Schlatter, Adolf - Andachten - Juli

Schlatter, Adolf - Andachten - Juli

1. Juli

Welcherlei die gewesen sind, die das Ansehen haben, daran liegt mir nichts. Denn Gott achtet das Ansehen der Menschen nicht. Galater 2,6

Die Apostel waren beisammen, fassten Entschlüsse, gaben Entscheidung und schufen für die Kirche gültiges Recht. Weil sie dass taten, sagte Paulus so laut, als er konnte: an ihnen liegt nichts; denn es gibt bei Gott keine Parteilichkeit, keine Gunst, mit der er diesen oder jenen Menschen bevorzugte. Aber es gibt doch zwischen uns offenkundig große Unterschiede in unserer Begabung. Petrus und Johannes hatten, weil sie von Jesus zu seinen Jüngern erwählt waren und die Zeugen seines Wandels geworden sind, unvergängliche und unvergleichliche Wichtigkeit, die sie zu Lehrern und Führern für die ganze Kirche zu allen Zeiten macht. Ebenso war Paulus ein Wunderwerk Gottes und mit einer Fülle von Gnade beschenkt, die ihn über alle erhob. Aber die Bedeutung, die sie haben, rührt daher, dass Gott sie in seinem Dienst gebraucht und dazu sie mit seinen Gaben beschenkt. Verkünden sie die Wahrheit, so ist es Gottes Wahrheit; bringen sie Gnade, so ist es Gottes Gnade, und daraus folgt niemals, dass Gott alles allein durch sie ausrichte und sich nicht nach seiner freien Wahl auch andere Werkzeuge bereite. Unsere Verbundenheit mit Gott und unsere Verschiedenheit von Gott ergibt zusammen das Merkmal unseres Christenstandes. Es ist wahr, dass der Mensch mit Gott verbunden wird; denn Gott spricht und wirkt durch ihn und legt auf ihn die Ehre, ihm dienen zu dürfen. Es bleibt aber ebenso wahr, dass der Mensch, mag er auch so hoch wie Petrus und Paulus begnadet sein, von Gott verschieden bleibt. Denn alles, was er weiß und tut, stammt nicht von ihm, sondern ist Gottes Eigentum. Wenn wir dies vergäßen, so legten wir die Ehre, die Gott dem Menschen gibt, auf den Menschen hinüber und setzten ihn an Gottes Statt. Somit macht mich der Christenstand von allen Menschen frei. Er gibt mir den eigenen Zugang zu Gott und macht, dass ich keinen menschlichen Mittler mit Gott suchen darf, weil Gottes Wahrheit auch zu mir spricht und seine Gnade auch mir scheint, und zugleich macht mich der Christenstand nicht einsam, macht mir die anderen nicht gleichgültig und versenkt mich nicht in mich selbst, weil ich nicht der Günstling Gottes bin, als ob er seine Gnade an mich verschenkt hätte. Er gibt sie auch den anderen und durch sie kommt sie auch zu mir.

DU stellst uns, Vater, in Deine Gemeinde, führst uns zu den Brüdern und gibst uns teil an dem, was Du ihnen gibst, und bist auch für mich der Gegenwärtige, so dass ich beten, glauben und meinen Weg an Deiner Hand gehen darf. Durch die Gnade, die Du allen gibst, stehe ich vor Dir, durch das Licht, das allen scheint, wandle ich vor Dir. Du bist die Sonne für jedes Auge, der Versöhner für jede Schuld, der Vollender für jedes Leben. Erhalte mich in der Gemeinschaft mit den Deinen, mit allen, die Dich lieb haben. Amen.

2. Juli

Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: „Herr, Herr! Haben wir nicht in deinem Namen geweissagt? Haben wir nicht in deinem Namen Teufel ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viele Taten getan?“ Dann werde ich ihnen bekennen: „Ich habe euch noch nie erkannt; weicht alle von mir, ihr Übeltäter.“ Matthäus 7,22+23

Jesus offenbart hier die Herrlichkeit seiner Sohnschaft. Vom Vater lässt er sich durch nichts trennen, auch nicht durch das, was ihm auf der Erde das Liebste war. Er hat die Seinen lieb gehabt und kein anderes Eigentum begehrt als Menschen, die sich zu ihm bekennen, ihn ihren Herrn nennen und durch ihr Wirken der Welt zeigen, dass er ihr Heiland ist. Allein um ihretwillen verleugnet er den Willen des Vaters nicht. Weissagen, Geister vertreiben, Wunder wirken, das waren Vorgänge, durch die die Neuheit des Christentums besonders deutlich zum Vorschein kam; denn der Jude rechnete dies nicht zum Beruf eines Frommen. Und das Neue wurde allen dadurch kräftig vorgehalten, dass sie alle ihre großen Taten eifrig und laut mit dem Namen Jesu verbanden. Sein Name gab ihrem Wirken die Kraft; darum fiel auch der Ruhm nicht ihnen zu, sondern Jesu Größe und Jesu Macht wurde durch sie ans Licht gebracht. Dennoch erklärt ihnen Jesus: Ich habe euch nie gekannt, ihr seid mir völlig fremd und nie bestand zwischen mir und euch eine Verbindung. Sie rufen ihn an: Herr, Herr! Und er verleugnet sie; sie wirken für ihn und er verwirft sie; sein Name steht über dem Großen, das sie tun, und er nennt sie Übeltäter. Warum? Jesus liegt es daran, dass der Wille des Vaters getan werde. Kann man eine christliche Wirksamkeit üben und gegen Gott ungehorsam handeln? Das geschieht leicht. Jene kleinen Gebote, die von dem reden, was immer geschehen muss, sind leicht verachtet. Wenn man weissagen kann, muss man dann noch wahrhaftig sein? Wenn man Macht über die Geister hat, braucht man dann das zu tun, was der Samariter tat? Ist nicht Christlichkeit mehr als Ehrlichkeit, Liebe mehr als Gerechtigkeit? Für Jesus gibt es aber keinen Ersatz für den Gehorsam gegen Gottes Gebot, auch keinen christlichen Ersatz.

Du, Herr Christus, bist immer gnädig, wenn Du strafst, immer herrlich, wenn Du zürnst. Indem Du die verleugnest, die dich ehren und Gottes Willen verachten, bekennst Du Dich zu denen, die den Willen Seines Vaters tun. Gib uns allen, dass wir Dir so dienen, dass wir nicht von Dir verworfen werden. Amen.

3. Juli

Alle Gesetze werden in Einem Wort erfüllt, in dem: Liebe deinen Nächsten als dich selbst. Galater 5,14

Zerbrochenes, zersplittertes Wesen hat nicht Gottes Art an sich. Er ist Einer und hat auch unser inwendiges Leben in eine starke Einheit zusammengebunden, die der Zerstückelung in eine Menge von Anliegen widerstrebt. Darum bewährt das göttliche Gesetz seine göttliche Art dadurch, dass es durch ein einziges Gebot zu uns spricht, weil alles, was Gott von mir begehrt, aus einer einzigen Wurzel kommt. Diese Wurzel für jede richtige Tat ist die Liebe. Das Gesetz stellt jede Bosheit, durch die ich die anderen schädige und verderbe, unter sein verdammendes Urteil. Wo aber die Liebe ist, entstehen nicht Bosheiten; sie schädigt nicht, sondern hilft. Das Gesetz verbindet uns zur Gemeinschaft durch das Recht. Wenn ich aber in der Liebe handele, wird alles, was die Gerechtigkeit verlangt, von mir getan. Denn die Liebe zerreißt die Gemeinschaft nicht, aus der das Recht der anderen entsteht, sondern erhält sie und stellt sie auch da her, wo sie noch nicht ist oder zerbrochen worden ist. Auch das, was das Gesetz uns als unseren Gottesdienst vorschreibt, hat darin sein Ziel, dass wir einander lieben wie uns selbst und zwischen uns keine bösen Unterschiede aufrichten, weil wir Gottes Gabe nicht nur für uns selber suchen und empfangen können. Gott umfasst uns alle mit derselben Gnade und gibt einem jeden seine Gaben dazu, damit er mit ihnen den anderen diene. Tun wir dies, so ist das Gesetz erfüllt.

Du, Herr, unser Gott, gabst mir meinen Platz unter den Meinen, gabst mir meine Stelle in unserem Volk und gabst mir Heimatrecht in unserer Kirche. Du gabst mir dadurch Nächste, denen ich nahe sein darf. Nun gib mir zur Pflicht auch den Willen, zum Beruf die Kraft, zur Arbeit die Liebe, ohne die sie ein totes Werk und leere Mühsal bleibt. Bei Dir klopfe ich an; fülle meine leeren Hände. Amen.

4. Juli

Saget Dank allezeit für alles Gott und dem Vater in dem Namen unseres Herrn Jesu Christi. Epheser 5,20

Sowie mein Blick Gottes Wirken zu erfassen vermag, bin ich zum Danken geführt. Seine Hand ist immer die gebende und alles, was er tut, macht seine Gnade offenbar. Darum bin ich nicht nur dann und wann, nicht nur bei besonders tief wirkenden Erlebnissen, zum Danken geführt, sondern empfange es durch alles, was mir begegnet. Es dürfte nur da ausbleiben, wo ich es nicht mehr mit Gott zu tun hätte. Was tritt aber in mein Erleben hinein, was mich nicht mit Gott zusammenbrächte? Satanisches? Alles satanische Wirken steht unter Gottes allmächtiger Regierung. Menschliches? Alle unsere menschliche Regsamkeit ist von Gottes Wirken umfasst. Natürliches? Alles, was die Natur aus mir macht, kommt von Gottes Ordnung her. Wenn mir aber alles die Erinnerung an Gott gewährt, dann beruft mich auch alles zum Danken. Wenn es uns gegeben wird, an der Natur den Glanz Gottes zu sehen, der auf ihr liegt, so dass aus jeder Berührung mit der Natur eine Begegnung mit Gott wird, wie atmet dann die Seele auf und beginnt zu jubeln und bekommt in Lust und Leid den Antrieb zum beständigen Dank. Wenn es uns geschenkt wird, in den anderen die zu sehen, die Gott neben uns stellt, mit denen er uns verbunden hat, dann wird es ein köstliches Ding, in der Gemeinschaft mit den anderen zu stehen. Und wenn es uns vollends gewährt ist, in Jesus den Vater zu erkennen, wie soll nun noch der Dank ausbleiben? Nun dürfen wir dem Vater im Namen Jesu danken, weil uns mit diesem Namen gesagt ist, was uns in Gottes Gnade stellt und in unser ganzes Erleben Gottes Segen legt.

Nichts, heiliger Gott, finde ich in mir selbst, auch nicht das Danken. Ich suche es bei Deiner Barmherzigkeit und empfange es von Deiner Freundlichkeit. Vieles tut weh, was uns in diesem Stand des Lebens von Dir zugemessen wird, und wenn wir inwendig verwundet sind, wird uns das Danken schwer und kommt nur kümmerlich zustande. Aber wir werden es alle noch lernen, wir alle, die Dein Reich umfasst, Dir Dank zu sagen für alles und ohne Unterlass. Amen.

