Ahlfeld, Johann Friedrich - Ein Blick in die Natur des Reiches Christi.

Ahlfeld, Johann Friedrich - Ein Blick in die Natur des Reiches Christi.

(Palmarum.)

Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen.

Text: Ev. Matth. 21, 1-9.
Da sie nun nahe bei Jerusalem kamen gen Bethphage an den Ölberg, sandte Jesus zwei seiner Jünger und sprach zu ihnen: Gehet hin in den Flecken, der vor euch liegt, und bald werdet ihr eine Eselin finden angebunden, und ein Füllen bei ihr; löset sie aus und führet sie zu mir. Und so euch Jemand etwas wird sagen, so sprechet: Der Herr bedarf ihrer; so bald wird er sie euch lassen. Das geschah aber Alles, auf dass erfüllet würde, das gesagt ist durch den Propheten, der da spricht: Saget der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen der lastbaren Eselin. Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, und brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre Kleider darauf und setzten ihn darauf. Aber viel Volks breitete die Kleider auf den Weg; die andern hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg Das Volk aber, das vorging und nachfolgte, schrie und sprach: Hosianna dem Sohne Davids! gelobet sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!

Derselbe Ton, dasselbe Wort, in dem Herrn geliebte Gemeinde, wie übt es doch zu verschiedenen Zeiten so ganz verschiedene Wirkung auf das menschliche Herz aus! Wenn die Glocken am Morgen klingen, erfassen sie unser Herz anders, als wenn sie am Abend klingen. Und wenn dieselben Glocken von derselben Hand in der Nacht gezogen werden, dann hallen sie im Herzen noch ganz anders wieder. Derselbe Spruch aus dem Worte Gottes hat in den verschiedenen Lebenszeiten einen ganz verschiedenen Klang. Wenn das Kind zum ersten Mal in der Schule das Wort lernt: „Es ist dem Menschen einmal gesetzt zu sterben und darnach das Gericht,“ so liegt ihm dies noch so ferne, und es kommt ihm vor wie ein fernes Gewölk hinter der Abendsonne. Wenn es aber ein Mensch liest oder im Gedächtnis wiederholt, der an den Pforten des Todes steht, dann hat der Spruch eine scharfe Gestalt, die Worte haben Augen bekommen. Der ganze Spruch hat Leben, und er greifet wie eine eiserne Hand ins Leben hinein. Wenn ein Kind zu seinem fünften Gebote den Spruch lernet: „Wer Menschenblut vergießt, des Blut soll wieder durch Menschen vergossen werden“, so ist es ihm fast, als ob er es Nichts anginge. Und wohl ihm, wenn er es in dem einen Sinne nie Etwas angehet. Wenn dieser Spruch aber einem Mörder vorgelesen wird, dem man eben sein Urteil kund tut, so ist jedes Wort wie ein Schwert. Wenn einem gleichgültigen sichern Menschen gesagt wird: „Es ist je gewisslich wahr und ein teuer wertes Wort, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen,“ so lässt ihn dies kalt. Aber für ein bekümmertes Herz, das in schwerer Sorge ist um Heil und Seligkeit, da ist es wie Balsam, da ist es der seligste Trost. - Teure Brüder und Schwestern, unser heutiges Evangelium, das Evangelium vom Einzuge Christi in Jerusalem, das Palmenevangelium, kommt zweimal im Kirchenjahre vor. Wir haben uns schon daran erbauet am ersten Advent. Da sollte Christus in die Welt einziehen. Heute ziehet er in die Stadt ein, die die Propheten getötet hatte, die sich auch zu seinem Tode rüstete. Am ersten Advent war es wie Sonnenaufgang, wie der Aufgang aus der Höhe. Heute liegt es vor uns wie der letzte Abendschein der Sonne. Noch einmal wendet sie recht voll und groß der Erde ihr Angesicht zu. Aber dahinter lauert die Nacht, die bald hereinbrechen wird. Wir können es uns nicht verhehlen, dass der fünfte Tag von diesem Tage ab der Todestag des Herrn ist. - Was können wir uns für die Marterwoche unseres Herrn, und für unsere eigene Pilgerfahrt unter dem Kreuze aus diesem Evangelio nehmen?

Einen Blick in die Natur des Reiches Christi.

  1. Seine Grundlage ist die Demut.
  2. Seine Macht ist der Gehorsam.
  3. Sein Heer ist die betende Gemeinde.
  4. Sein Ende ist das Hosianna.

