Arndt, Johann - Erbauliche Psalter-Erklärung - Psalm 11.

Arndt, Johann - Erbauliche Psalter-Erklärung - Psalm 11.

Der verlesene Psalm enthält in den drei ersten Versen eine Klage über die Gewalt und List der Gottlosen und dann einen herrlichen Trost vom Schutz der Frommen und der Strafe oder Rache der Gottlosen.

V. 1. Ich traue auf den HErrn. Wie sagt ihr denn zu meiner Seele, sie soll fliegen wie ein Vogel auf eure Berge? Diese Worte beschreiben die Versuchung der Welt, wenn ein Christ in seinem Kreuz und seiner Verfolgung von ihr gereizt und gelockt wird, von Gott abzufallen. Wider solche Anfechtung sollen wir uns mit dem Glauben rüsten und wehren und mit David sprechen: ich traue auf den HErrn. Das ist ein Wort des Glaubens, als wollte er sagen: ob ich gleich Verfolgung und Trübsal leiden muss, so weiß ich doch: mein Gott, dem ich vertraue, wird mich erhalten und erretten; darum will ich um der zeitlichen Trübsal willen nicht von Gott abfallen. Denn es ist ja der HErr, auf den ich traue, der allmächtige und wahrhaftige Gott, der noch alle seine Verheißungen erfüllt und Keinen hat zu Schanden werden lassen, der seiner harrte. Es ist ein HErr, der mich erretten kann nicht bloß von leiblichen Feinden, sondern auch von den geistlichen Feinden, Sünde, Tod, Teufel und Hölle, und mich wird ewig selig machen.

Weil er nun ein allmächtiger und wahrhaftiger Gott ist, der mich nach vieler erlittener Trübsal kann und wird selig machen: wie sagt ihr denn zu meiner Seele, sie soll fliegen wie ein Vogel auf eure Berge? d. h. ihr versucht, meine Seele von Gott abwendig zu machen und mich zu euch zu ziehen, zu euren Bergen, zu eurer Macht und Gewalt? Wahr ist's, ich bin in der Welt wie ein Vogel in der Luft, den Jedermann fangen kann, der nirgends eine bleibende Stätte hat; aber darum will ich doch nicht auf eure Berge fliegen und mich von Gott abwenden zu ohnmächtigen Menschen.

Diese Worte geben uns eine herrliche Ermahnung zur Beständigkeit im Kreuz. Ach lieber Christ, bedenke, wer der Mann ist, dem du vertraust: es ist ja der HErr, der Allmächtige. Gedenke doch, was das ist, das du ihm anvertraust: deine Seele! Warum willst du deine Seele, die ewig ist, um ein zeitliches Ding verkaufen? was willst du geben, deine Seele zu erlösen? Und ob du gleich viel leiden und in der Welt sein musst wie ein verschüchtertes Vögelein, so wird doch Gott nach vielen erlittenen Trübsalen dich ewig selig machen; das kann ja kein Mensch und keine menschliche Gewalt tun. Gedenke an den Trost (Off. 2,10): sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. Wer überwindet, der soll Alles erben (21,7).

V. 2. Denn siehe, die Gottlosen spannen den Bogen und legen ihre Pfeile auf die Sehnen, damit heimlich zu schießen die Frommen. Das ist eine Klage über der Gottlosen Gewalt und List, die immer gegen die Frommen streiten. Ein Christ muss sich immer heimlicher und öffentlicher Verfolgung versehen, denn die Schlange sticht Christum immer in die Ferse, und der Schlangen Same streitet wider des Weibes Samen. Daran musst du dich, lieber Christ gewöhnen, dich zur Anfechtung schicken, dich rüsten mit Glaube, Gebet und Geduld, und dadurch wirst du den Sieg erringen.

Dieser Spruch ist aber auch eine Warnung, dass wir uns von Christo nicht abwenden lassen, obgleich die Gottlosen ihren Bogen spannen und mit List und Gewalt uns verfolgen. Denn was können sie mehr tun, als den Leib töten? Die Seele nicht; ja wenn wir tausend Leiber hätten, sollten wir sie mit Freuden hingeben. Unter solcher Verfolgung verliert ein Christ nichts von seinem Gut; denn er hat sein Gut nicht auf Erden, sondern im Himmel. Er verliert nichts von seiner Ehre, denn er hat seine Ehre im Himmel. Da die Pharisäer den HErrn um seinen guten Namen bringen wollten und ihn einen Samariter und Teufelsboten nannten, sprach er: ich suche nicht meine Ehre, es ist aber einer, der sie sucht und richtet (Joh. 8,48.50.) Der Christ verliert nichts an seinem Leib, als was sündlich, tödlich, sterblich ist, voll Jammer und Elend; den verklärten Leib wird Niemand verdammen, töten, verunehren können.