5. Juli

Hebet eure Augen auf und sehet das Feld; denn es ist schon weiß zur Ernte. Johannes 4,35

Jesus sah vor sich schon ein zur Ernte reifes Feld. Davon sahen aber die Jünger nichts. Für ihren Blick sah nicht nur die weite Ebene, auf die man vom Jakobsbrunnen sieht, noch winterlich aus, sondern nach ihrer Meinung gab es auch in den Dörfern ringsum für Jesus nichts zu tun. Wie konnte er auch nur an eine Ernte auf dem samaritischen Boden denken? Er kannte ja den Hass der Samariter gegen die Juden und wusste, wie versteckt sie an ihrer sektenhaften Absonderung von Jerusalem festhielten. Selbst wenn die Samariter geneigt würden, auf Jesus zu hören, konnte er nach der Meinung der Jünger in keine Gemeinschaft mit ihnen treten. Denn er war in Kraft seiner Sendung der König Israels; folglich gab es in Samaria keine Ernte für ihn. Öffnet eure Augen und schaut hin, sagt ihnen Jesus; jetzt habt ihr die Arbeit der Schnitter zu tun und dies da, wo ihr meintet, dass keine Ernte wachsen könne. Was damals am Jakobsbrunnen geschah, war nicht nur für Jesus die Speise, die ihn erquickte, und nicht nur für die Samariter der Aufgang eines neuen Tages, sondern auch für die Jünger Jesu ein neuer Anfang, der ihrem Leben mit starkem Stoß eine neue Richtung gab. Die Überraschung, die ihnen dort zuteil wurde, zerbrach ihr angebliches Wissen und erzog sie zum Sehen, das auf Gottes Werk achten lernt. Wie heilsam sind auch uns diese Überraschungen! Sie können uns betrüben, wenn sich Felder als leer erweisen, von denen wir meinten, sie seien zur Ernte reif; sie können aber auch erfreuen und stärken, wenn sich auch da, wo wir meinten, es sei nichts zu hoffen, Gottes Werk zeigt, das den Menschen für sein Wort bereitet, und heilsam sind sie immer, weil sie uns verwehren, mit fertigen Urteilen mit den Menschen zu verkehren, als wüssten wir, was in ihnen verborgen ist. Ob es Erntezeit ist oder nicht, ob hier Ähren reifen oder Dornen wuchern, das weiß nur der, der die Herzen kennt. Darum besteht unser Dienst darin, dass wir seiner Leitung folgen und dann die Erntearbeit tun, wenn er die Ernte reifen lässt.

Unsere Gedanken möchten, Herr Gott, in ungeduldiger Eile erraten, was Du tun wirst. Du heißt uns aber warten, bis Dein Werk sichtbar wird. Gib mir das geöffnete Auge, dass ich nicht bei mir selbst weise bin, sondern dein Wort sehe und mich brauchen lasse, wann und wie Du mich brauchen willst. Amen.

6. Juli

Das Himmelreich ist gleich einem Netz, das ins Meer geworfen ist, mit dem man allerlei Gattung fängt. Wenn es aber voll ist, so ziehen sie es heraus an das Ufer, sitzen und lesen die guten in ein Gefäß zusammen, aber die faulen werfen sie weg. Matthäus 13,47+48

Vor jeden, der das Evangelium unverkürzt hört und sagt, die Botschaft von Gottes vollkommener Gnade, vor der es keine Gerechtigkeit gibt als die des Glaubens, stellt sich die Frage: verdunkle ich nicht dadurch Gottes Recht?! Wird durch das Evangelium nicht das Böse gut genannt und das Bittere für süß erklärt? Dürfen wir z.B. an den Anfang eines jeden Menschenlebens, auch wenn es in einem der vielen finsteren Winkel in unserem Volk beginnt, das Zeugnis von Gottes vergebender Gnade stellen, indem wir die Kinder taufen? Dürfen wir auch am Karfreitag, am Ostertag und Pfingsttag Gottes Botschaft bei offenen Türen sagen, so dass alle zu ihr geladen sind? Verbergen wir uns nicht so die Gerechtigkeit Gottes, die das Böse vom Guten scheidet und aus den Gottlosen die Sterbenden macht? In der Gemeinde, in der Jesus seine Arbeit tat, kamen diese Bedenken laut zum Wort und die Jünger waren für sie offen. Sie waren ja in derjenigen Gemeinde aufgewachsen, die es für ihre Pflicht erklärte, die Sünder zu schänden. Jesus hilft uns deshalb durch sein Gleichnis. Werft das Netz aus, sagt er, und lasst es nicht deshalb unbenützt, weil sich auch unbrauchbare Fische in ihm fangen. Sagt mein Wort, das der Welt Gottes Gnade zeigt, und lasst euch nicht dadurch hindern, dass es auch solche sich aneignen, die sich nicht helfen lassen. Eure Arbeit ist nicht das Letzte, was geschieht, und euer Urteil ist nicht die endgültige Entscheidung. Ist der Fang vollendet, so wird das Netz an das Land gebracht und dann wird das Faule vom Gesunden, das Wertvolle vom Unbrauchbaren getrennt. Gottes Recht wird nicht geschwächt, wenn wir Gottes Gnade preisen. Es ist zwar nicht in unsere Hand gelegt, darum aber nicht abwesend und unwirksam. Es geht jetzt seinen stillen, aber sicheren Gang und wird einst offenbar in seiner fehllosen Majestät. Ihr aber, sagte Jesus seinen Jüngern, und damit gar er seiner Kirche ihren Beruf, an dem alle Anteil haben, die zu ihr gehören, ihr werft das Netz aus, ihr ladet zum Himmelreich ein, indem ihr die Gnadengabe Gottes allen sichtbar macht, die darin besteht, dass wir zu Gott umkehren und an Christus glauben.

Gnadenzeit, großer Gott, sind unsere Tage. Die Waffen, die der Bosheit ein Ende machen, behältst Du in Deiner eigenen Hand und zeigst uns in Deinem lieben Sohne nicht, was wir Menschen uns bereiten, sondern was Du uns verleihst. Dessen dürfen wir alle froh sein und miteinander zum Glauben erwachen und eins sein im Glauben an Dich. Amen.

7. Juli

Meine Seele ward entwöhnt, wie einer von seiner Mutter entwöhnt wird. Psalm 131,2

Hungrig schauen unsere Augen in die Welt hinaus und unsere Hände greifen eifrig nach allem, was wir Gewinn heißen, in der Tat wie ein Kindchen, das sich nach der Brust der Mutter streckt. Gibt es denn für uns Menschen ein Sattwerden? Ja, sagt der Psalmist, es ging ihm wie dem Kind, von dem das ungestüme Begehren der ersten Wochen abgefallen ist und das nun seine Nahrung nicht mehr bei der Mutter sucht. Nun ist ein anderes Bedürfnis aufgewacht und das neue Bedürfnis macht das alte still. Es kann uns wie dem entwöhnten Kinde gehen, weil wir von zwei Seiten her unsere Bedürfnisse und Begehrungen empfangen. Zuerst legen sie die natürlichen Vorgänge in uns hinein und erzeugen jenes Verlangen, das nach den Dingen greift. Wenn uns aber Gottes Gnade besucht hat, dann öffnet sich uns ein neuer Quell, aus dem Bewegung und Begehrung und Wille in uns hineinströmen. Nun greifen wir nach dem, was Gottes ist, und das eine Verlangen vertreibt das andere. Was die Natur fordert, muss ihr freilich Tag um Tag gewährt werden und dies ohne Widerwillen; sie soll willig und reichlich erhalten, was sie bedarf. Aber die Mitte unseres Lebens füllt dieses Begehren nicht mehr aus. Deutlich und wirksam kommt eine Wandlung zustande, die unser ganzes Leben umstellt. Wie viel war uns früher unentbehrlich oder erschien uns doch als höchst begehrenswert und machte uns zu lebhafter Anstrengung munter, vielleicht sogar zu fieberndem und heldenhaften Ringen! Nun aber ist alles, was nur die Sinne reizt, nur den Menschen angeht und nur den Menschen schmückt, abgewelkt. Wir sehen die anderen nach diesen Dingen greifen und lächeln, weil wir wissen, wie wenig sie damit gewinnen, und mit dem Lächeln verbindet sich ein tiefes Erbarmen, weil das, was sie begehren, sie gefährdet, weil das Leben in Gefahr kommt, wenn es darben muss. Ohne Schmerzen und Klagen ist uns die Entsagung gewährt, wie sie dem entwöhnten Kind gegeben wird, das nun ohne Begehrlichkeit auf dem Schoß der Mutter sitzt. Denn eine neue Füllung ward in unser Leben gelegt, neue Arbeit, damit auch neue Schmerzen und neue Seligkeit.

Zeige mir, was Dir wohlgefällt, damit ich mich nicht verzehre im Dienst der Eitelkeit. Reichst Du uns das Brot des Lebens, dann quält uns kein falscher Hunger mehr; dann werde ich satt. Amen.

8. Juli

Sehet zu, dass ihr nicht jemand von diesen Kleinen verachtet. Denn ich sage euch: ihre Engel sehen allezeit das Angesicht meines Vaters im Himmel. Matthäus 18,10

Um seine Gemeinde herzustellen, zerbrach Jesus die Urteile, durch die wir einander als groß oder klein einschätzen. Unterschiede in der Begabung sind unter uns freilich vorhanden. Es gibt Kleine, deren Blick nicht weit reicht und deren Kraft nicht zu vielem brauchbar ist, Kleine, die man stützen muss, die auf unsere Gaben und unsere Führung angewiesen sind und mit starker Kraft schaffen, was vielen nützt. Das müssen nicht wir erst Jesus sagen, dass es kleine und große Menschen gibt; er hat seine Jünger „diese Kleinen“ genannt. Dennoch sah Jesus im Unterschied, den wir zwischen den Kleinen und den Großen aufrichten, ein Hindernis, das er überwinden musste, damit seine Gemeinde entstehe. Denn wir ziehen aus dem Tatbestand, dass es nicht nur Große, sondern auch Kleine gibt, einen falschen Schluss. Vor den Großen scheuen wir uns und hüten uns, sie anzugreifen; die Kleinen misshandeln wir. An die Großen hängen wir uns; die Kleinen meiden wir. Den Großen geben wir die Bewunderung, den Kleinen die Verachtung. Nun haben wir den Frieden verscheucht. Es ist nur unsere Eigensucht, die die Kleinen und die Großen in dieser Weise schätzt. Wenn wir auf unseren Vorteil sehen, ist die Verbindung mit den Großen förderlich und die mit den Kleinen hinderlich. Allein unsere Eigensucht misst falsch und Jesus wirft ihren Maßstab weg und misst die Kleinen nach Gottes Maß. Bei Gott gibt es aber keine Verachtung für die Kleinen. Ihre Engel, sagt er, haben zu jeder Zeit den Zutritt zu Gott. Gott stellt seine himmlischen Geister in den Dienst der Kleinen und ist immer bereit, ihnen seinen gnädigen Willen kundzutun und sie mit Hilfe und Gaben für seine Kleinen auszurüsten. Das Gleichnis, das Jesus formt, ist freilich mit den irdischen Farben gemalt und vom irdischen König herübergenommen, dessen Angesicht nicht jedermann zu jeder Zeit sieht, weil ihm nur gewichtige Anliegen vorgelegt werden. Aber auch durch dieses irdische Bild glänzt eine herrliche und mächtige Wirklichkeit hindurch, die, dass Gott auch der Gott der Kleinen ist und ihre Kleinheit seine Gnade nicht verkürzt, dass er sie vielmehr auch ihnen in ihrer göttlich großen Vollkommenheit verleiht. Nun wisst ihr, sagt Jesus seinen Jüngern, was ihr den Kleinen schuldig seid.

Schreibe mir, lieber Herr, dies Dein Wort in meine Seele. Sprich es zu mir, dass ich es höre. Gäbe es denn Gnade für die Großen, wenn Du sie den Kleinen nicht gäbest? Was ist klein und groß vor Dir? Gäbe es für mich Deinen Frieden und Deine Gemeinschaft, wenn Du sie den Kleinen versagtest? Vergib mir und Deiner Christenheit, dass uns unsere Größe blendet und für die Kleinen unnütz macht. Amen.

