen unverständiges Herz verfinstert ist, ja es ist selbst Finsterniß, wie der Geist Gottes nachdrücklich und tief genug solche Blindheit ausdrückt, weil sie nemlich im Verstand verfinstert und von Gottes Leben entfremdet find, wegen der Unwissenheit in ihnen und der Verhärtung ihres Herzens. Eph. 4, 18. e. 5, 8. Und demnach vernehmen selche nichts von dem, was des Geistes Gottes ist. 1 Cor. 2, 14. Ja die Vernunft ist nach der Natur vom Teufel besessen, und thut großen Schaden in Gottes Sache, und je größer und geschickter sie ist, je größern Schaden thut sie nach Luthers Klage. 46. Nicht weniger ist der Wille des gefallenen Menschen von Gott abgekehrt und verdorben, daß ihm die vorige göttliche Kraft und Liebe mangelt. Zwar ist er auch nach dem Fall im natürlichen frei und ungezwungen, darin zu wählen oder zu verwerfen nach Gefallen, wie Jedermann weiß. So hat er auch im Aeußerlichen noch so viel Vermögen, sich von gar groben Sünden zu enthalten, um der Strafe oder anderer Absichten willen. Er thut des Gesetzes Werk oder Dinge, weil es in sein Herz geschrieben ist. Röm. 2,15. Weßhalb auch kein grober Uebelthäter Entschuldigung hat, als hätte er sich nicht enthalten können. 47. Ja es kann auch ein unbekehrter Heuchler es in der äußerlichen Frömmigkeit so weit bringen, daß er nach dem Gesetz unsträflich werden mag, und dem Gesetz der Gerechtigkeit nachjaget, und seine eigene Gerechtigkeit aufrichtet, auch wohl von Andern für gerecht angesehen wird, Röm. 9, 31. e. 10, 3. Phil. 3, 6., wie von den Juden und Pharisäern bekannt ist. Mit welcherlei Leuten auch Christus und sein Geist am meisten zu streiten hat, weil sie einen großen Schein annehmen. 48. Nichts destoweniger bleibt doch der Wille bei solchen Leuten falsch, ungeändert, selbstliebig, hoffärtig, eigennützig und ungöttlich. Nichts gilt solch' eine Heiligkeit, all' sein Thun ist verloren, die Erbsünde macht es zur Nichtigkeit, darin man geboren ist, und kann ihm selbst nicht helfen. 49. Sehet, so gar ist der arme Mensch von allem göttlichen Leben abgekommen, daß, wo er auch noch etwas scheint zu haben, es nur desto betrüglicher und verdammlicher ist. Was ist aber dagegen und anstatt dieser verlornen Güter über uns gekommen? Oder ist vielleicht nichts Böses an dessen Statt eingeschlichen? O wie wäre es zu wünschen, daß nur allein der Mensch leer vom Guten blieben wäre! Aber wir erfahren leider! das Gegentheil. 50. Denn da ist an die Stelle, wo Gottes Bild an Adam leuchtete, ein ganz ander und widrig Bild gesetzt, zum Verdruß dem Hausherrn mit allen Scheueln und Greueln, Gewürm und Ungeziefer, mit so viel unnatürlichen und häßlichen Gestalten, so daß man ärger davor erschrecken muß, als Ezechiel dort vor dem Götzentempel. 51. Das zeigt uns schon Moses an, wenn er bemerkt, Adam habe einen Sohn gezeuget nach seinem Bilde. 1 B. Mose 5, 3. Nun hatte er nicht mehr das göttliche, sondern das arge verkehrte Bild an sich, dasselbe ist auf uns geerbt und fortgepflanzt. Es wird nun Fleisch vom Fleisch geboren, eine bös vergiftete Art, die Leib und Seel' und alle Kräfte durchkrochen hat (Joh. 3,6). Der Saame ist durchaus sündlich und also nicht gut noch rein. Ps. 51, 7. Es werden nunmehr nur Kinder dieser Welt nach ihrem Geschlecht, und nicht Kinder Gottes nach seinem Geschlecht, daher leben sie auch vor der Bekehrung alle nach dem Laufe dieser Welt. Luc. 10, 8. Eph. 2, 5. 52. Ja lieber Mensch, es geschieht uns nach der Natur nicht unrecht, wenn das Böse, welches anstatt des göttlichen Gleichnisses in uns eingedrungen ist, des Teufels Bild, oder vielmehr häßliche Larve genannt wird. Der Lucifer verübt in und mit solchem seine Bosheit und Grimm, und herrscht als ein König in ihnen. Denn von denen, die in des Satans Sinn stehen bleiben und sich darin stärken, heißt es mit Wahrheit: Ihr seyd vom Vater dem Teufel, und also Kinder des Teufels. Joh. 8, 44. u. 1 Joh. 3. 8. Daß dem gefallenen unwiedergebornen Menschen nicht unrecht geschehe, wenn er entweder dein Satan verglichen, oder neben ihn, als sein vereinigter Geselle, gesetzt und eine Schlangenbrut gescholten wird, oder auch ein Widerchrist und Atheist. solches hat schon das gottselige Alterthum erkannt und zugestanden, wie das 5. Cap. des 1. B. vom Inwendigen Christenthum §. 17. u. f. ausweist. Die Schrift sagt, daß wir des Teufels Gefangene sind, als unsers Fürsten und Gottes, daß wir thun müssen, was er will und uns eingibt, sagt Luther. Willst du den Teufel recht abgemalt sehen, so fasse dir für einen bösen giftigen Menschen, der einen bösen Sinn und Willen hat, und dazu tückisch ist, gern die Leute beschädigt und plagt, so siehest du ein Stück vom Teufel. Ein Jeder fühlt an ihm selbst wohl, und sieht an andern Menschen, daß wir und alle Welt voll böser Lust, voll Hoffart, voll Teufel und voll Unglauben seyn. 53. Wer daran zweifelt, der bedenke nur kürzlich in wahrer Beugung seines Herzens vor Gott, was in dem Verstand und Willen eines ihm selbst gelassenen Menschen herrsche. Ist es nicht eitel Finsterniß, Irrthum, falscher Wahn, Selbstbetrug, Arglist, Verstellung und dergleichen? Was ist aber dem Fürsten der Finsterniß ähnlicher als diese Eigenschaften? Ist nicht eine völlige Unwissenheit in solchem von göttlichen Dingen, wie sie nach der Wahrheit sind? Eph. 4, 18. Adam hat sich einmal vom Licht ab- und in die Finsterniß gewendet, so bleiben seine Kinder darin, so lange sie nicht wieder zum Licht gekehrt werden. 