O du heiliger Gründer deiner Kirche, der du thronest zur Rechten deines himmlischen Vaters, gründe auch in uns das Reich. Wir rufen dich inbrünstig an: Mache uns klein, mache uns arm. Zerbrich den stolzen Thron der eigenen Gerechtigkeit. Pflanze uns ein in deinen heiligen Gehorsam. Lehre uns streiten mit den starken Waffen, mit denen du überall dem Feinde widerstanden hast. Lehre uns bitten, wie die lieben Kinder ihren lieben Vater bitten, damit auch wir einst ein Hosianna haben. Amen.

l. Seine Grundlage ist die Demut

Teure Bruder und Schwestern. Wenn es heute auch um den Herrn ein wenig scheinet und schallet, wenn er auch heute umher ziehet mit mehr Ehre, denn wir ihn sonst ziehen sehen, so ist es darum doch nur ein Stück aus dem Stande seiner Erniedrigung. Es hat sein Zug etwas Königliches; aber doch gehet durch denselben ein weiter Abstand von dem Zuge eines weltlichen Königs. Wer ihn ansieht, dem sagt das ganze Bild ins Angesicht: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Es ist ein Reich der Demut.“ Wer ihn vollends vergleichen will mit dem Ehrenzuge, den der erhöhte Christus als König und Richter einst in die Welt halten wird, der muss zehnfach und tausendfach bekennen: „Es ist ein Reich der Demut.“ Hier reitet er auf einer Eselin, auf einer geborgten Eselin, dort wird er kommen in des Himmels Wolken. Hier zieht er ein umgeben von einem armen Haufen, dort wird er kommen, und um ihn die Menge der himmlischen Heerschaaren. Hier schallen ihm die Lobgesänge aus dem Munde des armen Volkes und der Kinder, dort werden die Engel die Königs- und Siegeslieder singen. Hier zieht er ein um gerichtet zu werden, um zu sterben, um im kühlen Grabe gebettet zu werden. Dort kommt er, um die Toten aus den Gräbern zu wecken und um Gericht zu halten über Alles, was Odem hat. Wisse, dieser Zug nach Jerusalem ist ein Vorbild für sein ganzes Reich auf Erden, für die ganze streitende Kirche. Ihre erste und tiefste Wurzel ist die Demut. Es muss ja so sein. Sie ruhet auf zwei Grundgedanken, die beide, wenn sie lebendig erfasst sind, Demut erzeugen müssen. Der eine ist: „Wir sind allzumal Sünder.“ Und der ziehet die Augen zu Boden. Mit diesem Bewusstsein muss die Kirche so fern von Selbsterhebung sein, wie die Erde vom Himmel. Der andere Grundgedanke ist: „Nur aus Gnaden werden wir vor Gott gerecht und Erben des ewigen Lebens.“ Und wo Gnade ist, da ist kein eigenes Verdienst. Und wo kein eigenes Verdienst ist, wo wir leben von fremder Erbarmung, da muss Demut sein. Die Kirche ist ein Schifflein, das durch das Meer der Welt und der Sünde hinsteuert nach der Küste der Gnade. Der Bau ist aus Erbarmung gemacht. Der Steuermann führet es aus Gnaden. Die darinnen sind, sind hineingenommen aus göttlicher Barmherzigkeit. Da kann die Mannschaft keine stolze Flagge aufstecken. Wenn sie sich rühmt, soll sie sich ihrer Schwachheit rühmen. Wenn sie eine Ehre hat, ist es die, dass sie der Herr in Gnaden angesehen hat. So geht ihr Zug dahin nach dem Jerusalem, das droben ist. Was ihr Gott an äußerem Gut gegeben hat, das hat er ihr geliehen. Es werden die Stunden kommen, wo er es ihr wieder abfordert. Er tut mit ihr, wie es ihm gefällt. Er gibt ihr Zeiten, wo sie auch in der Welt mächtig und herrlich dastehen soll. Er gibt ihr Zeiten, wo sie so arm ist, wie ihr Herr nur je in seinem Leben gewesen ist. Er ordnet und verteilet dieses, wie es für sein Reich am heilsamsten ist. Christus aber war ein Heiland und Erlöser, als er unter dem Jauchzen des Volkes zu Jerusalem einzog; er war aber auch ein Heiland und Erlöser gewesen, als er am Kreuze hing und sein Haupt zum Tode neigte. So soll die Kirche die Heilsanstalt des Herrn sein, wenn er sie äußerlich segnet mit Hilfe der Mächtigen; sie soll es aber auch bleiben, wenn sie eine Bettlerin vor den Augen und vor den hohen Pforten dieser Welt geworden ist. Die da Nichts inne haben, sollen doch Alles haben. Und die Alles haben, sollen sich doch so achten, als ob sie Nichts hätten. Das Gut der Kirche Christi ist nicht von dieser Welt. Wir haben hier keine bleibende Stätte, sondern die zukünftige suchen wir. - Der Einzug des Herrn in Jerusalem ist auch ein Bild für jede einzelne gläubige Seele. Demut muss die Grundstimmung in deinem Herzen sein. Das ist der Anfang des Evangeliums in dir, dass du deine Sünde erkennest und fühlest. Hat es dir schon einmal recht wehe getan bis in Grund deines Herzens, dass du alle Liebe deines Gottes für Nichts geachtet hast, dass du sein Gebot schlechter geachtet hast als Menschengebot? Hat dir die Schuld schon auf der Seele gelegen wie eine Bleilast, also, dass du gebeugt und gebückt einhergingest? Wer das fühlet, der kann nicht mit stolzem Nacken vor Gott und seinen Brüdern stehen. Und kommst du heraus aus diesem Trauerstande, so bringst du dich nicht heraus. Der führet dich heraus, der Israel aus der Knechtschaft in Ägypten geführt hat. Der befreiet dich, der Israel aus dem Gefängnis der Babylonier frei gemacht hat. Dein Erlöser löst die Bande der Sünde. Das Lamm Gottes nimmt die Last der Schuld von dir. Der da heißet Leben, gibt dir das Leben; der Friedefürst gibt dir den Frieden; der das Leben hat in ihm selber, gibt dir das ewige Leben. So wenig nun der verlorene Sohn, dem sein Vater erst das neue Kleid und die Schuhe an die Füße und den Ring an die Hand gegeben hatte, den er aus väterlicher Liebe und Barmherzigkeit an seinen Tisch gesetzt hatte, sich an dieser Ehrenstätte überheben kann, so wenig kann es ein Christ auch.