9. Juli

Ein anderer unter seinen Jüngern sprach zu Ihm: „Herr, erlaube mir, dass ich hingehe und zuvor meinen Vater begrabe. Aber Jesus sprach zu ihm: „Folge du mir und lass die Toten ihre Toten begraben.“ Matthäus 8,21+22

Jede Gemeinschaft, in der seine Jünger standen, machte Jesus löslich und hob sie aus jeder Abhängigkeit heraus. Das machte er den Jüngern besonders deutlich, als er einem Jünger, der zu seiner Nachfolge bereit war, untersagte, zuerst noch seinen Vater zu begraben. Es war das ernsthafte Begehren dieses Mannes, dass Jesus ihm seine Nachfolge gewähre. Seinem Entschluss widersetzte sich aber plötzlich ein Hindernis: der Vater starb. Für jedes jüdische Gewissen war sonnenklar, was jetzt zu geschehen hatte. Schon wenn die Leiche eines Unbekannten gefunden wurde, war es die Pflicht eines jeden, der sie fand, ihr ein Grab zu bereiten. Hier war aber der Vater zu bestatten. War das nicht eine deutliche Weisung Gottes, dass der Sohn seinen Entschluss aufzuschieben hatte, nicht nur, bis die Leiche des Vaters im Grabe lag, sondern bis die sieben Trauertage vorbei waren? Nur so gehorchte er dem göttlichen Gebot, das ihm befahl, den Vater zu ehren. Da auch Jesus in allem, was geschah, die Leitung des Vaters erkannte, hat auch er in diesem Todesfall den Finger Gottes wahrgenommen. Aber für ihn hatte das, was geschah, einen anderen Sinn, nicht den, dass er die Nachfolge Jesu aufschieben soll, sondern den, dass er die Größe und Tiefe dessen erkennen soll, was er von Jesus erbat, weil er nun begreifen und nicht nur begreifen, sondern bestätigen musste, dass es nun für ihn keine andere Gemeinschaft gilt als die mit seinem Herrn und keine andere Pflicht als die, die seine Nachfolge ihm bringt. Neben Gott und seinem Reich gibt es nicht noch andere Ziele und darum neben Jesus nicht noch andere Herren. Nun ist der ganze Wille Gottes für ihn in ein einziges Wort zusammengefasst: bleibe bei mir. Ist das ein gefährliches Wort, gefährlich für den Zusammenhalt der Familie, für die Festigkeit des Volkstums und für die Ordnung in der Kirche? Nichts kommt bei Jesus in Gefahr, was in Gott seinen Grund hat. Es gibt kein Band, das mich so fest mit den meinigen verbände und so vollständig mit meinem Volk vereinte und so treu an die Ordnungen der Kirche bände als Jesus und die Verbundenheit mit ihm, gerade deshalb, weil sie keine Beschränkungen zulässt und keine Ausnahmen erträgt. Er führt uns in die Natur und macht sie uns heilig und führt uns zu den Menschen und macht uns für sie treu und verwandelt unser Leben in den heilsamen Dienst, eben dadurch, dass er den Zwang sprengt, mit dem sie uns knechten und uns ihnen als die Freien um Gottes willen dienstbar macht.

Wer Dir gehört, Herr Christus, gehört Dir ganz. Du holst uns alle aus jeder Gemeinschaft heraus, in der wir stehen, weil wir Dir gehören. Wie reich und hell machst Du nun aber das Leben der Deinen! Nun kann ich Dir danken für Haus und Volk, für Staat und Kirche, für alles, was mir die Natur gewährt. Denn nun steht dies alles nicht mehr zwischen mir und Gott; denn ich gehöre Dir. Amen.

10. Juli

Wenn jemand das Wort vom Reiche hört und nicht versteht, so kommt der Arge und reißt es hin, was da gesät ist in sein Herz. Matthäus 13,19

Wie verhält sich der, der „nicht versteht“? Meint Jesus, es fehle ihm das Denkvermögen, so dass er das Wort nicht zu begreifen und zu beweisen imstande ist? Sicherlich nicht. Er freute sich am Willen seines Vaters, der die Armen im Geist durch sein Reich reich macht und die Unmündigen erleuchtet. Nicht Fleisch und Blut hat es dir geoffenbart, hat er zu Petrus gesagt, als dieser wagte, Jesus den zu nennen, der uns zum Herrn gegeben ist. Denn dieser Gedanke übersteigt alles, was die Natur uns zeigt. Er hört zwar, sagt Jesus, aber er merkt nicht auf; er vernimmt die Botschaft, nimmt aber nichts wahr. Der Verständige ist der, der seine Lage mit klarem Blick erfasst und Menschen und Dinge richtig beurteilt. Das Wort spricht ja von den großen Wirklichkeiten, vor die wir gestellt sind, von dem, was geschieht, was Gott tut, von Gottes Reich, von den Ereignissen, durch die Gottes Gnade zu uns kommt, vom Sämann, der den Acker mit Gottes Saat versieht, vom Senfkorn in seiner Kleinheit und von dem daraus entstehenden großen Gewächs, und vom Schatz, der reicher macht als jede andere Habe. Das sind Tatbestände, Wirklichkeiten, das, was geschehen ist und geschieht. Darum verlangt das Wort von dem, der es hört, die Fähigkeit, wahrzunehmen, das sehende Auge, das denkende Herz, den urteilenden Verstand. Das fehlt bei denen, die Jesus mit der Saat vergleicht, die auf den Weg gefallen ist. Sie hören nichts als ein Wort, eine Lehre, eine Theorie. Darum geben sie auch das Wort gern her. Warum sollten sie es auch dann festhalten, wenn eine andere Stimme zu ihnen spricht, die sich mit Ernst und Macht darum bemüht, Gottes Werk zu hindern? Ein Wort ohne Inhalt, eine Meinung ohne Grund, eine Lehre ohne Gegenstand wird mit leichtem herzen preisgegeben. Was uns der Satan zeigt, ist nicht nur Rauch und Schaum. Die Lust der Sinne ist glühende Lust und die Jagd nach dem Geld ringt nach einem greifbaren Besitz und die Macht ist nicht nur ein scheinbarer Gewinn. Wird die begehrliche Eigensucht in uns wach, so streckt sie sich nach Dingen, die ernsthafte Wirklichkeit haben. Der, der nicht versteht, hält sie für die einzige und für die heilsame Wirklichkeit und deshalb sagt ihm Jesus sein Wort umsonst.

Wenn ich auf Dein Wort nicht aufmerke, heiliger Gott, so muss ich mich anklagen. Du hast mir das Vermögen gegeben, aufzumerken und wahrzunehmen, was von Dir kommt und was von unten kommt, was gerecht und was verwerflich ist, was mir Leben bringt und was Unheil wirkt. Vergib mir und Deiner Christenheit die Sünden, die wir an Deinem Wort begehen. Amen.

11. Juli

Auch die Haare auf dem Haupt sind alle gezählt. Darum fürchtet euch nicht. Matthäus 10,30+31

Wenn die Menschen leidenschaftlich werden, schreien und toben, zu den Waffen greifen, Gewalt üben, Gericht halten und töten, dann übertönt ihr Lärm leicht die Erinnerung an Gott. Ist er auch dann gegenwärtig, wenn eine wütende Schar die Jünger Jesu vor den Richter schleppt und ein blutiger Römer oder ein gottloser Jude wie der König Agrippa das Todesurteil über sie spricht? Ist sein Himmelreich auch dann in seiner königlichen Macht wirksam, wenn der Kopf des Johannes auf einer Schüssel der Herodias übergeben wird? Jesus schwankt nicht; auch die Haare eures Hauptes sind gezählt; ihr steht in Gottes Schutz, nicht nur, wenn sich die Menschen nicht um euch kümmern, sondern auch dann, wenn sie sich eifrig und zornig mit euch beschäftigen und ihre Faust nach euren Haaren greift. Jesus hat vereint, was wir nicht zusammenzubringen vermögen. Er sah mit seinem geraden, klaren Blick dem Menschen in sein Angesicht und legte über die menschliche Bosheit keine Hülle. Er wich der Wahrheit nicht aus, indem er den Menschen verschönte und in die Wolken erhob. Vielmehr hat er mit sieghafter Wahrhaftigkeit sich und den Jüngern gezeigt, was die Welt ist und was sie in sich hat, dass sie nicht das in sich hat, was von Gott ist, sondern das, was aus der Welt ist und ihr von ihrem Fürsten gegeben wird. Darum beschrieb er den Jüngern ihren Weg nicht als eine friedliche Wanderung auf gefahrloser Straße, sondern als den Gang derer, die ihre Kreuze auf ihren Schultern haben und ausgestoßen aus der Welt ins Sterben gehen. Aber nicht so haftet der Blick Jesu am Menschen und seinem Zorn und seinen Übeltaten, dass er nun nur noch den Menschen sähe und einzig mit dem Willen und der Macht des Menschen rechnete. Er sieht ebenso deutlich unverwandt in jeder Lage auch in das Angesicht des Vaters und sieht es über seinen Jüngern leuchten, durch keine Wolke des Zorns verdeckt. Darum sagte Jesus ihnen: Fürchtet euch vor den Menschen nicht. Ihr seid nicht allein, sondern tut jeden Schritt in Gottes Gegenwart. Was Jesus konnte, ist größer, als was wir vermögen. Das aber können wir: hören auf das, was Er sagt, und dem glauben, was Er verspricht, und dies ist unsere Stärke in jedem Kampf.

Wer unter Deinem Schutz steht, Allmächtiger, hat in Dir den Frieden, den nichts stören kann. Um Deinen Frieden bitte ich, dass er meine Seele decke. Dann kann sie nicht beben, nicht zweifeln, nicht zürnen und grollen. Weil ich in Deinem Schutz geborgen bin, mache mich zum Kind des Friedens im Verkehr mit allen, mit denen Du mich zusammenführst. Amen.

12. Juli

Einer trat zu ihm und sprach: „Guter Meister, was soll ich Gutes tun, dass ich das ewige Leben möge haben?“ Er aber sprach zu ihm: „Was heißest du mich gut? Niemand ist gut, denn der einige Gott. Willst du aber zum Leben eingehen, so halte die Gebote.“ Matthäus 19,16+17

Mit lastendem Druck lag die Frage, die der Jüngling zu Jesus trug, damals auf dem ganzen Volk. Sie wurde freilich nur selten ausgesprochen, saß aber in der ganzen Frömmigkeit drin und machte aus ihr die mühsame Arbeit und aus den Frommen die Lastträger, die eine schwere Bürde schleppten. Der Jüngling gab das ans Licht, was in vielen verborgen war. Ihn floh die Ruhe, bis er eine Antwort auf diese wichtigste aller Fragen hatte. Sie war ja die Frage nach dem ewigen Heil. Ewiges Leben ist unser Ziel, das stand damals für den frommen Teil der Gemeinde fest und ihre Überzeugung wurde durch die Beobachtung verstärkt, dass da, wo man für den Tod lebte, die Sünde mächtig wurde. Leuchtete aber das Ziel dieser wunderbaren Höhe, dann bekam die Frage, wie man es erreiche, gewaltigen Ernst. So handeln musst du, sagte jedermann, dass du das ewige Leben bekommst. Wer recht tut, der wird leben. Die Guten gehen in das Leben ein und den Guten erkennt man am guten Werk. War nicht alles in dieser Unterweisung, die in der Gemeinde in Geltung stand und der der Jüngling gehorchte, durchsichtig und einwandfrei? Wird nicht Jesus, weil er der Gütige ist, diesem Unterricht dadurch die Vollendung geben, dass er dem Jüngling mit deutlicher Vorschrift ein Werk aufgibt, mit dem er sich das ewige Leben zu sichern vermag? Jesus wies aber diese Bitte ab; denn sie kennt Gott nicht und nimmt Ihm seine Ehre. Der Jüngling meinte, er finde in Jesus den guten Meister, und Jesus erwiderte ihm: das bin ich nicht. Der Jüngling erwartete, dass ihm Jesus ein Werk nenne, das ihn von seiner Unruhe befreie und ihm die Heilsgewissheit gebe, und Jesus antwortet: ein solches Werk gibt es nicht. Was machte seinen ganzen Gedankengang falsch? Er sieht nicht auf Gott und weiß nicht, dass Gott gut ist, Gott allein. Hältst du Gott für gut, warum ist dir dann so bange vor dem Tod? Hältst du Gott für gut, warum suchst du nach einem besonders verdienstlichen Werk? Hältst du Gott für gut, warum machst du aus dem ewigen Leben dein eigenes Werk? Wer Gott für gut hält, der hält die Gebote und beklagt sich nicht, der Weg ins ewige Leben sei schwer zu finden. Gottes Wille ist dir gesagt. Tue ihn. Es ist der Wille des Guten, und wer Ihm glaubt, dass Er der Gute ist, der weiß, dass Er keinen verderben lässt, der seinen Willen tut.