54. Was versteht wohl der natürliche (oder seelische und thierische) Mensch von dem, was des Geistes Gottes ist? Ja, daran ist es nicht genug, wenn es ihm nur nicht gar eine Thorheit wäre, daß er es nicht erkennen kann, ob er gleich aus natürlichen Kräften gern wollte. 1 Cor. 2, 14. Erkennet wohl die Welt in ihrer (vermeinten) Weisheit Gott, wie sie soll? nimmermehr, 1 Cor. 1, 21., sondern sie lästert und verwirft ihn, auch bei ihrer größten Klugheit und Heuchelei, wenn sie auch noch so viel davon redet, wie an dem elenden Zanken und Verketzern zu sehen. 55. Bringt es die verderbte Vernunft hoch, so fällt sie immer tiefer in den Unglauben, zieht die besten Wahrheiten in Zweifel, und spricht endlich wohl gar: Es ist kein Gott, wie alle Gottlosen wenigstens im Herzen heimlich sprechen, Ps. 14, 1., welches Zeugniß Paulus auf alle natürliche Menschen deutet, daß sie nichts taugen. Röm. 3, 10. f. Ja, wenn sie in's Geistliche sich einmischen, so ist es doch lauter Eigenwitz und aufblähendes Wissen, ohne wahre Gelassenheit und Demuth, da die Vernunft sich selbst erhöht, und ihr Gauckelwerk treibt. 56. Und wie unläugbar ist doch diese Blindheit, die anstatt des göttlichen Lichtes im Menschen ist! Wozu bedürfen wir arme Menschen wiederum göttlicher Erleuchtung? Warum müßte uns Gott erst das Herz aufthun, die Augen öffnen, die Schrift aufschließen, wenn ein unbekehrter Mensch schon wüßte, was gut wäre, oder es Andern kräftig lehren könnte? Ap. Gesch. 16, 14. Luc. 24, 47., wozu müssen wir zuvor den Geist aus Gott selbst empfangen, wenn wir anders wissen wollen, was uns von Gott aus Gnaden geschenkt ist? I Cor. 2, 12. 57. Wie nun dieses die klägliche Erfahrung genug bestätigt, also nicht weniger von dem Willen, daß darin anstatt der göttlichen Liebe und süßen Harmonie mit dem Schöpfer, lauter verkehrtes, ungöttliches, widriges Wesen entstanden und eingewurzelt sey. Und O, daß man es nicht an sich und Andern von der zartesten Kindheit an müßte gewahr werden, welch' ein entsetzlicher Eigenwille und Grimm, Starrigkeit und Bosheit da sey! 58. Es wird zwar sonst der Ausspruch Gottes sehr mißbraucht aus 1 B. Mose 6, 5. und e. 8, 21. Daß das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens nur böse sey von Jugend auf, wegen des grausamen Falles. Aber von unbekehrten Menschen ist es mehr denn zu gewiß, so lange sie kein ander und neu Leben in sich bekommen. Sintemal es so weit mit dem gefallenen Menschen gekommen ist, daß er von sich selbst nicht tüchtig ist, etwas zu gedenken, als aus sich selbst, ob er schon Böses genug ersinnen und vornehmen kann. 2 Cor. 3, 5. 59. O wie erbärmlich ist es, wenn man hernach in der Buße muß an sich erkennen, wie gar ein ander Gesetz in den Gliedern ist, das da widerstrebet dem Gesetz des Gemüths, und nimmt gefangen unter der Sünde Gesetz! Röm. 7, 23. Wie denn solch' Widerstreben heimlich auch noch bei Bekehrten sich oft findet, obschon nicht in solchem Ausbruch, da das Fleisch wider den Geist gelüstet, und lieber seinen freien Willen haben wollte, wenn es nur vor dem Geist dürfte. Gal. 5, 17. Ja das Allergrausamste ist noch, daß der Mensch dieß alles so lange läugnet, als er kann, und mit einigem Schein verdeckt, damit er Gottes Urtheil nicht fühlen dürfe. 60. Das macht die Feindseligkeit, die durch das Böse im Menschen wider Gott entstanden ist, daß er nicht nur seinem Schöpfer alles zuwider thut, sondern auch ihn als seinen Richter hernach hasset, so gar ist eine gewaltige Trennung durch der Schlange Gift geschehen zwischen ihrem Saamen und des Weibes Saamen. Anstatt, daß zuvor der ganze Mensch in inniger Liebe mit Gott verbunden war, buhlet er nun mit der Schlange, verwirft sein wahres Haupt Christum, und läßt sich lieber von dem Drachen vergiften und verderben, ehe er Gott folgete. Er ist wie mit den Ketten des Eigensinnes gefesselt und gebunden, bis er umkehrt und zum Kinde wird. 61. Da ist der Sinn des Fleisches eine Feindschaft wider Gott, und gibt sich nicht unter Gottes Gesetz, vermag es auch nicht. Röm. 8, 7. Und wenn man schon von der Bekehrung heuchelt, und Gottes Gerechtigkeit mit einigem Schein will genug thun, so entzieht sich doch der falsche Wille dem göttlichen Willen, und heißt es also recht: Vom Fleisch wollt' nicht heraus der Geist. 62. Es ist also nach der Natur nichts als Sclaverei des Bösen, weil man von Gottes Liebe losgerissen ist, da rennt der Mensch immer in sein Verderben hinein, als der Sünden Knecht, der unter die Sünde verkauft ist, so lange er nicht von dem Sohn frei gemacht ist. Röm. 7, 14. Joh. 8, 38. Und bleibt er also wohl gefangen unter seinen Feinden, wo nicht der Herr kommt, und den Willen umkehrt und wieder an sich zieht. 