Zell, Katharina - 1. Brief an die Kirche zu Straßburg

Zell, Katharina - 1. Brief an die Kirche zu Straßburg

Ich Catharina Zellin, Matthäi Zellen, des abgeschiedenen Predigers zu Straßburg seligen nachgelaßne ehliche Haußfrau, wünsche dir, du liebe Kirch und Burgerschaft zu Straßburg, in deren ich gebohren und erzogen bin, und noch lebe, Fried und Mehrung der Gnaden GOttes, durch wahren Glauben in den auferstandenen Sohn GOTTES, unsern HERRN JESUM CHristum, der dir so mit grossen Treuen und Fleiß geprediget ist worden, welcher auch mich armes Weib beruft, aus sonderer Gnade und unverdienter Liebe, zu seiner heiligen und wahren Erkanntnuß, ja mich von meiner Jugend an zu ihm gezogen, darum ich billig seinen heiligen Namen loben, preisen und immer von seiner Lieb und Güte sagen soll, das ich hoff auch noch bisher gethan, und fürter thun soll und will, bis an mein End, in dieser streitenden schwachen Kirchen, und dann ewiglich in der siegreichen, triumphierenden Kirchen, der Gemeinschaft aller Engel und Heiligen, dem Lamm GOttes, (das da ist der Leu vom Geschlecht Juda, und ein Zweig von der Wurzel Davids) seine Ehre geben und bekennen, und mit der heiligen, alten Anna im Tempel GOttes den HErren loben, und von seinem Sohn Christo reden, zu allen, so mit mir auf die Erlösung und Zukunft seiner herrlichen Erscheinung warten. Dieweil mich dann der HErr von meiner Mutter Leib gezogen, und von Jugend auf gelehrt, hab ich mich seiner Kirchen und Haußhaltung derselbigen gern und allzeit nach der Maß meines Verstands und gegebner Gnaden, zu jeder Zeit fleißig angenommen, und treulich gehandlet, ohne Schalk, und mit Ernst gesucht, was des HErrn JEsu ist, daß mich auch noch so jung, alle Pfarrherren und Kirchenverwandten geliebt und geförchtet haben, deßhalb auch mein frommer Matthäus Zell, zur Zeit und Anfang seiner Predig des Evangelii, mich zur ehelichen Gesellin begehrt hat, dem ich auch eine treue Hülfe in seinem Amt und Haußhaltung gewesen bin, zur Ehre Christi, der auch dessen Zeugniß geben wird, am grossen Tag seines Gerichtes vor allen Gläubigen und Ungläubigen, da alles offenbar wird werden, daß ich nit nach der Maß eines Weibes, sondern nach der eingeschenkten Maß, die mir GOtt durch seinen Geist gegeben hat, treulich und einfältig gethan habe, mit grosser Freud und Arbeit Tag und Nacht, mein Leib, Kraft, Ehr und Gut, dir, du liebes Straßburg! mit allem guten Willen, zum Schemel deiner Füß gemacht hab, das mir auch mein frommer Mann so herzlich gern zugelassen, und mich uach sehr darum geliebt hat, sein Leib und Hauß meiner vielmal lassen manglen, und mich gern der Gemein geschenkt, mir auch solches (nit mit Gebot) sondern mit freundlicher Bitt, solchem weiter nachzukommen, an seinem End befohlen; dem ich auch, wie ich hoff, treulich nachgekommen bin, da ich noch zwey Jahre und eilf Wochen nach seinem Abschied im Pfarrhauß blieben, die Verjagten und Armen aufgenommen, die Kirchen helfen halten, derselbigen Gutes gethan in meinen Kosten, ohne jedermanns Steuer, treue und fromme Prediger gehalten, nämlich unter andern den lieben Mann Marx Heilandt, von Kalb, im Wittenberger-Land, dazumal von seinem Predigstuhl verstossen, der durch mich beschrieben, gehalten, und wider etlicher Prediger Willen, (die anfiengen grittig werden) auf den Predigtstuhl kam, auch sein Leben hie geendet. So hab ich noch bisher neben meinen grossen Kreutzen und schweren Krankheiten, vielen nach meinem Vermögen, mit Rath und That, so viel mir GOtt verliehen, gern gedienet, wie ich auch vor GOtt schuldig bin, und und mir mein Mann am End befohlen hat, welchem Befehl ich gern nachkommen, dieweil ich weiß, daß er göttlich ist, und aus GOttes Befehl hergangen. Dieweil dann, o Straßburg! mein frommer Mann, der dir dreyßig Jahre im Predigamt gedienet, dich so hoch geliebt und treulich gemeint hat, das weissest du! Auch an seinem End, in