Alle im Himmel und auf Erden bekennen, dass Du, Gott, gut bist, Du allein. Unser irdisches und unser ewiges Leben ist das Werk Seiner Güte und alles, was mir Deinen Willen kundtut, ist die Offenbarung deiner Güte. Ich weiß und bekenne vor Dir, wie falsch und sündlich all mein Misstrauen ist, wie finster meine Gedanken sind, die Dich verklagen. Du bist der Gute, das soll meine Gewissheit bleiben heut und morgen und in Ewigkeit. Amen.

13. Juli

„Willst du in das Leben eingehen, so halte die Gebote.“ Da sprach er zu ihm: „Welche?“ Jesus aber sprach: „Du sollst nicht töten, du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis geben. Ehre Vater und Mutter und du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst.“ Matthäus 19,17–19

Gottes Gebote, sagt Jesus dem Jüngling, sind der Weg ins Leben; denn Gott ist gut. Er spricht, als seien die Gebote allen bekannt und jedem deutlich. Dem widerspricht aber der Jüngling. Seiner unruhigen Seele scheint es, Gottes Wille sei undeutlich und schwer erkennbar und es wäre ein großer Gewinn, wenn ihm Jesus ein neues, besonderes Gebot gäbe, bei dem man gewiss sein könnte, dass es zum ewigen Leben ausreichend sei. Nun zählt ihm Jesus die zweite Reihe der zehn Gebote auf, die der Fragende schon in der frühesten Kindheit gelernt hat, die er nie angezweifelt, sondern immer für heilig gehalten und nie übertreten hat. Jesus sprach mit ihm nicht von den Geboten, die der Gemeinde den Gottesdienst gaben, nicht von der Anbetung, die Gott allein gebührt, vom Namen und vom Tag Gottes, die geheiligt werden sollen. Diese Gebote leuchten wie ferne Sterne in der Höhe. Es gibt aber göttliche Gebote, die in das alltägliche Leben hineinreichen und das feste Fundament jeder menschlichen Gemeinschaft sind, und diese Gebote sind nicht weniger heilig als jene und sind die erste und sichere Antwort auf die Frage: was soll ich tun? Das sollst du, was du kannst, und du kannst dem Nächsten geben, was ihm gehört. Gott hat ihm das Leben gegeben; verdirb es nicht; die Volksgemeinschaft ist zerrissen, wenn das Leben nicht gesichert ist. Gott hat ihm die Frau gegeben; verdirb sie nicht. Wer die Ehe zerstört, zerreißt die Volksgemeinschaft. Gott hat ihm sein Eigentum gegeben; nimm es ihm nicht; du zerreißt die Volksgemeinschaft, wenn du das Eigentum angreifst. Gott hat ihm seine Ehre und sein Recht gegeben; verdirb es nicht durch dein falsches Zeugnis. Wer die Wahrheit bekämpft, zerreißt die Volksgemeinschaft. Gott hat die Eltern gegeben; von ihnen empfingst du das Leben; ehre sie. Sie wurden für dich zum Vater und zur Mutter durch göttliches Wirken. Gott führt dich beständig mit den anderen zusammen; sie sind dir Nächste, von derselben Art wie du und haben dieselben Rechte und dieselben Bedürfnisse wie du. Stelle dich nicht über sie, sondern gib ihnen dieselbe Schätzung, die du dir gewährst. Das unvergleichliche Meisterstück der zehn Gebote stellt Jesus vor den Jüngling hin, das jedem Volk zeigt, wann seine Gemeinschaft besteht und wann es sie verdirbt. Nun weißt du, sagt Jesus, was für ein Werk dir befohlen ist.

Ja, Herr, ich weiß es und wir wissen es alle; aber wir fürchten Dein Gebot und widerstreben dem, was wir wissen. Du aber bist gut und zeigst uns dies durch die Gnade Deines Sohnes und durch die Gemeinschaft Deines Geistes und nun wird uns Dein Gebot lieb und wir glauben es Dir, dass es uns zum Leben führt. Amen.

16. Juli

Serafim standen über ihm, ein jeglicher hatte sechs Flügel, mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien deckten sie ihre Füße, mit zweien flogen sie. Jesaja 6,2

Drei Flügelpaare hielt Jesaja für nötig, damit die Himmlischen im Tempel Gottes stehen und anbeten könnten. Mit dem einen Flügelpaar deckten sie ihr Gesicht. Denn zur Beschauung für die Augen des Geschöpfes stellt sich Gott nicht aus. Die Augen müssen verhüllt werden, wenn er gegenwärtig ist. Das ist die heilige Regel, die ich auch in jeder stillen Stunde unverbrüchlich bewahren muss. Wenn ich meine Gedanken auf Gott richte, wie rasch wird daraus Sünde, eine gottlose Hoffart, die Gottes Werk betastet, seinen Willen prüft und ein Gutachten über seine Richtigkeit abgibt. Wenn wir unser Auge forschend auf die Natur und die Menschen richten, fährt gleich unser Machtwille in unseren Blick hinein. Wir dringen in die „Gegenstände“ ein, weil wir sie uns dadurch unterwerfen und dienstbar machen, dass wir sie begreifen. Gott ist nicht mein „Gegenstand“, an dem ich meine geistige Macht erproben dürfte. Darum bedarf ich wie die Serafim die Hülle vor meinen Augen gerade dann, wenn ich im Tempel Gottes stehe, dann, wenn ich meine Bibel öffne, dann, wenn ich Jesus auf seinen Wegen mit meinen Gedanken begleite, dann, wenn ich ihn am Kreuze sterben sehe. Jener Blick, mit dem ich die Natur und die Menschen mustere, entweiht Gottes Heiligtum. Das zweite Flügelpaar gibt Jesaja den Himmlischen dazu, damit sie ihre Füße bedecken. Sie müssen ihren Leib vor Gott verhüllen; entblößt hat er nicht Raum in Gottes Licht. Auch dieser Spruch des Propheten gilt uns allen. Nicht nur das, was sündlich ist, bedarf der Vergebung und würde uns von Gott scheiden, wäre er nicht der, der uns verzeiht, sondern auch das, was Natur und darum ein uns gegebener Teil unseres Wesens ist, den wir nicht von uns entfernen können, bedarf der Verhüllung, damit wir vor Gott stehen. Wir brauchen alle vor Gott nicht bloß die Reue, die das, was gottlos und ungerecht ist, beklagt, sondern auch die Scham, die nicht vergisst, dass unser natürliches Wesen uns mit dem Tier verbindet und nicht für Gottes Reich brauchbar ist. Das dritte Flügelpaar dient bei Jesaja den Himmlischen zum Flug. Es gibt keine Erkenntnis Gottes ohne die muntere Bereitschaft zu seinem Dienst. Wer im Heiligtum Gottes steht, muss beweglich sein. Wir müssen laufen können, wenn Er uns schickt, gehorchen können, wenn Er gebietet. Denn Gott macht sich mir dadurch gegenwärtig, dass Er mir seinen Willen zeigt.

Heilig bist du, unser Gott, und weil Du heilig bist, wohnst Du bei dem Loblied Deines Volks. Deine Heiligkeit gibt uns unseren Platz in der Tiefe und führt Deine Gnade aus Deiner Höhe in unsere Tiefe hinab. So richtest Du uns, die wir irdisch sind, auf zu Deiner Erkenntnis und Anbetung. Darum darf auch ich meine Tage beginnen und schließen mit Deinem Lob. Amen.

17. Juli

Und einer rief zum anderen und sprach: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth; alle Lande sind seiner Ehre voll.“ Jesaja 6,3

Alles, was die Erde füllt, sagen die Himmlischen, ist Gottes Besitz, zeigt Gottes Größe und macht seinen Reichtum sichtbar, und darum, weil die Erde nichts hat, was nicht Gottes wäre und nicht seine Herrlichkeit offenbarte, preisen sie den Herrn der Heerscharen als den Heiligen. So sehen die himmlischen Augen die Welt an. Wenn die Erde von oben her betrachtet wird, macht alles, was sie beherbergt und was in ihr geschieht, Gottes Heiligkeit offenbar. Auf unserem Standpunkt gibt es dagegen Rätsel, die dunkel bleiben, sowohl in der Natur als in der Geschichte, sowohl da, wo noch kein Mensch mit seiner Arbeit die Erde verändert hat, als auch da, wo der Mensch als Herr Der Erde seine Spuren in ihr Antlitz grub. Weltenräume dehnen sich ohne Ende; was füllt sie? Sterne zerbrechen; trugen auch sie Lebendes, das mit ihrem Sturz zerbrach? Im irdischen Bereich gibt es nichts als Sterbliches und jedes Leben wird durch den Tod anderer ernährt. Darum sind die Pflanzen und Tiere überreich mit den Waffen ausgerüstet, die sie geschickt machen, das Leben der anderen zu vernichten, um ihr eigenes zu erhalten, und da, wo der Mensch an die Arbeit geht, entstehen nicht nur Gärten, sondern auch Verwüstungen. Hätte der Prophet gesagt: die Serafim verhüllten ihr Angesicht, als sie auf die Erde schauten, so brächte uns dies keine Überraschung. Nun hat er aber gesagt: weil ihr Angesicht Gott zugekehrt war, darum bedeckten sie es, und weil sie auf die Erde sahen, in der alles Gottes ist, riefen sie: Heilig, heilig, heilig ist Er, so dass die Schwellen bebten. Wir können unser menschliches Auge nicht mit dem der Himmlischen vertauschen; aber ein starker Trost und reicher Besitz ist uns mit der Gewissheit gegeben, dass die Erde von oben her betrachtet keine Verhüllung der göttlichen Herrlichkeit bewirkt, weil sie von oben her keinen Tod sehen ohne das aus ihm erwachsende Leben, keine Schuld ohne die sie richtende und sühnende Gerechtigkeit und keine gegenwärtige Not ohne die aus der Gegenwart entstehende Zukunft. Diese Kunde von der himmlischen Weltbetrachtung ist uns unentbehrlich, damit wir uns nach der Regel des Glaubens auf unserer Erde und in unserer Welt bewegen als in Gottes Eigentum.

Mir scheint es oft, ich sei, Herr, heiliger Gott, in der Fremde, weit weg von Dir. Ich stehe aber in deinem Eigentum auch in meinem irdischen Stand und an allem, was aus deiner Schöpferhand hervorgegangen ist, finden sich die Züge Deiner Majestät. Ich will es nicht vergessen, dass ich nichts in die Hand nehmen kann, was nicht Dir gehört. Hilf mir, dass ich Dein Werk nicht verderbe. Amen.

18. Juli

Da sprach ich: „Wehe mir, ich vergehe, denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen.“ Jesaja 6,5

Ein Klang aus reinen Lippen drang in die Seele des Propheten, als er die Anbetung der Himmlischen vernahm, und deshalb empfindet er, wie unrein seine Lippen sind, auch wenn er predigt, auch wenn er betet, auch wenn sein Wort Gott und Gottes Werk bezeugt. Wie kann es anders sein, als dass er falsche Worte spricht, Worte, die der Herrlichkeit Gottes widersprechen, statt sie zu preisen, und das, was er will und wirkt, verdunkeln statt es zu enthüllen? Er wohnt ja unter einem Volk von unreinen Lippen. Unsere Sprache ist nicht unser Sondereigentum, sondern Gemeingut, Volksbesitz. Wir haben sie, weil sie alle haben, und reden, wie jedermann spricht. Das gilt aber nicht nur vom Laut der Sprache und ihrem Wortschatz, sondern auch vom geistigen Besitz, der sich in der uns gegebenen Sprache verkörpert hat. Was jeder von uns als seinen persönlichen Erwerb zum gemeinsamen Gut hinzutut, ist klein neben dem, was uns durch die Sprache gegeben wird. Wenn jedermann töricht von Gott redet, wie kann ich wahrheitsgemäß von ihm reden? Wenn sich auch am frommen Wort aller die menschliche Verderbtheit zeigt, wie kann sich mein Wort von ihr frei halten? Sollen wir schweigen? Die Lippen des Propheten wurden entsündigt durch das Feuer vom Altar. Es gibt auch für unsere Frömmigkeit und unsere christliche Gotteslehre nur einen Grund, auf dem sie stehen kann; das ist die unsere Schuld bedeckende Vergebung. Nur deshalb sind unsere unreinen Lippen fähig zu Gottes Lob. Nun wird es uns aber zum heißen Anliegen, dass wir die Unreinheit, die an den Lippen unseres Volkes hängt, nicht noch vermehren. In dieses schmutzige Gewässer, das von Lippe zu Lippe strömt und sich aus einer Seele in die andere ergießt, müssen je und je einige reine Tropfen fallen, Worte, die von entsündigten Lippen gesprochen sind. Wie unentbehrlich ist uns dazu die Schrift! Sie spricht mit entsündigten Lippen. Bilde dein Wort an dem ihrigen; sprich wie sie.