63. Daher ist es nun kein Wunder, daß der natürliche Mensch mit allen Gedanken, Worten und Werken Gottes Willen stets übertritt, und wenn er oft am besten scheint zu seyn, dem Gesetz am allermeisten widersteht, weil die Sünde ihm immer anklebt, oder ihn umlagert und träge macht. Ebr. 12, 1. Es ist auch nicht ein einziges Gebot, das also von Unbekehrten nicht immerdar übertreten würde, weil eine jede Sünde des ganzen Gesetzes schuldig wird. Jac. 2, 10. 64. Und hieraus folgt von selbst, daß eines unbekehrten Menschen ganzes Thun und Lassen, Regen und Bewegen, Wollen und Können nichts als eitel Sünde ist, und also die Verdammniß alle Augenblick von ihm verdient, und ein unermeßlicher Schatz des Zorns gehäuft wird. Denn was nicht aus dem Glauben kommt, das ist ja Sünde. Röm. 14, 23. Daraus man mit Schrecken sehen kann, in welch' einer Gefahr alle natürliche Menschen seyn, die nicht anders werden. Das mag ja wohl heißen: Es war nichts Gutes am Leben mein, die Sund' hat mich besessen, meine gute Werke galten nicht, es war mit ihnen verdorben, der frei' Will hasset Gottes Gericht, er ist zum Guten erstorben, u. s. w. 65. Da sind sogar alle Kräfte der Seele durchgiftet, daß keine in ihrem ersten Stande geblieben ist, alle Affecten und Bewegungen im Gemüth sind in Unordnung, nichts steht mehr in seiner göttlichen Ordnung, Temperatur und Masse, als es der Schöpfer gesetzt hatte, sondern da ist lauter Exzeß, Heftigkeit, Unordnung und Argheit. Da gehen Haß, Zorn, Neid, falsche Liebe, böse Begierde, Furcht, Reue, Verdruß, Widerwille, Tücke, Frevel, Trotz und alles Böse durch einander. Die Seele ist ein recht Behältniß aller unreinen Geister, aller schändlichen Kräfte geworden, da ein Feldteufel dem andern begegnet, und jeder seine Bosheit in und durch einen ungeänderten Menschen ausübt. 66. Summa: Ohne Christo ist auch nicht das geringste wahre Gute mehr in uns, ohne ihn können wir nichts thun, da wir sonst in ihm alles vermöchten. Joh. 15, 3. Denn das ganze Haupt ist krank, das ganze Herz ist matt, von der Fußsohle bis auf den Scheitel ist nichts Gesundes, sondern eitel Striemen, Wunden und Eiterbeulen, Esaj. 1,6. f. kurz: Es ist ganz und gar verderbt menschlich Natur und Wesen. 67. Was kann nun auf solch' äußerst Elend anders folgen, als des Schöpfers rechtmäßige Ahndung? Es hieß bei Adam, da er sich versteckt hatte: Thue Rechnung von deinem Haushalten; Was hast du gethan? Du kannst hinfort nicht mehr Haushalter seyn. 1 B. Mose 3, 9. f. Denn es erfolgte über ihn und seine Nachkommen alle der geistliche Tod, daß er am göttlichen Leben erstarb, ob er schon am natürlichen noch lebte. Cap. 2, 17. 68. Ach wie genau trifft es noch ein, daß ein unbekehrter Mensch todt ist durch Uebertretung und Sünde, auch indem er am besten zu leben meint! Eph. 2, 1.5. Col. 2, 13. Er ist nach seinem Geist aus dem Licht in die Finsterniß gekehrt, und nach dem Leib in den Fluch gerathen. Denn weil alle solche von der Gnade noch abgeschnitten sind, so haben sie freilich kein göttlich Leben des Friedens, der Liebe und Freude in sich, sondern die Verdammung ist stets im Gewissen mächtig, und naget in Kraft des Zorns Gottes. Daher auch alle solche Kinder des Zorns von Natur sind, die dann auch iv solche zornige Früchte des Neides, Grimmes, Lästerns, Spottes und alles Böse ausbrechen. Eph. 2, 3. Die andern gräulichen Früchte des Falles bei dem ersten Menschen sind nach der Ordnung zu lesen im Inwendigen Christenthum 1 B. 5 Cap. s. 7. f., als da sind nächst dem Verlust des göttlichen Bildes die Flucht vor Gott, Ausstoßung aus dem Paradies, Beraubung des Lebensbaumes, betrübt Exil, Abhaltung vom Garten Gottes, ängstliche Lebensart, die tiefste Erbsünde, des Satans Gewalt und Art, ungöttlich Wesen und alles Elend mit einander.
Am meisten ist dieser Erbschade die Quelle aller Sunden, oder wie es Luther ausspricht in der K. Postill übers Ev. am N. Jahr. Es ist die rechte Haupt-Sünde, wo die nicht wäre, so wäre auch keine wirkliche Sünde. Diese Sünde wird nicht gethan wie alle andern Sünden, sondern sie ist, sie lebt und thut alle Sünde, und ist die wesentliche Sünde, die da nicht eine Stunde oder Zeitlang sündiget, sondern wo und wie lange die Person ist, da ist Sünde auch.
Wenn er auch auf die zehn Gebote kommt, zeigt er öfters, wie eben daraus die Erbsünde zu erkennen sey, weil sonst Gott nicht dergleichen verbieten dürfte, wo es nicht in uns wäre. Damit sagt er, zeigt Gott der Herr selbst an, daß wir in seinen Augen verdächtig sind, ja er halt nicht mehr von uns, denn daß wir von Natur verzweifelte Buben in der Haut seyn. - Warum schonet er nicht der heiligen Leute= Es gelüstet ihm nicht, ja sagt es nicht zu mir und dir allein, sondern zu allen Leuten. Es steckt in allen Menschen ein Mörder, Bluthund, in dir gleich sowohl als in mir, daß also vor Gottes Angesicht Niemand gerecht erfunden wird. Ja wir sind alle gleich Bösewichte.