II. Die Stärke des Reiches Christi ist der Gehorsam.

„Siehe dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen der lastbaren Eselin,“ hat der Prophet gesagt. Er hat dies nicht aus eigner Macht und aus eigner Anordnung geredet. Die heiligen Männer Gottes haben geweissagt getrieben vom Geiste Gottes.- Der Herr gehorcht. Er gehorcht aber nicht im Knechtesdienst. Er gehorcht aus freiem Gehorsam. Er ist sanftmütig und von Herzen demütig. Aus der Demut erwächst der Gehorsam. Dieser Gehorsam ist die Macht seines Reiches, ist die Stärke seines Szepters. „Aber,“ sagst du, „wie kann im Gehorsam die Stärke liegen? Gehorsam bestehet ja gerade darin, dass man sich seiner eigenen Stärke begibt!“ Ja, das ist richtig. Wenn man sich aber aus herzlicher Demut seiner eigenen Kraft begibt, dann tritt man ein in die Kraft Gottes. Und dieser Tausch ist fürwahr für uns ein vorteilhafter. Was geben wir hin? Ein wankend Rohr; denn weiter ist unsere eigene Stärke Nichts. Was bekommen wir dafür? Die Kraft Gottes, die durch unser Herz gehet, die durch unsere Adern fährt wie ein fröhliches Siegesbewusstsein, wie ein Siegesodem. Was gibt die Kirche hin, indem sie auf Menschenkraft verzichtet? Einen Stab, der oft die Hand dessen durchbohret, der sich darauf stützen will. Und was bekommt sie wieder? Den, der da heißet „Wagen Israels und seine Reiter.“ Gehorsam ist der Herr gewesen seinem Vater. All sein Gebot hat er erfüllet. Dafür hat ihm sein Vater die Kraft gegeben, die den Tod überwindet und die Hölle besiegt, Siegeskraft im Glauben, Siegeskraft in der Liebe, Siegeskraft in heiliger Erkenntnis der zukünftigen Herrlichkeit seines Reiches. Gehorsam war der Gurt seiner Lenden. - So stand die alte Kirche auch da. Viel hat Gott von ihr gefordert. Ehre und Namen, Gut und Leben daranzugeben, hat er ihr oft ausgelegt. Aber dafür hatte sie die Ehre bei ihm, den Namen im Himmel, die Gnadengüter im Herzen, und das ewige Leben nicht allein im Glauben, sondern auch als Unterpfand in der Pilgerschaft. In dieser Kraft Gottes hat sie ihre Siege errungen, hat sie die Welt bezwungen. Wir singen und rühmen von ihr:

„Wach auf, du Geist der ersten Zeugen.
Der Wächter, die auf Zions Mauern stehn.
Die Tag' und Nächte nimmer schweigen,
Und die getrost dem Kampf entgegen gehn,
Ja deren Schall die ganze Welt durchdringt.
Und aller Völker Scharen zu ihm bringt.“

So wie die Kirche wieder eintritt in diesen willigen Gehorsam Gottes in Leiden und Thun, findet sie auch die alte Siegesfahne wieder. Am Kreuze hängt der Sieg. - Gehorsam ist die Stärke des Reiches Christi. Hast du's noch nicht erfahren? Es hat doch auch in deinem Leben schon manchen schweren Gang gegeben. Ich glaube, es ist kaum einer unter uns, der nicht schon Tage gehabt hätte, wo er besonderer Kraft bedurfte, wo von einer Stunde mehr abhing, als sonst von Wochen; wo ihm bange ward vor Feinden und Schwierigkeiten wie sonst nie. Siehe, da zogst du auf deinen eignen Willen, da warfst du hin deine eigene Kraft. Da flüchtetest du dich in den Gehorsam deines Gottes. „Herr, es ist dein Werk, es ist mein Beruf, den du mir gegeben hast. Herr, ich geh auf deinen Wegen!“ Und so wie dieses Bewusstsein in das Herz drang, so drang die Kraft Gottes mit hinein. Die eigne Stärke zog aus, und die Stärke Gottes zog ein. Es war ein guter Tausch, denn du hattest schon vorher gefühlt, dass es mit der eigenen Kraft nicht weit her sei. Nun tratest du fest auf wie ein Gideon, wie ein Gotteskämpfer, und der Sieg war dein. So lange die Luft viel Spannkraft hat, bleiben die Wolken oben, und der Regen fällt nicht zur Erde. Die Erde wird dürre und das Gewächs welk und krank. Wenn sie aber diese Spannkraft verliert, dann senken sich die Wolken, der Regen träuft hernieder, das Gewächs wird frisch und fröhlich. Wenn deine Seele sich brüstet mit eigner Stärke und Spannkraft, dann tut sie der Kraft Gottes die Tore nicht auf. So lange du in eigner Kraft stehest, bist du doch nichts, als ein Schiff, das bald in der Höhe schwebet und bald in die Tiefen gesenkt wird, bist du doch Nichts als ein Petrus, der am Abend große Worte macht, dass er mit seinem Herrn in das Gefängnis und in den Tod gehen will, und in der Nacht ehe der Hahn zweimal krähet, ihn dreimal verleugnet. In Gottes Kraft ist das Herz eben. Es geht in festem Tritt und Schritt, es geht zum Siege. Doch um in dieser Stärke zu stehen, um in dieser Stärke zu bleiben, bedarf auch das Reich des Herrn seines Heeres.