Wecke mein Ohr, dass ich Dein Wort fasse, damit es mein Wort fülle mit der keuschen Wahrheit und der reinen Güte, die Deines Wortes Zierde sind. Amen.

19. Juli

Welchem ihr etwas vergebt, dem vergebe ich auch. Denn auch ich, so ich etwas vergebe jemandem, das vergebe ich um euretwillen an Christi Statt, auf dass wir nicht übervorteilt werden vom Satan; denn uns ist nicht unbewusst, was er im Sinn hat. 2. Korinther 2,10+11

Die Weise, wie man oft in der Christenheit vom Satan sprach, muss uns tief traurig machen. Man sprach von ihm, um kräftig zu hassen und wirksam zu schänden, und sah nicht, dass man eben dadurch den Willen des Satans tat. So weiß man nicht, weshalb Paulus den Satan gefürchtet hat. Wenn Satan nur seinen eigenen Feind fürchtet, dass er ihn in dem schädige, was ihm für sein Glück und Leben wertvoll ist. Dann kann er, wenn ihn ein Hass gepackt hat, den Satan auch als seinen Bundesgenossen anrufen, der ihm helfen soll, seine Feinde zu verderben. Paulus denkt, wenn er vom Satan spricht, daran, dass er Gottes Feind ist, der sich dem gnädigen Wirken Gottes widersetzt. Darum tut er das Gegenteil von dem, was Christus tut. Der Christus ist der Fürsprecher des Menschen, der Satan sein Verkläger. Der Christus ist der, der uns mit Gott versöhnt, der Satan der, der uns mit Gott entzweit. Der Christus empfängt seine Sendung von Gottes Gnade und handelt an uns in ihrem Dienst; der Satan ruft gegen uns das strafende Recht Gottes an und macht sich zum Werkzeug seines Zorns. Darum ist nicht die Natur, sondern die Christenheit der Ort, an dem sich die Wirkungen des Satans zeigen, weil Gott seine Gnade an der Christenheit offenbart. Darum sprach Paulus mit den Korinthern dann vom „Gott dieser Welt, der die Gedanken blind mache“, wenn das Evangelium für die, die sich zu Christus bekannten, ohne Wirkung blieb und ihnen die Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu nicht sichtbar machte, weil sie von ihrer eigenen Größe voll waren, und mit den Römern sprach er dann vom Satan, den Gott zertreten werde, wenn Evangelisten mit lockenden Worten den Gegensatz zwischen der Gerechtigkeit und der Sünde verwischten und die Gemeinde lehrten, im Namen der Gnade zu sündigen.

Die Lage einer Gemeinde war dann besonders gefährlich, wenn in ihrer Mitte Versündigung geschehen war, so dass sie strafen musste. Bösem durfte sie nicht freien Raum gewähren; Strafe war unentbehrlich. Heilsam strafen kann aber nur der, der vergeben kann. Nun gilt es, dass sie dem Einfluss des Satans kräftig widerstehe, und Paulus zeigt ihr, wie sie das kann, nicht durch Zauberformeln, noch weniger durch Gewalttaten, die unter dem Schein des Rechts geschehen, sondern dadurch, dass sie vergibt. Bleibt sie unversöhnlich, kann sie nicht verzeihen, so tut sie, was der Verkläger tut, dessen Macht darauf beruht, dass er die Schuld der Menschen vor Gott geltend macht. Wenn sie dagegen vergibt, so tut sie, was der Christus tut, bleibt in seinem Willen und ist das Werkzeug seiner Gnade, die den Menschen nicht verdirbt, sondern das Böse mit dem Guten besiegt. Es gibt für die Christenheit nur einen Schutz dagegen, dass sie sich am Streben und Wirken des Satans beteilige, den, dass sie den gnädigen Willen Jesu tut.

Es gibt, Herr Gott, vielerlei Mächte, die um uns werben, vielerlei Einflüsse, die uns berühren. Auch das, was Dein Werk unter uns bestreitet und verdirbt, ist uns nah. Bewahre mich und Deine ganze Schar, dass sie niemand anbete als Dich allein und keinen Willen tue als den Deiner Gnade. Amen.

20. Juli

Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die da Böses tun, vornehmlich der Juden und auch den Griechen. Preis aber und Ehre und Friede allen denen, die da Gutes tun, vornehmlich den Juden und auch den Griechen. Römer 2,9+10

Paulus verkündet uns Gottes heiligen Willen und gültiges Gesetz und dieses erglänzt in Gottes Herrlichkeit, die Licht ist ohne Finsternis. Warum liegt Gottes Missfallen auf mir? Weil mein Auge beschattet und mein Dankvermögen gebunden ist, so dass ich wenig von seiner Regierung verstehe? Nein! Deshalb wird niemand von Gott in Trübsal und Angst gebracht. Oder habe ich deshalb Gott gegen mich, weil mir vieles fehlt, mein Körper mich plagt, Versuchung mich anficht und manche Fessel mein Vermögen beengt, so dass ich vieles nicht kann? Nein! Niemals kommt Trübsal und Angst über einen Menschen um deswillen, was ihm fehlt und er nicht kann. Es gibt nur einen einzigen Vorgang, auf den Gott Trübsal und Angst folgen lässt; das ist das, dass wir das Böse tun. Nicht das, was ich denke, sondern das, was ich tue, nicht das, was mir fehlt, sondern das, was ich erzeuge und bewirke, bringt mich unter Gottes Zorn. Kann ich denn erwarten, dass Gott damit einverstanden sei, dass ich das Böse tue? Was wäre dies doch für ein abscheulicher, verwerflicher Gedanke? Darin besteht Gottes Herrlichkeit, dass er jedem Menschen widersteht, der das Böse tut, sei er Grieche oder Jude oder Christ. Ebenso gerecht und heilig ist Gottes Lob. Wofür soll ich es erwarten? Für meine Reden, für meine Theorien? Sei kein Kind! Willst du aus Gott den dich bewundernden Zuhörer deiner Reden machen? Oder gewinne ich sein Lob, wenn es mir gelingt, mich harmonisch zu bilden, von Flecken mich zu reinigen und mich durch und durch zu heiligen? Beschimpfe Gott nicht, und du beschimpfst ihn, wenn du meinst, du gewinnst sein Wohlgefallen mit deiner gebildeten und geschmückten Gestalt. Es gibt nur einen Vorgang, zu dem Gott Preis und Ehre und Frieden fügt: Gutes tun. Es wäre ein finsterer Gedanke, wenn ich fürchtete, Gott habe für den kein Lob, der das Gute tut, sei er Grieche oder Jude oder Christ. Darf ich aber nicht für meinen Glauben Gottes Lob erwarten? Sei getrost! Gott zertritt keinen Glauben. Dein Glaube ist vor ihm deine Gerechtigkeit. Dass aber Gott meinen Glauben loben soll, das ist eine wunderliche Vorstellung. Soll er mich denn dafür loben, dass er mir gnädig ist, dafür, dass er mir meine Sünden vergeben hat, dafür, dass er mich mit seinen Gaben beschenkt und reich gemacht hat? Nicht das, was mir Gott gibt, sondern das, was ich vollbringe, sei es Böses oder Gutes, steht unter Gottes Gericht. Das ist der Ruhm und die Größe Jesu, dass durch ihn Gottes herrliches und heiliges Gesetz vollständig in Geltung bleibt und wirksam ist. Dadurch, dass wir, die wir an Jesus glauben, aufhören, das Böse zu tun, und anfangen, das Gute zu tun, erweist sich sein Kreuz als der Tod unserer Seele und sein Evangelium als die Kraft Gottes zur Seligkeit.

Erbarme Dich unsrer, barmherziger Gott, wenn wir mit krummen Gedanken deinem hellen Wort ausweichen und uns vor Deinem guten Willen fürchten. Deine Gnade ist wirklich unsere Hilfe, Dein Vergeben wirklich unsere Gerechtigkeit und Dein Wort gewinnt den Sieg über unseren boshaften Willen und stellt uns auf Deinen Weg, dass wir tun, was Du willst, und was Du willst, das ist gut. Amen.

21. Juli

Wie sollen wir in der Sünde wollen leben, der wir abgestorben sind? Römer 6,2

Nun juble, Herz! Kannst du dir Herrlicheres denken oder Größeres begehren? Abgestorben sein für deine Sünde, tot, also unerreichbar und unberührbar sein für deinen gottlosen und boshaften Willen und unbeweglich für die an dir zerrende Zuckung deiner falschen Begehrung, welch ein Geschenk ist das, welche Erweisung der göttlichen Gnade, so groß, dass du nie genugsam danken kannst! Schon das war ein großes Geschenk, als das Gesetz Gottes zu dir kam und dich von deiner Sünde schied, so dass du sagen durftest: was ich nicht will, das tue ich, und vollbringe, was ich hasse. Aber das war nach ein schwerer Stand, ein Elend, die Lage des ermüdeten Wanderers, der nach einem fernen Ziel strebt. Nun aber tot sein für das Böse, das ist Erlösung, das ist Freiheit und Neuheit des Lebens an Stelle deiner Erstorbenheit. Gibt es das? Wenn ich mich selbst studiere, kann ich das nicht finden. Meine Sünde ist nicht tot, weder die alte, die einst geschah, deren Folgen nachwirken, noch die kommende, die mich heut und morgen in Gedanken, Worten und Werken schuldig macht. Allein davon, dass meine Sünde gestorben sei, sagt das Wort des Paulus nichts. Er kann mir nicht sagen: deine Sünde ist tot, weil er den Zusammenhang zwischen der Sünde und der Natur nicht verhüllt. Was er uns dadurch sagt, dass er uns „Fleisch“ nennt, kann ich nicht von mir wegschütteln. Das bin ich und mit dem Fleisch ist jene Begehrlichkeit in mir vorhanden, die das Gesetz verdammt, weil sie nur nah dem greift, was mir selber schmeckt und nützt und nicht nach Gottes Willen fragt. Du, sagt mir Paulus, bist der Sünde gestorben. Denn Christus ist gestorben und sein Kreuz ist das Ende nicht nur der Strafe, nicht nur der Hölle, nicht nur des Zorns, sondern des Sündigens. Du kannst nicht von der Strafe frei werden, wenn du nicht vom Sündigen loskommst. Soll ich sagen, das sei eine Verheißung? O nimm es auch als Verheißung in deine Seele hinein. Eine Verheißung zu haben und erst noch eine solche, die dir den Tod für deine Sünde verspricht, ist eine große Sache. Aber ganz habe ich das Wort des Paulus noch nicht gefasst, wenn ich es nur in die Zukunft lege, etwa erst in jene Stunde, da mir der Tod den Leib zerbricht und das Leben an einem neuen Ort den neuen Anfang bekommt. Denn Paulus beschreibt mir Christus und sein Werk nicht nur als zukünftig. Er ist auch gegenwärtig und er ist dies in der Kraft seines Kreuzes mit seiner Heilandsmacht, durch die er für unsere Sünde gestorben ist. Indem der mich zu sich nimmt und mir das gibt, was er wirkt, tritt sein Tod mit seiner Segensmacht in mein Leben hinein und die selige Frucht dieses meines Anteils an seinem Tod ist, dass ich für die Sünde tot geworden bin. Nun habe ich mich an Christus angeschlossen und bin von ihm gehalten und bewegt, und weil das etwas ganz anderes ist als meine Natur und etwas ganz anderes als mein natürliches Begehren, darum steht nun zwischen mir und meiner Sünde eine starke, sichere Scheidewand.