69. Und hierin geschieht keinem Kinde Adams unrecht, sintemal aus dem giftigen Brunnen der Erbsünde lauter wirkliche Sünden hervorkommen, so lange Christus nicht das Herz reinigen kann. Wie kläglich erzählt Paulus von seinem natürlichen Zustand, Röm. 7, 19. Ich starb, die Sünde nahm Ursache am Gebot, und betrog mich und tödtete mich, daß die Sünde würde überaus sündig.

70. Und Lieber, woher kommt doch alles Uebel in der Welt? Woher fallen so viele in die abscheulichsten Greuel, davor auch die Natur sich entsetzt? Bloß aus der Herrschaft der Erbsünde, weil sie dieser nachhangen. Da kommt immer ein Böses aus dem andern. Die Erblust reizet und locket, widersteht man nicht, so empfängt sie die wirkliche Sünde, diese aber zedieret den Tod, dieß ist das Geschlechtsregister der höllischen Brut, davor wir billig erschrecken sollten, Jac. 1, 14. welches auch Jesus selbst nacheinander beschreibt, welche teuflische Früchte dieser Stamm bringe. Matth. 15, 19. Aus dem Herzen kommen arge Gedanken, Mord, Ehebruch, Hurerei, Dieberei, falsch Gezeugniß, Lästerung u. s. f.