V. 3. Denn sie reißen den Grund um; was soll der Gerechte ausrichten?Das ist ein Gleichnis, genommen von einem Gebäude, welches in Haufen fallen muss, wenn der Grund, das Fundament eingerissen ist. Das Fundament der weltlichen Gerechtigkeit ist Wahrheit und Billigkeit, wenn Wahrheit und Billigkeit aus den Augen gesetzt werden, und die Person angesehen wird, so ist das Fundament umgerissen und der Gerechte kann nichts ausrichten.

Es hat aber auch unser Glaube ein gewisses und ewiges Fundament, welches ist Christus, unser HErr, nämlich seine Person, dass er ist allmächtiger Gott und wahrhaftiger Mensch, und sein Amt, dass er allein der Welt Heiland und Seligmacher ist, und dass wir allein durch ihn zum Vater kommen, d. i. ewig gerecht und selig werden. Wo dieses Fundament bleibt, da ist und bleibt die wahre Kirche, und da ist wahrer, beständiger Trost. Wo aber dieses Fundament umgerissen wird, da wird das Gebäude der Kirche über den Haufen geworfen, verwüstet, zerstört, und kann nimmermehr in Ewigkeit irgend ein beständiger Trost sein. Wo dieser Grund umgerissen wird, da geht die Verfolgung an, da kann der Gerechte nichts ausrichten, er findet keinen Raum noch Statt, er muss unterliegen, er muss weichen; da wandert die Kirche im Elend herum und sucht eine andere Herberge.

Nun sprichst du: wie können sie denn diesen Grund umreißen? sagt doch der HErr selbst, die Pforten der Hölle sollen ihn nicht überwältigen (Matth. 16,18). Das ist recht; denn dieser Glaube, dass JEsus Christus Gottes Sohn ist und allein Seligmacher, Heiland, Mittler und Erlöser der Menschen, und dass in keinem andern Namen Heil ist, hat noch immer den Platz und Sieg behalten. Und ob nun wohl dieser Grund an manchem Ort umgerissen wird, so bleibt er doch auf Erden, so lange die Welt steht; denn Christus bleibt ewig und Alle, die an ihn glauben. Da auch an manchem Ort, da die Tyrannen meinen, sie haben den Grund ganz umgerissen, hat sich Gott noch siebentausend überbehalten, die ihre Knie vor Baal nicht gebeugt haben. Denn der feste Grund Gottes besteht und hat dies Siegel: der HErr kennet die Seinen.

Dieser Grund, der ein ewiger Fels ist, bringt wahren beständigen Trost mit sich; denn wir wissen, dass Christus, unser HErr, als ein allmächtiger Gott für uns streitet und vor seinem Volk herzieht; sein Name ist treu und wahrhaftig (Off. 3,14). Er ist unser, von Gott uns geschenkt, der ganze Christus noch seiner Person und nach seinem Amt.

Wenn wir das recht verständen, wir würden aller unserer Feinde spotten; denn denselben legen wir entgegen die ewige Gottheit Christi, unseres HErrn, der zur Rechten Gottes sitzt. Den Irrlehrern aber und dem Widerchrist setzen wir entgegen das Amt Christi, dass Christi Verdienst, Blut und Tod uns frei gemacht hat von allen unseren Sünden, und wir zu unserer Seligkeit und Gerechtigkeit nichts weiter bedürfen, keines Menschen Werk und keines Heiligen Verdienst. Warum sollten wir Menschenverdienst neben Christi Verdienst setzen? Unsre Gerechtigkeit ist ganz vollkommen, und mangelt nichts daran; denn es ist Christi Gerechtigkeit, die weit, weit aller Heiligen, ja aller Engel Gerechtigkeit übertrifft.

V. 4. Der HErr ist in seinem heiligen Tempel, des HErrn Stuhl ist im Himmel; seine Augen sehen darauf, seine Augenlieder prüfen die Menschenkinder. Hier antwortet der Psalmist den Gottlosen, die da sagen, man solle auf ihre Berge fliehen und sich unter ihren Schutz begeben; denn Gott frage doch nichts nach uns und habe uns verlassen. Nein, sagt der Psalmist, der HErr ist in seinem heiligen Tempel d. i. bei seiner Kirche und Gemeine; wenn er sich gleich eine Zeit lang verbirgt, so hat er doch den Gläubigen seine Gegenwart verheißen, und darauf trauen wir. In diesen Worten haben wir einen herrlichen Trost in Verfolgung und Anfechtung, dass wir wissen, Gott der HErr sei bei uns in seinem Heiligen Tempel, welchen er auf Erden unter uns durch sein Wort und seinen Geist erbaut hat. Wenn wir uns nur zu Gott und seinem Worte halten, so finden wir da allezeit Trost, Gnade, Vergebung der Sünden, den heiligen Geist, den Schutz der Engel. Der in uns ist, ist größer denn der in der Welt ist (1 Joh. 4,4). Also hat auch Gott seinen heiligen Tempel in unseren Herzen und wohnt darin; darum fürchte dich nicht, ich bin bei dir; weiche nicht, ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit (Jes. 41,10).