Was ich bin, darf nicht bleiben; es muss sterben und es wurde in den Tod gegeben, als Du, Herr Christus, Dein Kreuz getragen hast. Von Dir her kommt der neue Anfang meines Lebens auf Grund der gerichteten Sünde, auf Grund der vergebenen Schuld, auf Grund der ins Grab gelegten Natur. Neu ist dieser Anfang, durch Dich bewirkt, in Deiner Gemeinschaft mit mir begründet, im Glauben empfangen. Amen.

22. Juli

Wohlan, die ihr nun sagt: Heute oder morgen wollen wir gehen in die oder die Stadt und wollen ein Jahr da liegen und hantieren und gewinnen; die ihr nicht wisst, was morgen sein wird. Denn was ist euer Leben? Ein Dampf ist es, der eine kleine Zeit währt, darnach aber verschwindet er. Dafür sollt ihr sagen: So der Herr will und wir leben, wollen wir dies oder das tun. Nun aber rühmt ihr euch in eurem Hochmut. Aller solcher Ruhm ist böse. Denn wer da weiß, Gutes zu tun und tut es nicht, dem ist es Sünde. Jakobus 4,13–17

Das Wort des Jakobus, das den jüdischen Händler beschreibt, zeigt uns unsere „Kultur“ in ihren Anfängen. Fern von seiner Heimat war der Jude beweglich geworden und nirgends mehr an die Scholle gebunden. Der jüdische Kaufmann war nirgends fest angesessen. Den Entschluss, mit dem er über seinen Wohnort verfügt, zieht er aus den Möglichkeiten des Gewinns und braucht für seine Unternehmungen nicht nur kurze Fristen, sondern rechnet mit Jahren. Dieser Methode, das Leben einzurichten, hält Jakobus zuerst das Missverhältnis vor, in dem sie zur Flüchtigkeit unseres Lebens steht. Aus der Leidenschaftlichkeit des Erwerbens entsteht die Überspannung der Pläne, die die menschliche Gebrechlichkeit vergisst. Das ergibt den aufgedunsenen Menschen, der die natürlichen Bedingungen seines Lebens abzustreifen versucht, und diesen Versuch kann er nur deshalb machen, weil er gottlos geworden ist und sich die Allgewalt des göttlichen Willens verbirgt. Es entsteht aber aus dieser Betriebsamkeit noch ein tieferer Schaden. Wäre es nur das, dass diese kühnen Pläne an der menschlichen Vergänglichkeit scheitern! Es steht aber neben jener Rüstigkeit, die zum Erwerben auch die lange Wanderung nicht scheut, die träge Lässigkeit, das Gute zu tun, obwohl es von uns getan werden kann, und dieses Versagen ist Sünde, und ist es umso mehr, wenn neben ihr die kraftvolle Anstrengung steht, zu der der Gewinn uns munter macht. Dem, der nicht weiß, was das Gute ist und wie er es tun kann, weil es ihm an Weisheit fehlt, sagt Jakobus: er bitte Gott, der ihm zeigen wird, was das Gute ist. Ist es uns aber sichtbar und in unser Vermögen hineingerückt, so sind wir verpflichtet, und wenn es dennoch ungetan bleibt, so ist es Schuld. Nun wurde ein großes Geschenk Gottes, eben dies, dass er uns das Gute zeigte, von uns abgelehnt.

Wenn Du willst, Herr, lebe ich, und wenn Du willst, trägt meine Arbeit Frucht. In den natürlichen Dingen muss ich oft warten, bis sich Dein Wille zeigt. Wenn Du mir aber Gutes darreichst, das ich tun kann, dann weiß ich, was Du willst, und habe ein großes Geschenk Deiner Gnade empfangen. Ich will es gern empfangen. Amen.

23. Juli

Ihr sollt nicht Gold noch Silber noch Erz in euren Gürteln haben, auch keine Taschen zur Wegfahrt, auch nicht zwei Röcke, keine Schuhe, auch keinen Stecken; denn ein Arbeiter ist seiner Speise wert. Matthäus 10,9+10

Nichts von dem, was der Blick der Menschen auf sich zieht, gab Jesus seinen Jüngern mit und er hat ihnen verboten, sich irgend etwas als Lohn für ihren Dienst zu verschaffen. Nur, wenn sie nichts besaßen, konnten die Jünger ihren Botendienst ausrichten. Weil sie nichts brachten, wenn sie kamen, und nichts mitnahmen, wenn sie gingen, war der Botschaft Jesu eine deutliche Versichtbarung gegeben. Man sah an der Armut seiner Boten, wovon das Evangelium spricht. Gottes Reich ist nahe, das war die Botschaft dieser Männer, die nichts hatten als ein einziges Kleid. Sie zeigten dadurch: hier wird nicht von Geld und Gut gesprochen, nicht von Glück und Macht, überhaupt nicht von Menschen und seinen Zielen, auch nicht von Juden und seinen Hoffnungen, mit denen er sich die Zukunft seiner Stadt und seines Geschlechts vergoldete. Gottes Reich ist nicht die Herrschaft des Juden und nicht die Verklärung des Menschen; Gottes Reich macht Gott gegenwärtig, bringt sein Gericht und verleiht seine Gnade. Neben diesem Ziel fällt jedes andere Anliegen dahin. Da verliert Gold und Silber allen Wert. Was liegt noch daran, ob der Apostel Schuhe oder einen Stecken habe? Gottes Reich löst den Blick von diesen Kleinigkeiten ab und erweckt in der Seele ein einziges Trachten, das, das nach Gottes Gerechtigkeit und Gnade begehrt. So brachten die Jünger das Wort Jesu zu allen. Für sie war kein Haus zu vornehm und keines zu ärmlich. Sie waren ja weder reich noch arm, sondern standen über diesem Gegensatz, der unsere Gemeinschaft zerreißt. Der Riss, den dieser Unterschied damals in der Judenschaft stiftete, war sehr tief. Ein Evangelium für die Reichen hätte die Armen gegen sich gehabt, und ebenso hätte sich jeder, der etwas besaß, von bettelnden Evangelisten abgewandt. Die Jünger Jesu waren weder Bettler, die an ihrer Armut leiden, noch Streber, die Gewinn suchen, sondern Arbeiter, die nicht mehr begehrten als ihre Nahrung, an die sie um ihres Dienstes willen ein Anrecht haben. So räumten sie, so gut als sie konnten, die Hindernisse weg, die der Judenschaft den Anschluss an Jesus schwer machten. Der grimmige Arme, der dem Reichen fluchte, sah hier eine Armut, die ihn nicht verdarb, und der üppige Reiche, der unglücklich war, wenn ihm nicht jeder Tag ein Festmahl brachte, sah hier einen Reichtum, der nicht verdarb, sondern frei machte. Denn Gottes Reich tut sich für beide auf.

Deine gütige Hand, Vater, gab mir vieles; so will ich es auch verwalten nach Deinem Gebot. Aber darum bitte ich Dich, gib mir an meinem Ort Anteil an der Freiheit Deiner Jünger. Würde ich meiner Habe wegen dich verlieren, weil ich zum Knecht meines Vermögens würde, das wäre, Vater, dein Gericht, das ich fürchte. Mein Schutz ist dein Wort, durch das wir zur Freiheit berufen sind. Amen.

24. Juli

Sintemal ihr den zum Vater anruft, der ohne Ansehen der Person richtet nach eines jeglichen Werk, so führet euren Wandel, so lange ihr hier wallet, mit Furcht. 1. Petrus 1,17

Günstlinge hat Gott keine; dagegen hat er Kinder. Weil wir Kinder sind, muss uns mit Ernst gesagt werden, dass wir deshalb nicht Gottes Günstlinge sind und nicht auf seine Parteilichkeit rechnen können, weil auch wir unter seinem Urteil stehen, das einzig von der Wahrheit seine Regel bekommt. Ihn Vater nennen zu können, das ist der Inbegriff aller uns gewährten Gnade, das Tiefste und Höchste, was uns gegeben ist. Das stellt uns vor Gott als die Glaubenden. Aber eben deshalb, weil wir glauben, muss uns gesagt werden, dass wir Gott zu fürchten haben. Der Glaube und die Furcht sind beisammen, weil Gott zugleich unser Vater und unser Richter ist. Wäre er nur unser Vater, so fiele die Furcht Gottes von uns ab; wäre er nur unser Richter, so wäre uns der Glaube genommen. Weil wir ihn aber als unseren Vater und unseren Richter kennen, gibt es für uns keinen trotzigen, furchtlosen Glauben, wie ihn der hat, der sich als Gottes Günstling fühlt, aber ebensowenig eine glaubenslos verzagende Furcht. Petrus gibt uns das Maß an, mit dem wir unseren Glauben und unsere Furcht richtig machen und erkennen können, ob sie fromm oder gottlos sind. Sowohl der furchtlose Glaube als auch die glaubenslose Furcht haben nicht Gott vor Augen. Wir haben Gott nur dann erkannt, wenn wir den als den Richter fürchten, der unser Vater ist, und den als unseren Vater preisen, der unser Richter ist. Rufen wir ihn als den Vater an, so preisen wir die Gnade, die uns jetzt schon gegeben ist. Unser Vater ist er, weil wir durch ihn und bei ihm leben. Nennen wir ihn unseren Richter, so denken wir an das, was kommen wird, und sehen auf das Ziel hinaus, zu dem uns seine väterliche Gnade führen wird. Jetzt, sagt Petrus, „wallen wir“. Diese Wallfahrt und Pilgerschaft endet in der zukünftigen Stadt Gottes, die uns die ewige Heimat und das Bürgerrecht gewähren wird. Unter der Menschheit, wie sie jetzt ist, steht die Christenheit als eine ihr fremde und von ihr abgesonderte Schar, die nicht aus demselben Stamm erwächst und nicht derselben Sitte gehorcht. Das ist aber nicht das Letzte, was Gott schaffen wird. Weil wir Gott als Vater anrufen dürfen, hat er uns verheißen, dass die Gottesstadt uns ihre Tore öffne. Sie führt die Kinder Gottes nicht nur zusammen, sondern auch zu ihm. Ihre Tore sind aber für den verschlossen, der Gottes Urteil wider sich hat. An unserem Werk entscheidet sich der Ausgang unseres Lebens. Durch das boshafte Werk verschließt sich der Mensch die Gottesstadt. Sie ist für diejenigen Kinder Gottes bereitet, die mit ihrem guten Werk dem Vater dienen. Darin offenbart sich die reine Art der göttlichen Gnade, die sie von Willkür und parteiischer Gunst gänzlich verschieden macht.

Das Fremdsein in der Welt macht uns, Vater, manche Not; aber der Blick auf das Ziel, das Du uns bereitet hast, gibt uns Kraft. Ich kann mein Werk nur tun, weil ich Dir glaube und kann Dir nur glauben, weil ich mich vor Sünde und Fall fürchte. Gib mir, dass ich in Wahrheit Dich Vater nenne und in Wahrheit das Werk vollbringe, das Du, Richter aller Geister, von mir verlangst. Amen.