71. Ich will jetzt nicht sagen vom leiblichen Schaden, den wir mit Händen greifen können, als da sind der Fluch der Erde, (davon bei der Schöpfung,) alle daher rührende Krankheiten, Schmerzen und der Tod selber als der Sünden Sold, der durch die Sünde zu allen Menschen durchgedrungen. Röm. 6, 23. 5, 12. 16. Auch ist anderswo ausgeführt, wie die Geburtsschmerzen und andere bei der Fortpflanzung entstehende Verderbniß aus der Sünde erst kommen seyn.

72. Der Leib des Menschen ist gewißlich nicht geblieben wie er geschaffen war, sondern da er zuvor ganz anders und herrlich gewesen, (wie von dem Bilde Gottes im 40sten Cap. gezeigt wird,) so ist er nunmehr als ein Gefängniß der Seele, als eine irdische beschwerliche Hütte geworden, zugleich aber auch eitel thierisch und viehisch, wie die Schrift zeuget Matth. 3. 7. Luc. 13, 32. Tit. 1,12. Ps. 49. 20. Pred. 3, 18. Also daß auch der Mensch nun die Thiere mit Bosheit übertrifft, wie Arndt redet.

73. Es ist also nicht zu viel geredt, wenn wir bekennen, daß der Mensch durch den Fall in gewissem Maße elender als das Vieh geworden, wie nicht undeutlich im 49. Psalm v. 12. u. 21. gezeigt wird, da es heißen kann: Der Mensch, der in der Würde war, und nun keinen Verstand hat, gehet unter wie das Vieh, oder ist durch die Sünde unter dem Vieh. Sintemal die unvernünftige Creatur den Schöpfer nicht so beleidigt hat, als die vernünftige, auch lange nicht so unmäßig und schändlich lebt, als manche Menschen.