Des HErrn Stuhl aber ist im Himmel. Es ist nicht allein eine große Herrlichkeit des gläubigen Menschen, dass Gott sein Herz zu seinem Tempel gemacht hat, sondern es ist auch ein großes Wunder, dass eben dieser Gott seinen Stuhl im Himmel hat und gleichwohl bei uns ist. Dies gibt uns abermals einen großen Trost wider alle Gewalt der Menschen, dass wir sagen können, des HErrn Stuhl ist im Himmel, seine Gewalt und Herrschaft erstreckt sich über Alles. Obgleich unsere Feinde auch ihren Stuhl haben, so ist er doch nur auf Erden und kann leicht umgestürzt werden; den Stuhl aber unseres Gottes kann keine irdische Gewalt umstoßen, denn er ist im Himmel.

Was macht aber der HErr auf seinem Stuhl im Himmel? Sitzt er etwa müßig, unbekümmert um der Menschen Tun auf Erden? fragt er nichts danach, wie es auf Erden zugehet? O nein! Seine Augen sehen darauf, seine Augenlieder prüfen die Menschenkinder. Wenn wir etwas scharf ansehen wollen, so tun wir die Augenlieder etwas zu, dass die Strahlen der Augen zusammengefasst werden. So gibt auch Gott, der HErr, scharf Acht auf jedes und alles Tun der Menschen, ja er sieht auch allen Menschen in's Herz und erforscht ihre Gedanken. Das meint hier David, wenn er spricht: seine Augenlieber prüfen die Menschenkinder, und abermals.

V. 5. Der HErr prüft den Gerechten; seine Seele hasst den Gottlosen und die gerne freveln. Und wie Gott der Frommen Herz prüft, d. i. ihr Anliegen, Not, Seufzen und Gebet kennt und sieht und Gefallen hat an ihrer Gottesfurcht, Glaube, Liebe und Geduld, also prüft er auch der Gottlosen Herz, und seine Seele hasst den Gottlosen, in welchem nichts Göttliches, Himmlisches und Geistliches mehr ist, sondern ein teuflisches Ding, Stolz, Frechheit, Gewalt, Unbarmherzigkeit und Grausamkeit.

Das gibt uns nun eine herrliche Lehre, Warnung und Trost, dass Gott, der HErr, ein Herzenskündiger sei, und dass die frommen wie die bösen Herzen vor Gott offen stehen, also, dass der innerste Gedanke sich vor Gott nicht verbergen kann, nicht die heimlichste und verborgenste Bewegung des Herzens, wie Ps. 7,10 steht: du, gerechter Gott, prüfst Herzen und Nieren. So sieht also Gott unseren Glauben, unsere Andacht, unser Verlangen und Seufzen, unsere Angst und unsere Geduld, und solches Alles wird nicht vergebens und umsonst sein, weil es Gott in Gnaden ansieht. Was Gott in Gnaden ansieht, das verschwindet nicht, das wird einen gewissen Segen und Belohnung haben, geistlich und leiblich, zeitlich und ewig, und wird als ein Schatz im Himmel bewahrt werden.

Es ist aber auch eine Warnung für die Gottlosen, dass Gott ihr böses Herz kenne und den Gräuel, der darin ist; auch nicht den allergeringsten bösen Gedanken kann man vor Gott verbergen. Darum hasst sie Gott, wo sie gehen und stehen, was sie reden und gedenken, denn ihr Tun kommt nicht aus Gott, sondern aus dem Teufel. Nun ist es aber ein schreckliches Ding, in Gottes Ungnade und Zorn sein, denn Gottes Zorn ist ein verzehrendes Feuer und verdirbt Leib und Seele.