25. Juli

Wenn ihr um Wohltat leidet und erduldet, das ist Gnade bei Gott. Denn dazu seid ihr berufen. 1.Petrus 2,20+21

Für Petrus gab es in der Menschheit keinen finsteren Winkel mehr; auch am dunkelsten, scheußlichsten Ort wurde es Tag, weil auch dort die göttliche Gnade offenbar wird. Eine römische Sklavenkaserne war ein dunkler Winkel. Die, die dort zusammengepfercht hausten, waren völlig rechtlos und ohne Schutz dem brutalen Eigennutz ihres Herrn preisgegeben. Einem Christen, der in solcher Umgebung leben musste, wurde schmerzhaftes Leiden reichlich zuteil. Denn die Bosheit seines Herrn fand bei denen, die hier verkamen, willige Gehilfen. War nicht die Lage der Christen noch peinlicher geworden, als sie es schon vorher war? Sie litten um der Wohltat willen, weil sie gütig handelten. Wie heftig empören wir uns, wenn uns das Leiden deshalb auferlegt wird, weil wir das Gute tun! Das Antlitz des Menschen ist schon dann hässlich verzerrt, wenn er ohne Grund grausam ist, und vollends, wenn ihn die Güte des anderen grausam macht. Aber auch Gottes Angesicht wird uns, wenn wir unschuldig leiden, leicht verdunkelt. Entsteht nicht ein Riss in Gottes Weltordnung, wenn aus der Wohltat die Pein entsteht? Wo bleibt seine Gerechtigkeit? Hoffen wir denn vergeblich auf seinen Schutz, wenn er dann ausbleibt, wenn wir das Gute tun? Jetzt, sagt Petrus, wird Gottes Gnade an euch offenbar und ihr empfangt, was seine gebende Hand euch schenkt und sein Ruf euch verliehen hat, durch den er euch seine Gemeinschaft gab. Wohltun dürfen, Wohltun können, das ist zweifellos Gnade. Wie sollte ich es können, hätte mir nicht Gott seinen guten Willen gezeigt und ihn zur wirksamen Macht in meinem Herzen gemacht? Dass ich wohltun kann, ist die Gabe, die sein Wort mir brachte, und sein Wort, das zu mir kam, ist der Zeuge seiner Gnade und ist mir von dem gesagt, den seine Gnade uns gegeben hat. Durch Christus sind wir Berufene und durch ihn zum Wohltun gebracht. Kann ich nicht wohltun, ohne zum Leiden bereit zu sein, so wird dadurch mein Wohltun nicht geringer. So wird es vielmehr bewährt und gestärkt. Dadurch tritt ans Licht, dass ich wirklich unfähig bin, übel zu tun, und ernsthaft den Willen Gottes will und ihm in der Tat gehorche. Tritt ein, was ich ahnte, kommt die Pein, doch so, dass sie mich nicht beugt und zum Weichen zwingt, sondern standhaft erduldet wird, dann ist Gottes Gnade an mir groß geworden. Den Willen, um Gottes willen zu leiden, finde ich nicht bei mir selbst; er ist ein Geschenk. Nimmt er mein zagendes, vom Schmerz verwundetes Herz in seine Hand, dann halte ich standhaft aus. Darf ich auf solche Gnade hoffen und sie für mich erbitten? Sieh auf Jesus, sagt Petrus; an ihm siehst du, wozu dich Gottes Gnade berufen hat.

Wir empfangen, Vater, Deine Gnade, nicht nur am hellen, sondern auch am dunklen Tag, nicht nur in dem, was uns erquickt, sondern auch in dem, was uns schmerzt. Menschenhand kann bitter wehtun. Aber dein Lob kann sie mir nicht stören. Denn dein Licht scheint auch am finstersten Ort. Amen.

26. Juli

Ihr esset nun oder trinket oder was ihr tut, so tut es alles zu Gottes Ehre. 1.Korinther 10,31

Alles zeigt mir, wie groß und gnädig Gott ist. Darum kann ich auch alles so tun, dass Gottes Größe dadurch sichtbar wird und Gottes Glanz auf allem liegt und Gottes Lob aus allem entsteht. Ist es wirklich so? Kann ich mit allem Gott ehren? Mit einem Stück meines Lebens kann ich Gott nicht preisen. Greift er nach mir, so erfasst er mich ganz und macht mich mit allem, was ich bin und tue, ihm untertan. Das ist in allem Gottes Merkmal, dass er da, wo er offenbar wird, alles ist. Wenn mein Leben Gottes Gnade sichtbar macht, dann geschieht es durch alles, was es in sich hat. Wo fände ich denn etwas, was nur mir gehörte, womit ich zeigen könnte, wie reich, klug und groß ich bin? Vor allem, was ich tue, steht, was ich empfangen habe. Ich kann nur handeln, weil ich lebe, und dass ich lebe, ist nicht mein Werk, sondern Gottes Gabe. Meinen natürlichen Besitz habe nicht ich gemacht und ebensowenig mein geistiges Eigentum. Meinen Christenstand empfing ich und mein Amt und Dienst ist mir zugeteilt. Ich bin mit allem, was ich tue, nur der Verwalter, der fremdes, nämlich Gottes Gut fruchtbar macht. Wie kann ich nun mit dem, was nicht mein ist, meinen Ruhm herstellen? Das ist der Raub an Gott, den Jesus keinem zulässt, der ihm gehört. Was von Gott kommt, muss sein eigen bleiben und das, was er mir gab, zum Opfer werden, das seinen Ruhm vermehrt. Bin ich für diesen Beruf nicht zu klein? Würde ich nicht Jesus kennen, so wäre mir diese Frage wohl zu schwer, so dass sie mich zu schweigen zwänge. Weil aber Jesus zu uns kam, wissen wir, dass Gott sich dem Kleinen gibt, weil er klein ist, und dem Armen sein Reich aufschließt, weil er arm ist. Nun gibt es kein Gärtchen, das zu klein wäre, als dass das Senfkorn des göttlichen Reichs in ihm Platz hätte, wie es auch keine Mehlmasse gibt, die sein Sauerteig nicht zu durchdringen vermöchte. In jedem Leben hat Gottes ganze Gnade Raum, und es gibt kein Herz, sei es noch so eng, in das nicht Gottes Licht hineintreten kann. Gerade so, dass seine Gnade an uns Kleinen in unserem kleinen Vermögen und kleinen Wirken sichtbar wird, entsteht Gottes großer Ruhm. Soll ich vom Natürlichen, vom Essen und Trinken, von dem Paulus spricht, sagen, es sei für Gottes Ehrung zu klein? Alles Natürliche hat die Wunder in sich, die dem, was geschaffen ist, eingepflanzt sind, und nie tritt das Natürliche für sich an mir hervor, von dem getrennt, was in mir ist. Vom Essen und Trinken sprach Paulus mit den Korinthern, weil sie sich im griechischen Leben frei bewegten und auch an der festlichen Tafel der Griechen Platz nahmen. Esst und trinkt, sagt ihnen Paulus, aber nicht dazu, damit ihr eure Freiheit zur Schau stellt oder gar nur das tut, was die Tiere tun. Esst und trinkt, damit Gottes Gnade strahlend glänze, die euch das Leben gibt und euch in die Freiheit stellt, nicht zu eurer Verherrlichung und Beglückung, sondern zu seinem Ruhm.

Einiger Gott und Vater, aus dem alles ist und wir zu Dir, geheiligt werde Dein Name. Heilig und Dein eigen alles, was Du mir gegeben hast. Einiger Herr Jesus Christus, durch Den alles ist und wir zu Dir, vergib mir den Missbrauch deiner Gaben, mit denen ich mir meine eigene Größe bereite, sei und mache mich Dir in allem untertan, damit die Frucht meines Lebens Deine Ehre sei. Amen.

27. Juli

Habt nicht lieb die Welt noch was in der Welt ist. So jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. Denn alles, was in der Welt ist, nämlich des Fleisches Lust und der Augen Lust und hoffärtiges Leben, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt. 1. Johannes 2,15+16

Die Welt imponiert; sie bringt den Eindruck hervor, sie sei stark. Dieser Eindruck entsteht aus der fest geschlossenen Eintracht, die das Leben aller gleichförmig macht. Ob wir in Deutschland, England oder Amerika oder auch in Tokio oder Konstantinopel leben, überall hat das Leben dasselbe Gepräge. Dieselben Triebe wirken sich überall aus; dieselben Güter füllen die Märkte und dieselben unterschiedlichen Gesetze regieren alle. Wer in der Welt lebt, ist überall daheim. Diese Eintracht unterstützt sie in ihrer arbeitsamen Regsamkeit. Eine Fülle von Kräften ist in Bewegung. Jeder tummelt sich, erwirbt, genießt, kämpft und gewinnt. Die Ergebnisse dieser Anstrengungen ragen sichtbar in die Höhe. Wir heißen diesen Turmbau unsere „Kultur“. Die Warnung des Apostels hat also guten Grund; habe sie nicht lieb, schätze sie nicht, gönne ihr keine Verehrung und Bewunderung. Kann ich aber dem Apostel gehorchen, ohne zu vergessen, dass Gott mir den Menschen deshalb zum Nächsten macht, damit ich ihn lieb habe? Hier entsteht keinerlei Schwierigkeit oder Not. Nie werde ich den Nächsten lieb haben, wenn ich die Welt lieb habe. Freilich besteht die Welt aus nichts anderem als aus den Menschen. Was sie aber zur Welt macht, ist nicht das, was jeder Mensch in sich selber ist, sondern unser gemeinsames Leben, das uns aneinander bindet und einander gleichförmig macht, macht aus uns die Welt. In diesem gesellschaftlichen, gemeinsamen Leben kommt aber gerade das nicht zur Geltung, was Gott mich am Nächsten lieben heißt. Wo sitzt die Wurzel für die ganze imponierende Arbeitsamkeit der Welt mit ihren glänzenden Erträgen? Das Fleisch ist begehrlich; damit es erhalte, wonach es verlangt, muss sich jedermann fleißig regen. Die Augen werden nicht satt und begehren immer nach neuem Schauspiel und die Leere des inneren Lebens zwingt zur prunkenden Schaustellung, durch die die Hohlheit des Daseins überkleidet wird. Das ist, sagt Johannes, nicht vom Vater, und wie kann ich werthalten und begehren, was nicht vom Vater ist? Habe ich nicht als Gottes Geschöpf den Leib und die Augen und die Mitgliedschaft im menschlichen Verband, die mir die Ehre unentbehrlich macht? Aber die verzehrende Glut der Begehrung und die nimmersatte Unruhe der Augen und die Verkehrung der Ehre in prahlende Eitelkeit, das stammt nicht vom Vater und trägt nicht Gottes Bild. Darum hüte deine Liebe. Gib sie dem, was vom Vater stammt, und wie vieles habe ich um mich, was ich lieben darf und soll, weil es vom Vater stammt!

Vom Hassen, lieber Herr, hast Du mich frei gemacht. Zum Richten hast Du mich nicht berufen und machst mich nicht zum Zerstörer der Welt. Aber meine Liebe hast Du an Dich gebunden. Dir gehört sie ganz und allem, was Dein ist, allem, was die Herrlichkeit Deines Schaffens zeigt, allem, was aus der Fülle Deiner Gnade stammt. Wie reich machst Du unsere Liebe, wieviel Arbeit gibst Du ihr. Dafür danke ich Dir. Amen.