Man muß glauben, daß alle Dinge sich vor Gottes Wort scheuen, durch welche? sie erschaffen sind, ausgenommen der Mensch und der Teufel, die durch Undank taub geworden sind, sagt Luther. Siehe so gar ist der alte Mensch ein Scheusal vor dem Schöpfer und Geschöpf geworden.
Der alte Mensch ist vom Teufel verblendet und verderbet an der Seele, daß er Gott nicht vor Augen hat, noch ihm vertrauet, ja gar nichts fraget nach Gott, gebet dahin ohne alle Sorge vor sein Bericht, ob er gleich mit dem Munde vom Evangelio rühmet, bleibt er doch aller Dinge wie zuvor, wie Luther redet.
Der irdische Mensch ist ohne Gottes Erkenntniß, und hat nichts mehr, trachtet auch nach nichts mehr, denn was ihm die Vernunft gibt und lehrt, er ist, wie er geboren, ein blinder ungläubiger Mensch, der nichts von Gott noch vom künftigen Leben weiß, noch darnach fragt, allein seinem natürlichen Verstand und Willen folgt, nichts sucht, denn sein Gut, Ehre, Hoffart, Wollust; da er auch vom Fleisch sagt: Fleisch ist nicht allein die grobe unfläthige Lust der Hurerei, sondern alles, was der Mensch von der Mutter bringt, die Seele und alle Kräfte der Natur, äußerlich und innerlich, in Vernunft, Willen und Sinnen, so ohne Geist und nicht nach Gottes Wort gerichtet ist, sonderlich auch die Stücke, so die Vernunft nicht für Sünde hält, als hingeben im Unglauben, Abgötterei, Verachtung Gottes Worts, Vermessenheit und Trotz auf Weisheit, Gewalt, Ehre u. s. w.

74. Und dieses sieht man klar aus Röm. 8, 6. 12. 13. Eph. 2, 3. Col. 2, 13. 18. Da Vernunft und Wille auch in ihrem besten Schein Fleisch heißen, ja auch der äußerliche Gottesdienst heißt fleischlich, Col. 2, 14. Ebr. 7, 16. 9, 10. so fern der natürliche Mensch daran hanget und alles darein setzt, auch sich also vom Geist abhält. Joh. 4, 24. Eph. 2, 14. f.

75. Wer nun dieses alles sich nicht auf's Tiefste vor dem heiligen Gott beschämen läßt, der mag wohl härtere Zeugnisse bedürfen. Wir sollten billig, wenn wir allen solchen Greuel in und an uns erkennen, unserer Natur spinnefeind werden, dem Urheber solchen Unglücks, dem Satan ewig entsagen, und Tag und Nacht um Reinigung, als solche beschmutzte Kinder bitten. Es sollte uns die Zeit in dies« Hütte recht lang währen, daß wir stets seufzeten: Gedenk, o Herr! der schweren Zeit, darin der Leib und Seel' gefangen bleibt.

76. Sollen wir aber in allem diesem Uebel beharren, und uns gar um keine Erlösung bekümmern? So thun wohl die, denen noch in ihren Sünden wohl ist, und die keine künftige Heimsuchung und Rechnung scheuen. Aber davor bewahre Gott alle arme Seelen. Wir müssen nothwendig, so wir unser eigen Bestes suchen, daraus zu kommen trachten, und dazu ist uns auch der vollkommenste Weg in Christo eröffnet.

77. Es gilt aber hier nicht ein wenig Heucheln, oder eine oder andere Aenderung in äußerlichen Dingen vornehmen oder grobe Sünden lassen, oder mit Ceremonien und Bücken es versuchen. Denn ein tiefes Uebel fordert eine tiefe Heilung. Es gilt ein neues Leben und also eine neue Geburt, ein neues Herz und neuen Geist, soll das Alte vergehen und alles neu werden. Also da David sein Verderben bekannt hatte, bat er ganz um eine neue Schöpfung eines reinen Herzens, und um Erneuerung eines gewissen Geistes in seinem Innersten, und wollte also den Schaden von Grund aus gehoben, nicht aber nur von Außen bedeckt wissen. Ps. 51, 12.

78. Denn die alte verdorbene und neue Schöpfung stehen gerade gegen einander: eine hebt die andere auf. Fleisch gebäret Fleisch, und Geist gebäret Geist, Joh. 3, 6. 1, 13. Wir müssen Gottes Werk wieder werden, und in Christo zu guten Werken nicht nur in etwas gebessert, sondern gar geschaffen. Eph. 2, 10. Sintemal er dazu auch erstanden ist, daß wir zur lebendigen Hoffnung möchten wiedergeboren werden, und also anstatt des alten Sündenlebens aus Adam, ein neu göttlich Leben aus Christo wieder bekämen.

79. Wie nun Adam durch sein verbotenes Essen nebst Eva den Tod gefressen hat, und daran gestorben ist: also stellt nun der Herr Jesus sich selbst als den Baum des Lebens wieder mitten in den Garten des Gemüths, daß wir davon wiederum das Leben essen und nehmen sollen, damit wir nicht mehr sterben. Er bietet auch dazu sein Fleisch und Blut uns stets an, sein Wort ist uns auch nahe im Mund und Herzen, also daß wir nur dürfen nehmen, nicht wie Adam in eigener Lust, sondern in der Begierde der gnadenhungrigen Seele, die in ihm ihr geistlich Leben wieder suchet.