III. Das Reichsheer des Herrn ist die betende Gemeinde.

Sehet hin auf seine Begleitung auf dem Züge nach Jerusalem! Es war eine große Schaar, die vorging und nachfolgte. Aber sie hatten keine Waffen, mit denen sie ihn in die Stadt einführten, als den Ruf: Hosianna dem Sohne Davids! Gelobet sei der da kommt im Namen des Herrn. Hosianna in der Höhe! Damit zogen sie bis zu dem Tempel. Die Kinder riefen auch noch in dem Tempel das „Hosianna dem Sohne Davids!“ - Und die Gebete der Gläubigen sind die Macht, die dem Himmel Gewalt antut. Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist. Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge hat sich Gott eine Macht bereitet wider seine Feinde, dass er vertilge den Feind und den Rachgierigen. Es fühlten dies auch die Priester, es fühlten es die Obersten in Israel. Sie hadern nicht um den großen Zug, der in die Stadt kommt mit Jesu. Sie hadern, sie werden entrüstet über das Rufen der Kinder: „Hosianna dem Sohne Davids!“ - Wie kann aber gerade das Gebet eine solche Macht sein? Da habe ich mich meiner Kraft begeben, da schaue ich nicht auf das, was ich in mir habe, nicht auf das, was ich um mich habe. Ich schaue in die Höhe, in das, was Gott hat. Ich habe mich meiner Stärke begeben. Denn wenn ich meine Hände falte, bezeuge ich damit, dass ich selbst wehrlos und gebunden bin. Das ist es gerade. Meine eigene Wehr habe ich dahin gegeben. Ich rufe Gott mit seiner Wehr in meinen Kampf. Das Gebet ist der Bote, der hinauf steiget und bittet: „Komm hernieder und hilf uns.“ Und der das Ohr gepflanzt hat, höret auch selbst. Er kommt mit seinen Engeln, die ihm dienen. Er kommt mit seiner Macht, die Niemand messen kann. O der stillen Macht des Gebetes! Wie Großes ist nicht schon durch sie ausgerichtet! Wie sind die Herzen durch sie so stark geworden! Wie viele Feinde sind durch sie gebrochen worden! Wo ein Christenheer sich den Feinden gegenüber auf die Knie werfen und dem Herrn und seiner Stärke den Sieg vertrauen konnte, da ist Grauen und Zittern durch die Feinde gegangen. Sie fühlten, wie die ungesehenen Scharen Gottes den Betern zuzogen. Sie fühlten, dass sie besiegt waren, ehe es zum Kampfe kam. Im Gebet heiligen wir die eignen Seelen, im Gebet rufen wir den Immanuel, den Gott mit uns, dass er unsere Sache führen soll. Ja, da ist Kraft und Mut. Im Jahre 1777, als der große Krieg zwischen Engländern und Amerikanern in Amerika geführt ward, reiste ein greiser Christ von einer christlichen Partei, die Nichts vom Kriegsdienst wissen will, durch die Wälder. Er kam in der Nacht nahe an dem Lager der Amerikaner vorbei. Plötzlich hörte er in einiger Entfernung eine Stimme. Sie zog ihn an durch ihre Innigkeit. Er trat näher und sah Washington, den Feldherrn der Amerikaner, allein im Waldesdickicht auf den Knien liegen. Er pries laut die göttliche Macht, die ihn aus dem Dunkel der großen Menge hervorgezogen und an die Spitze des Volkes gestellt habe. Er bekannte, wie er nicht fähig sei, aus seinen Kräften den großen Beruf zu erfüllen. Gott allem sei seine Stärke und seine Hilfe. - Der alte Wanderer zog sich dann still zurück. Als er nach Hause kam, bemerkten die Seinen an ihm eine tiefe Bewegung, welche ihn auch bei seiner Abendandacht nicht verließ. „Wundert euch darüber nicht, meine Lieben,“ gab er zur Antwort; „auch ein kälteres Herz würde von dem ergriffen sein, was ich heute sah und hörte, und was ich nie vergessen werde. Einen Mann andächtig beten zu sehen, das stärkt das Herz. Heute aber sah ich den größten Mann, den ruhmvollen Feldherrn unseres Volkes mit kindlicher Inbrunst und Demut beten. Wer wie er beten kann, der muss ein Mann Gottes sein, dessen Unternehmen wird Gott segnen.“ Betete er denn für sein Volk und Land, so bete du fleißig auch für dein Vaterland und deinen König. Bete du fleißig für das Reich Christi. Es bedarf dieser Gebete in keiner Zeit mehr, denn in dieser. Ja, Hosianna dem Sohne Davids, gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe! Der Herr kommt auch in diesen Stürmen. Bitte, dass er in Gnaden komme! Bitte aber auch fleißig für die einzelnen Seelen. Auch ihre Stärke ist er allein. Der fromme Spener, der im Anfange des vorigen Jahrhunderts in Dresden und Berlin in großem Segen für die Errettung der Seelen wirkte, hatte einen reich begabten aber ungeratenen Sohn. Alle Mittel der Liebe und des Ernstes waren fruchtlos gewesen. Endlich blieb dem betrübten Vater nichts mehr übrig, als für sein Kind zu beten. Er schrie zu Gott, er möchte seinen Sohn retten. Die Wege dazu stellte er seiner Weisheit anheim. Einige Zeit darauf erkrankte der verlorene Sohn heftig. Wochenlang lag er beinahe stumm und regungslos in großen innerlichen Kämpfen. Auf einmal erhob er mit Gewalt die Hände und rief aus gepresster Brust: „Die Gebete meines Vaters umringen mich wie Berge!“ Bald darauf ließ die Krankheit nach. Er fand leibliche und geistliche Ruhe. Bald konnte sein Vater rühmen: „Mein Sohn ist leiblich und geistlich gerettet.“ Noch vor seinem Tode sah er ihn als einen würdigen Mann in einem gesegneten Amte. - Teure Freunde, haben wir auch so für unsere Kinder gebetet, dass diese in den Stunden schwerer Anfechtung sagen müssen: „Die Gebete meines Vaters, meiner Mutter umringen mich wie Berge!?“ Haben wir es noch nicht getan, so lasst es uns heute tun. Und wenn wir fragen: „Für wen?“ Eben für unsere Kinder. Ihr Eltern, besonders für die Kinder, die heute dem Herrn ihr Christengelübde ablegen wollen. Gemeinde Christi, es sind auch deine Kinder. Und Viele sind unter ihnen, für die kein Vater, keine Mutter mehr betet. Nun, diese sollen die Gebete der gläubigen Gemeinde umringen wie Berge, über die sie nicht hinweg können, wenn sie Welt, Fleisch und Teufel aus dem evangelischen Glauben und aus der heiligen Zucht der Kinder Gottes herausreißen wollen. - Die Gebete sind das Heer der Kirche zu ihrer Errettung im Großen und Ganzen, zur Errettung der einzelnen Seelen. Und der da thronet unter den Gebeten Israels, ist der Fürst dieses Heeres. Er erringt den Sieg.