28. Juli

Wir vielen sind ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des anderen Glied. Römer 12,5

Merk auf! Hier wird dir etwas gesagt, was gewaltig in die Höhe steigt! Ein Glied sein heißt ein eigenes Leben haben. Wenn ein Glied nicht mehr seine ganze Funktion nach seinem eigenen Gesetz vollzieht, wird es für den Leib unnütz und zum gefährlichen Herd um sich greifender Erkrankung. Ich darf nirgends nur mitlaufen, nirgends nur nachmachen, nie gegen meinen eigenen Glaubensstand untreu sein. Denn ich bin Glied, und ein Glied muss das besorgen, was ihm als sein Anteil am Leben des Leibes zugewiesen ist. Ich bin Glied, das heißt aber weiter, ich bin in den Leib hineingestellt. Was das Glied an Nahrung und Kräftigung empfängt, das stammt nicht aus ihm selbst, sondern kommt von den anderen, und was es leistet, das dient nicht bloß ihm, sondern den anderen. Gerade dadurch, dass es sein Eigenleben hat, steht es in der empfangenden und gebenden Gemeinschaft mit den anderen. Dies gilt ausnahmslos von uns allen. Jeder, der zum Leib gehört, ist Glied für die anderen. Es gibt keinen, der den Zweck seines Lebens in sich selbst finden könnte, wie es auch keinen gibt, der den Grund seines Lebens in sich selber hat. Es wird uns aber beides schwer, sowohl das Empfangen als auch das Geben. Es ist schwer zu lernen, weil meine eigenen Gedanken mir lieb sind; aber es ist auch schwer zu lehren, das Wort so zu fassen, dass es nicht verwirrt und stört, sondern hilft. Es ist nicht leicht, sich helfen zu lassen; geht nicht jede Arbeit leichter voran, wenn sie nur in einer Hand liegt? Es ist aber auch schwer, den anderen zu helfen und sich so in ihre Arbeit einzuordnen, dass sie von mir gefördert wird. Aber die Frage, ob es schwer oder leicht sei, was ich als Glied zu tun habe, hat gar keine Bedeutung. Christus macht aus uns den einen, zusammengewachsenen Leib. Da gibt es nichts zu ändern und nichts zu wünschen. Durch einander und für einander leben wir, weil wir durch Christus und für Christus leben. Darum ist alles, was den anderen gegeben ist, auch für mich Gewinn, und alles, was mein eigen ist, auch zum Heil der anderen da. Damit endet alles Erwägen, ob die Gemeinschaft schwer oder leicht, mehr Hemmung oder mehr Förderung sei. Sie ist da und ich bin in sie hineingesetzt, so gewiss ich das empfangen habe, was von Christus stammt.

Mit Deiner Hilfe, lieber Herr, weise ich meine eigensüchtigen Wünsche weg, die sich nur um mich selber drehen. Höre ich auf mich, so sollen wohl die anderen mir mancherlei geben, allein keinen Anspruch auf mich haben. Das verstößt gegen Dein gnädiges Werk, durch das Du Deinen Leib bereitest, der Dein eigen ist als von Dir regiert. Glied im Leib, das ist mein Ort, ein herrlicher Ort, das sichtbare Wahrzeichen Deiner Heilandsmacht. Amen.

29. Juli

Lasset die Kindlein zu mir kommen. Wehret ihnen nicht. Denn solcher ist das Himmelreich. Markus 10,14

Da Jesus vom Himmelreich spricht, versinkt alle menschliche Größe, auch alle apostolische Erhabenheit mit dem herrlichen Bewusstsein der besonderen Sendung und dem Hochgefühl der mannhaften Liebe, die zu jeder Leistung und zu jedem Leiden fähig ist. Himmelreich, das wird nicht erarbeitet und errungen und nicht durch Menschenhand aufgebaut. Das Himmelreich ist Gottes schaffende Gnade, Gottes strömendes Geben, Gottes den Menschen zu sich holender Griff. Warum gibt es Gott den Kindern? Weil sie Kinder sind, Menschlein. Diese Menschlein beschenkt, beschützt und regiert er deshalb, weil sie Menschlein sind. Kleine Menschlein sind sie, sind aber dadurch von Gott nicht weiter entfernt als die hohen Apostel. Vielmehr steht der Mensch, wenn er in seinen Augen groß geworden ist, in der Gefahr, dass er fern von Gott ist. Denn Gott zerbricht die Größe, die der Mensch sich gibt. Die Kinder sind noch unfähig zum Glauben; denn sie können noch nicht hören und verstehen. Meine ich etwa, dass mein Glaube Gottes Reich an mich ziehe? Sei kein Narr! Nicht dein Glaube gibt Gott sein Reich, sondern sein Reich gibt dir deinen Glauben. Die Kinder werden noch sündigen. O ja! Was aus ihren Herzen kommt, macht sie gemein. Aber wie sieht es mit meinem reif und reich und groß gewordenen Herzen? Was kommt dort heraus? Meine ich, das Lamm Gottes trage zwar die Sünde der alten Männer und Weiber weg, aber nicht die der Kinder? Solche Blindheit zeigten die Jünger, als sie meinten, Kinder seien für Jesus keine passende Gesellschaft, und solche Blindheit zeigte die Christenheit, als sie sich über die Kinder- oder Glaubenstaufe stritt. Beide Teile, ob wir Gottes Reich in unsere Gläubigkeit oder in das Taufwasser einfassen wollen, wissen nicht, was Gottes Reich ist. Dazu ist aber Jesus gekommen, damit wir sehen und begreifen, was Gottes Reich, Gottes Herrschaft, Gottes uns begabende Gnade sei.

Hättest Du, Herr Jesus, vor Gottes Reich eine Schranke aufgerichtet, so käme niemand hinein. Ich bin in Gottes Reich und Gnade nur deshalb, weil Du auch die Kinder in Gottes Reich hineingestellt hast. Weil Du der Heiland der Kinder bist, bist Du auch der meine. Sei hochgelobt in Ewigkeit. Amen.

30. Juli

Als der König anfing zu rechnen, da kam ihm einer vor, der war ihm zehntausend Pfund schuldig. Matthäus 18,24

Jesus spricht hier nicht mit einem Zöllner oder einer Dirne, sondern mit Petrus und seinen anderen Jüngern. Der König rechnet hier mit seinen Knechten, nicht mit seinen Feinden, mit dem, der ihm diente, nicht mit dem, der ihm entlief. Petrus zeigt er seine riesengroße Schuld, der Christenheit zeigt er sie, mir zeigt er sie. Schuld entsteht da, wo Pflicht ist. Pflicht entsteht da, wo Liebe und Gabe empfangen sind. Das war die Lage des Petrus und ist die der Christenheit. Sie hat Gottes Gabe empfangen; deshalb ist sie verpflichtet und deshalb ist ihr Verhalten Schuld. Wie entsteht die Schuld? Nicht verstandenes und unbeachtetes Wort, unbenutzte, nicht gebrauchte Kraft, Erkenntnis ohne Glauben, Glaube ohne Werke, Dienst ohne Liebe, das ist Schuld. Zu viel Erkenntnis haben, zu viel, weil unser Verhalten ihr widerspricht, zu viel Glauben haben, zu viel, weil wir ungläubig handeln, zuviel Geist Gottes haben, zu viel, weil wir ihm nicht gehorchen, das ist unsere Schuld. Sie entsteht nicht aus unserer Armut, sondern aus unserem Reichtum, nicht aus unserer Unwissenheit, sondern aus unserer Erkenntnis, nicht aus dem, was uns fehlt, sondern aus dem, was uns gegeben ist, nicht aus unserer natürlichen Art, sondern aus unserem Christenstand. Ist sie wirklich riesengroß? Jesus hat recht, tausendmal recht, wenn er von zehntausend Talenten redet, die der Knecht dem König schuldig blieb. Wie könnte ich Jesus widersprechen, wenn ich mein Gebet ansehe, wie zerstreut es ist, oder meinen Glauben beschaue, wie schwer es mir wird, mich an Gott zu erinnern, oder meine Liebe betrachte, wie kalt und träge sie bleibt? Ich muss nicht erst auf die anderen sehen, um mir an ihnen das Urteil Jesu zu verdeutlichen, muss nicht erst erwägen, was in unseren Kirchen geschieht, wenn wir zum Gottesdienst beisammen sind, was unser Singen, Beten und Predigen wert ist. Ich finde in mir selbst den Beweis für das Urteil Jesu und kann ihm nur sagen: Du bist gerecht, wenn du richtest. Legt das aber nicht auf Petrus einen Druck, der ihn in seinem apostolischen Wirken lähmen muss, wenn die zehntausend Talente, die nicht bezahlten und nie bezahlbaren, vor ihm stehen und er weiß: ich bin und bleibe ein Schuldner? So macht ihn Jesus fähig zu seinem Dienst. Denn als der Knecht den König bat, erließ er ihm seine ganze Schuld, weil er ihn bat. Nun weiß Petrus und ich weiß es auch, was Vergeben ist. Nun kann er vergeben, und wenn er das nicht könnte, wäre er nicht brauchbar für Jesu Dienst.

Nach Deinem Willen, Herr, bitte ich: Vergib uns unsere Schulden, wie wir vergeben unseren Schuldnern. Ich dürfte nicht so beten, wenn Du es nicht gebötest. Dein Gebot ist in seiner Gnade göttlich groß und wunderbar. Du vergibst uns unsere Schulden, damit wir Dich fürchten. Amen.

31. Juli

Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt? Und die Ehre, die von Gott allein ist, sucht ihr nicht. Johannes 5,44

Wo hast du deine Ehre? Fragt mich Jesus. Wer soll sie mir geben, wenn nicht die anderen? In der Gesellschaft entsteht die Ehre. Der eine reicht sie dem anderen dar, und ihr Wert besteht darin, dass sie mir in der Gesellschaft meinen Platz sichert. Je größer meine Ehre wird, um so größer sind die Gewinne, die mir die Gemeinschaft verschafft. Geht sie mir verloren, so bin ich aus ihr ausgestoßen und all der unentbehrlichen Hilfen beraubt, die mir einzig die Gemeinschaft geben kann. Wie soll ich also anderswo die Ehre suchen, da sie im Verkehr mit den Menschen ihren Grund und ihren Wert besitzt? So kannst du nicht glauben, sagt mir der Herr. Da, wo du deine Ehre suchst, liegt das Ziel deines Lebens. Suchst du sie bei den Menschen, so lebst du für die Menschen, machst ihre Meinung zu deinem Gesetz und ihren Willen zu deinem Herrn, und das wird nicht anders, auch wenn du die Menschen verachtest und ihre Meinungen als Narrheit schiltst. Solange du ihre Ehrung nicht entbehren kannst, bist du ihnen untertan. Du kannst aber nur dann für die Menschen leben, wenn du für dich selber lebst. Wo ist nun dein Gott? Du hast ihn vergessen und verloren. Trätest du zu ihm, wie könntest du dann noch nach der Ehre bei den Menschen greifen? Dann gäbe es für dich ein anderes Anliegen, ein höheres Ziel, nämlich Gottes Ehre, die Ehre, die Gott dir gibt und die du ihm darbringen darfst, indem du ihm dienst. Das ist klar, dass ich nicht glauben kann, wenn ich Gott verachte. Das Wort Jesu geht nur dann in mich hinein und wird nur dann mein Eigentum, wenn es die Gewissheit Gottes in mir erweckt und mich zu ihm hin wendet. Ich kann nur Gott ein Ja darbringen, das keinen Riss in sich hat, das über allen Dunkelheiten als Gewissheit steht und mein ganzes Denken und Tun durchdringt. Wenn die Ehre der Menschen mein Maßstab ist, ist nie Gott der, an den ich mich halte, ist es nicht die Wahrheit, mit der ich mich einige, weil sie wahr ist, ist es nicht die Gerechtigkeit, die ich liebe, weil sie gerecht ist. Dies alles hat ja nur so weit für mich Wert, als es mir bei den Menschen Ehrung erwirbt. Denn ich habe mein Leben auf das gestellt, was ihre Gemeinschaft mir gibt. Wenn mir aber Gottes Gabe in ihrer Herrlichkeit und Fülle sichtbar geworden ist, dann habe ich einen Besitz und eine Ehre empfangen, die alles Menschliche weit überragt. Bin ich nun einsam geworden und aus der Gemeinschaft mit den anderen herausgerissen? Nein; ich bleibe in sie hineingestellt, nun aber als ein freier Mann. Immer hat das Wort Jesu dieselbe Entschiedenheit, die auf die letzte alles erfassende Entschließung drängt. Ihr könnt nicht zwei Herren dienen, sagt er uns. Ihr dient entweder eurem Besitz oder ihr dient Gott; ihr sucht entweder die Ehre der Menschen oder die Gottes. Begehre das, was Gottes ist, sagt er mir, nicht mit halbem Herzen, sondern ganz.

Menschendienst, lieber Gott, ist ein harter Dienst und Menschenehre eine schwere Kette. Gepriesen sei Deine Gnade, die uns in die Freiheit führt. Sammle meine Seele in ein einziges Verlangen, das nach dem begehrt, was Deine Herrlichkeit offenbart. Amen.

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autoren/s/schlatter_a/juli.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
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