grosser Noth und Wehe, dein nit vergessen, treulich vor GOtt für dich gebeten, und dem Erzhirten Christo selbst mit grossem Ernst befohlen, und ich dich von meiner Jugend an geliebet und dir gedienet habe, wie auch noch in meinem Alter und bald sechzig jährigen Jahre, begehr bis an mein Ende zu dienen, weil ich mag, auch mein Verstand und Leib währet, so muß ich dir auch ansagen, was mir jetz begegnet, nit um Hülf willen, auch nit, daß du über jemand erzörnet sollt werden, sondern allein, daß du GOtt für mich bittest, daß er mir Gedult, Freud und ein sicher Gewissen darinnen geben woll. Ich bin, seit ich zehen Jahre alt, eine Kirchen-Mutter, eine Ziererin des Predigstuls und Schulen gewesen, habe alle Gelehrten geliebt, viel besucht, und mit ihnen mein Gespräch, nit vom Danz, Weltfreuden, noch Faßnacht, sondern vom Reich GOttes, mit ihnen gehabt, deßhalb auch mein Vater, Mutter, Freunde und Bürger, auch viele Gelehrten, deren ich viele besprochen, mich in hoher Lieb, Ehr und Forcht gehalten haben. Da aber meine Anfrechtung um des Himmelreichs willen groß ward, und ich in all meinen schwehren Werken, GOttes Dienst, und grosser Pein meines Leibs, auch von allen Gelehrten kein Trost noch Sicherheit der Lieb und Genaden GOttes könnte finden, noch überkommen, bin ich an Seel und Leib bis auf den Tod krank und schwach worden, und ist mir gangen, wie dem armen Weiblin im Evangelio, das alles sein Gut bey den Aerzten immerdar verlor, da es aber von Christo höret, und zu ihm kam, da wurde ihm durch denselbigen geholfen, also mir auch und manchem bekümmerten Herzen, die dazumahl mit mir, in grosser Anfechtung viel herrlicher alten Frauen und Jungfrauen, die meiner Gesellschaft begierig, und mit Freuden meine Gespielen waren. Und da wir in solcher Angst und Sorg, der Gnaden GOttes stundden, und aber in allen unsern vielen Werken, Uebung und Sacramenten derselbigen Kirchen nie keine Ruhe finden mochten, da erbarmete sich GOtt unser und vieler Menschen, erweckte und sandte aus mit Mund und Schriften den lieben und jetzt seligen Doctor Martin Luther, der mir und anderen den HErren JEsum Christum so lieblich fürschriebe, daß ich meinte, man züge mich Erdreichs tief aus dem Erdreiich herauf, ja aus der grimmen, bitteren Höll, in das lieblich süß Himmelreich, daß ich gedacht an das wort des HErren Christi, da er zu Petro sagte: Ich will dich zu einem Menschenfischer machen, und hinfür sollst du Menschen fahen, und hab mich Tag und Nacht bearbeitet, daß ich den Weg der Wahrheit GOttes (welcher ist Christus der Sohn GOttes) ergriffe, was Anfechtung ich darüber aufgenommen, da ich hie das Evangelium habe lernen erkennen, und helfen bekennen, laß ich GOtt befohlen seyn. Da ich nun meinen frommen Mann genommen hab, was mir dazumal für Schand, Nachred und Lügen zugeredt sind worden, weißt alles GOtt, was Arbeit in und aus dem Hauß auf mich gefallen, werden die, welche da bey GOtt ruhen, und die noch leben, wol zeugen, wie ich das Evangelium hab helfen bauen, die Verjagten aufgenommen, die Elenden getröstet, Kirch, Predigstul und Schulen gefördert und geliebt, wird sich mein gut Gewissen für GOtt trösten, obschon es die Welt vergessen, aber nicht geachtet hat, wie ich so viel herrlicher, gelehrter Männer geehrt, geliebt, beherberget, mit Mühe, Arbeit und Kosten heimgesucht, mit meinem lieben Mann, in weiten und nahen Städten und Landen, mich da nit lassen dauren, ihr Red und Predig gehört, ihre Bücher gelesen, ihre Brief, und sie die meinen mit Freuden empfangen, wird sich auch alles nach meinem Tod hinter mir lassen finden. In Summa, das schreib ich alles darum, daß ich anzeigen muß, wie ich in meinen jungen Tagen den alten, herrlichen, gelehrten Männeren und Bauleuten der Kirchen Christi, die in dem HErren ruhen von ihrer Arbeit, und deren noch etliche leben, so lieb gewesen bin, ihr Gespräche von heiligen Dingen mir nicht