IV. Seines Reiches Ende ist das Hosianna.

Palmen streute das Volk dem Herrn auf den Weg. Hoch und rau ist der Schaft der Palme. Hoch droben hängen die schattigen Blätter und die erquickenden Früchte. Rauh ist der Weg, der zum Leben führt. Der Weg ist schmal, und die Pforte ist enge. Lang ist der Gang durch die Trübsal. Aber der Sieg ist endlich unser. Die Rechte des Herrn behält den Sieg. Die an ihn glauben, die mit ihm leben, die mit ihm sterben, werden endlich auch mit ihm herrschen. Wie die Palme von ihrem hohen Schaft herab den Schatten auf die Müden wirft, so fällt auch von den Gnadenhöhen Erquickung in die Seelen. Der Herr schirmet uns, dass uns bei Tage die Sonne nicht steche, noch der Mond bei Nacht. Wie die Palme ihre Früchte fallen lässt, die zu nähren und zu stärken, so unten wandeln, so fallen von den Gnadenhöhen herab die Früchte des Glaubens in die Herzen. Wie ein Hausvater seine Familie nicht versäumen und hungern lassen kann, so nähret und erquicket der Herr auch seine Gemeinde. Es gibt manches „Hosianna dem Sohne Davids, gelobet sei der da kommt im Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!“ Hosianna vor dem Kreuze und Hosianna unter dem Kreuze. Der Herr ist die Rose unter den Dornen. Ist nun unser Leben ein Dornenweg, ist der Gang der Kirche ein Dornensteg, er lässt doch hie und da Rosen darauf blühen. Es gibt aber auch noch ein letztes Hosianna. Eine Zeitlang ist es Hilferuf gewesen: „Hilf doch, Herr Jesu!“ Es kommt aber eine Zeit, wo es ein reiner Jubelruf ist: „Preis sei ihm, der da kommt im Namen des Herrn!“ Und wenn wir so singen, dann werden die Demütigen erhöhet, dann wird der stille Gehorsam gekrönt, dann hat das Heer gesiegt. Dann ziehet es ein in die neue Stadt. Dann wird kein Priester im neuen Tempel Gottes mein entrüstet. Der einige Hohepriester, Jesus Christus, nimmt dann die Seinen an als die liebe Herde, die sich um ihren Hirten sammelt. Es singt dann die Gemeine: „Halleluja, Heil und Preis, Ehr' und Kraft sei Gott unserm Herrn. Halleluja, der allmächtige Gott hat das Reich eingenommen. Lasset uns freuen und fröhlich sein und ihm die Ehre geben, denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen.“ Dann wird der Herr in den Seinen Alles in Allem sein. Die Trübsal, die er uns zugemessen, ist überwunden und vergessen. Dann wird das Lamm, das wir dort sehen, Am Lebensbrunnen uns erfrischen, Die Tränen von den Augen wischen Und auch den Kleinsten nicht verschmähen. Da schauet fleißig hin, und diese Hoffnung, die Ja und Amen ist, trage uns wie ein Engelsflügel hin über die Not des Herzens, des Hauses, des Vaterlandes und der Kirche zum himmlischen Osterfest. Amen.

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