80. Dieß ist die Kraft des Glaubens, welcher uns das Verlorne in Christo herwiederbringt, wenn wir wiederum aus dem Fall mit Ernst heraus eilen, und nicht gerne in Sünden länger liegen bleiben. Denn dieß ist an unsrer Seite der einzige Weg heraus zu kommen, nemlich wahre Buße und Umkehrung mit dem verlornen Sohn zum Hause des Vaters, da wir unser Erbe können wieder finden, auch alle Gottesfreunde am Gottestische antreffen, die bereits herwiedergebracht sind, und also einen genauen Zugang zum Vater haben. Da soll unser Glaube auch in Liebe thätig seyn, daß wir gerne andern armen Mitgliedern helfen. Denn es kann kommen, daß sie uns als Freunde (nicht als Mittler oder Versöhner) aufnehmen in die ewigen Hütten, oder uns ein gut Zeugniß unsers lebendigen Glaubens geben, auch etwa mehr Stufen der Glori veranlassen, wie der Herr Jesus anzeiget. Luc. 16, 9.

81. Darum laßt uns solche unsere Zurückkehr ja nicht aufschieben, denn wir sind ja genug überzeugt, daß wir uns in unserer Verderbniß selbst nicht helfen können. Lasset uns auch nicht mit List als der böse Haushalter zu entgehen suchen, daß wir uns nicht demüthigen dürfen. Wenn uns der Herr wieder seine Güter anvertrauet, laßt sie uns nicht wieder umbringen; sondern lasset uns vielmehr nun gute Haushalter werden, und Gott zum Freund bekommen, daß er uns lobe und annehme, auch bedenken, es sey allein Gottes Gnade, die' uns vom Fall erretten kann. Diese wird uns heute noch durch Gottes Stimme angeboten. Versäumt sie Jemand, so kann er sich selbst hernach nicht helfen, wo sie ihm nicht nach seinem Willen wieder kommt. Denn ohne sie sind wir todt in Sünden und zu aller Besserung untüchtig.