verhalten, und das meine von Herzen gern gehört. Dessen ich mich auch beflissen, und alle weltliche Narrerey kein Platz bey mir gehabt, sondern wie ich auf das Reich GOttes gewartet, also auch meine Lust, Begierd und Freud allein von selbigen zu reden und zu handlen allezeit gewesen ist. Deßhalb auch die lieben, heiligen Männer meiner Gesellschaft begehrt, und sich deren gefreuet, GOtt sey alle Ehr! Jetzt aber in meinem Alter, solches bey diesen Gelehrten, auch alle Ehr, Treu, Lieb und mütterlich Herz, so ich an ihnen selbst bewiesen, vergessen, und verachtet ist, ja nit allein vergessen, sondern sie es mit Schand und Schmach bezahlen, doch nit alle, sondern allein etliche, und nämlich einer, den du liebe Kirch zu Straßburg in seiner Jugend aufgenommen, geliebet und geehret hast, und aber er dir undankbarlich den Rucken gekehrt hat, um welcher ungeschickten That willen, ich nit hab können schweigen, und ihm vermahnlich und auch sträflich zugeschrieben. Dieweil ich gesehen, daß alle Welt mit einander heuchlet, auch die Brüder im Glauben keiner dem andern unter augen stehet, wie der heilig Paulus dem lieben Petro um eine mindere Sach that. Es haben mich auch gedauret und geursacht viel lieber Leuth, die sich ab ihm geörgert haben, weinende und betrübt zu mir sind kommen, wie zu einer, da sie noch Zuflucht zu haben meynten, als noch ein Stücklin von dem Ripp des seligen Matthäi Zellen. Dieser ist nämlich Herr Ludwig Rabus, jetzt Prediger der Stadt Ulm, wie derselbige mich unehret, und einen Brief zugeschrieben hat, als ein Antwort auf mein wahrhaftig Schreiben, so ich zu ihm gethan, seines unweisen Abweichens halb, muß ich dich, liebes Straßburg! lassen lesen; dieweil ich ihn aber nit von Hauß zu Hauß tragen kan, einem jeden insonderheit, so hab ich ihn in Druck lassen kommen, damit ihn alle lesen können, dann ich gedenk, er mögs wol leiden, und seiner vielleicht eine Ehr vermeint zu haben, so schäm ich mich seiner auch nit, um des Worts Christi willen, der da sagt: Sie werden euch solches thun um der Wahrheit und meines Namens willen; freuet euch, so man Uebels von euch redt, und daran lügt, euer Lohn ist groß im Himmel. Darum begehr ich auch nit, daß ihm zu Schaden ein arg Wort meinethalben zugeredt werde, ich bin sein sehr wol zufrieden, und gar nichts beleidiget von solchem Brief worden, dieweil mein Herz und Gewissen recht vor GOtt stehet. Ja mich dann mehr geursachet, GOtt zu danken, daß ich die nit bin, wie er mich beschreibet, und GOtt zu bitten, daß er mich auch hinfür vor solchem behüte. Könnte ich ihm, Herrn Ludwigen, auch Guts thun an Seel und LEib, sollt mich dieser böser Brief, und mehr Unzucht, die er mir mit Mund bewiesen, auch ein böß und falsch Geschrey über mich in Stadt und Land hat machen ausgehen, als ob ich vom Evangelio gefallen, meines frommen Manns, und anderer Christen Glaubens und Lehr nicht mehr wäre, sollt mich alles nit daran hindern, sondern ihm und den Seinen Guts zu beweisen, nach der Red und Lehr des HErrn Christi, dem grössers, dann mir begegnet ist: und aber der heilig Petrus sagt: Er schalte nit wieder, da er gescholten ward, das will ich, ob GOtt will, auch gegen ihm thun; er soll mich nicht aufrüstig, noch zornig machen mit seinem bösen Brief. Wie mich der weiß Mann lehrt und spricht: Wann ein so gewaltiger Trotz wider deinen Willen fürgehet, so laß dich nit entrüsten. Das will ich thun, so viel mir möglich. Was ich ihm geschrieben hab, davon er bewegt, und Ursach genommen, mir einen solchen unweisen, bösen Brief zu schreiben, hab ich auch hieher lassen setzen, daß man die beyden, meinen und seinen lesen, und mit Christlichem Urtheil erkennen möge, wer klüger, freundlicher und Christenlicher gehandlet hat gegen dem andern. Ich hab es ihm auch allein in der Stille zugeschrieben, daß er sich bey ihm selbst erinnern solle seines Unrechten, und GOtt darfür bitten, und hab auch