V. 6. Er wird regnen lassen über die Gottlosen Blitz, Feuer und Schwefel und wird ihnen ein Wetter zum Lohn geben. Hier ist der Ausgang und der Lohn der Gottlosen beschrieben. Dass nun der Psalm spricht, Gott werde über die Gottlosen regnen lassen, bedeutet ein schnelles und unabwendbares Unglück, gleich wie einen ein Regen ergreift, den man nicht entfliehen kann. Solches bedeutet auch das Wort Blitz, der unerwartet, plötzlich aus der Wolke hervorbricht, dass man weder aus noch ein weiß. Und das Wetter, das ihnen Gott zum Lohn gibt, ist das Unglück, in dem sie verderben. Denn wie ein Sturm und Wetter die Gebäude verdirbt und zerstört, so will Gott ein solches Wetter über die Gottlosen schicken, das plötzlich alle ihre Macht umwerfen und verderben wird und Feuer und Schwefel soll der Teil ihres Lohns sein.

Das ist eine schreckliche Drohung, die wir sollen zu Herzen nehmen und da wir lernen, uns fürchten vor dem Zorne Gottes und uns spiegeln an dem schrecklichen Untergang der Gottlosen. Feuer und Schwefel ließ Gott regnen über die Sodomiter; sie hatten getrunken aus dem Becher der Wollust, darum schenkt ihnen nun Gott ihren Becher voll mit Feuer und Schwefel. Ein Wetter gab Gott der Rotte Korah zum Lohn, da sich die Erde auftat und dieselbe lebendig verschlang. Der Himmel droht oft mit Feuerflammen; wie leicht kann Gott die Elemente, Feuer, Luft, Wasser und Erde rüsten wider uns zur Rache! Ach, dass ein Mensch so leichtfertig den Zorn Gottes wider sich erwecken mag und so sicher ist!

Aber wie alle Kreaturen Rache üben an den Gottlosen, so können alle Kreaturen den Gläubigen nicht schaden, wie Gott, der HErr, sagt (Jes. 43,2): so du durchs Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Wasserströme nicht sollen ersäufen; und so du durchs Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht anzünden. Ja keine Kreatur kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die da ist in Christo Jesu, unserem HErrn (Röm. 8,39). Denn:

V. 7. Der HErr ist gerecht und hat Gerechtigkeit lieb: darum dass ihre Angesichte schauen auf das, da recht ist. Das ist ein schöner Schluss: der HErr ist gerecht und hat Gerechtigkeit lieb, darum sieht er auch mit gnädigen Augen an, die aufrichtigen Herzens sind. Gleichwie der Gottlosen Strafen Blitze, Schwefel, Feuer und Wetter sind, so ist der Gottesfürchtigen Belohnung Gottes Liebe und Gnade. Was gibt es doch Besseres als von Gott geliebt zu werden! Gleichwie ein Mensch nichts Besseres tun kann als Gott lieben, so kann auch einem Menschen nichts Besseres begegnen als von Gott geliebt werden; das sollte unsere höchste Freude und Wonne sein über alle irdischen Schätze, Herrlichkeit und Ehre dieser Welt. Wer liebt, dem wird Liebe zum Lohn; wer Gerechtigkeit lieb hat, der wird wieder von Gott geliebt, denn Gott selbst ist die Gerechtigkeit; wer Barmherzigkeit lieb hat, dem wird sie selbst zum Lohn. Kurz wer Gott lieb hat, dem wird Gott selbst zum Lohn; ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn, sprach Gott zu Abraham (1 Mos. 15,1). Es kann aber Niemand Gott lieb haben, er habe denn die Gerechtigkeit lieb und die Barmherzigkeit und die Wahrheit, die Gütigkeit und den Frieden; denn das Alles ist Gott selbst, und dessen großer Lohn will er selber sein. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten; sät er Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, so wird er dieselbe Frucht wieder einernten. So ist Gott aller derjenigen großer Lohn, die Gott fürchten, lieben, vertrauen, anhangen, anrufen, auf ihn hoffen, ihn bekennen, loben und Preisen. Amen.

Gebet.

HErr JEsu Christe, du siehst, wie jetzt so viele Spaltung und Zwietracht in deiner Christenheit unter den Lehrern und Andern fast überall ist, und wie täglich viel stolze, aufgeblasene Geister sich aufwerfen, immer etwas Neues hervorbringen und so die einfältigen Leute irre machen, dass sie fliegen und flattern und nicht wissen, woran sie sich halten sollen. Wir bitten dich, erhalte uns bei deinem Wort und bei dem rechten Grund, den die stolzen, ehrgeizigen Geister umreißen wollen; wehre denselben und gib ihnen ein Wetter zum Lohne, dass sie ihre Torheit erkennen und nicht mehr Schaden tun, auf dass dein heiliger Name nicht gelästert, sondern stets geheiligt werde, und wir auf dem rechten Grund und Felsen beständig und unbeweglich bleiben, darauf leben und sterben, gerecht und ewig selig werden. Amen.

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