Nachdem Luther den tiefsten Greuel der Erbsünde abgemalt schließt er endlich desto tröstlicher in der K. Post, also: Diese natürliche Sünde mag man mit keinem Gesetz, mit keiner Strafe vertreiben, wenn gleich tausend Höllen wären, sondern allein die Gnade Gottes muß sie ausfegen, die die Natur neu und rein machet - der uns schaffet, der allein muß sie auch abthun.
Er hält auch nicht für Unrecht, die Ausrottung zu wünschen und zu suchen. Wir wollten, daß uns nicht allein die Sünde vergeben, sondern daß sie mit Wurzeln aus unsern Herzen ausgereutet und gar getödtet und abgethan wäre - darum wenn ein Christ durch den Glauben fromm und gerecht worden ist, und Vergebung der Sünden empfangen hat, so muß er bei Leibe nicht sicher seyn, als wäre er aller Sünden los und frei, sondern es hebt sich da allererst ein ewiger Kampf und Streit wider die Sünde an - alsdann bedürfen wir auch der Gaben des Geistes, welcher in uns das Uebrige und die Hefen der Sünden ausfege.
Zum Wenigsten gibt er gerne zu, daß sie könne gedämpft werden. Die Sünde müsse aufhören, und der Erbsünde, so uns von Natur anhanget, auch etwas gesteuert werden. Die Erbsünde lasse sich dämpfen, aber nicht gar ausrotten, ohne durch den leiblichen Tod.
Sehet darauf, daß ihr das Fleisch unterdrücket. Es wird mit Gewalt zugehn müssen, daß ihr die Lust bezwinget und dämpfet, und je größer euer Glaube ist, je größer werden die Anstöße seyn - darum gibt er auch (Petrus) einen Trost, daß man den bösen Lüsten möge wehren, also daß man nur dawider belle, - welcher das nicht erfährt, der darf sich nicht rühmen, daß er ein Christ sey.
Dieser Grund hebt nun den schändlichen Mißbrauch der Falsch-Evangelischen auf, da sie schließen wollen, man dürfe deswegen wohl in Sünden liegen bleiben, dawider schon Themnitius erinnert hat, man müsse diesen Mißbrauch oft und ernstlich schelten, auch müsse man nicht obenhin nur sagen, daß in den Heiligen nach der Taufe Sünde überbleibe, sondern man müsse erklären, welche Sünde es sey, und warum sie so heiße, - und müsse also hier sonderlich das Wort recht theilen, welches dann sowohl Lehrer als Zuhörer beobachten sollten.
82. Lasset uns auch niemals mit der Erbsünde scherzen und denken, als könnten wir deßwegen nun nicht bekehrt werden. Denn wir haben gehört, daß Gott so gerne will wirken in uns beide das Wollen und Vollbringen, aber nicht nach unserm, sondern nach seinem Wohlgefallen. Phil. 2,13. So entschuldigt uns denn unser Verderben nicht, daß wir nicht besser sind, sintemal uns Gott gern bessern wollte, wenn wir's nur zulassen und nicht hindern. 83. Haben wir nun schon die Sünde an uns, und können es nicht läugnen, so müssen wir sie doch nicht mehr thun oder herrschen lassen, denn deßwegen unterscheidet der heilige Geist dieß beides so sorgfältig. 1 Joh. 1,8. c. 3,8. Ja er zeuget von den Bekehrten, daß sie vormals zwar Sünder gewesen seyn, aber nun nicht mehr sind, nemlich mit Willen und Wissen. Röm. 5,8. 84. Deßhalben hat uns Gott nun wiederum diese Art vorgeschrieben, wie wir nach wahrer Bekehrung nach und nach des kläglichen Falles wieder los werden können und sollen; nemlich wir sollen . die Sünde nicht herrschen lassen in unserm sterblichen Leibe, ihr Gehorsam zu leisten in ihren Lüsten. Röm. 6, 12. 83. Glaubet also gewiß, daß der Schöpfer sogar willig ist, uns wieder zu helfen, weil er ja seine Geschöpfe gerne wieder gut siehet. Es jammerte ihn schon nach dem Fall, daß er so gleich des Weibes Saamen versprach. Und nach der Sündfluth beschloß er die Erde nicht mehr zu verfluchen, weil der Menschen Zustand so elend wäre, 1 B. Mose 8, 21. Wie vielmehr will er gerne die erlösen, die darnach ringen? Es soll ja keine Verdammung seyn in denen, die in Christo Jesu sind. Röm. 8,1. So darf denn auch Solchen keine Erbsünde schaden, sondern in Christo wird sie zu nicht gemacht und aufgehoben, welches Gläubigen lieber ist als Himmel und Erde. =====Gebet===== Zu dir, o treuer Schöpfer! wenden uns wir elende, im Grunde verdorbene, vom Satan geschändete und abscheulich zugerichtete Seelen, und wollen den Abgrund unsres Verderbens nicht läugnen, noch vor deinem Lichte verdecken oder gering machen. Sondern wir schreien vielmehr aus der Tiefe zu dir, und möchten gerne der teuflischen Gestalt und Eigenschaften durch Christum los seyn, darin wir nimmermehr dein Reich schauen könnten. O erbarme dich in dem innersten deines Vaterherzens über uns, und ziehe uns so tief in die Buße und Umkehrung, daß der ganze Grund des Verderbens in uns erschüttert, angegriffen und nach und nach mit allen Werken des Teufels zerstöret werde. O Herr Jesu, die Schlange hat ihr Nest in uns gelegt, zertritt du ihr den Kopf durch deinen Tod, und zerknirsche alle ihre giftige Brut der Eigenliebe, Hoffart, Tücke und Arglist, daß ihre Stärke nicht mehr gefunden werde. Stoße auch aus den Drachen des Grimms und Zorns, Eigensinns und Zanks, und stürze den Lucifer mit seinem Hochmuth und Eigenruhm, Herrschsucht und Neid, und mache also ein Ende des Boshaften, und tödte das Kind des Verderbens mit der Erscheinung deiner Zukunft in unsern armen gefangenen Seelen. Ja verstöre nun das ganze falsche Bild, und reiße den alten Bau von Grund aus darnieder in uns, damit du ein neues schaffest, und das alte alles weiche, weil es 'doch nicht bestehen kann in dem Feuer deiner Prüfung. Herr Zebaoth, mache dich auf und hilf uns in Christo wieder in den Stand, darein wir nach deinem ewigen Rath gehören, und laß des Feindes Werk nicht mächtiger seyn als deines. Laß den Dieb und Mörder nicht deine Wohnung immerdar besitzen, sondern nimm sie wieder einmal völlig ein, daß er sich nicht rühme, er bleibe unser mächtig. Ach rette deine Ehre an deinen Erkauften, und vollführe deinen Rath, daß wir neue Creaturen werden, und dich also ewig preisen. Amen.

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