solch mein Schreiben zwischen ihm und mir wollen lassen bleiben, dieweil er mir aber einen solchen Lästerbrief zur Antwort geschickt, kan ich ihm nit Recht lassen und schweigen, als ob ich dieselbige wäre, wie er mich beschreibet, und nehme dessen auch ein Exempel von meinem HErrn Christo, da er sprach zu des Bischofs Knecht, hab ich übel geredt, so gieb dessen Zeugnuß, hab ich aber recht geredt, warum schlägest du mich dann? Also red ich auch zu Herren Ludwigen, hab ich übel geredt und geschrieben, so gebe er dessen wahrhaftige Zeugnüß und Antwort, wo nit, warum schmäht und verdammt er mich dann also? Sonst will ich nach der Lehr Christi unsers HErren, gern meinem Feind Gutes thun, und nach der Rede des heiligen Pauli, feurige Kohlen auf sein Haupt tragen rc. Damit aber du liebes Straßburg! wissest, warum ich diese lange Rede zum ersten eingeführt hab, welche unnöthig mag geachtet werden, wie ich in meiner Jugend und Ehe geliebet bin worden, so lese nun auch, wie ich in meinem alter geunehret werde. Darum hab ich seinen des Herrn Ludwig Rabus mir zugeschickten Brief hieher lassen setzen, wie er mir Schand, Unehr und Gottlosigkeit samt aller Irrthum und Ketzereyen für GOtt und den Menschen zuschreibet, mich auch dem Teufel giebt, mit welchem ich (GOtt sey Lob) nichts zu thun hab ewiglich, sondern meines HErrn JEsu Christi bin, der mich mit seinem eignen Blut davon erlöset hat. So begehr ich auch Rechnung meines ganzen Glaubens jedermann zu geben, wer es begehrt, da sehe man dann, ob derselbige meines frommen Manns und mein Glaub gleich oder ungleich sey, oder ob mein Gemüth und Glaub in den HErrn JEsum geändert sey oder nit. Ich will ihm aber wol beweisen, daß er und andere nit bey der reinen Erkanntnuß JEsu Christi, wie die alten Baumeister bey uns gelehrt haben, blieben ist, in Sacramenten und sonst. Ich weiß aber, was mich der Heilig Geist und die alten durch ihn gelehret haben, da wir im anfang des Evangelii, noch in Forcht, grossem Eifer, und unter dem Creutz waren, dabey will ich, ob GOtt will, bleiben, bis an mein End, da ich dann mit Freuden des lieben Simeonis Gebet will sprechen: Nun laß o HErr, mich armes Weib im Frieden hinfahren und ruhen, dann das Aug meines Glaubens hat in meinem Herzen deinen Heyland gesehen, und in meine Arme des Gemüths gefasset. Wohlan dieß ist jetzt genug, wo aber Herr Ludwig nicht Ruhe hat mit seinem unweisen Verdammen über mich armes einiges Weib, so will ich GOtt zu Hülf nehmen, meines frommen Mannes und meinen Glauben, Lehr und Leben weiter erzehlen, und jedermann zu urtheilen geben, wer abgefallen oder aufgestiegen sey. Jetzt lese, liebes Straßburg, diesen Brief, mir von Herr Ludwigen Rabus zugeschickt, und urtheile ohne allen Gunst und Unwillen gegen ihm und mir, ob ich solches werth seye, und mich also gehalten habe, so will ich gern meine Straf leiden. Ich glaube, daß mir kein Jud solches Zeugnüß gebe, und ein solch Urtheil über mich fället. Ich bin auch gewiß in meinem Herzen, daß ich daß mit meinem HErren Christo, und seinem himmlischen Vater durch die Kraft seines Geistes vor ihm stehe durch den hohen und grossen Verdienst Christi, in den ich glaub, der auch diese böse Schrift und Zeugnüß von Herr Ludwigen über mich, auf den grossen Tag seiner herrlichen Erscheinung lügenhaftig wird lassen an Tag kommen, da alle Bücher der conscienzen werden offen stehen. Ja auch hie bey vielen Menschen, die mich kennen, meinen Wandel wissen, und von Jugend auf gesehen haben, in meines Vaters Hauß der Jungfrauschaft, meiner Ehe, und nun traurigen Wittwenschaft. GOtt allein sey alle Ehr und Glory in seinem Sohn JEsu Christo, der mit seinem Vater und Heiligen Geist in gleicher Ehr und göttlich Majestät in unzertrennlichem Wesen GOttes, wahrer GOtt und Mensch, unser GOtt und HErr, lebet und herrschet jetzt und ewiglich. Amen.

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